Beiträge von Viniciana Thula

    Zugegeben, er sah etwas verblüfft aus, weil ich ihn einfach so übergangen hatte, um ihm etwas Gutes zu tun. Manche Leute musste man eben zu ihrem Glück zwingen! Und dass es ihm guttat, konnte man sogar hören!
    „Du hast noch gar nichts getrunken, Dominus!“ meinte ich schon fast mit einem tadelnden Ton. Aber klar doch, hier auf diesem unbequemen Stuhl konnte man ja auch nicht richtig entspannen.
    „Möchtest du es dir nicht etwas bequemer machen, Dominus?“ Dabei deutete ich auf die Kissen, die am Boden lagen und die mich an meinen ersten Tag in der Villa erinnerten. „Dann könnte ich dich noch besser massieren.“

    Na endlich, die Wirtin stellte einen hölzernen Teller mir lecker duftendem Eintopf vor mir ab. Gleich nebenan stand der Becher mit dem Wein. Sofort griff ich nach dem Werkzeug, um gleich anzufangen. „Mahlzeit“, wünschte ich Tiberius und haute rein.„Mhh ,iff voll fut!“, meite ich mit vollem Mund, obwohl das Zeug noch ganz schon heiß war. Dann spülte ich den Inhalt meines Mundes mit einem ordentlichen Schluck Wein runter. „Boa, der ist ja saulecker!“ So ein tolles Gesöff hatte ich noch nie gehabt. Bei Glaucus hatte es immer nur gepanschten Fusel gegeben.
    Ja ja, mit den Göttern war das so ’ne Sache. Als Kind hatte ich davon so gut wie nichts erfahren. Callinax hatte es nicht so mit Religion. „Tja, das wäre jetzt die Frage!“, gab ich zu bedenken. Mir persönlich war es ziemlich Schnuppe, ob es nun Götter gab oder nicht.„Aber weißte was, es gibt ja tatsächlich welche, die sagen es gäbe nur einen…. Also nur einen Gott! Ej sag mal, wie blöd is dass denn! Der hat ja dann alle Hände voll zu tun, wenn der den Laden alleine schmeißen muss!“ , schloss ich meiner Meinung nach folgerichtig in meinem einfachen Gemüt. Aber was unterhielt man sich über Religion? In diesem Fall konnte man es eh keinem wirklich recht machen. Da löffelte ich doch lieber noch etwas von meinem Eintopf.
    Offenbar kannte Tiberius den Ausdruck „eine große Nummer sein“ nicht. „Na ich meine, was deine Junge da getrieben haben und keinen hat’s gejuckt. Nicht mal die Obrigkeit. Da wo ich her komme, wären längst ein paar Typen in Uniform aufgetaucht und hätten Stunk gemacht.“ Naja, vielleicht nannte man das hier anders. Schließlich hatte ich ja keine Ahnung, womit er tatsächlich seine Brötchen verdiente. Dennoch, dieses Grinsen in seinem Gesicht flößte mir ordentlich Respekt ein. Er is was er is! Na super, und wer war er? „Tja, das bist du wohl und ich schätze mal, die Leute haben richtig schiss vor dir!“

    Der Kerl war richtig erfrischend! Nicht wie diese Römer, die nur ihre Ratio kannten und den lieben langen Tag mit nem Stock im Arsch rumrannten. Kein Wunder, ich war ja auch noch nie im Garten gewesen! „Oh ja un wat för eene! Wat abber’n bischen doof is, isch bin de eenzije dort, außer so ner ollen Schnepfe, die inner Küche malloocht un en Järtner, den isch abber noch nie jesehen han.“


    Ach herrje, hatte ich ihn jetzt in Bedrängnis gebracht, bloß weil er’n Kerl war, aber keine Knete hatte?! „He hörma, mach dir nich inne Buchsen! Isch hab jenuch! Dat reicht för ons.“ Ich nahm ihn bei der Hand wie nen Kurzen und zog ihn mit mir. „Ej sach ma, wat is’n eijentlich dein Name?“,meinte ich beiläufig, denn es war ja schon irgendwie wichtig, zu wissen, mit wem man sich auf Abwege begab.

