Beiträge von Viniciana Thula

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    Amir


    „Tut mir leid, aber mit der Jagd kenne ich mich nicht aus,“ meinte Amir mit zuckenden Schultern. Er war als Sklave in einem Stadthaus mitten in Damaskus geboren worden und war nie darauf angewiesen gewesen, sein Essen selbst erjagen zu müssen. „Dann warst du sicher ein guter Jäger? Womit hast du deine Beute erlegt?“ Der Noriker hatte es tatsächlich geschafft, Amirs Interesse zu wecken. Er wäre selbst auch gerne einmal zur Jagd gegangen. Der Kampf zwischen Mensch und Tier – das faszinierte ihn. Natürlich wäre er aber nie auf die Idee gekommen, seine Wünsche laut zu äußern. Schon gar nicht vor einem Fremden. Außerdem ging es ja hier nicht um sein Vergnügen, sondern um die Suche nach Thula. Amir konnte es bereits an Carbos Tonfall hören, dass dieses Unterfangen sehr schwer werden würde. Zumindest ohne weitere Informationen. Was Carbo sagte, klang einleuchtend und nachvollziehbar.
    „Einen Moment, lass mich nachsehen!“ Der Syrer lief ein paar Schritte und sah sich um, ob der Bettler auch heute wieder an seinem gewohnten Platz saß. Wie schon am Tag zuvor fand er ihn in seiner Häusernische. Natürlich kannte der Bettler ihn noch, da er für seine Dienste ja auch eine Belohnung bekommen hatte. Der Syrer bat ihn, kurz mit zu Carbo zu kommen, um ihm dort Rede und Antwort zu stehen.
    „Es geht noch einmal um die Germanen, die die Sklavin angesprochen haben. Kannst du dich noch erinnern, wie sie aussahen?“ , fragte Amir ihn, als die zu dem Noriker kamen. Der Bettler überlegte einen Augenblick bevor er zu sprechen begann. „Ja, wenn ich mich recht entsinne, waren sie alle blond, außer der Frau. Die hatte rotes Haar. Ach nein, einer der Männer hatte braunes Haar. Aber der ist nicht mit den anderen gegangen. Der Mann, der mit der Sklavin sprach hatte kurze blonde Haare, die so nach hinten gekämmt waren. Der Ältere, der den Sack davontrug, war dunkelblond. Ja, genauso war es! Die Männer trugen germanische Kleidung. Aber die Frau, das war irgendwie komisch! Sie trug eine römische Tunika, aber irgendwie hat das nicht gepasst! Ihre Haare und so!“

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    Amir


    Carbo schritt gleich zur Tat. Er schaute sich genau den Boden an, als ob er daraus lesen könne, wer da als letztes gewandelt war. Amir hatte den Eindruck, dass dies zu Anfang für den Noriker gar nicht so einfach war. Doch er staunte nicht schlecht, als der junge Mann plötzlich die Fußspuren von Thula und den Germanen identifizieren konnte. Ganz fasziniert davon, verfolgte der Syrer, was Carbo in die Spuren hineininterpretiert. Er selbst, da war er sich ganz sicher, hätte daraus nichts erkennen können. „Aha, ähm, ich weiß nicht. Ach, was du nicht sagst! Ähm, wie groß ihre Füße sind? “ Darüber hatte sich der Syrer bislang noch nie Gedanken gemacht. Sie war ja ziemlich groß und dürr… „Also, ich denke mal, ihre Füße sind groß,“ antwortete er und war gespannt, was Caro noch aus den Spuren lesen konnte.
    Seine Blicke folgten Carbos Fingerzeig. „Und das kannst du alles hieraus lesen?“ So sehr sich Amir auch bemühte, an Carbos Fähigkeiten kam er kaum heran. „Dann ist sie also wirklich entführt worden?“ Er atmete erleichtert auf. Genau auf diese Aussage hatte er die ganze Zeit gewartet. Sie war nicht geflohen! Wie schade, dass er diese neue Erkenntnis seinem Dominus nicht sofort mitteilen konnte, da er am Morgen mit mehreren Kohorten die Castra verlassen hatte.
    „Ja und dann? Diese Germanen haben doch dann sicher die Stadt verlassen, oder was meinst du? Denkst du, du könntest sie dort draußen finden?“ Das war wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.

