Beiträge von Lucius Annaeus Florus Minor

    Edictum Praetoris Urbani

    Hiermit erlasse ich, Lucius Annaeus Florus Minor, gemäss Gesetz und Mos Maiorum das übliche Edictum als Praetor Urbanus, um festzulegen, welche Klagen ich zulassen werde.


    Ich werde alle üblichen Klagen zulassen, mit Ausnahme solcher, die folgende Ziele verfolgen:

    - Auflösung einer nachweislich intakten Ehe durch den Vater der Braut.

    - Einfordern einer ersessenen Manus durch nicht eingehaltenes Trinoctium.


    Insbesondere fordere ich alle Bürger auf, sich bei mir, dem Praetor Urbanus zu melden, um ihr ius trium liberorum zu erhalten, falls sie denken, dass sie die Bedingungen dafür erfüllen.


    Ausserdem werde ich sämtliche Klagen in Bezug auf das römische Bürgerrecht prüfen, die mir eingereicht werden.


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    Mit meiner ganzen Familie war ich heute auf dem Forum, um meinen bisher grössten Schritt im Cursus Honorum zu machen. Es war ein Schritt, der mich definitiv aus dem Schatten meines grossen Vaters bringen würde. Dieser war im Cursus Honorum niemals über die Stufe des Volkstribuns hinaus gekommen und hatte sich danach auf seine militärische Karriere als Kommandant der Flotte konzentriert. Ich trat heute mein Amt als Praetor an und würde somit eine Ebene erreichen, zu der die höchsten und grössten Politiker Roms gehörten. Noch fehlte etwas bis ganz nach oben, doch nach der Praetur gab es viele Möglichkeiten entweder als Legatus Augusti Pro Praetore in einer Provinz, oder als Legionslegat oder auch diverse hohe Positionen in Italia und Rom. Der Kaiser konnte danach mehr oder weniger frei verfügen und mich als Legatus Augusti überall hin befehlen, wo er es für richtig und notwendig sah.


    Entsprechend glücklich war ich, dass Iulia Stella mit dem kleinen Faustus Annaeus Primus neben mir auf das Forum traten. Primus, wie wir ihn nannten, war nun bereits seit etwas mehr als 2 Jahren unter uns und hatte Laufen und Sprechen gelernt. Noch ging dies natürlich noch nicht so gut, dass er an einem Tag wie heute selbst gehen konnte, daher trug eine Amme ihn auf dem Arm. Er war aber schon sehr interessiert an allem was um ihn herum geschah und schaute gespannt zu, wie die Menschenmenge sich um uns drängte, ohne uns jedoch zu bedrängen. Die beiden Liktoren, welche mir als Praetor in Rom zustanden (ausserhalb Roms wären es 6 gewesen), sorgten dafür, dass wir nicht erdrückt wurden.


    Als wir die Rostra erreichten, stieg ich empor und gesellte mich zu den anderen Gewählten. Hände wurden geschüttelt, Freundlichkeiten ausgetauscht, Komplimente gemacht.


    Als die Reihe an mir war, meinen Amtseid zu sprechen, trat ich vor und sprach laut und deutlich, ohne auf das Blatt Papyrus zu schauen, welches ich schon länger nicht mehr brauchte:


    EGO, Lucius Annaeus Florus Minor HAC RE IPSA DECUS IMPERII ROMANI

    ME DEFENSURUM, ET SEMPER PRO POPULO SENATUQUE

    IMPERATOREQUE IMPERII ROMANI ACTURUM ESSE

    SOLLEMNITER IURO.


    EGO, Lucius Annaeus Florus Minor OFFICIO Praetoris Urbani IMPERII ROMANI ACCEPTO,

    DEOS DEASQUE IMPERATOREMQUE ROMAE IN OMNIBUS MEAE VITAE

    PUBLICAE TEMPORIBUS ME CULTURUM, ET VIRTUTES ROMANAS

    PUBLICA PRIVATAQUE VITA ME PERSECUTURUM ESSE IURO.