    Hatte ich es mir doch gedacht! Er saß immer noch an seinem Schreibtisch und war in irgendwelches Schriftzeugs vertieft. Ich hatte den Eindruck, dass seine Augen müde wirkten, als er zu mir hochblickte. Außerdem fand ich, dass er irgendwie verkrampft wirkte. Wie gut, dass ich jetzt da war! Bald würde es Massa besser gehen. Einiges hatte ich ja auch in Massilia gelernt und für gewöhnlich war dies besonders bei müden Männern ein absoluter Volltreffer!
    „Ich habe für dich etwas Mulsum zubereitet, Dominus. Möchtest du einmal kosten?“ Klar wollte er das! Ich wartete gar nicht erst seinee Antwort ab, sondern stellte mein Tablett auf einem Tischchen ab und goss den noch lauwarmen Mulsum in einen Becher und stellte ihn auf dem Schreibtisch ab.
    Hatte ich eigentlich bereits erwähnt, dass sich neben den beiden Bechern und der Kanne voller Mulsum auch noch eine kleine Phiole mit Mandelöl stand? Nun, sie stand dort, verschlossen mit einem kleinen Korken.
    Nachdem ich Massa den Becher mit Mulsum hingestellt hatte, kehte ich zum Tablett zurück, öffnete die Phiole und ließ nur wenige Tropfen des wohlriechenden Öls auf meine Finger tropfen. Ich verrieb es in meinen Händen und trat dann zielstrebig hinter seinen Stuhl. Sanft begann ich, seinen Nacken mit meinen Fingern zu massieren. Oh Mann, der arme Kerl war ja völlig verspannt! „Ist es so angenehm, Dominus?“, fragte ich während ich weiter seinen Nacken und einen Teil seiner Schultern weiter massierte.

    Es war bereits Abend. Gerade hatte ich die letzten Lichter in der Villa erleuchtet, denn draußen dunkelte es schon. Die Cena war längst vorbei und auch ich hatte kurz Gelegenheit dazu gehabt, einen Bissen zu essen. Massa hatte sich wie gewöhnlich in seine privaten Räume zurückgezogen. In letzter Zeit war mir aufgefallen, dass er oft bis spät in die Nacht noch arbeitete. Natürlich hatte ich keine Ahnung davon, womit er sich beschäftigte, denn zum einen konnte ich ja nicht lesen und zum anderen wollte ich auch nicht so neugierig sein und ihn danach fragen. Oft wirkte er deshalb müde und erschöpft. Zwar war auch ich müde, erschöpft und zudem taten mir fast sämtliche Knochen weh, aber das war eben mein Schicksal!


    Irgend so ein Schlaumeier hatte mal gesagt, wenn es deinem Dominus gut geht, dann geht es auch dir gut. Und im Prinzip stimmte das ja auch, außer dein Dominus war ein psychopathischer Spinner, der Lust daran hatte, dich zu quälen. Aber Massa schien da ein wenig anders drauf zu sein.
    Also lief ich zur Küche und bereitete für ihn einen Mulsum vor, so wie wir ihn in Glaucus‘ Hafenspelunke zubereitet hatten. Statt dem üblichen Fusel, den es bei Glaucus ausschließlich gab, benutzte ich Falerner. Als das Getränk endlich fertig war, füllte ich einen Krug damit und nahm auch noch zwei Becher mit. Richtig, ZWEI! Denn was war öder als ein Abend voller Arbeit? Genau, am Abend allein noch einen Becher Wein zu leeren. Das Ganze bugsierte ich schließlich auf einem Tablett zu Massas Cubiculum. Dort klopfte ich und trat schließlich ein.

