Ich hatte mich bereits wieder abgewandt und betrachtete mir wieder die Leute, dann den Sklaven und wieder die Leute. Verdammte Kiste, mein Magen knurrte immer noch! Es war richtig öde hier. Wenn’s nach mir gegangen wäre, hätte ich hier keine Minute länger bleiben müssen. Aber wenigstens schien Massa sein Spaß zu haben. Tja, und da haute er schon den nächsten Brüller raus. Ich dachte, ich hör nicht richtig! Sofort wandte ich mich ihm wieder zu und nahm aber eine abwehrende Haltung an und warf ihm einen ziemlich kritischen Blick zu. „Hä…? Was…? Wer…? ICH?! NEIN!! Wieso…?“ Wie kam er denn auf das schmale Brett? Und wieso sollte der mir denn gefallen? Ok, der Typ sah nicht schlecht aus, aber deshalb gleich in Hysterie zu verfallen war auch nicht mein Ding. Oder verfolgte er etwas bestimmtes? Man hatte ja schon die wildesten Geschichten gehört, wie diese Römer so drauf waren.
Aber Massa tat, was er am besten konnte (zumindest von dem was ich wusste). Er bot weiter für den Sklaven. Vielleicht hatte er es ja auch nötig…
Beiträge von Viniciana Thula
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Die ersten Tage nach meiner Ankunft verbrachte ich damit, die Bude wieder auf Vordermann zu bringen. Es gab viel zu tun! Und da ich hier das Mädchen für (fast) alles war, durfte ich mich hier so richtig nach Lust und Laune austoben. Die Böden mussten geschruppt werden, die Möbel mussten abgestaubt werden und in manchen Räumen, in denen sich Massa aufzuhalten pflegte, musste zusätzlich auch noch aufgeräumt werden. Nach ein paar Tagen, sah die Hütte schon wieder ganz passabel aus. Doch einen Raum hatte ich noch vor mir.
Ich wusste nicht, was mich hinter der Tür erwarten würde. Wahrscheinlich noch mehr Staub und noch mehr Dreck. Je schneller ich es anpackte, um so schneller würde ich auch fertig sein, sagte ich mir und öffnete entschlossen die Tür.
Ein seltsam muffiger Geruch schlug mir entgegen. Eine Mischung aus Staub und etwas anderem, was ich nicht genau zuordnen konnte. Ich trat ein und der Anblick der mich erwartete, ließ mich erstaunen und erschauern zugleich. Riesig hohe Schränke und Regale, die bis fast unter die Decke gingen! Wie sollte ich denn da nur drankommen? Eigentlich war ich ja schon recht groß gewachsen, aber so groß nun auch wieder nicht. Ich dachte nach, wie man das Problem lösen könnte, doch denn fiel mir eine schmale Leiter auf, die aus dem gleichen glatten Holz hergestellt worden war, wie das Mobiliar.
Als ich mir endlich die Regale genauer besah, entdeckte ich auch deren Inhalt. Dünne und dickere Rollen aus einem Material, welches ich zwar schon gesehen hatte, es aber nicht benennen konnte.
Meine eigentliche Absicht, weswegen ich den Raum überhaupt betreten hatte, war erst mal zur Seite geschoben worden. Putzen konnte ich auch später noch! Zuerst galt es, meine Neugier zu befriedigen und näher an eines der Regale herauszutreten. Vorsichtig strichen meine Finger über die Oberflächen der Rollen. Manche waren seltsam rau, andere wiederum nicht. Verschiedene Materialien, interpretierte ich, doch irgendwie dienten sie dem gleichen Zweck. Ob ich wohl einmal eine dieser Rollen herausnehmen und betrachten durfte? Bevor ich eine der Rollen aus dem Regal zog, sah ich mich verstohlen um, um auf Nummer sicher, damit mich auch ja niemand beobachtete. Aber da war niemand! Wer sollte denn auch hier sein? Also zog ich die Rolle ganz vorsichtig heraus und besah sie mir zuerst von außen, bevor ich mich daranmachte, ihren Inhalt zu erkunden. Da ich nicht genau wusste, wie man mit derlei Material umging, versuchte ich, noch vorsichtiger beim Öffnen der Rolle zu sein.
