Beiträge von Viniciana Thula

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    Amir


    Ein solches Abenteuer hätte sich der Syrer nie im Leben träumen lassen. Nun hatten sie offenbar den Wagen gefunden, mit dem Thula entführt worden war. Aber weit und breit war von den Entführern oder gar von der Sklavin nichts zu sehen. Die Spuren aber führten sie direkt an das Ufer des Flusses.

    Vorsichtig watete er nun ins Wasser. Ihm war das alles nicht ganz geheuer, denn Amir konnte nicht schwimmen! Um so mehr achtete er darauf, wohin er den nächsten Schritt setzte. Jetzt waren sie soweit gekommen, jetzt musste er auch hier hindurch!
    Der Bettler, der sie noch immer begleitete, tat es dem jungen Syrer gleich. Er hoffte, am Schluss noch eine ordentliche Belohnung absahnen zu können. Und womöglich lag seiner Zukunft sowieso außerhalb der Stadt, hier auf dem Land!


    Sie befanden sich bereits etwa in der Mitte des Flusses, als Amir das Wasser bis auf Brusthöhe stand. Jeder weitere Schritt war eine Überwindung für ihn. Glücklicherweise war die Strömung an dieser Stelle nicht so stark, sonst hätte es ihn wahrscheinlich längst umgerissen. Immer wieder sah er sich nach seinen beiden Begleitern um. Dann ging sein Blick wieder nach vorne, zum anderen Ufer. Irgendetwas ließ ihn plötzlich innehalten. Im war so, als hätte er Schreie gehört. Amir Wandte sich wieder zu Carbo um. „Hast du das auch gehört? Diese Schreie…“ Der Syrer hielt den Atem an, um weitere Stimmen oder Geräusche hören zu können. Doch außer dem Rauschen des Flusses hörte er zunächst nichts. Aber dann… wieder ein Schreien und Rufe, die ihm irgendwie bekannt vorkamen. Dier er aber nicht richtig zuordnen konnte.

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    Amir


    Das musste tatsächlich ein schwerer großer Wagen gewesen sein, der von Ochsen gezogen worden war, der seine Spuren im hohen Gras aber auch in der leuchten Erde hinterlassen hatte. Selbst für Amir und den Bettler waren sie augenscheinlich. Nun mussten sie einfach nur weitergehen, immer den Spuren nach. Nach einiger Zeit befanden sie sich in einem Wald, der links und rechts das Ufer des Rhenus säumte. Als das Dickicht immer unwegsamer wurde, entdeckten sie schließlich den verlassenen Wagen. Selbstverständlich war auch alles, was auf ihm geladen gewesen war, verschwunden.
    Bei genauerem Hinsehen konnte man eine weitere Spur entdecken, die von den Menschen und den beiden Ochsen herrührte und die direkt zum Fluss führten. Aber sie schienen Glück zu haben! Denn der Fluss war an dieser Stelle nicht besonders tief. Selbst dann, wenn kein Boot zur Verfügung stand, hätte man leicht hindurchwaten können.

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    Amir


    Das war natürlich ein Argument, dem Amir nicht widersprechen wollte. Geduldig folgten er und der Bettler Carbo, immer weiter entlang der Straße. Stunden später kamen sie an eine Stelle, an der ein Wagen rechts von der Straße abgekommen sein musste und anscheinend abseits der Straße weiter gefahren war...


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    Wenn Blicke hätten töten können, dann hätte es Nelia auf der Stelle erwischt. Doch sie und Amir hatten Glück. Sie durften das Weite suchen, was sie auch unverzüglich taten. In der Culina waren die beiden vorerst in Sicherheit. Von dort aus konnten sie auch fast alles in einiger Entfernung mit verfolgen.
    Ich jedoch befand mich mittendrin. Daher wandte er sich auch direkt zu mir und schrie mich an, so dass ich verschreckt zusammenzuckte. So wütend hatte ich Massa noch nie erlebt! Wie gerne hätte auch ich mich jetzt irgendwo versteckt. Aber ich konnte mich dem nicht entziehen, was nun kam. Mein langersehntes Wiedersehen, es war gekommen. Allerdings hatte ich es mir ganz anders vorgestellt!