    Auf den Knien sitzend begann ich den Boden mit dem Lappen zu schruppen. Ich schruppte und schruppte, als ob mein Leben davon abhing. Aber tatsächlich war es meine Wut, die nun in mir aufstieg und mich dazu veranlasste, mich in die Arbeit hineinzusteigern. Demonstrativ schruppte ich auf der ein und derselben Stelle herum. Wahrscheinlich waren die Mosaiksteinchen des Bodenbelages hinterher an dieser Stelle ausgebleicht, wenn ich so weiter machte. Dabei musste ich mit mir kämpfen, meine Tränen zurückzuhalten. Doch irgendwann vermischten sie sich mit den Schweißperlen, die mir an den Wangen hinunter liefen. Einige Strähnen meines Haares, das ich am Morgen am Hinterkopf zu einem Dutt zusammengefügt hatte, begannen sich selbständig zu machen. Wahrscheinlich gab ich ein schlimmes Bild ab, wenn man mich betrachtete. Doch dafür musste man mich zunächst erst beachten. Verdammt nochmal, hätte ich am liebsten hinausgeschrien, warum war dieses Leben einfach so ungerecht?

    Tja, nun saß ich hier und wartete, genauso wie mein Sitznachbar auf die bestellten Getränke und das Essen. Was tat man in so einer Situation am besten? Klar, über belangloses Zeug quatschen und das konnte ich gut. Das hatte ich jahrelang in Glaucus‘ Spelunke gemacht. Das Problem war eben, das der Typ neben mir nicht irgendjemand war, den ich nicht kannte und den ich wahrscheinlich auch nie wiedersehen würde. Ich hatte ihn erlebt, wie er war und was alles in seiner Macht stand! Er konnte am helllichten Tag irgendwelche Leute von seinen Männern zu Brei schlagen lassen, ohne dass sich irgendjemand drum kümmerte. Allein dieser Gedanke machte mir Angst. Aber zum Glück hatte er mich nicht gekauft, sondern Massa! Das bedeutete, wenn er mir nur ein Haar krümmte, dann bekam er von Massa Stress… ähm, natürlich nur, wenn er Massa vorher nicht zu Brei schlagen ließ. Scheiße, dachte ich, hoffentlich brachte ich ihn jetzt nicht in Schwierigkeiten! Also beschloss ich, einfach mutig zu sein und die Flucht nach vorne anzutreten. Ich setzte ein Lächeln auf und versuchte, entspannt rüberzukommen. „Tja, die Götter halt,“ meinte ich und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Eigentlich dachte ich jetzt, mich wieder einigermaßen im Griff zu haben. Dennoch lag noch immer etwas Seltsames in der Luft, was durch dieses schleimige Lächeln und mit dem Hinweis, ich müsse mich nicht fürchten, da ich ja nichts gemacht hätte, keinen Deut besser wurde. Im Gegenteil! Irgendwie fühlte ich mich genau wie das Kaninchen, das vor der Schlange stand. Andererseits, vielleicht konnte er ja nicht anders! Das war vielleicht seine Art, nett zu sein. Schon bevor man mich nach Rom gebracht hatte, wusste ich, dass es in dieser Stadt von Bekloppten nur so wimmelte. Und solange man mich nicht an einen schweren Stein gefesselt in den Tiber schmiss, sollte er seine Chance bekommen.
    „Thula heiße ich“, entgegnete ich entspannt und lächelte diesmal etwas überzeugter. „Bist wohl hier ‘ne große Nummer in Rom, was?“, fragte ich so nebenbei, um ein wenig Small Talk zu betreiben, ohne ihm zu nahe zu treten.„Deine Junge haben dem Typen letztens auf dem Markt ja mal ordentlich gezeigt, wo’s lang geht,“ meinte ich dann noch fast bewundernd. „Tja, diese miesen Klamottenheinis sind die allerschlimmsten! Die Schweinepriester kaufen ihr Zeug irgendwo billig in was weiß ich wo ein und verticken es dann wieder für den vierfachen Preis!“