Im Inneren traf ich dann auf hunderte, nein tausende oder sogar abertausende von seltsam anmutenden Zeichen, die ganz dicht beieinanderstanden, aber deren Bedeutung ich zunächst nicht erfassen konnte. Ich schaute mir die einzelnen Zeichen eine Weile genauer an, bis schließlich die kindliche Kreativität, die all die Jahre über ein kümmerliches Dasein gefristet hatte, zu Tage trat und ich in den seltsamen Zeichen Dinge erkannte, die mir den Zugang zu einer völlig fremden und unbekannten Welt eröffnete.
Da waren Berge, nein ganze Bergketten und Bäume. Riesige Vögel flogen in der Luft und gefährliche Schlangen krochen am Boden entlang. Ob es hier auch Menschen gab? Bevor ich danach Ausschau hielt, setzte ich mich auf den Boden und tauchte sofort wieder in dieses neuentdeckte Land ein.
Ja, es gab hier auch Menschen! Ich erkannte Männer, die eine kurze Tunika trugen und Frauen in wallenden Gewändern. Hin und wieder entdeckte ich kleine oder größere Seen, in deren klaren Wassern ich mich spiegeln konnte. Es gab auch Angler, die an den Ufern solcher Seen saßen und ihr Glück versuchten.
Je länger ich dort saß, vergaß ich die Zeit, dass was ich eigentlich tun wollte und alles um mich herum. Das neuentdeckte Land hatte mich voll in seinen Bann gezogen! -
So ein Vormittag in der Stadt machte doch richtig hungrig! Erst recht, wenn man noch eine Tasche mit Einkäufen mit sich herumschleppen musste. Aber ganz gleich, wie anstrengend meine Shoppingtour auch gewesen war, es war total aufregend gewesen! Es war meine erste Expedition in den römischen Großstadtdschungel und obwohl ich mich hier eigentlich gar nicht gut auskannte, hatte ich doch alles bekommen, was ich zu besorgen hatte. Außerdem gab es hier massig viel zu sehen! Richtig krasse Läden mit noch krasseren Klamotten und…. Läden mit Schuhen! Seit Callinax hatte ich eigentlich eine Aversion gegen Schuhmacher, aber die abgefahren Treter, die hier angeboten wurden, brachten mich schließlich dazu, mir die Auslagen doch ein bisschen intensiver anzuschauen. Mein lieber Schwan! Da konnte man ganz schnell seine Panikattacken verlieren! Aber irgendwann ging ich doch weiter, denn 1. mir fehlte das nötige Kleingeld und 2. mein Magen meldete sich mal wieder zu Wort und forderte seinen Tribut.
Unterwegs hatte ich gehört, dass es da eine einigermaßen gute Taberna gab, in der das Essen genießbar und die Preise erträglich waren. Nachdem ich mich ein paar Mal durchgefragt hatte, lief ich schließlich ein. Ein ganz normaler Laden war es, nichts Besonderes, aber auch keine Siffhöhle wie die von Glaucus. Wenn es hier so gut schmeckte, wie es roch, dann war ich hier richtig! Während ich mich nach einem freien Platz umsah, ging ich ein paar Schritte weiter. Tja, anscheinend hatten noch mehr Leute die gleiche Idee wie ich. Nur noch ein Platz am Thresen war frei. Na gut, besser als gar nix, dachte ich und nahm Platz. Den Typ neben mir machte so seltsame Geräusche, aber ich schenkte ihm nicht weiter Beachtung, solange er mich auch in Ruhe ließ.
Da der Kerl neben mir bereits die Wirtin gerufen hatte, musste ich das nicht mehr machen. Der Eintopf auf den Tellern der anderen Gäste hatte lecker ausgesehen. Don wollte ich auch! -
Die Sekunden, die verstrichen wurden zäh und schiene wie Minuten lang zu sein. Gleich würde er sich auf mich stürzen und mir zeigen, wie er wirklich war. Wenn ich Glück hatte kam ich mit ein paar blauen Flecken davon. Aber ich hatte es ja auch herausgefordert!