    Aber nicht nur das Lager kam mir so leer vor. Auch mein Schatten war verschwunden. Vielleicht hatte es Ygrid ja aufgegeben, mir ständig zu hinterherzulaufen. Aber wenn man vom Cerberus sprach, dann kam er auch sofort! Plötzlich stand sie vor mir. Ihr miesepetriges Gesicht von gestern war verschwunden. Anscheinend hatte sie heute gute Laune. Sie sagte etwas zu mir, was sich freundlich anhörte. Allerdings verstand ich kein Wort. Aber aus ihrer Handbewegung schloss ich daraus, dass sie mir zeigen wollte, wo ich mich waschen konnte. Da waren wir ja endlich einmal einer Meinung! Ich nickte ihr lächelnd zu und folgte ihr. Als ich dabei bemerkte, wie einfach es plötzlich war, das Lager zu verlassen, kam mir der Gedanke, dass dies nun meine Chance war, hier endlich wegzukommen! Ich hätte vor Freude in die Luftspringen können, aber nichts dergleichen ließ ich mir anmerken.


    Wir waren ein ganzes Stück in den Wald hineingelaufen. Vor uns lag ein Nebenarm des Flusses, der scheinbar ideal dafür war, darin zu baden. Ygrid begann schon, sich auszuziehen. Da ließ ich mich nicht lange bitten! Hier waren wir vor den Blicken der Männer geschützt… und hier konnte wahrscheinlich niemand Ygrids Rufe hören, wenn ich davonlief.
    Aber zuerst wollte ich mich waschen, denn ich hatte es echt nötig! Mit meiner Zehenspitze testete ich die Temperatur des Wassers. Besonders warm war es ja nicht. Aber egal, Hauptsache ich war danach sauber! Ygrid war auch nicht zimperlich. Da ich ihr in nichts nachstehen wollte, folgte ich ihr ins Wasser. Anfangs war es tatsächlich ganz schon kalt, doch langsam gewöhnte ich mich daran.

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    Amir


    Der Syrer wandte sich um, als er hinter sich ein ‚Salve, hier bin ich‘ hörte. Seine ernsten Gesichtszüge lockerten sich auf der Stelle, so dass ein Lächeln entstehen konnte. „Salve! Schön, dass du da bist!“, rief er erfreut, was für ihn schon eine immense Erweiterung seines üblichen Mitteilungsbedürfnisses bedeutete. Aus seiner sklavischen Gewohnheit hielt sich der ansonsten so wortkarge Amir nicht lange mit dem Austausch von Banalitäten auf, sondern schritt sofort zur Tat. Dies geschah in seinen Augen keinesfall aus Unfreundlichkeit, vielmehr aus der Erwartungshaltung ihm gegenüber als Sklaven.


    „Also hier etwa habe ich mich von Thula verabschiedet.“ Der Syrer wies auf einen Punkt, der sich zwischen dem Garum –Stand und dem des Gemüsehändlers befand. Er hatte diesen Moment, indem er sie sich selbst überlassen hatte, immer und immer wieder in seinem Kopf abgespielt. Je mehr er das getan hatte, war sein Schuldbewusstsein gewachsen.
    „Sie wollte dann weiter zum Gemüsehändler dort drüben.“ Wieder wies er mit seiner Hand in eine andere Richtung. „Der Bettler berichtete, dass sich die Germanen ihr unweit des Gemüsestandes in den Weg stellten und sie ansprachen. Von hier ab ist sie also verschwunden,“ stellte er fest. Nun war er mehr als nur gespannt, was Carbo tun würde. Sein Blick richtete sich auf ihn.