    Endlich mal’n Kerl mit Stil, dachte ich mir. Mir hatte, glaube ich, noch nie einer hoch geholfen. „Danke, Mann!“ , sagte ich, als ich wieder auf zwei Beinen stand. „Ich bin in Cenabonum uffjewachse. Aber eigentlich komm ich… ach ich weiß gar nicht, woher ich komm. Bin wohl als kleines Kind entführt worden und lag eines Tages irgendwo am Strand. Oben in Armorica.“ Das musste auch seine Kante sein, wenn ich seinen Dialekt richtig einordnete. „Eigentlich bin ich noch ziemlich neu hier. Erst seit´n paar Wochen, wenn du´s genau wissen willst. Hab die letzten Jahre in Massilia gelebt.“Hach ja, das war jetzt mal so richtig erfrischend, sich mir jemandem zu unterhalten, der von „zu Hause“ kam.


    „Ach scheiß drauf!“, winkte ich ab, als er fragte, ob ich’s eilig hätte.„Dann brauch ich heut eben ma länger, ne!“ Schließlich nahm er mir meine schweren Sachen ab und wir liefen nebeneinander her. „He, sach ma, hast du Lust was zu schnabuliern?“ Ich hatte noch ein paar Sesterzen übrig, für zwei Weinchen und ’ne Wurst würde das noch locker reichen.

    Ich rieb mir meine Knie. Zum Glück war der neue Fummel nicht am Arsch. Normalerweise hätte ich dem Typen jetzt noch ordentlich die Meinung gegeigt. Aber sobald er die Klappe aufgemacht hatte, ging für mich die Sonne auf!„Nee, ja sachemal, bis du ut Jaljien? Isch glob et ja nit!“ rief ich im breitesten Cenabonumischen Dialekt. Sowas hatte ich ja schon ewig nicht mehr gehört! Da kamen richtige Heimatgefühle auf, obwohl Gallien ja niemals meine echte Heimat gewesen war. Aber wenn man keine eigene mehr hatte, dann tat´s eben auch die zweite Heimat.


    Ehe ich mich versah kniete der Kerl neben mir und küsste mich. Ich war ganz perplex, denn ehe ich etwas hätte sagen können, begann er bereits mein Zeugs , was auf der Straße verteilt lag, wieder einzusammeln. Und dann strahlte er mich so an, wie der helle Morgenschein, so dass ich ihm gar nicht mehr böse sein konnte. „Joa, is allet widder jut,“ antwortete ich und strahlte dann auch, obwohl ich eigentlich gar keine Veranlassung dazu gehabt hätte. Aber der Kerl sah irgendwie auch ein bissen zum anbeißen aus, die Muskeln und so. Aber komisch, irgendwie kam der mir bekannt vor. Aber ich kam partout nicht drauf, wo ich den schon mal gesehen hatte.
    „Ach frach nit!“ begann ich seine Frage zu beantworten.„Dat is heute nich mein Tach! Und so wie’s aussieht bin isch heute nur de Depp vom Dienst,“ fuhr ich fort, um das ganze etwas abzukürzen.
    „Kannste mir emal hochhelfen?“ fragte ich ihn und hielt ihm meine Hand entgegen. „Übrijens, mein Name is Thula.“

    Sim-Off:

    Si je peux? :D


    Mal wieder war ich in der Stadt unterwegs. Hatte jede Menge Besorgungen zu machen und das war auch gut so! Denn heute war hundertprozentig nicht mein Tag! Je mehr ich zu tun hatte, umso weniger hatte ich Zeit, um nachzudenken. Wenn mir heute auch nur einer blöd kam, dann konnte sich er/ sie warm anziehen! Tja, es gab eben solche Tage, da war alles zu viel. Zum Beispiel wenn der Tag zu früh angefangen hatte, wenn einem die Köchin blöd kam und ihren Frust bei einem ablud und wenn man dann mit einer riesigen Liste, die man selbst nicht lesen konnte, und dann mit den Worten losgeschickt wurde wie, "Da, hol man dies und besorg mal das! Und vergiss bloß nicht jenes!" Na toll! Die eigene Arbeit konnte ja liegen bleiben. Das interessierte niemand, verdammte Kiste!