    EGO, Lucius Annaeus Florus Minor RELIGIONI ROMANAE ME FAUTURUM ET EAM

    DEFENSURUM, ET NUMQUAM CONTRA EIUS STATUM PUBLICUM ME

    ACTURUM ESSE, NE QUID DETRIMENTI CAPIAT IURO.


    EGO, Lucius Annaeus Florus Minor OFFICIIS MUNERIS Praetoris Urbani

    ME QUAM OPTIME FUNCTURUM ESSE PRAETEREA IURO.


    MEO CIVIS IMPERII ROMANI HONORE, CORAM DEIS DEABUSQUE

    POPULI ROMANI, ET VOLUNTATE FAVOREQUE EORUM, EGO

    MUNUS Praetoris Urbani UNA CUM IURIBUS, PRIVILEGIIS, MUNERIBUS

    ET OFFICIIS COMITANTIBUS ACCIPIO.


    Ich atmete tief ein und merkte erst jetzt, dass ich scheinbar in einem Zug, ohne Atem zu holen, gesprochen hatte. Meine Lunge füllte sich wieder mit frischer Luft und die ganze, bislang unbemerkte Anspannung, fiel von mir ab. Es war vollbracht!


    Unter mir jubelten meine Freunde und meine Familie. Stella und Primus lachten mit der Sonne um die Wette, welche mit schwachen Strahlen den kalten Tag zu erwärmen versuchte.

    Ganz genau so ist es, mein Werter Iunius Tacitus und deswegen werde ich diese Diskrepanz zu tilgen versuchen! Gesetze müssen klar sein und wenn ein derartiger Unterschied entdeckt wird, dann müssen sich Senatoren und Juristen darum bemühen, ihn zu beheben. Doch heute sollst du feiern und morgen beginnt für mich dann die Arbeit, welcher ich heute so erfreut zugesehen habe. Mein Urteil wäre kein anderes gewesen! Komm, wir trinken einen auf deinen Erfolg!


    Es war mir eine Freude, meinen Klienten zu einem Wecher Wein oder Mulsum einzuladen.

    Ich war innerlich hoch erfreut über das Urteil des Praetors. Nicht weil ich die Familie gekannt hätte oder dem Vater den Verlust seiner Tochter gewünscht hätte oder gar weil mein Klient das Plädoyer geführt hätte. Nein, ich war erfreut, weil der Praetor dieselbe Lücke angesprochen oder vielleicht sogar aufgezeigt hatte, auf welche ich sowohl in meinem Gespräch mit Iunius Tacitus, als auch mit meinem Gesetzesentwurf hinaus wollte. Mancipatio, Emancipatio, Ehe, die 12 Tafeln, die augusteischen Ehegesetze und die tatsächliche Handhabung durch die Menschen standen sich unter gewissen Umständen entgegen, wiedersprachen sich oder liessen zumindest viel Spielraum für Interpretationen. Nun gab es einen Präzedenzfall, auf den ich mich definitiv stützen konnte und dieser war erst noch brandneu.


    Als Iunius Tacitus zu mir kam, war ich schon fast daran den Saal zu verlassen.


    Ah, Glückwunsch, Aulus Iunius Tacitus. Du hast nicht nur deinen Fall gewonnen, sondern mir gerade einen Präzedenzfall geliefert, auf dem ich meinen Gesetzesentwurf aufbauen kann. Ausserdem glaube ich, dass du gerade meine Argumente in Bezug auf die Ehe gefestigt hast.