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    Amir


    Nachdem Amir am Abend zuvor erfolgreich gewesen war und einen geeigneten Mann gefunden hatte, der die verschwundene Sklavin wiederfinden sollte, begab er sich Vormittag wieder zum Forum, um dort eben jenen zu treffen. Carbo hatte einen vertrauenswürdigen Eindruck gemacht. Dennoch schwang ein wenig Unsicherheit mit, die aber wahrscheinlich vergehen würde, sobald er erschien. So sah sich der Sklave um und wartete.

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    Amir


    Ziemlich zerknirscht saß der junge Syrer nun da. Er machte sich noch immer Vorwürfe, weil er nicht bei Thula geblieben war. Auch die Aussicht, einen guten Sklavenjäger zu finden, der ihn und seinen Dominus nicht übers Ohr haute, wurde immer geringer. Doch was er unmittelbar nach seinem Bericht zu hören bekam, versetzte ihn doch in Staunen. „Was? Du!“ Amir hatte den Scriba zwar nicht für einen Schwächling gehalten, aber das hätte er ihm auch nicht zugetraut! Jedoch klang das, was er erzählte, recht euphorisch, wenn vielleicht auch nicht gänzlich überzeugend. Der Mann schien Idealist zu sein, das machte ihn auch wieder sympathisch. Allemal besser als ein grobschlächtiger Haudrauf, der der Sklavin etwas antat, falls es ihm tatsächlich gelingen sollte, sie wieder zu finden.
    Auch der Alte schien von dieser Idee begeistert zu sein, wobei seine Beweggründe in eine ganz andere Richtung gingen. Er sah darin den Stoff für ein Heldenepos, welches er eines Tages zum Besten geben konnte. Das wäre sicher sehr schmeichelhaft gewesen, wäre die Lage nicht so heikel gewesen.


    Doch der Noriker bekräftigte noch einmal sein Angebot. Amir schien hin und hergerissen. Er wägte das Für und Wider ab und kam zu dem Schluss, dass Corbo im Augenblick der geeignetste Mann war für dieses Unternehmen. Zumal es plausibel klang, was er sagte.
    „Na gut! Dann bist du mein Mann! Mein Dominus gibt demjenigen dies als Vorschuss, der sich auf die Suche macht. Für deine Unkosten!“ Der Syrer kramte den Geldbeutel hervor, den ihm der Vinicier gegeben hatte und schob ihn Carbo zu. „Wenn du sie gefunden hast und sie heil zurückbringst, erwartet dich eine angemessene Belohnung! Ach ja, und falls du sie findest, behandle sie gut. Mein Dominus wünscht, dass ihr kein Haar gekrümmt werden soll.“ Das würde dann der Dominus selbst erledigen, falls sie nicht das Opfer einer Entführung geworden war.