    Ich hatte es also echt eilig und huschte durch die Gasse. Diese Tagträumer, die durch die Stadt schlappten und nicht wussten, was sie mit ihrer Zeit treiben wollten, gingen mir gehörig auf die Nerven. Inzwischen war meine Tasche auch schon ganz schön schwer. Aber ich hatte beileibe noch nicht alles eingekauft! Ich musste mich sputen.
    Komisch! Ich hätte schwören können, einer ruft meinen Namen, was an sich völlig abwegig gewesen wäre. Während dem Laufen sah ich nach hinten und eigentlich hätte ich wissen sollen, dass man so was nicht macht. Denn schließlich kollidierte ich mit einem Passanten, geriet ins Stolpern und fiel mit den Knien aufs Pflaster! "Scheiße! Aua! Mensch, kannst du nicht aufpassen, du Depp!",rief ich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Dass eigentlich ich die Unfallverursacherin war, spielte für mich gerade keine Rolle. Ich wollte nur meinen Frust loswerden.

    Er blieb hart und meine Idee hatte sich in nullkommanix in Luft aufgelöst. Natürlich hatte ich keine Ahnung, welche Veränderungen auf ihn und mich in nächster Zeit zukommen konnten. Drum nahm ich an, dass diese Absage reine Hinhaltetaktik war und dass er mich einfach nur abschütteln wollte. Umso größer war die Enttäuschung, die sich langsam in Wut wandelte. Ich war mir bewusst, wen ich jetzt noch eine Widerrede gab, dann wandelte ich auf sehr dünnem Eis.
    "Ja natürlich!", antwortete ich ihm enttäuscht. Im Augenblick hätte ich schreien können, doch ich nahm mir vor, an der Sache dranzubleiben, ganz gleich was es mich kosten sollte.
    Also beschloss ich, wieder an meine Arbeit zu gehen und holte den Putzeimer mit dem Lappen darin, um den Boden zu wischen.

    Zitat

    Original von Claudia Sassia



    Sassia lächelt. „Nun du hast heute schon einen guten Kauf gemacht und meine Verwandte könnte den dort wirklich gut gebrauchen. Als vielleicht bist du ja so großmütig und verzichtest auf den Kauf?“ Ein Augenaufschlag, ein Blick in Richtung Prisca und wieder zu dem Mann. „Ich würde dir meine Versandte gern vorstellen.“


    Das war ja mal so was von klar! Das Zuckerpüppchen becircte Massa, damit er nicht weiterbot, so dass sie selbst oder diese andere Frau, die anscheinend irgendwie mit ihr befreundet oder verwandt war, sich den Sklaven holen konnte. Naja, im Prinzip hätte es mir ja ziemlich egal sein können, was hier gerade abging. Hauptsache, ich war vom Verkaufspodest runter und in mehr oder weniger trockenen Tüchern. Ich hörte mir auch nicht genau an, worüber die Herrschaften plauderten. Lediglich wenn Massa mich erwähnte, wie furchtbar teuer ich doch gewesen war, sah ich müde zu ihm rüber.
    Aber irgendetwas war in mir, was mir sagte, ich solle auf das Wesentliche achten! Klar, die Mission hieß, den Kerl dort oben zu ersteigern. Völlig egal, was ich dabei dachte. So einer wie der konnte durchaus brauchbar sein. Also verfolgte ich die aktuellen Gebote, da ich das Gefühl hatte, dass Massa gerade andere Dinge im Kopf hatte.


    Beim letzten Gebot trat ich an ihn heran und versuchte mir Gehör zu verschaffen, indem ich ihn unauffällig antippte. "Dominus, das höchste Gebot liegt bei 1700! Wenn du den Kerl haben willst, dann solltest du bald zuschlagen, sonst ist er nämlich weg!", flüsterte ich ihm zu.

