Beiträge von Hephitios

    Hephitios gefiel es über das Forum Romanum langsam in Richtung des alten Rindermarktes am Tiber zu schlendern. Hier direkt in der Nähe beider Foren befand sich auch der Sklavenmarkt, an dem er vor gar nicht allzu langer Zeit verkauft worden war. Dieser Gedanke versetzte ihm immer noch einen leichten Stich ins Herz.


    Doch welch geschäftiges Treiben hier nur herrschte! Am Forum Romanum selbst waren fast alle Marktstände mit Ausnahme der einen oder anderen Imbissbude am Platzrand zwar schon seit langem verbannt, doch Hephitios ergötzte sich am Anblick von all den kleinen Gruppen, die da über das Forum schlenderten.
    Zwei Männer z.B. sah er auf den Stufen der Basilica Iulia Würfelspielen. Oder der eine hochrangige Senator dort hinten, der ganz selbstgefällig in seiner toga praetexta über die Marmorplatten stolzierte, gefolgt von einem ganzen Schwarm von Klienten. Besonders faszinierend fand Hephitios die zwei oder drei Redner, die sich alle eine kleine Ecke des Forums gesichert hatten und die Leute darüber aufklärten, was ihrer Meinung nach alles falsch laufe im heutigen Rom. Frauen waren nur wenige zu sehen, doch ganz hinten bei der Curia Iulia sah Hephitios zwei beisammenstehen und die Köpfe zusammenstecken.
    Ja Rom war für ihn wirklich zur tollsten Stadt der Welt geworden! Ganz anders wie Rhodos, die andere einzige "Stadt" die er je in seinem Leben gesehen hatte. Wobei, im Vergleich zu Roma Rhodos nur wie ein kleines Provinznest wirkte. War es das am Ende nicht sogar auch?


    So in Gedanken vertieft folgte Hephitios seiner Herrin zum nahe gelegnenen Forum Boarium.



    Sim-Off:

    das alles bekomen wir am Forum Boarium = all das bekommen wir nur an einem Ort; in der Winkelgasse (Molly Weasly, HP 2) :D :D :D

    Der Sklave nickte und eskortierte Flora gleich sofort von links. So setzte sich der Zug in Bewegung.


    Hephitios sah argwöhnisch jedem Passanten an, der ihnen am Vicus Patricius entgegenkam. Die Subura erschien Hephitios seit Neuestem als ein gefährlich brodelnder Kessel voller Kriminalität.


    Die einen oder anderen Tagelöhner, Unbeschäftigte, oder Besitzlose beäugten die Sänfte neugierig von ihren Plätzen im Schatten von Nebengassen, auf den Stufen von Gebäuden, oder aus den Fenstern ihrer Wohnungen. Natürlich bekam sofort immer das ganze Viertel mit, wenn einer der Reichen und Mächtigen doch so lebensmüde war und einen Gang durch ihr Viertel wagte. Nicht jeder genoss immerhin das Privileg eines Gaius Iulius Caesar, der als Kind in der Subura aufgewachsen und somit ein Teil eben jener Bevölkerung gewesen war. Die Octavier, Iulier, Flavier, Claudier und wie sie nicht alle hießen waren dagegen Fremdkörper für die Plebs.


    Große Anspannung hielt ihn die ganze Zeit über fest. Auch an der Kreuzung zum Argiletum hielt er seine Augen weiterhin offen. Noch hatten sie es nicht ganz geschafft.


    Erst als sie beim Forum Romanum hinaus auf den freien Platz traten und es wieder sehr viel heller und weiter rund um sie war, schnaufte Hephitios durch. Sie hatten es geschafft und waren heil durch die Suburua gekommen.