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    Amir


    „Ja genau dieser!“, bestätigte Amir dem Alten kurz. „Mir tut es auch leid, dass sie weg ist.“ Noch mehr tat es ihm leid, dass man ihm aufgetragen hatte einen Sklavenjäger zu finden. Für ihn hatte das einen fahlen Beigeschmack. So als ob sie tatsächlich geflohen wäre, was sich Amir allerdings kaum vorstellen konnte, auch wenn inzwischen fast alles dafürsprach. Seitdem sie weg war, herrschte eine seltsame Ruhe im Haus des Tribuns, die kaum zu ertragen war.
    Er blickte wieder auf, als der Alte auf sein Rätsel zu sprechen kam. „Ach ja, aber ich kannte die Antwort. Dort wo ich herkomme, gibt es viele, wie dich. Geschichtenerzähler. Und mein damaliger Herr erzählte mir auch gelegentlich Geschichten, als ich noch ein kleiner Junge war.“ Carbo, der jüngere Mann, kam schließlich auf sein Anliegen zu sprechen. Die Hoffnungen des Syrers stiegen wieder. Vielleicht war er hier richtig gelandet. Er verfolgte aufmerksam den Austausch der beiden.„Äh, der Dominus hat mir einem vollen Beutel mit Münzen mitgegeben.“ Er deutete an eine Stelle knapp unterhalb seines Gürtels, dort wo sich der Geldbeutel befand. „Aber du sagtest prellen zu lassen? Du meinst, ich könnte leicht an einen Betrüger geraten?“ Das wollte er unbedingt vermeiden. Sein Dominus hatte schon genug Sorgen. Die Antwort lieferte ihm Carbo sofort und ohne Umschweife, so dass der Syrer erkennen musste, in welcher Gefahr er sich befunden hatte. Entsetzt darüber sah er die beiden an. „Oh ja, da bin ich wirklich froh, dass mich Fortuna hierhergeführt hat, zu euch beiden!“, lächelte Amir erleichtert.
    „Thula, so heißt die Sklavin, war gestern Vormittag mit mir auf dem Markt. Ich sollte ihr die Einkäufe tragen. Als wir fast schon fertig waren, schickte sie mich zurück zur Castra. Sie sagte, sie wolle den Rest und einige persönliche Sachen noch selbst besorgen. Doch von ihrem Einkauf kam sie nicht mehr zurück. Später am Nachmittag suchte ich sie. Aber sie war spurlos verschwunden. Auch heute fragte ich mich in der Stadt herum, ob sie jemand gesehen habe. Schließlich traf ich einen Bettler, der gestern beobachtet hat, wie sie sich mit drei Germanen unterhalten hat. Und dann war sie weg, wie vom Erdboden verschluckt. Der Bettler sagte, einer der Germanen hätte einen großen Sack auf der Schulter getragen.“ Entweder hatten diese Kerle sie entführt oder sie war doch… geflohen.

    Wirres Zeug hatte ich geträumt. Ziemlich beängstigend, wenn ich so darüber nachdachte. Von Raben, die an Leichen herumpickten, einem Meer von Blut und von einem Reiter, der mich am Ende rettete. Na dann war ja alles gut! Das musste bestimmt am Met gelegen haben.


    Meine Augen öffneten sich einen Spalt breit. Als das gelle Tageslicht einfiel, war mir bewusst, dass dies ein großer Fehler gewesen war. Schreckliche Kopfschmerzen begannen mich zu quälen. Ich dachte, mein Schädel müsste jeden Moment platzen. Besser ich blieb noch eine Weile liegen, völlig regungslos. Ganz langsam begann es in meinem Kopf zu rattern, wo lag ich eigentlich und wie war ich da hingekommen? Ein beißender Geruch begann mir in die Nase zu steigen. Ich konnte nicht sagen, wovon. Meine Hände begannen etwas Weiches, flauschiges zu fühlen, was ich zunächst auch als angenehm empfand.