Doch dann geschah das krasse Gegenteil. Er erhob sich abrupt und ging zu seinem Schreibtisch. Ehe ich mich versah, setzte er mich regelrecht vor die Tür.
Noch immer raste mein Puls und ich hatte fast Schwierigkeiten, zu atmen. Innerlich knickte ich nun in mir zusammen, aber das sollte er nicht sehen! Nur keine Schwächen zeigen, das hatte mich oft im Leben weitergebracht! Ich stand also auf, zerrte wieder an der viel zu kurzen Tunika herum und wandte mich der Tür zu. „Wie du wünschst, Dominus…“
So, als wäre nichts gewesen ging ich zur Tür öffnete sie, trat hinaus, schloss die Tür hinter mir und sackte erst einmal in mich zusammen. Ich brauchte Luft! Ich musste atmen! Einen Moment hockte ich einfach nur da, bis mein Atem sich wieder normalisiert hatte. Dann huschte ein Lächeln über meine Lippen. Ich erhob mich wieder und ging. -
Mein Magen knurrte immer lauter. Zum Glück überdeckte das Gequassel der Leute um uns herum meine Magengeräusche. Ich hatte mir aber auch angewöhnt, an etwas anderes zu denken oder mich abzulenken, wenn ich Hunger hatte. Und den hatte ich schon sehr oft erleiden müssen in meinem Leben. Also sah ich mir die Leute wieder etwas genauer an… und natürlich auch den Sklaven, der immer noch knackig aussah. Allerdings verlief das ganze hier ein bisschen zäh. Tja, der irre Brüllaffe hatte eben den Platz geräumt. Da war es gleich mal ein bisschen stiller geworden.
Völlig unerwartet sprach mich Massa dann an. Vielleicht vermisste er ja bereits schon meine Stimme. Ob der Sklave da oben auch so viel wert war, wie ich? Ich schaute kurz Massa an, dann blickte ich zu dem Sklaven hinauf, antwortete aber nicht sofort. ‘Nen guten Eindruck machte der allemal. Er hatte Muskeln und schien auch so gut beieinander zu sein. Ach ja, und sprachlich gesehen schien er auch brauchbar zu sein. Mindestens so gut wie ich! So einer wie der machte schon was her. Ich hatte mal in Massilia einen sagen hören, Thraker wären wie wilde Tiere. Keine Ahnung, ob das stimmte. So viele Thraker kannte ich ja nun auch wieder nicht.
„Er sieht gut aus, Dominus… ähm, ich meine seine Muskeln und so… und hast du mal auf seine Augen gesehen, der Typ hat garantiert Feuer im Arsch! So als Wachhund oder Rausschmeißer macht der sich sicher gut.“ Ja Massa, dachte ich, kauf den Kerl auch noch und dann lass uns aber nach Hause gehen! -
Er kam mir noch näher. Eigentlich hätten sich unsere Lippen treffen müssen. Doch kurz bevor sie sich hätten treffen können, wandte er seinen Kopf leicht zur Seite, so dass er ganz dicht an meiner Wange vorbei strich. Ich konnte seinen Atem hören, genauso wie er wahrscheinlich den meinen hören konnte. Die Spannung stieg ins unermessliche und ich hatte Mühe, ihr standzuhalten. Doch ich wich nicht zurück. Ich hatte schon viel, sehr viel erlebt, was meistens nicht sehr schön gewesen war. Das hier war nichts dagegen.
„Du bist anders als alle anderen. Doch du wirst ein netter Kerl sein, denn du wirst mir nicht weh tun,“ flüsterte ich in sein Ohr. Jetzt konnte alles passieren, doch ich war keine Pussy, wie manch andere Sklavinnen. Ich knickte nicht ein. -
„Ja, das hab ich,“ gab ich ohne weiteres zu. Schließlich war es ja nicht verboten, zu beobachten. Natürlich war mir klar, dass es vielleicht irgendwann mal schlecht ausgehen konnte, wenn ich den Falschen beobachtete. Aber das war eben Risiko. Aber ansonsten war diese Gabe ein wertvolles Werkzeug.