    Hephitios hatte für diese Bemerkung nur ein schiefes Lächeln übrig.
    Wenn Flora schon Meilen vor sich auf sich aufmerksam machte, indem sie in einer Sänfte, umringt von schlagfertigen Sklaven, durch die Straßen kam, was hatte da dann einfachere Kleidung noch für einen Sinn? Der Tarnung dienten sie auf jeden Fall dann nicht mehr! Doch zu was sonst? Hephitios kam auf keine Antwort. Andererseits, was kümmerte es ihn? Seine Herrin war viel klüger und gewandter innerhalb der Mauern dieser Stadt. Sie würde schon wissen, zu was die einfache Kleidung, gepaart mit Sänfte und Schlägertrupp, nütze wäre.


    So machte Hephitios einfach nur stumm am Absatz Kehrt und eilte durch das Haus, um diesen und jenen Sklaven mitzuteilen, dass die domina auszugehen wünschte. Mithilfe eines alten Hasen (was Sklaven anging) hatte er schnell herausbekommen, wer da immer die Sänften der Herrschaft begleiteten und hatte schon bald die ganze Truppe versammeln können.


    So trat er nach einer Weile wieder zu Flora und sprach: "Die Sänfte ist bereit, du kannst einsteigen, Flora."

    Das war eine gute Frage. Er hatte in Wahrheit keine Ahnung, wie Flora wohl am standesgemäßesten durch die Stadt kommen sollte. Er war ja nur ein armer Fischer. Aber vielleicht stimmte das mit der Sänfte ja und wohlhabende Römer und Römerinnen mussten ab einem gewissen Wohlstand mit der Sänfte reisen? Wenn das stimmte, dann musste Flora totsicher in eine steigen, reich wie ihre Familie war. Doch Hephitios wusste es nicht.


    So kratzte er sich am Kopf und meinte dann nur: "Ähhm...am besten du nimmst die sicherste Methode. Ich bin nur ein armer Sklave und trotzdem wurde ich alleine diesen Vormittag heute schon einmal angerempelt, ausgeraubt und sonstwie schikaniert. Ich hätte alle Hände voll zu tun, wenn das auch dir zustoßen würde!"


    Hephitios musste in den nächsten Tagen unbedingt herausbekommen, wie andere wohlhabende Römerinnen in der Stadt umherkamen! "Das Problem ist, dass die Casa Octavia direkt am Stadtrand liegt und man immer durch die Subura muss, wenn man ins Zentrum zu den Märkten will. Ich weiß nicht, wie macht ihr das sonst immer, dass ihr da durchkommt, ohne von den Armen überfallen zu werden?" Mochte er auch noch nicht so lange in Rom verweilen, die Subura hatte Hephitios schon zur Genüge kennengelernt!

    Es war auch weiterhin ein schöner Tag gewesen, an dem Hephitios seiner Kyria Gesellschaft geleistet hatte. Als Flora dann die Idee hatte, auf Roms Märkten ein wenig zu stöbern und zu sehen, was es dort wohl so alles gab, war Hephitios sofort Feuer und Flamme dafür.


    "Gerne begleite ich dich! Wo soll's denn hingehen? Rom ist eine schöne Stadt und ich freue mich schon auf den Tag, wo ich sagen kann, ich habe alles in ihr gesehen. Hoffentlich möge dieser Tag nicht allzu bald kommen!" Er schmunzelte ein wenig.


    "Soll ich auch Ada oder jemand anderem Bescheid sagen?" Hephitios fragte das vorsichtshalber, immerhin konnte es ja gut möglich sein, dass Flora auch ihre Leibsklavin dabei haben wollte.

    Einen Moment sah er sie an. Dann: "Wie du wünschst Flora, ich bewahre die Schriftrolle gerne für dich auf." Leihen war was anderes, als schenken. Das konnte er annehmen.

    Hephitios war völlig sprachlos. "D-Das kann ich nicht annehmen, Flora!" sagte er entgeistert "Das geht nicht. Es war das erste Andenken für dich aus Griechenland, außerdem; ist dann nicht deine eigene Sammlung der Ilias unvollständig, wenn dir der gesamte erste Gesang fehlt? Tut mir leid, aber der Anstand gebietet mir, dieses Geschenk abzulehnen."