    Er hatte mich einfach stehen gelassen und hatte sich dem Regal zugewandt. Das ja war auch kein Wunder, nachdem was ich gesagt hatte. Ich wollte nicht aufdringlich sein – was für ein Schwachsinn! Natürlich wollte ich das! Ich wollte aufdringlich sein, denn wenn nicht, dann war dieses neuentdeckte Land ein für alle Mal verloren. Und wenn ich jetzt nicht darum kämpfte, dann hatte ich auch nicht anderes verdient, als ewig das zu bleiben, was ich war - eine Sklavin, die nichts anderes als putzen konnte. So blieb ich erst einmal regungslos stehen und ging nicht wieder an die Arbeit. In meinem Kopf arbeitete es, was ich denn noch tun konnte, ohne ihn so zu reizen, dass er mich fürchterlich bestrafen würde. Andererseits nahm ich gerne ein paar Schläge in Kauf, wenn ich dann wusste, wie weit ich gehen konnte. Wo lag Massas Schmerzgrenze?
    Massa jedenfalls stand noch immer am Regal und suchte offensichtlich etwas. Dann kam mir die Idee!
    Schließlich trat ich neben ihn. „Aber Dominus, wäre es nicht viel besser… , wenn…. wenn ich das jetzt für dich machen könnte? Ich meine, dann könntest du dich um alles Wichtige kümmern und ich könnte dir die Schriftrollen heraussuchen. Du würdest viel Zeit sparen, Dominus! Ich könnte abends lernen und du hättest auch nicht viel Arbeit mit mir, denn ich lerne schnell. Und meine Arbeit würde ich auch nicht vernachlässigen.“

    An seinem Gesichtsausdruck merkte ich recht schnell, wie überraschend meine Bitte für ihn gewesen sein musste. Aber ehrlich gesagt hatte ich nichts anderes erwartet, dass er dafür keine Zeit haben würde, auch wenn er mir nun Hoffnungen machte, vielleicht doch noch Lesenlernen zu dürfen.
    Zwar kannte ich ihn noch nicht lange und ich war auch immer noch dabei, ihn richtig einzuordnen. Doch genau an diesem Punkt, so schien es mir, machte er es mir nicht gerade einfach. Irgendwie konnte ich ihn nicht so richtig fassen. Einerseits war er im Gegensatz zu meinen Vorbesitzern ziemlich anständig, manchmal sogar so etwas wie „nett“. Andererseits konnte er aber auch abweisend sein.
    „Ja, natürlich, Dominus. Danke… ähm … es war nur so eine Idee, Dominus. Ich wollte nicht Aufdringlich sein. ,“ antwortete ich und versuchte, meine Enttäuschung zu verbergen.

    Während ich auf die Wirtin wartete, sah ich mich ein bisschen um. Diese Klitsche hatte doch einiges mehr drauf, als Glaucus‘ Drecksloch. Ich war mir sicher, eine gute Wahl getroffen zu haben. Ja heute war ein prima Tag! Endlich mal rauskommen, endlich mal was anderes sehen. Das war Luxus pur! Und die Krönung des Ganzen sollte nun ein leckeres und sättigendes Essen sein. Apropos Essen, hoffentlich kam die Alte bald mal vorbei, ich hatte echt Kohldampf!


    Der Typ neben mir grüßte mich, was ich mit einem Pro-forma-Nicken und einen belanglosen „Salve“ beantwortete. Dabei sah ich flüchtig zu ihm hinüber und erstarrte förmlich als ich begriff, wer neben mir saß. Ach du heilige Scheiße, dachte ich. Das war doch der Typ von neulich, vom Sklavenmarkt. Der Kerl hatte für mich geboten, aber am Ende hatte er doch den Kürzeren gezogen. Tiberius irgendwas hieß er, wenn ich mich recht entsann und seine Freundin hatte Luna geheißen. Ja, an die konnte ich mich noch gut erinnern. Und wenn wir schon mal beim erinnern waren, ich erinnerte mich auch noch sehr gut daran, wie die Männer meines Sitznachbars den Klamottenheini auseinandergenommen hatten!