Massas Grinsen wurde breiter und ich wurde unsicherer und sein Blick hatte sich keinen Deut verändert. Wieder lächelte ich, obwohl sich das seltsame Gefühl in mir verstärkte. Ich spürte, wie das Blut in mir pulsierte. Sollte ich doch Angst haben? „Ich denke schon, Dominus“, beantwortete ich mit zittriger Stimme seine Frage. Inzwischen hatte er sich noch weiter zu mir hin bebeugt, so dass unsere beiden Gesichter nur noch wenige digiti voneinander getrennt waren. Dann wich sein Lächeln allmählich aus seinem Gesicht. War er nun immer noch nett? Ich war mir plötzlich doch nicht mehr so sicher, keine Angst haben zu müssen. Mein Puls raste, doch ich blieb standhaft. Ich wich nicht zurück, denn ich wollte wissen, wie 'nett' er tatsächlich war. Das wollte ich riskieren, auch wenn ich es hinterher bereuen sollte. „Ich… ich weiß nicht, Dominus… aber ich denke schon.“ -
Sagen wir es mal so, in meiner Vergangenheit hatte ich nicht viel Gelegenheit, mit jemand über persönliche Sachen, wie zum Beispiel meine Gefühle und Empfindungen zu sprechen. Warum? Na weil es niemand interessiert hatte, was ich dachte oder fühlte. Deswegen war ich darin noch ein bisschen unsicher und lief gleich rot an. Eigentlich hatte ich es schon wieder bereut, ihm zu sagen, dass er ein anständiger Kerl sei. Und seine Frage war ja schon berechtigt.
„Naja, also ähm… ich hatte ja genug Zeit, um dich zu beobachten… und du bist die ganze Zeit ruhig geblieben. Nicht so wie dieser andere Blödmann, der herumgeschrien hat wie ein Irrer. Hast du mitgekriegt, was seine Männer gemacht haben? Die haben diesen Händler vermöbelt und keiner hat was gemacht, um dem armen Kerl zu helfen! Hier ist es fast genau so schlimm, wie in Massalia!“ Gerade noch rechtzeitig merkte ich, wie ich wieder abschweifte und zu plappern anfing. „Also was ich sagen wollte… du hast die Fassung behalten und….“ Plötzlich beugte er sich zu mir, sah mir tief in meine blauen Augen und lächelte auf so eine komische Art, bei der ich nicht wusste, ob ich mich entspannen oder doch besser auf der Hut sein sollte.„…ich sah es in deinen Augen…. dass du… also dass du ein netter anständiger Kerl sein könntest…. Du bist doch ein netter Kerl, oder? Ob ich jetzt auch lächeln sollte? Ich war mir nicht sicher. Seine Augen hatten eine seltsame Wirkung auf mich. Ich wich nicht zurück, sondern ließ mich eher noch von diesem Blick anziehen. Ich lächelte schließlich zaghaft. Eigentlich musste ich keine Angst haben, denn mein Kopf sagte mir, ich müsste keine Angst haben… Allerding hatte ich schon ein komisches Gefühl in mir, dass sich nicht wirklich deuten ließ. -
„Ähm,“ meinte ich erstmal, bevor ich weitersprach. Schnell kam der Gedanke, vielleicht ein bisschen übermütig gewesen zu sein. Aber vielleicht hatte er es einfach schon wieder vergessen oder überhaupt erst gar nicht richtig gerafft heute Morgen. Typisch Kerl eben!