    Ganz schön keck für einen Sklaven, dachte er so bei sich, doch was sein musste, musste sein. Dieses Geschenk war eindeutig zu wertvoll und außerdem wollte er wie gesagt Flora ihre Sammlung der Ilias nicht ruinieren. Gerade der wichtigste Teil war ja der erste Gesang, enthielt er ja den Anfang des Epos.

    Hephitios hatte nicht bemerkt, dass Flora mitsprach, zu sehr war er in sich vertieft und hielt die ganze Zeit über die Augen geschlossen. Das war einer der Tricks gewesen, die ihm der Geschichtenerzähler gezeigt hatte. Er stockte am Anfang noch etwas, doch je mehr er die Ilias vortrug, desto flüssiger und leichter fiel es ihm wieder und all die wunderschönen Verse stellten sich in ihm wieder wie von selbst ein. Als ob sie nach Jahren nur darauf gewartet hätten, endlich wieder einmal laut gehört zu werden.


    So rezitierte er Homers Epos bis zum dreißigsten Vers, ehe er endete und die Augen öffnete. Flora stand direkt vor ihm, vermutlich* immer noch die Verse aufsagend. Jedenfalls war er ganz überrascht, als er sie da plötzlich so vor sich sah und mit welcher Leidenschaft sie nur die Verse aufsagte! Ganz hingerissen lauschte er seiner Herrin. Auch die Götter mussten es sich bestimmt eingestehen. Flora war eine der schönsten Frauen überhaupt.


    Sim-Off:

    * = "Vermutlich" deshalb, weil ihr wisst ja; "Selbstbestimmungsrecht des Spielers/der ID" usw. :D :P

    Freizügige Texte über die Liebe? Das wäre doch was für Hephitios! Doch leider spielte ihm da Flora nicht mit und zog stattdessen eine Schriftrolle mit dem ersten Gesang* der Ilias hervor.


    Die Ilias! Wer kannte die nicht in Griechenland? Hephitios Augen begannen zu leuchten. "Oh, solche Texte hast du? Wie wunderbar! Zufällig kann ich die ganze Ilias rezitieren." Er lachte. Bestimmt hatte das Flora nicht erwartet. "Wundere dich bitte nicht, aber ein alter Geschichtenerzähler zuhause in Rhodos hat mir als Kind einmal gezeigt, wie das geht und mit welchen Gedankenstützen ich mir den ganzen Text merken kann."


    Eben jene Epen, wie die Ilias, oder die Odyssee waren ursprünglich ja eben deshalb in Versen niedergeschrieben worden, damit sich die Menschen den ganzen Text auswendig merken konnten. So sprang Hephitios auf, stellte sich vor Flora in Statur geworfen hin und begann zu rezitieren:


    "Singe den Zorn, oh Göttin, des Peleiaden Achilles,
    Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte
    Und viele tapfere Seelen der Heldensöhne zum Ais
    Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden
    Und dem Gevögel umher...
    "




    Sim-Off:

    Ein Gesang bzw. Buch fand immer genau auf einer ganzen Schriftrolle platz, was bedeutete, dass eine Niederschrift der gesamten Ilias 24 Schriftrollen erforderte. Der Einfachheit halber geh ich deshalb einmal davon aus, dass nur der erste Gesang da am Tisch liegt.

    Nachdem Hephitios' aufwallende Erregung so schnell abgeklungen, wie sie gekommen war, getraute sich der Kerl, wieder zu Flora aufzusehen. Was war nur los mit ihm in letzter Zeit...


    Flora wollte plötzlich wissen, was es mit dem Jungen auf sich hatte. Hephitios hatte keinen Grund es zu verheimlichen. Wozu auch? Doch wie sie es herausfinden wollte, falls er log, fragte er sich schmunzelnd.


    "Nun, auf dem Weg die Straße hinunter, habe ich einmal kurz meinen Geldbeutel verloren, denn sich gleich ein Straßenkind unter den Nagel gerissen hat. Ich hab ihn bloß verfolgt und das Geld zurückgeholt, denn wie hätte ich sonst die Schriftrolle bezahlen sollen?" fragte er heiter. In diesem Moment war es auch für Hephitios fast so, als ob er frei wäre.