    Da mich dieser Fall aus Gründen meiner eigenen Pläne sehr interessierte, sass ich ebenfalls in der Basilica Ulpia und machte mir eifrig Notizen. Die Lex Iulia et Papia ins Spiel zu bringen war vermutlich die einzige Chance, welche Iunius Tacitus in diesem Fall hatte. Dass er als Anwalt auftrat erstaunte mich, hatte er doch gar nichts davon erzählt. Doch wie mir schnell klar wurde, war er vermutlich erst ganz kurz vor diesem letzten Gerichtstag angefragt worden, denn auch der Praetor schien nichts von seinem Auftritt zu wissen.


    Wie dem auch sei, die Lex Iulia et Papia gab dem Praetor das Recht, einen Pater Familias gegen dessen Willen dazu zu zwingen, die Zustimmung zu einer Ehe zu geben, welche von beiden Ehepartnern gewünscht wurde. Entsprechend konnte ein Praetor natürlich auch eine Ehe vor der Auflösung schützen und den Pater Familias zwingen, die Ehe weiter gelten zu lassen. Gepaart mit der Androhung des Schadensersatzes war dies eine starke Argumentation, welche Iunius Tacitus in kurzer Zeit gefunden hatte.


    Gespannt wartete ich nun auf die Antwort der Gegenseite und natürlich am Ende auf die Entscheidung des Praetors.

    Nach der Salutatio verzog ich mich ins Bad. Mein Hals machte mir zu schaffen, ich konnte kaum schlucken und am liebsten hätte ich auch nicht gesprochen. Meine Nase war zum Glück noch frei, doch ich fühlte mich müde und schlapp, bei jeder schnellen Bewegung drehte sich alles. Sich ausziehen war eine Qual, beinahe unmöglich, wenn nicht die Sklaven dafür gesorgt hätten, dass ich mich nicht bücken musste.


    Ich verzog mich ins Heissbad und liess ordentlich anfeuern. Zusätzliche Kohlebecken, in welchen ein Sklave immer wieder etwas Wasser verdampfen liess, sorgten für ordentlich viel Dampf. Ich legte mich ins heisse Wasser und versuchte so tief als möglich zu atmen. Der Dampf und die Hitze taten gut.


    Ein Sklave brachte heissen Honigwein. Dieser beruhigte meinen Hals etwas. Hoffentlich würde ich nicht vor meiner Amtseinführung noch durch Krankheit ausfallen.

    Das Officium des Praetors wurde in den Tagen vor meiner Vereidigung immer öfter zu meinem eigentlichen Arbeitsplatz. Gemeinsam mit dem noch amtierenden Praetor gingen wir die noch offenen Fälle durch, diskutierten über aktuelle Rechtsfragen und tauschten Meinungen aus, wie ich mein praetorisches Edikt zum Amtsantritt gestalten könnte.


    Adoptionen, Mancipationen, Emancipationen, Ehestreitigkeiten und Besitzstreitereien waren das alltägliche Geschäft. Meine besondere Aufmerksamkeit erhielt ein Fall, den der Praetor noch vor meinem Amtsbeginn abschliessen würde. Eine junge Frau hatte gegen ihren Vater geklagt. Dieser hatte sie sine Manu verheiratet und sie zuvor nicht emanzipiert. Somit unterstand sie eigentlich auch in ihrer Ehe weiterhin ihrem Vater. Dieser hatte sie dann auch auf Grund seiner gesetzlichen Macht aus ihrer Ehe zurückgerufen. Die Frau schwor jedoch, und ihr Ehemann unabhängig davon ebenso, dass die Ehe intakt sei und funktioniere. Der Vater gab vor dem Praetor auch zu, dass er seine Tochter nur deswegen zurückgeholt habe, weil er sich durch eine andere Ehe einen politischen Vorteil erhoffe. Dies sei sein Recht, da er seine Tochter nicht emanzipiert habe. Der spannende Aspekt, den der noch amtierende Praetor und ich intensiv besprachen, war derjenige, dass beide Argumente dem Gesetz nach korrekt waren. Es galt für den Praetor nun, die funktionierende Ehe gegen die Gewalt des Vaters abzuwägen. Welches Gesetz galt mehr? Ein uraltes, seit je her gültiges, oder ein neueres, das erst später erlassen wurde? Gab es eindeutige Hinweise für das Eine oder Andere? Wie war die Einstellung der Menschen, die Haltung der Bürger in dieser Frage? Was war der tägliche Gebrauch, was war in unserer Zeit üblich? Alle diese Fragen mussten unter einander abgewogen werden.