„Ja, heute Morgen… dieses rothaarige Weibsstück… die sich so dicht an den Leuten vorbeigedrückt hat… und daraufhin dann dummerweise ein paar Geldbeutel verschwanden. Solche Typen kenne ich. Die nehmen dich aus und du merkst es nicht mal! Ich musste die nur einen Augenblick beobachten und schon war mir klar, was das für eine ist. Und dann hab ich dir doch ein Zeichen gegeben, dass du aufpassen sollst. Hast du das etwa nicht mitgekriegt?!“ Zugegeben, meine Frage klang ziemlich vorwurfsvoll, aber schließlich war es ja um was Wichtiges gegangen. Aber gleich regte ich mich wieder ab und gestand ihm, warum ich ihn gewarnt hatte. „Und außerdem wollte ich nicht, dass sie dich beklaut und du dann kein Geld mehr hast… um mich… zu kaufen. Denn… ich dachte mir… naja, du warst der einzige anständige Kerl dort, der mitgeboten hatte.“ Komisch, ich hatte das Gefühl, meine Backen glühten. Wahrscheinlich war ich bei diesen Worten auch noch rot geworden. -
Ja, auch ich konnte mich zusammenreißen und einfach mal die Klappe halten. Nun hatte ich endlich mal Gelegenheit den Markt aus einer anderen Perspektive zu erleben. Zum Teil waren die Leute stehen geblieben. Andere waren dazu gekommen, feine junge Dämchen und nicht mehr ganz so frische Damen. Apropos frisch, da war ja auch noch diese Tante, die wissen wollte, ob ich Garten konnte. Komisch, dass die Leute nicht mehr ordentlich reden konnten!
Irgendwie war mir langweilig! Und ich wollte ja auch nicht noch weiterplappern, sonst bekam Massa ja noch einen völlig falschen Eindruck von mir. Am Ende hieß es noch Thula, die Quasseltante! Naja und dann knurrte da auch noch mein Bauch. Von Titus dem alten Geizkragen hatte es nichts zum Frühstück gegeben…
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Tja, ziemlich bewegt, dachte ich zynisch, ließ mir aber nichts anmerken. Nun holte auch er sich ein Getränk und mein Blick begleitete ihn dabei. Schließlich stand er über mir und ich blickt hoch zu ihm. Wieder sprach er davon, dass ich es besser bei ihm haben würde, natürlich aber nur, wenn ich stets gehorchte und loyal war. Apropos loyal… da fiel mir wieder die Elster von heute Morgen ein…
Inzwischen hatte er es sich wieder auf den Kissen bequem gemacht. Vorsichtig stützte ich mich mit meinen beiden Händen ab und beugte mich mit meinem Oberkörper zu ihm hin, so dass ich schließlich auf den Sohlen meiner Sandalen saß. „Dafür werde ich auch immer dankbar sein, Dominus. Und ich werde dir gerne dienen, was immer du wünschst, ich werde alles tun... und ich werde auch immer loyal sein, Dominus… so wie heute Morgen auf dem Markt.“ Vielleicht erinnerte er sich ja noch. Ok, das klang jetzt alles ziemlich arschkriecherisch.. und ob mir dem alles wirklich auch alles gemeint war, das ließ ich jetzt erst mal offen... aber wenn er Wort halten würde, dann würde er mit mir garantiert keinen Stress haben. -
Ich ging einen Moment in mich, entschied mich aber dann doch weiter von Callinax zu erzählen, weil ich mir davon erhoffte, dass es mir gut tun würde. Er verprügelte mich für jede Kleinigkeit… und doch…. Bin ich immer bei ihm geblieben… weil… weil er der Einzige war, den ich hatte.“Tja, das war ganz schön krass gewesen. Er war meine Familie gewesen, obwohl er eigentlich ein so mieses Schwein gewesen war.
„Aber dann… eines Tages… ich war etwa zehn Jahre alt… da gab es für mich die Gelegenheit abzuhauen… Und ich nutzte sie. Die Tür stand offen und Callinax war nicht in der Nähe… und dann rannte ich so schnell ich konnte. Ich versteckte mich auf einem Ochsenkarren, der auf dem Weg aus der Stadt war… und dann war ich…“ Frei…? Nein, war ich nicht!