    Als er so über die Schriftrolle nachdachte fragte er dann: "Was steht genau in dieser Schriftrolle? Und wie ist es so lesen zu können? Macht es Spaß?" Fischen konnte Hephitios hier in Rom ja schlecht und das Meer zum Schwimmen war kilometerweit weg bei Ostia. Falls er einmal Freizeit haben sollte, musste Hephitios sich neue Beschäftigungen suchen. Lesen erschien ihm da auf einmal ganz interessant zu sein.

    Hungrig griff Hephitios dankend nach den Datteln. Die hatte er sich nach all den Abenteuern in der Stadt redlich verdient!
    Zwischen zwei Bissen brachte er hervor: "Ja, ein Glück, dass das alles genau auf dem Weg liegt, den wir gestern gegangen sind, sonst hätte ich ein wenig länger suchen müssen." Er trank noch einen Schluck Wasser.


    "Als ich den Jungen in die Nebengassen nachjagte, habe ich mich beim Rückweg ein paar mal verlaufen, doch nachdem ich die Hauptstraße wieder hatte ging alles glatt." Hephitios war gerade in Redelaune, wie man unschwer erkennen konnte. Alles war wunderbar.


    Bis Flora dann wieder sentimental wurde und das Hephitios' Stimmung einen kleinen Dämpfer beibrachte. Nun gut, dann erneut durchs ewig gleiche Trauerspiel. "Flora, ich weiß zu schätzen, dass du so denkst und ich kann dir nicht oft genug sagen, wie dankbar ich dir dafür bin. Ehrlich. Und wenn du willst, dass ich selbst denke, dann denke ich natürlich auch wieder selbst, ich mache alles für dich, was du willst. Es freut mich trotzdem, dass ich mich in deinem Besitz zumindest etwas noch wie ein freier Mann fühlen kann, das ist mir auch viel wert."


    Als Flora aufstand, fand er, dass sie sehr schön aussah. Besonders ihre... Hephitios, reiss dich zusammen! Er schüttelte den Kopf und sah schamvoll zu Boden. Nicht nur Flora war es, die ständig in Verlegenheit geriet.

    Hephitios war froh, als er sich endlich wieder setzen konnte. Er war heute Morgen durch halb Rom im Laufschritt geeilt, das machte auch Kraftprotze wie ihn ein wenig lediert. Dankbar griff er zur Karaffe mit Wasser und goss sich etwas in einen bereit gestellten Becher ein, um einen großen Schluck zu machen.


    Als er sich erfrischt hatte, winkte er auf Floras Frage hin ab und sagte bloß: "Alles gut gegangen, keine Angst. Ich habe Rom heute ein wenig besser kennengelernt und bin dir das nächste Mal schon nützlicher bei Botengängen."

    Noch etwas keuchend kam Hephitios von seinem Auftrag zurück, die Schriftrolle fest in seiner Hand. Er war größere Strecken des Rückwegs gerannt, weshalb er auch leicht schwitzte und wieder seine nackten Muskeln unterhalb der Tunikaärmel glänzen ließ.


    Er trat an Flora heran und überreichte ihr die Schriftrolle. "Hier bitte Flora. Die gewünschte Schriftrolle von Catull, so wie du sie wolltest."

    Hephitios war nach jener denkbaren Nacht schon früh auf den Beinen. Er hatte den Auftrag erhalten loszugehen und eine Schriftrolle für seine Herrin, Octavia Flora, bei einem Händler am Argiletum abzuholen, die mit Liebesgedichten und Kleinepen rund um die privat-erotischen Belange mythischer Helden gefüllt war, geschrieben von Catull. Er sollte sich an einen gewissen Gaius Favonius wenden. So nickte Hephitios brav und marschierte zur Vordertür hinaus. Draußen stand schon die Sonne weit am Firmament. Die Vöglein sangen und Hephitios atmete tief durch. Welch ein herrlicher Tag! Und erst die angenehme Kühle! Viel mehr der Mittagshitze vorzuziehen. Kein Wunder, dass sich unten am Forum die Magistrate und Senatoren am liebsten Vormittags um ihre Geschäfte und Gerichte kümmerten, wo man sich noch ausgeschlafen konzentriern konnte, ohne von der Hitze fertig gemacht zu werden. Ganz besonders stolz war Hephitios auch auf seine nagelneue, dunkelgrüne Tunika. Er strich noch einmal über sie und dann setzte er sich in Bewegung.