    Wieder machte ich einen Versuch, meine Augen zu öffnen, diesmal etwas weiter. Ich hatte einen üblen Geschmack im Mund und mein Magen schien sich noch zu entscheiden, ob es ihm gut oder schlecht gehen sollte. Endlich hatten sich meine Augen an das Licht gewöhnt. Langsam begriff ich, dass ich mich in einer von diesen Hütten befand, die ich gestern mit den Frauen gebaut hatte. Richtig! Ich war noch immer im Germanenlager und ich befand mich nicht in irgendeiner Hütte, sondern in der von diesem Arwid. Alles kam mir wieder vertraut vor, bis auf das Tierfell, von dem dieser widerliche Gestank ausging. Ich lag auf diesem Fell und mein Körper war mit einem solchen Fell zugedeckt. Ich stemmte mich mit meinen Oberarmen auf und sah mich misstrauisch um. Von Arwid war nichts zu sehen, was wahrscheinlich daran lag, dass es schon später Vormittag sein musste. Ganz nebenbei registrierte ich, dass ich nichts anhatte. Wer zum Henker hatte mir meine Klamotten ausgezogen? Hoffentlich ich selbst! Aber wenn ich so darüber nachdachte, glaubte ich nicht, dass ich dazu noch fähig gewesen war. Da lag es natürlich nahe, dass noch andere Dinge passiert sein konnten, an die ich lieber gar nicht erst denken wollte. Mein nächster Blick fiel auf meinen rechten Oberarm, um zu überprüfen, ob mein Armreif noch da war. Beruhigt stellte ich fest, er war noch da. Suchend sah ich mich nach meinen Kleidern um, allerding fand ich statt meiner Kleidung, die gestern noch getragen hatte, eine Tunika aus einem groben wollenen braun-grün karierten Stoff und einem ledernen Gürtel. Meine Geldbörse, die ich unter meiner Kleidung getragen hatte, lag oben auf. Scheinbar war noch alles da, was ich hatte. Mal abgesehen von meinen Kleidern. Argwöhnisch besah ich mir diese Tunika, bevor ich sie notgedrungen anzog. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich darin aussah! Wenigstens hatte man mir meine Sandalen gelassen, die ich auch noch anzog. Mein Haar war offen. So traute ich mich aus der Hütte heraus und sah mich verstohlen um. Eine Frau, die mich sah, nickte mir freundlich zu und sage etwas zu mir, was ich aber nicht verstand.
    Mir kam das Lager so leer vor. Ich sah fast nur Frauen und wenn es hochkam, höchsten zehn Männer, die man offensichtlich zum Schutz des Lagers zurückgelassen hatte. Dann erinnerte ich mich wieder daran, was Arwid am Abend gesagt hatte… jagen oder Freunde besuchen. Na klar! Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, glaubte ich, dass beides gelogen war. Vielleicht war mein Traum ja so was wie eine Vorahnung gewesen! Dann sollte ich schleunigst das Weite suchen, sonst war ich es am Ende noch, der von Raben angepickt wurde.
    Es fiel mir zwar schwer, aber ich musste mein Hirn anstrengen! Wie kam ich hier am besten weg, ohne dass es jemand mitbekam! Vielleicht über den Fluss? Ich könnte mich an Treibgut klammern und mich bis Mogontiacum treiben lassen, falls der Fluss bis dahinfloss. Ich wusste ja nicht, wohin man mich gebracht hatte. Oder ich konnte mich durch diesen Urwald kämpfen, bis ich zu einer Straße kam. Garantiert gab es dort irgendwo auch Soldaten. Allerdings, wie würden die reagieren, wenn sie mich sahen, in meinem tollen Germanenaufzug? Eine wirklich schwierige Entscheidung war das!

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    Amir


    Das Wasser stillte fürs erste seinen Durst. Amir konnte nun kurz entspannen und tief durchatmen. Dieser Tag hatte es wirklich in sich gehabt! Es war gar nicht so leicht gewesen, einen Zeugen zu finden, der etwas über Thulas Verschwinden sagen konnte. Stundenlang war er durch die Stadt gestreift und dann nun noch dieser Auftrag! Einen Sklavenjäger auftreiben, der nach Thula suchte. Bei dem Gedanken wurde ihm ganz mulmig!


    Die beiden Männer, zu denen er sich an den Tisch gesetzt hatte, waren sehr nett! Der eine war ein Stadtschreiber. Das war sicher eine interessante Arbeit. Mit Amirs eigenen Schreibkünsten war es nicht so weit her. Aus diesem Grund hatte ihn der Sklavenhändler auch als guten Stallknecht angepriesen, als sein Dominus ihn gekauft hatte.
    Der Alte war ein Geschichtenerzähler. Die hatte es auch damals in Damaskus gegeben. Als Junge hatte er ihnen so gerne zugehört. Doch das war lange her!
    „Oh verzeiht, mein Name ist Amir, ich bin der Sklave des Tribun Vinicius Massa.“ Wo waren denn seine Manieren geblieben? Er arbeitete zwar als Stallknecht, aber er benahm sich nicht zwingend so. „Darf ich fragen, wieso dich meine Antwort überrascht?“, fragte er freundlich. Dann kam ihm die Idee, dass die beiden ihm eventuell bei seiner Suche behilflich sein könnten. Schließlich hatten beide viel mit Menschen zu tun. „Bitte verzeiht, wenn ich frage, aber ihr kennt nicht zufällig einen Sklavenjäger? Jemand, der eine verschwundene Sklavin aufspüren und zurückbringen kann?“