„Als der Wagen haltmachte, kroch ich hervor und lief in den Wald… Bald wurde es dunkel und ich hatte noch nie im Freien übernachtet. Ich bekam furchtbare Angst, denn in dem Wald sollte es Wölfe geben…. Ich war eben erst zehn!“, meinte ich entschuldigend. „Noch in der Nacht bin ich zurückgelaufen, zurück nach Cenabum… zurück zu Callinax…“ -
Ein wenig irritiert sah ich Massa schon an, als er plötzlich aufstand, um mir ein Glas Wasser zu holen. Aber ich nahm es und bedankte mich, ehe ich weitererzählte.
Nun kamen wir an einen Punkt meiner Geschichte an, der mir noch immer sehr schwer zu schaffen machte. Die Zeit bei Callinax, das war meine verlorene Kindheit. Die Zeit in der ich statt guter Worte und Liebe nur Hass und Gewalt kennengelernt hatte.
Massa sah mich forschend an. Was glaubte er denn, weshalb man Sklaven kaufte? Sicherlich nicht aus Mitleid. Auch er selbst hatte das heute sicher nicht getan, sondern er erwartete sich etwas von mir. Was genau das war, hatte er ja schon angedeutet. Callinax hatte es damals aus einem einzigen Grund gemacht. Aus reinem Geiz hatte er es getan. Ein schwächliches Kind, das wenig kostete und dem man nur so viel zu Essen geben musste, damit es nicht verhungerte. So und nur so hatte seine Rechnung ausgesehen! Und immer noch erwischte ich mich dabei, wie die Angst in mir hochkroch, wenn ich über ihn sprechen sollte.„Der Mann, der mich kaufte war… ein Schuhmacher aus Cenabum… Callinax. Er hatte nicht mal hundert Sesterzen für mich bezahlt. Und deshalb, weil ich so billig war, nahm er mich. Ich musste den ganzen Tag in seiner Werkstatt mithelfen. Aber das war nicht das Schlimmste. Nie konnte ich ihm etwas recht machen…“ Schließlich kam ich ins Stocken. Ob ich noch weitererzählen sollte? Ich war mir nicht sicher ob es ihn interessierte, wie oft Callinax mich geschlagen hatte - und zwar wegen nichts. Und dann war ja noch meine Flucht, die allerdings nur einen Tag gedauert hatte…
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Jetzt erst wurde mir bewusst, dass ich das was damals passiert war, die ganze Zeit über ausgeblendet hatte. Und da ich nun darüber sprach, kamen alle meine Erinnerungen, die ich daran noch hatte, wieder hoch. Ich spürte plötzlich wieder, wie ich mich als kleines hilfloses Kind gefühlt hatte, in einer Welt, die ich nicht verstand und der ich vollkommen ausgeliefert war.
Als ich weitererzählen wollte, kam zunächst nur ein kratziges Geräusch aus meiner Kehle und ich befürchtete schon, die Stimme bliebe mir weg. „Diese Männer brachten mich zu einem Sklavenhändler namens Brennus, der mich dann mitnahm. Und immer, wenn er in eine Stadt kam, versuchte er, mich zu verkaufen. Aber niemand wollte mich, weil so abgemagert und halbtot ausgesehen hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis Brennus mich loswurde. Er hatte sich für mich eine Geschichte ausgedacht, die er den Leuten immer erzählte. Ich sei eine von Piraten entführte Prinzessin aus Thule, die vor Gallien Schiffbruch erlitten hätte. Das war natürlich alles dummes Zeug! Ich war bestimmt keine Prinzessin oder so. Aber dadurch bekam ich meinen Namen – Thula.“ Ich hatte mich nie ernsthaft gefragt, woher ich eigentlich kam. Es gab ja auch keinen, der mir darauf hätte eine Antwort geben können. Aber irgendwoher musste ich doch gekommen sein! Aber was spielte das auch für eine Rolle? Nur seltsam waren die Zeichen auf meiner Haut, kleine mysteriöse Kreise und Striche, die man mir an den Oberarmen und links und rechts des Brustbeines eintätowiert hatte.