    Der Sklave wanderte gemächlich den Vicus Patricius hinunter und fühlte sich fast wie ein freier Mann. Die Leute die ihm entgegenkamen, konnten bestimmt unmöglich erkennen, dass er ein Unfreier war. Bestimmt dachten sie sich, dass er ein Peregrinus wäre, trug er ja keine Toga. Das Zeichen eines freien, römischen Bürgers. Viele Entgegenkomende hatten es offenbar nicht eilig. Sie befanden sich immerhin mitten in der Subura. Da saßen an einer Hausecke einige alte Männer beisammen und lästerten über die Jugend, oder dort eilte eine Marktfrau mit einem Gänsekäfig an Hephitios vorbei. Viele verschiedene Gerüche drang in die Nase des Jungen, erzeugt von den vielen Essenständen und Imbissbuden, die seinen Weg säumten. Hephitios' Magen knurrte, doch konnte er sich nichts von all den Leckerein leisten. Er hatte nur das Geld bekommen, was nötig war, damit er die Schriftrolle abholen konnte. Ein großer, fetter Berg von einem Mann rempelte Hephitios plötzlich an. "Hee, pass doch auf!" rief der Fettklops grob und lief weiter. Hephitios rieb sich seine Schulter und blickte dem Grobian böse hinterher. Wenn das nicht einmal römische Höflichkeit war! Beim Zusammenstoß war ihm auch sein Beutel mit Geld abhanden gekommen. Ehe er reagieren konnte, war ein Straßenjunge herbeigeeilt, hatte sich kurz gebückt und den Beutel geschnappt und war schon wieder weg! "Moment! Das ist mein Geld!" rief Hephitios empört und sprang dem kleinen Dieb nach. Hephitios war dank seinem muskulösen Körper in der Theorie schneller, als der Junge, doch kam dieser mit seiner geringen Körpergröße und seiner Ortskenntnis viel besser durch die Menschenmenge. Er hatte alle Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er durfte den Dieb nicht entkommen lassen! Wenn er das Geld nicht wiederbekäme, könnte er die Schriftrolle für seine herrin nicht bezahlen! Was wäre dann nur zu tun? Eilig also folgte er ihm immer tiefer in die Subura hinein. Denn der Junge war flux vom großen Vicus Patricius in die engen Nebengassen abgebogen, sobald er das Geld erhascht hatte. Dort zwischen den hohen Insulae, dem Zeug, wie Fässern, das einfach so auf der Straße herumstand und den vielen Urinpfützen wäre es ein leichtes für ihn zu verschwinden. Hephitios hatte wirklich alle Mühe dran zu bleiben. Der Vorteil war, dass sich hier weniger Leute tummelten, als auf den breiten Hauptstraßen, die das Viertel durchzogen. So kam Hephitios seinem Ziel langsam näher und näher. Der Junge blickte sich ein paar Mal um und sah, dass sein Opfer aufholte und beschleunigte nochmal, doch drei Gassen weiter hatte er ihn endlich! Mit einem Hechtsprung packte er den Jungen und stieß ihn zu Boden. "Hab ich dich!" Hephitios entriss ihm den Geldbeutel. Ihnen direkt gegenüber beobachtete ein verdutztes altes Mütterchen diese makabere Szene. Ein großer Muskelmann rannte einem kleinen, unschuldigen Kind nach und stahl ihm einfach so den Geldbeutel! Einen Moment sahen sich Hephitios und die Alte in die Augen, dann machte der Sklave "PAH!" und schon war das Mütterchen vom Fenster verschwunden. Den Jungen stieß er noch einmal in den Staub und stand dann selbst auf und ging langsam zurück zur Hauptstraße. Der kleine Dieb sah ihn noch einmal mit großen Augen und einer blutigen Nase an und lief dann in die entgegengesetzte Richtung davon.