    Upss, stieg mir Met bereits zu Kopf? Ach was solls, dachte ich mir und ließ mich einfach gehen. Ich war ja schließlich nicht die Einzige, die hier angeheitert war! Arwid wurde nun auch endlich etwas gesprächiger und ich verstand nun auch, worum sich die anderen so gestritten hatten. „Gute Freunde? Echt jetzt? Ihr habt hier wirklich gute Freunde wohnen?“, fragte ich kichernd und trank gleich noch etwas mehr. Arwid hatte sich einen Nachschlag bringen lassen. Sowas hätte ich jetzt glatt auch vertragen können. Obwohl ich ja nun schon reichlich gegessen hatte! „Massa heißt er. Vinicius Massa um genau zu sein, weil es gibt auch noch´n anderen Massa, der auch Tribun is. Abner meiner ist Tribunus Lati… äh Lati… ach egal! Un natürlich krieg ich genug zu essen, nur nicht so die feinen Sachen. Außer es bleibt mal was übrig. Und wir haben ´ne super Köchin! Aber weil ihr Deppen mich entführt habt, hab ich nix mehr vom Wildschwein abgekriegt, also das von der Cena gestern Abend, nicht eueres…“ Der Met war echt lecker, darum ließ ich mir auch gerne nachschenken. Denn heute Abend galt es einfach, sich mal richtig volllaufen zu lassen! So was hatte ich noch nie gemacht! Aber für alles gab es ein erstes Mal…
    „Ach nee, keine Angst, weis du, davon, krieg ich gar nich so viel mit. Wir wohn‘ ja innem extra Haus. Die guck’n manchma blöd, wenn ich zum Tor lauf un ruf’n mir dämliche Sachen hinnerher. Voll die Blödmänner, die!“ Langsam begann sich alles zu drehen. War das wirklich so oder fühlte sich das nur so an, weil der letzte Becher Met vielleicht doch einer zu viel gewesen war? „Wat für einer? Ach du meins der Legat, jepp is vom Gaul gefallen, jetzt hat er’ne Matschbirne, oder so. Keine Ahnung! Aber mein Massa führt jetz die Legio, hatter gesagt.“ Ja, ich konnte mich noch gut erinnern. Es muss sein erster Arbeitstag gewesen sein. Er kam abends zurück und fragte mich, was glaube, wer jetzt die Legio führen soll… Mist, auch wenn das erst vor einigen Wochen gewesen war, kam es mir nun wie eine Ewigkeit vor. Ich vermisste Massa so sehr! Hätten die mich nicht entführt, dann hätte ich nun bei ihm liegen können. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Diesmal hielt ich sie nicht zurück. Ich griff nach meinem Becher und trank den Rest Met auf einmal. Kurz darauf, seufzte ich. „Oh Mann, ich glaub, mir wird schlecht!“ Das waren so ziemlich meine letzten Worte… zumindest für diesen Abend. Denn dann haute es mich einfach um und ich begann sofort tief und fest zu schlafen.

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    Amir



    Der Alte sprach ihn an. Aber was er sagte, irritierte ihn nur noch mehr. Ödipus, Sphinx, Rätsel. Es wurde Zeit, dass Amir etwas trank. Allerdings erinnerte er sich auch an seine Jugendzeit, damals bei seinem alten Herrn in Damaskus. Er war kaum zwölf Jahr alt gewesen. Er hatte ihm gelegentlich Geschichten erzählt. Auch die von einem gewissen Ödipus. Er konnte sich noch gut daran erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. „Der Mensch,“ antwortete er, während er sich setzte. „Danke auch, ihr seid sehr freundlich!“ Endlich brachte ihm die Bedienung sein Wasser. Sogleich nahm er einen großen Schluck.