    Wie ein Tiger lief er auf und ab. Dabei schäumte er vor Wut. Ich beobachtete jeden seiner Schritte. Wahrscheinlich glaubte er immer noch, ich sei geflohen. Aber warum hätte ich das denn tun sollen?! Ich hatte doch gar keinen Grund! Wieso konnte er mir nicht vertrauen, so wie ich ihm in jeder Situation vertraute. Selbst jetzt, obwohl er es mir gerade richtig schwer machte, ihm zu vertrauen.
    Wieder blieb er vor mir stehen, so dass ich ihn angstvoll anblickte. Endlich gab er mir die Gelegenheit, zu erzählen, was tatsächlich passiert war. Die ergriff ich dann auch sofort, denn ich sah noch alles ganz genau vor mir, wie ich mit diesen beiden Kerlen zusammengerempelt war und ich mich entschuldigt hatte. Eigentlich wollte ich mit den beiden kein Gespräch anfangen, aber sie hatten sich mir ja direkt aufgedrängt. „Und dann tauchte auch noch ihr Anführer auf. gefolgt von einem Mädchen. Er nannte mir einen falschen Namen, denn in Wirklichkeit heißt er Arwid! Ehe ich mich versah, überwältigten mich die drei Kerle und steckten mich in einen Sack. Als ich später wieder zu mir kam, steckte ich immer noch darin. Etwas Schweres lag auf mir und ich hatte das Gefühl, als ob ich auf einem Wagen läge, der langsam auf einer Straße dahinrollte. Ich hatte Todesängste ausgestanden, denn einer der Männer hatte mich mit seinem Messer gepikst und mir gedroht, er würde zustechen, wenn ich nicht still sei.“ Ich erzählte weiter, wie ich endlich aus dem Sack befreit worden war und die Germanen mich über den Fluss zu ihrem Lager brachten.
    „Dieser Arwid erklärte mir dann, ich sei jetzt frei. Doch als ich sagte, ich wolle wieder zurück, meinte er das ginge nicht. Egal wohin ich ging, immer beobachtete mich jemand oder hinderte mich daran, das Lager zu verlassen.“ Ich erzählte ihm auch davon, wie Arwid versucht hatte, mich auszufragen aber ich ihm nichts von Bedeutung erzählt hatte. Ebenso berichtete ich von dem Abend am Lagerfeuer. Allerdings verschwieg ich, dass ich am nächsten Morgen in Arwids Hütte wachgeworden war. Schließlich wollte ich nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. „Das Mädchen, dass bei meiner Entführung dabei war, wurde meine Aufpasserin. Ein paar Tage später hatte ich endlich eine Gelegenheit zur Flucht. Ich ging mit ihr zu einem Platz, an dem der Fluss sehr langsam dahinfloss wo wir uns waschen konnten – außerhalb des Lagers! Aber sie hatte mit mir etwas ganz anderes im Sinn. Diese Irre wollte mich im Wasser ertränken. Aber ich konnte mich in letzter Minute aus ihrem Griff befreien und sie überwältigen. Ich griff nach meinen Sachen und lief, so schnell ich konnte. Ich lief und lief, bis ich irgendwo erschöpft zusammensank und mich versteckte. Dort harrte ich den Rest des Tages und die ganze Nacht aus, immer in der Angst, sie würden nach mir suchen. Am nächsten Morgen wurde ich wach und hörte die herannahenden Soldaten. Ich hoffte, ich würde dich wiedersehen. Und sah dich auch. Ich rief dir, aber du…“, Ich schniefte kurz. „Du hast mich anscheinend nicht gehört. Ich lief deinen Soldaten direkt in die Arme, denn ich wollte auf keinen Fall mehr zurück zu den Germanen. Ach ja, habe ich schon erwähnt, dass Arwid unter den Gefangenen ist?“ Den Rest kannte er sicher. Ob er mir nun glaubte oder nicht, lag nun ganz bei ihm.

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    Amir


    Erleichtert über diese Auskunft der Stadtwache huschte ein Lächeln über Amirs Gesicht. Auch wenn der Soldat sie zur Vorsicht mahnte, da diese Leute bewaffnet waren, war er doch froh, dass ihre Spur nicht im Sande verlaufen war. Nun konnte die Jagd endlich weitergehen, in der Hoffnung, dass sie letztendlich auch erfolgreich sein würde.


    Der Bettler stolzierte wie ein wahrer Fürst aus Karthago aus dem Stadttor hinaus, gefolgt von dem jungen Syrer. Carbo und die beiden liefen ein Stück weit, bis die Stadtwache sie nicht mehr beobachten konnte. Jetzt wussten sie zwar, wohin der Wagen gefahren war. Aber zu Fuß war die Verfolgung sehr mühselig und mit Sicherheit auch nicht von Erfolg gekrönt.
    „Wir brauchen dringend eine Mitfahrgelegenheit oder noch besser ein paar Pferde!“, meinte Amir. Aber sicherlich hatte Carbo daran schon längst gedacht. Er traute dem Noriker doch sehr viel zu. Wahrscheinlich hatte er längst einen Plan bereit und zauberte gleich mir nichts dir nichts einen fahrbaren Untersatz aus dem Ärmel.