    Ein Glück, dass er das Geld wiederbeschafft hatte, dachte sich Hephitios. Jetzt konnte er endlich seinen Auftrag zuende bringen. So kam er wieder auf seine Herrin zu denken. Was war nur letzte Nacht geschehen? Die Dinge hatten sich deutlich rasanter entwickelt, als gewöhnlich. Doch zum Glück war es am Ende gut ausgegangen. Niemand hatte etwas von diesem kleinen Intermezzo mitbekommen und alles war wieder in bester Ordnung. War es das wirklich? Jetzt wo Hephitios so darüber nachdachte, glaubte er, dass sich seine Herrin Octavia Flora ein wenig in ihn verliebt hatte. Das schmeichelte ihm ungemein, doch war es auch rechtens? Er wusste es nicht. Er mochte sie sehr und hatte im Laufe des gestrigen Tages auch einen Beschützerinstinkt für sie entwickelt, doch verliebt war er nicht. Das hatte er auch nicht zu sein, rief er sich wieder ins Gedächtnis. Er war immerhin ihr Sklave. Wollte sie etwas von ihm, so würde er es ihr ohne weiteres geben. Das war seine Aufgabe als Unfreier. Endlich erreichte er wieder den Vicus Patricius und wandte sich wieder gen Süden. Doch jetzt erschien die Hauptstraße mit ihrem geschäftigen Treiben der Leute nicht mehr so friedlich und angenehm. Hephitios hielt ständig die Augen nach Dieben, Mördern und anrempelten Fettklopsen offen. Er hatte Bekanntschaft mit der dunkeln Seite der Subura gemacht. War diese doch das Sammelbecken der Armen, Besitzlosen und Bettler. Diebe und Mörder tauchten hier genauso unter wie entflohene Sklaven, oder Revoluzzer. Die besseren Römer wie Senatoren getrauten sich normalerweise niemals in diese Viertel der Armen. Man wollte ja immerhin auch noch den morgigen Tag erleben. Hephitios erreichte die Kreuzung, wo der Vicus Patricius in den Argiletum mündete. Hier in einem der vielen Buchläden der Straße befand sich also dieser Gaius Favonius. Zu dumm nur, dass Hephitios nicht lesen konnte! Seine erste Idee war es, am besten einfach jemanden zu fragen. Doch der angesprochene Mann grinste nur hässlich und kratzte sich sein struppiges Kinn. "Wieviel bezahlst du mir dafür, dass ich es dir verrate?" fragte er. Hephitios merkte schon, dass er bei dem Kerl nicht weit kommen würde. Naja einen Versuch war es wert. Er drehte sich am Absatz um und wanderte den Argiletum weiter hinunter, immer in Richtung Forum Romanum. Im Vorbeigehen hörte er, wie zwei Frauen kicherten. "Und erst diese unanständigen Gedichte! Hast du sie in der Auslage gesehen?" fragte die eine ihre Freundin, eine etwas korpulentere Person. "Du meinst die Verse von Meleagros von Gadara? Oh ja! Was für ein Lüstling dieser Gaius Favonius nur ist, dass er solche Texte verkauft!" Hephitios wurde hellhörig. Gaius Favonius? Ihr Götter! Schnell eilte er zu den Damen und fragte sie: "Salvete die Damen. Entschuldigt mein Lauschen, doch ihr erwähntet Gaius Favonius? Wo finde ich sein Geschäft?" Die beiden Frauen sahen ihn ein wenig verwirrt und argwöhnisch an, doch dann antwortete die Dicke: "Drittes Buchgeschäft links von hier, immer die Straße weiter." "Danke!" schrie Hephitios sie beinahe schon an und lief wie von den Furien verfolgt in die angegebene Richtung davon. Die beiden ratlosen Damen sahen ihn nur kopfschüttelnd hinterher. Ja, heute hatte sich Hephitios bei so manchem Bewohner des Argiletums und der Subura unvergesslich gemacht.