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    Amir


    Der junge Syrer wirkte ziemlich verloren in der Taberna. Er wusste nicht, was er tun sollte. Ale eine Bedienung auf ihn zu kam und ihn ansprach, was er denn gerne haben wollte, sah er sie nur verständnislos an. „Einen Sklavenjäger, ich suche einen Sklavenjäger.“ Die Bedienung sah den Sklaven erst verdutzt an. „Na klar, Herzchen, und was willst du vorher trinken?“ Amir verstand nicht, was die Frau von ihm wollte. Er war viel zu sehr mit seinem Auftrag beschäftigt, weswegen sein Dominus ihn losgeschickt hatte. Als sie ihm mit Handteichen verständlich machte, was sie wollte, bestellte er ein Wasser, was die Bedienung mit einem müden Lächeln quittierte.
    Der Sklave sah sich um, wo noch ein Platz für ihn frei war. Schließlich fiel ihm ein Tisch auf, an dem zwei Männer saßen, die sich angeregt unterhielten. Er fragte höflich, ob für ihn noch ein Platz frei sei.

    Ich war natürlich der Einladung gefolgt, denn ich hatte einen Bärenhunger! Und die beiden Wildschweine, die über dem Feuer so dahinbrieten, ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Direkt neben Arwid nahm ich Platz. Wo Ygrid nur abgeblieben war? Seit dem Nachmittag war sie mir auch Tritt und Schritt gefolgt. Aber ehrlich gesagt, vermisste ich sie nicht wirklich.


    Glücklicherweise musste ich mich nicht so lange gedulden, bis man mir eine Portion Puls mit einem Stück Wildschweinbraten reichte. Das war auch gut so, nicht nur weil ich kurz vorm Verhungern stand, auch weil ich keine Ahnung hatte, wovon die Leute um mich herum sprachen. Teilweise wurden einige von ihnen richtig laut, so dass ich manchmal glaubte, ich müsse mir Sorgen machen.
    Neben Wasser wurde auch Bier und Met gereicht. Bier kannte ich natürlich noch aus meiner Zeit in Massilia, doch dieses Met nur aus Erzählungen. Anfangs hielt ich mich nur ans Wasser, doch irgendwann reichte man mir einen Becher mit Bier. Ich probierte und stellte einen bitteren Geschmack in meinem Mund fest, der allerdings nicht unangenehm war. Dieses Bier konnte es gut und gerne mit dem Cervisa aus Massilia aufnehmen!


    Im Laufe des Abends mischte sich Arwid in den Disput ein. Einige erklärende Worte wären jetzt schon hilfreich gewesen, damit ich wenigstens nur kleinen Schimmer davon bekommen hätte, worum es eigentlich ging. Aber darauf konnte ich lange warten.
    Doch dann begann Arwid sich doch noch mit mir zu unterhalten. Er wollte unbedingt, dass ich von diesem Met probierte. Naja, das Bier war ja schon schmackhaft gewesen, dann war dieses andere Zeug vielleicht ja auch ganz genießbar. „Oh ja, das Wildschwein hat ganz vorzüglich geschmeckt!“ Arwid reichte mir den Becher, ich nahm ihn ganz automatisch und führte ihn direkt zum Mund, als ob ich bis jetzt nichts anderes getrunken hätte. „Oh, ist gar nicht so schlecht!“, meinte ich. Der Met schmeckte ganz ungewohnt, aber irgendwie auch gut! Auf jeden Fall schmeckte das Zeug nach mehr! „Sag mal, wovon habt er eben gesprochen? Ich hab überhaupt nix verstanden! Oh Mann, das Zeug ist richtig gut! Warum hab ich das nicht schon früher getrunken?“

    Oha, wenn Blicke töten könnten, dachte ich mir, als sie mich ansah. Zumindest verstand sie, was ich von ihr wollte. Ygrid hieß sie also. Seltsamer Name, aber gut. Sie konnte ja nichts dafür. Mir schien, als läge ihr etwas auf der Zunge, dies jedoch auszusprechen, traute sie sich aber nicht. Wahrscheinlich wäre das sowieso verlorene Liebesmüh gewesen, da ich sie eh nicht verstanden hätte. Ygrids Kleidung wahr sehr ungewöhnlich. Inzwischen hatte ich ja schon mehr Germanen gesehen, als mir lieb sein konnte, aber eine Frau, die Hosen trug, war doch nicht so alltäglich. Als sie mir dann den Becher mit Wasser reichte, war ich dann doch sehr erstaunt. „Danke sehr!“ sagte ich und lächelte ihr zu. Ein Schluck Wasser war jetzt wirklich gut! Auch sie lächelte, wenn man das denn als solches so nennen konnte. Wahrscheinlich verhielt sie sich so, weil sie einfach nur unsicher war.