    Für mich war der Fall spannend, da ich mich bereits in der Vorbereitung auf den Wahlkampf mit dem Eherecht befasst hatte. Mein Vorhaben, genau solche Konflikte mit einem neuen, eindeutigen Gesetz zu beheben, wurde immer eindeutiger.

    Ich war froh, dass die Salutatio sich heute nicht sehr lange hinzog. Reibende Schmerzen im Hals und bei schnellen Bewegungen ein Schwindelgefühl liessen mich heute nicht ganz so begeistert dieser Pflicht nachkommen.


    Das ist gut. Dann sehen wir uns bald wieder und ich kann dir dann ja auch direkt sagen, wenn ich dazu gekommen bin, deine Gedanken zu bearbeiten.


    Sim-Off:

    Ist leider ausnahmsweise auch im RL so.

    Dankend nahm ich die Tafeln an, ohne sie zu lesen. Dazu war an einer Salutatio kaum je genügend Zeit.


    Ich danke dir für deine Arbeit. Ich werde das zur gegebenen Zeit in Ruhe lesen und mir meine Gedanken dazu machen.


    Mehr konnte ich im Moment nicht sagen und daher schwieg ich wieder und wartete, ob mein lieber Klient noch weitere Dinge hatte.

    Soweit ich weiss, war in unserer Zeit der Vokativ im Verschwinden begriffen und der Nominativ nahm immer mehr Überhand.

    Also ist er auch für die Anrede unter Freunden und zweier Verwandter untereinander zu unserer Zeit nicht zwingend?

    Gemäss meinem Wissen aus dem Studium, das allerdings jetzt auch schon 20 Jahre vorbei ist, wäre die Verwendung des Vokativ nur noch dann zwingend, wenn du jemanden mit Namen rufst, also wirklich seinen Namen durch die Strassen oder die Domus schreist.


    Sobald ein Titel oder andere Worte dabei stehen, auch wenn es "salve" ist, kann man auch den Nominativ nutzen.

    Wäre die Anrede mit dem noment gentile und dem Cognomen dann "Iuni Scato"?


    Generell wäre für mich interessant, warum man manchmal im Vokativ anredet und manchmal auch der Nominativ möglich oder sogar zwingend ist. Ich habe zwar zur allgemeinen Verwendung des Vokativs etwas gefunden, jedoch nicht für diesen speziellen Fall.

    Ja, Iuni Scato wäre korrekt.


    Wann man den Vokativ verwenden MUSS kann ich dir nicht sagen. Soweit ich weiss, war in unserer Zeit der Vokativ im Verschwinden begriffen und der Nominativ nahm immer mehr Überhand.


    Analogie zu heute: Es verwenden auch nur noch Oldies konsequent den Genitiv in der deutschen Sprache. ;)


    Fazit: Man kann im Vokativ, muss aber nicht.

    Mit diesen Gegengeschäften konnte ich gut leben. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ein Kommentar zur Patria Potestas und der Manus noch vor meiner Gesetzesänderung sinnvoll war. Daher sprach ich das an.


    Mein Gesetz wird in Bezug auf die Patria Potestas und die Manus doch einige kleinere Änderungen bringen. Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, noch vorher einen Kommentar zu diesem Thema zu verfassen. Ich bitte zudem darum, das geplante Gesetz rigoros zu prüfen und nicht zu schonen. Es geht ja nicht um mich, sondern um die Sache. Danach bin ich sehr gerne bereit, einem Kommentar deinerseits mein Vorwort beizufügen.