    Endlich fand er den besagten Buchhändler und trat etwas keuchend ein. "Ist das hier der Laden von Gaius Favonius?" fragte er atemlos. Der Verkäufer (ebenfalls ein Sklave) nickte nur gelangweilt, ohne von seiner Tabula aufzusehen. Hephitios trat an das Pult und sagte: "Octavia Flora schickt mich. Ich soll für sie eine Schriftrolle von Catull abholen." Beinahe schon lahm hob der Sklave ihm gegenüber den Kopf und starrte ihn dumpf an. Dann schlurfte er ins Hinterzimmer und erschien nach einer Ewigkeit dann wieder mit einer großen, scheinbar neuen Schriftrolle. "Das macht dann acht Sesterzen." maulte der Sklave. Hephitios bezahlte und nahm die Rolle entgegen. Beim Verlassen des Ladens machte er sofort vorsichtige Blicke nach links und rechts. Jetzt durfte ihm nichts mehr zustoßen! Jedem Passanten ausweichend, arbeitete sich Hephitios die Straße zurück, bis zur Kreuzung in Richtung Casa Octavia. Dann noch den Vicus Patricius wieder hinauf und hinein in die gute Stube. Dort suchte er nach Flora zu allererst in ihrem Cubiculum, ehe er sie im Garten des Anwesens vorfand.

    Hephitios hatte seine Aufgabe erfüllt und seine Herrin wieder glücklich gemacht. "Ich werde dich mit meiner ganzen Kraft vor allem Bösen beschützen, Flora." sprach er erneut.


    Die Frage, ob er die Nacht bei ihr verbringen wolle, klang zunächst verlockend. Doch er wusste, was geschehen würde, wenn er erst in diesem Bett liegen würde. Wenn seine nackte Haut über den Stoff der Tücher rieb. Wenn er die Wärme von Floras Körper spürte. Ihr Seidenkleid möglicherweise dann am Boden liegend. Und er Flora berührte.
    Es war verlockend und wäre eine schöne Abwechslung gewesen, doch: "Flora, wenn du es mir nicht befiehlst, dann muss ich deinen Wunsch ablehnen. Wie würde es aussehen, wenn die Hausgemeinschaft morgen erwachen und mich, den neuen Leibwächter, in deinem Bett vorfinden würden? Was würden sie erst über deine möglicherweise nicht mehr intakte Unschuld sagen? Du hättest Probleme ohnegleichen und ich... ich würde sofort getötet werden. Deshalb, weil es kein Befehl ist, lehne ich es ab. Gute Nacht Flora, schlaf gut." Und mit diesen Worten nickte Hephitios noch einmal und schlüpfte anschließend aus dem Raum.

    Es hatte gewirkt. Flora war wieder glücklich. Er dankte den Göttern, dass er es richtig gemacht hatte. So hielt er sie weiterhin fest, denn das wollte sie ja offensichtlich.


    Und wieder einmal musste er etwas klarstellen: "Flora, du weißt doch, du kannst mich nicht verletzen und ich mache alles was du mir befiehlst. Hab keine Angst, ich diene dir gern." Und das war die Wahrheit.


    Als sie sich so in seinen Armen schmiegte, sah er mit seinem Kopf über ihr ins Leere, als er schlicht antwortete: "Ich kann dir sagen, was ich mache. Ich mache meine Herrin glücklich." Ein wohliges Gefühl durchlief ihn dabei. Nach einer Weile fragte er dann: "Flora, bist du müde? Soll ich dich alleine lassen, damit du schlafen kannst?"

    Als sich Flora in ihrem luftig-seidenen Nachtgewand auf Hephitios Schoß setzte und ihn innig küsste, regte sich nicht nur in seinem inneren Gefühlsleben etwas. Sie schien in seinen Armen glücklich zu sein.