„Naja, auf jeden Fall hatte er damit Erfolg und er wurde mich los. Aber der, der mich kaufte, hatte das nicht aus Mitleid getan... “ Nein, Callinax hatte nie etwas aus Mitleid getan. Er hatte dieses Wort gar nicht gekannt! -
Ich versuchte ruhig zu bleiben, als er mich umrundete. So begafft zu werden, war mir schon immer zuwider gewesen. Dennoch sagte ich nichts und hielt den Atem an, bis Massa endlich wieder vor mir stand. Dass die dämliche Tunika nicht passte, hatte sogar er gesehen, obwohl den meisten Kerlen sowas ziemlich egal war (zumindest denen, die ich gekannt hatte).
Tja, dann stand er vor mir und sah mich eine ganze Zeit lang unverwandt an, sagte aber nichts. Mist, dachte ich, hatte ich irgendwas falsch gemacht? Gefiel ich ihm doch nicht? Vielleicht sah ja die Frisur Kacke aus…Endlich redete er wieder. Ich sollte mich setzen , dabei deutete er auf die Kissen am Boden. Komisch, was suchten die Kissen denn am Boden? Na egal, ich setzte mich auf den Boden und ließ die Kissen wo sie waren. Er selbst hatte es sich auf den Kissen bequem gemacht. Meine Arme umfassten meine angewinkelten Beine. Irgendwie kam ich mir komisch vor… ungefähr so wie der Kanarienvogel, der gleich von der Katze gefressen wurde.
Bevor ich was von mir erzählen konnte, stellte er erst mal ein paar Sachen klar. Naja, das klang ja nicht so schlecht. Auf jeden Fall war der Kerl hier kein zweiter Callinax, dem es immer Spaß gemacht hatte, mich zu quälen. Ich versuchte sein Lächeln zu erwidern, allerdings war ich dafür im Moment einfach zu eingeschüchtert. „Danke Dominus, ich hoffe, ich werde dich nie enttäuschen,“ meinte ich ein wenig kleinlaut.
Bevor ich dann endlich von mir erzählte, brauchte ich einen Moment Zeit, um zu überlegen, wo ich eigentlich anfangen sollte. „Naja, also… als ich vier oder fünf war, da wurde ich vom Meer angespült. Ich war auf einem Schiff gewesen, aber woher das Schiff kam und wer noch auf dem Schiff war, weiß ich nicht mehr. Da gab es einen Sturm, der dieses Schiff zum sinken brachte. Und ich wurde angespült. Das war irgendwo in Nordgallien. Armorica haben die Leute die Gegend genannt. Die, die mich fanden, gaben mir was zu Essen und waren auch eigentlich ganz nett zu mir, obwohl ich ihre Sprache nicht verstand. Aber dann kamen ein paar böse Männer, die mich mitnahmen und mich schlugen. Ich hab mich gewehrt und geschrien. Aber die ließen mich nicht los.“ Schon ewige Zeiten hatte ich nicht mir über diesen furchtbaren Tag nachgedacht. Bisher hatte sich niemand dafür interessiert.
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Bevor ich dann tatsächlich die Tür öffnete, um einzutreten, zerrte ich noch einmal an dieser besch…eidenen Tunika in der Hoffnung, dass sie doch noch ein bisschen länger wurde. Aber den Gefallen tat sie mir nicht. Was soll's, dachte ich, ich bin ja eh nur die Putze! Scheißegal wie ich aussah.
Langsam ging also die Tür auf und ich steckte erst mal meine Rübe durch, bevor ich eintrat, so al wollte ich nachgucken, ob Massa auch wirklich da war. Was ja absoluter Schwachsinn war, weil er ja gesagt hatte, ich solle reinkommen.
„So da bin ich, Dominus“, meinte ich als ich ein paar Schritte nähergetreten war. Meine Haare hatte ich nach hinten zusammengesteckt. Bis auf die blöde Tunika sah ich jetzt eigentlich ganz ansehnlich aus.
Ein wenig aufgeregt war ich ja schon, weil ich keine Ahnung hatte, was jetzt kam. Vielleicht war Massa ja gar nicht der für den ich ihn hielt. Vielleicht war er ja genauso Irre wie der Tiberer und konnte es in der Öffentlichkeit nur besser verbergen. -
Eigentlich wollte ich schon die Tür aufreißen, aber dann fiel es mir wieder ein, was Massa mir eingebläut hatte: vorher anklopfen! Also klopfte ich und wartete...