    Kurze Zeit später trat Arwid zu uns heran. Kaum hatte er den Mund aufgemacht, wurde mir einiges klar! Aha, daher wehte also der Wind! Deswegen hatte die kleine rothaarige Göre anfangs so ein Gesicht gezogen. „Ach das ist sehr freundlich von dir. Wir haben uns gerade bekannt gemacht… so gut es geht,“ entgegnete ich ihm und machte gute Miene zum bösen Spiel. Er hatte also Ygrid zu meiner Aufpasserin bestimmt. Na schön! Das machte die Sache um einiges schwieriger, hier fortzukommen. Seine Einladung hatte er natürlich auch nicht aus reiner Freundlichkeit ausgesprochen. Garantiert bezweckte er etwas damit. Sollte er doch, von mir würde er nichts erfahren! „Ja danke! Gerne! Wildschwein habe ich noch nie gegessen!“ Das erinnerte mich ganz spontan an die Cena, die Massa für die Tribunen gegeben hatte. Da hatte Nelia auch Wildschwein aufgetischt. Das war unser letzter Abend, unsere letzte Nacht gewesen. Verdammt, ich hätte heulen können, weil ich jetzt hier festsaß! Aber nur nichts anmerken lassen, sagte ich mir.

    Was ich als notgedrungenen Zeitvertreib angefangen hatte, machte mir mit der Zeit doch auch Spaß. Ich konnte dabei für eine Weile vergessen, dass man mich entführt hatte, dass ich nun irgendwo im nirgendwo festsaß und sogar meine Angst, dass mein Dominus glaubte, ich sei abgehauen, war für kurze Zeit ausgeblendet. Auch wenn ich die Frauen um mich herum nicht verstand, fühlte ich mich bald wie ein Teil von ihnen.


    Irgendwann stieß dann auch die junge Frau (oder sollte ich besser Mädchen sagen?) zu uns, die bei meiner Entführung dabei gewesen war. Sie warf mir einen düsteren Blick zu, warum auch immer. Auch sie begann nun mitzuhelfen. Jedoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie mich beobachtete. Naja, vielleicht bildete ich mir das alles auch nur ein. Daher konzentrierte ich mich auf meine Arbeit.
    Nach einer Weile war die Behausung, wenn man sie denn als solches bezeichnen konnte, fertig. Eine der Frauen kam mit einem tönernen Gefäß, gefüllt mit frischem Wasser an dem wir uns alle laben konnten. Dabei fiel mir wieder der Blick dieses Mädchens auf. Ich entschied mich, den ersten Schritt zu machen, ging auf sie zu und sprach sie an. Ich wusste ja schon, dass sie meine Sprache nicht konnte. Drum deutete ich auf mich und sagte „Thula!“ Gleich darauf deutete ich mit einer fragenden Geste auf sie.

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    Nelia


    Der Syrer tat was man ihm sagte und brachte den Bettler zurück zum Tor.
    In der Zwischenzeit richtete Nelia ein Tablett mit je einen Krug Wein und Wasser. Aufgrund ihrer ständig wachen Neugir hatte die Köchen den Bericht des Bettlers mitangehört. Auch sie war hin undhergerissen zu glauben, dass Thula einfach geflohen war.


    Sie nahm das Tablett und brachte es zum Cubiculum. Nachdem sie eingetreten war, stellte sie es auf einem Tischchen ab, goß von beiden Getränken in einen Becher und reichte diesen dem Venicier.
    "Was gedenkst du nun zu tun, Dominus?",fragte Nelia ohne Umschweife und sehr direkt. Wenn sie tatsächlch geflohen war, konnte er ihr das doch nicht durchgehen lassen!