    Doch plötzlich durchlief sie einen fundamentalen Wandel und sprang auf. Sie sei keine gute Herrin usw. rief sie. Hephitios verstand nicht genau, was sie plötzlich hatte. Ganz eindeutig war er im Besitz der liebenswertesten, nettesten und eigenartigsten Domina, die man sich nur denken konnte.


    Was sollte er jetzt tun? Sein übliches Sklavengeleier herunterbeten, das er sich seit seinem Verkauf inzwischen angewöhnt hatte? Nein, das kam Hephitios in diesem Moment nicht richtig vor. Flora brauchte Trost, also würde er für kurze Zeit in die Rolle eines freien Mannes schlüpfen.
    Bestraft konnte er dafür immer noch hinterher werden. Jetzt zählte vor allem das Gemütsleben seiner Herrin.


    So stand er auf und nahm Flora mit seinen festen Oberarmen von hinten in den Arm. Dann sagte er: "Flora glaube mir. Du bist die beste Kyria, die ein Sklave nur haben kann. Du bist immer gut und herzlich, selbst bei Menschen, die du nicht kennst. Wo andere die Peitsche schnalzen lassen, lässt du ein Lachen hören. Wo andere töten, verzeihst du. Glaube mir, niemand kann eine bessere Herrin haben, als deine Unfreien." Den restlichen Teil der üblichen Litanei von wegen, Flora dürfe das, weil er ja ihr Besitz sei und keine Rechte habe und sie ihr Verhalten ihm ggenüber nicht zu rechtfertigen habe, sparte er sich für heute.


    Sie war Römerin und sie war klug. Sie kannte bestimmt auch so ihre Vorrechte.

    Hephitios registrierte in jenem Augenblick, in dem er in die Augen Floras blickte, was sie vorhatte.


    Ganz natürlich öffnete auch er seinen Mund und erwiderte den Kuss.


    Hephitios hatte schon lange kein Mädchen mehr geküsst, doch wusste er im Augenblick des Geschehens gleich wieder, wie es ging.

    Hephitios saß noch, als Flora aufstand und zu ihm ging. Als sie sein Kinn anhob, stand sie über ihm. Hephitios musste von seinem Sitzplatz zu ihr hochsehen. Er blickte ihr ebenfalls in ihre Augen, dann blinzelte er.


    Diese, ihre jetzige Körperberührung, unterschied sich vollkommen von dem vorher Geschehenen. Die Aktion ging nämlich jetzt von Flora, seiner Herrin, aus und somit war alles vollkommen in Ordnung, was sie tat, oder tun wollte. Hephitios' einzige Aufgabe war es zu gehorchen.


    So sah er hoch zu ihr und sprach: "Nein, Flora. Das habe ich nicht." Er sah ihr wieder in die Augen. Sie waren grün. Das hatte er noch nie zuvor bemerkt.

    Flora setzte sich aufs Bett. Ihm wurde ein Sessel weit weg von ihrem Körper angewiesen. Hephitios war das nach all den heutigen nächtlichen Peinlichkeiten seinerseits nur Recht. So konnte er gar nicht erst in Versuchung kommen und... was dachte er da nur!
    Hephitios schüttelte einmal heftig den Kopf.


    Deine Herrin will von dir eine Geschichte hören, also konzentrier dich darauf und NUR darauf! schallt er sich innerlich selbst. So begann Hephitios zu erzählen: "Ich erzähle davon, wie die Sehnsucht in die Welt kam. Vor vielen hundert Jahren, sahen die Menschen noch anders aus. Sie hatten alle jeweils vier Arme und Beine und zwei Köpfe. Dann, eines Tages, schickten die Götter Donner und Blitz vom Himmel, um jeden Menschen in zwei Teile zu zertrennen. Doch die Menschen wollten das nicht. Sie sehnten sich danach, wieder vereint zu sein mit ihrer anderen Hälfte und so begannen sie danach zu suchen. So kam die Sehnsucht nach Liebe in die Welt."


    Hephitios schloss die Geschichte und blickte zu Boden.