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Auf unserem netten Rundgang durch die Villa, kamen wir irgendwann zu einem Teil des Gebäudes, der nicht mehr so fein und herrschaftlich aussah. Aha, hier bist du zu Hause, sagte ich zu mir selbst. Ja, genau! So ‘ne versiffte Umgebung war ich eher gewohnt. Da fühlte ich mich gleich wie zu Hause. Und immerhin, hier sah es noch zehnmal besser aus, als in Glaucus‘ Dreckloch! Statt einem feinen Balneum, wie ich es im herrschaftlichen Teil der Villa gesehen hatte, stand hier nur ein hölzerner Bottich herum, in den man sich hineinzwängen musste, wenn man baden wollte.
Nachdem Massa gegangen war, sah ich mich erst mal um. Ich fand den Schlafraum, der völlig verwaist war. Lediglich ein Schlaflager schien öfter genutzt zu werden. Hier musste anscheinend die Köchin schlafen. Ansonsten hatte ich freie Auswahl. Ich nahm eine der Liegen in Beschlag, nachdem ich sie vorher getestet hatte. Dann ging ich zurück in den Raum mit dem Bottich. Zum Glück war noch ein wenig Wasser darin. Das reichte zwar nicht, um ein gemütliches Vollbad zu nehmen, aber allemal war es genug, um auf die Schnelle Katzenwäsche zu machen. Naja, außerdem war das Wasser ja auch kalt!
Also zog ich meine alten löchrigen Klamotten aus und wusch mich. Kaltes Wasser war ich gewohnt. Schließlich war ich keines von diesen verwöhnten Häschen, die nix abkönnen!
In einer der Kasten fand ich dann endlich eine Tunika, die einigermaßen passte. Anscheinend waren meine Vorgängerinnen alle eine Nummer kleiner, denn die Tunika reichte nicht mal ganz bis zu meinen Knöcheln. Aber was Besseres hatte ich nicht gefunden. Auch die Farbe der Tunika war ziemlich gewöhnungsbedürftig: ein fröhliches Schlechtwettergrau.
Nachdem ich fertig war suchte ich meinen Weg zurück zu seinen privaten Räumen. -
"Ach... aha," war meine, für meine Verhältnisse sehr einsilbige Antwort. Na gut, dann schaute ich erst mal und hielt die Klappe. Zumindest solange, wie wir hier auf dem Sklavenmarkt blieben.
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„Aha,“sagte ich und ließ das, was er dann noch sagte, erst mal auf mich wirken. Er war also erst vor kurzem wieder hierher zurückgekehrt. Na ja, das hatte ich ja schon auf dem Sklavenmarkt mitgekriegt. Ich wollte aber auch nicht nachfragen, weil seine Stimme ein wenig genervt klang. Woher das nur kam? Vielleicht weil ich seine Ohren fast blutig gequasselt hatte, seitdem ich endlich gerafft hatte, dass er mich gekauft hatte.
Na toll, ich war für die ganze Villa zuständig und für ihn… Das hieß ich durfte jedes Mal zur Tür schlappen, wenn einer kam und was wollte und natürlich… das übliche, putzen, waschen und was sonst noch so anlag. Scheiße, das war echt total viel! Ein Rund-um-die-Uhr Job, na Klasse! Und weil ich ihm ja versprochen hatte, dass er es nicht bereuen würde, wenn er mich kaufte, sagte ich brav: „Alles verstanden, Dominus.“Also imposant war die Hütte ja schon, wenn auch etwas verstaubt! Anscheinend hatte hier schon länger keiner mehr durchgefegt. Na, das würde sich jetzt bald ändern! Trotz allem sah ich mich mit staunenden Augen um. So was hatte ich noch nie von innen gesehen. Hier sah alles so sauber und edel aus, obwohl es staubig war. „Und wo kann ich schlafen, Dominus?“, fragte ich dann doch nach einer Weile. Nicht dass ich etwa müde war!