    Als dann die Wirtin endlich kam, ging plötzlich gar nichts mehr. Ich bekam kein Wort raus, so tief saß der Schock über den Kerl neben mir. Aber ehrlich gesagt, es war auch gar nicht nötig, etwas zu sagen, denn der Typ bestellte auch für mich. „Ähm,“ war alles, was über meine Lippen kamen. Zu ‘nem leckeren Weinchen sagte ich garantiert nicht nein. Hatte eh schon lange keinen Wein mehr getrunken. Vielleicht hätte ich an dieser Stelle ein wenig misstrauisch sein sollen und mich fragen müssen, warum er das tat. Garantiert nicht aus reiner Menschenliebe, zumal ich ja nicht mal zu ihm gehörte. Als er dann den Eintopf bestellte und mich gleich darauf fragte, was ich wollte, hätte ich vielleicht abwinken sollen. Tat ich aber nicht, weil ich mich nicht so richtig traute. Also wenn der Kerl mir unbedingt was spendieren wollte, sollte er doch!„Ach ähm, ich nehm das Gleiche! Vielen Dank auch!“, antwortete ich und lächelte ich dabei. „Das war letztens ganz schön knapp!“, meinte ich und dachte dabei an den Ausgang meiner Versteigerung.

    Ich begann mich zu schämen, als er mich auslachte. Dabei wollte ich doch einfach nur ehrlich sein! Mir wurde aber gerade auch klar, wie dämlich ich war, weil ich etwas von mir preisgegeben hatte, was einer wie er wahrscheinlich nie kapieren würde. Am liebsten wäre ich davongelaufen. Aber das musste ich jetzt aushalten, so unangenehm es auch war.


    Von diesem gallischen Krieg hatte ich genauso wenig gehört wie von dem Kerl, der diesen Text verfasst hatte. Dort wo ich herkam hatte es keine Bücher gegeben und niemand wäre jemals auf die Idee gekommen, etwas zu lesen. Bisher hatte mich das auch ziemlich wenig interessiert. Aber gerade jetzt war mir klar geworden, wie wenig ich wusste und wie wenig ich konnte. Wäre ich damals woanders gelandet, wäre mein Leben garantiert anders verlaufen. Irgendwie fühlte ich mich betrogen. Aber nun scheute ich mich, auch nur irgendetwas von meinen Gefühlen zu zeigen. Ich schluckte meine Wut und meinen Kummer hinunter. Die Scham allerdings stand mir im Gesicht, je mehr er lachte.


    Massa legte die Schriftrolle wieder zurück. Wehmütig sah ich ihr nach. Da verschwand es wieder, dieses neuentdeckte Land. Wahrscheinlich für immer. Denn er hatte völlig recht! Welchen Sinn machte es die Schriftrollen zu betrachten, wenn ich die wahre Bedeutung der Zeichen nicht verstand?
    „Kannst du es mir beibringen? Damit ich es verstehe.“Ja, ich war mutig gewesen und hatte einfach das ausgesprochen, was mich beschäftigte.

    Diese scheiß Angst, mal wieder etwas nicht richtig oder sogar total falsch gemacht zu haben, bekam ich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens nicht mehr geregelt. Aber bei der Vergangenheit war das ja auch kein Wunder! Also versuchte ich, erst mal nicht mehr so herum zu zappeln und lockerer zu weden. Dann konnte es auch was mit dem klar und deutlich reden was werden. Im Prinzip hatte ich ja nichts Schlimmes gemacht, wenn man mal davon absah, das Nichtstun nicht gerade die Standardtätigkeit einer Sklavin war. „Ich wollte hier eigentlich sauber machen, Dominus. Aber dann hab ich diese…. Ähm… diese Dinger hier in den Regalen gesehen.“ Ich deutete auf die am Boden liegende Schriftrolle. „Und naja, dann hat mich einfach die Neugier gepackt. Ich wollte wissen, was darin ist…. Und dann hab ich sie aufgerollt… Aber ich war auch ganz vorsichtig!“, brachte ich noch schnell zu meiner Verteidigung heraus. Dann sah ich wieder hinunter zu der Rolle und dachte mir, dass es wohl wenig mit Vorsicht zu tun hatte, wenn sie dort auf dem Boden liegen blieb. Schnell hob ich sie auf und reichte sie Massa.
    „Diese seltsamen Zeichen da drinnen. Ich weiß nicht was sie bedeuten. Aber ich hab sie mir etwas genauer angeschaut… und mir war als ob… äh…“ Wenn ich ihm jetzt erzählte, was ich alles gesehen hatte, dann hielt der mich wahrscheinlich eh für total ballaballa. „Naja, als ob das Bilder wären, diese Zeichen meine ich.“

    Thula? Ein Rufen, das von weit, weit weg zu kommen schien, holte mich aus dieser neuentdeckten wieder Welt zurück. Plötzlich waren die Bilder, die eben noch so lebendig gewesen waren nur noch die seltsamen Zeichen, die ich nicht lesen konnte. Thula! Ich zuckte zusammen, als ich nun ganz deutlich meinen Namen hörte. Hastig, zu hastig fuhr ich um, hin zu der Richtung aus der die Stimme gekommen war. Vor Schreck fiel mir dabei die Rolle aus der Hand. Ich sah nach oben und erkannte Massas Gesicht, aus dem ich nicht ergründen konnte, ob er wüten war oder nicht. So schnell ich konnte, versuchte ich wieder auf die Füße zu kommen. Wahrscheinlich war ich auch wieder puterrot im Gesicht. Stammelnd versuchte ich schließlich zu erklären, warum ich hier war, aber nicht meiner Arbeit nachgegangen war „Oh äh… ich wollte hier…. Hier putzen, Dominus… aber dann… dann… Es tut mir leid, Dominus. Ich… ich fange sofort damit an… mit dem Putzen… meine ich…“

    Nicht gerade von großer Motivation getrieben, schaute ich mich wieder um. Bis mein Blick auf dieses junge Ding fiel, die plötzlich Massa angesprochen hatte. Mich würdigte sie natürlich keines Blickes. Ich hingegen schenkte ihr nur ein müdes Lächeln. Anscheinend hatte sie Angst, die Felle würden ihr fortschwimmen. Eben eine von diesen feinen Zuckerpüppchen, die in ihrem Leben wahrscheinlich noch nie etwas selbst gemacht hatten. So wie die, die auch schon zuvor während meiner Versteigerung hier mit ‘ner riesen Sänfte angetanzt war. Und tatsächlich, ganz in ihrer Nähe stand die Frau noch, die mich vorhin wegen der Gartenarbeit angesprochen hatte. Inzwischen war sie auf der Suche nach einem anderen Gärtner und hatte auch schon für den Sklaven dort oben geboten. Aber das Beste kam ja noch! Die Herrschaften, die inzwischen unter einem Baldachin Schutz vor der Sonne gefunden hatten, genossen wie es aussah nun auch noch kühle Getränke. Keine Ahnung, was oder wer die feine Dame geritten hatte, als sie einen kleinen Jungen mit einem Becher hinauf zu dem Sklaven schickte, damit er sich auch erfrischen konnte. Was sollte man davon halten? War das irgendeine besondere Masche? Ach und was machte der Sklave?! Schickte den Jungen zurück zu ihr, mit der Bitte ihr ’nen Kuss zu geben. Oh Mann, ich glaub ich muss kübeln, dachte ich, was ja aber nicht ging, da mein Magen so was von leer war. Echt, das war nicht mehr zum Aushalten!
    Und Massa? Ließ er sich von den Worten der Kleinen besäuseln? Naja, nicht wirklich. Zumindest bekam er noch mit, was dort oben auf der Bühne gerade vor sich ging. Wollte er den Kerl jetzt doch nicht kaufen? Dann deutete er auf mich und betonte, wie teuer ich doch gewesen sei. Ich seufzte leise und hoffte, dass in diesem Theater bald der Vorhang fiel.