    Wie ich fast schon vermutet hatte, erwartete mich kein freudestrahlender Massa. Ganz im Gegenteil! Seine Stimme war fest und hatte etwas Erbarmungsloses an sich. Schnell wurde klar, dass Nelia mir nicht die Fesseln hätte lösen dürfen. Die Ärmste wurde kreidebleich im Gesicht. Nelia sah sich hektisch um, von Amir zu mir und wieder zu dem Vinicier. Hatte sie etwas falsch gemacht? Sie war einfach nur gutmütig gewesen und hatte Mitleid mit mir. Und wer hatte denn befohlen, meine Fesseln nicht zu lösen? Die beiden Soldaten? Vor lauter Aufregung musste sie das überhört haben! Ich konnte mich auch nicht daran erinnern.
    „Das war ich!“, sagte sie mit zögerlicher Stimme und sah wieder hilfesuchend zu Amir, der allerdings nicht den Mut aufbrachte, etwas zu entgegnen.


    Ich selbst war auch fassungslos. Mir verschlug es einfach nur die Sprache. Stattdessen riss ich ungläubig die Augen auf und meine Kinnlade klappte herunter. Er hielt mich doch tatsächlich für eine germanische Spionin! War er jetzt total übergeschnappt? Ich musste ein paarmal schlucken, bevor ich wieder einen Ton herausbrachte.
    „Aber… aber… Nein! Ich... ich bin keine Spionin!“, rief ich entsetzt, als ob es hier um mein Leben ging. Wahrscheinlich ging es sogar um mein Leben! Inzwischen rechnete ich mit allem!

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    Amir


    Amir und der Bettler waren Carbo zum Stadttor gefolgt. Unterwegs hatte der Bettler ihnen seine halbe Lebensgeschichte erzählt. Einst hatte er und seine Frau ein Stück Land besessen. Doch dann war seine Frau, die er über alles geliebt hatte, im Kindbett gestorben. Über ihren Tod war er nie hinweggekommen. Er vernachlässigte seinen Hof, begann zu trinken und eines Tages konnte er seine Steuern nicht mehr bezahlen, weswegen er alles verloren hatte. Seitdem lebte er auf der Straße und war auf die Barmherzigkeit der vorüber eilenden Menschen angewiesen.


    Am Stadttor war es sicher ratsam, den Fachmann sprechen zu lassen, denn schließlich war es ja auch seine Aufgabe, Thula wieder zu finden. Allerdings schien die Stadtwache eher belustigt zu sein von seiner Frage. Kein Wunder, sie waren hier in Germanien und hier wimmelte es nur so von blonden Germanen! Aber der Mann fragte zum Glück auch noch seinen Kameraden, der tatsächlich Auskunft geben konnte. Aber wer viel fragt, erregt auch Aufsehen. Doch Carbo zog alle Register und band dem Soldaten einen gehörigen Bären auf. Er faselte etwas von einem Handelskonsortium aus Karthago und dass die Germanen sie bestohlen hätten. Amir versuchte dabei ein ernstes Gesicht zu machen. Und der Bettler? Offensichtlich musste er, bevor er seine Bettlerkarriere gestartet hatte, Schauspieler gewesen sein, denn er zog ein pikiertes Gesicht. Doch auch er schien es vorzuziehen, besser Carbo das Sprechen zu überlassen. Denn das konnte er richtig gut!

    Da stand ich nun. Zugeschnürt wie ein Paket. Mir tat alles weh und ich war durstig. Nelia holte ein scharfes Messer, um mich von meinen Fesseln zu befreien. Meine beiden Handgelenke waren ganz wundgescheuert.
    Als erstes fiel ich ihr um den Hals und fing an zu heulen. Als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, bereitete sie einen Kessel warmes Wasser zu, damit ich mich waschen konnte. Sie holte aus meiner Kammer frische Sachen zum Anziehen und kämmte mein Haar. Ich war ihr dankbar, dass sie mich nicht drängte, zu erzählen, was passiert war.


    „Auf dem Markt… ich wurde entführt, Nelia,“ begann ich nach einiger Zeit, als sie begonnen hatte, sich um meine Wunden kümmern. „Das musst du mir glauben! Ich bin nicht fortgelaufen… Warum hätte ich denn fortlaufen sollen?“, schluchzte ich. „Ist schon gut, Liebes!“, tröstete sie mich.
    „War er sehr sauer, als ihr gemerkt habt, dass ich nicht zurückkomme?“, fragte ich nach einiger Zeit.
    „Es hat ihn sehr getroffen! Anfangs glaubte er, du hättest dich aus dem Staub gemacht. Aber Amir konnte einen Bettler aus der Stadt auftreiben, der gesehen hatte, dass du mit ein paar Germanen gesprochen hattest. Jedoch konnte er nicht sagen, ob du freiwillig mit ihnen gegangen bist,“ antwortete Nelia. Ich wich zurück und riss die Augen auf. „Aber ich bin nicht freiwillig mit ihnen gegangen!“, donnerte ich ihr entgegen. Ich merkte leider zu spät, wie aufbrausend ich geworden war.
    Dann plötzlich hörte ich, wie jemand die Haustür aufriss und ins Atrium gepoltert kam. Die Köchin spritzte auf und eilte ihrem Dominus entgegen. Er verlor nicht viel Worte. An seiner Stimme konnte ich schon hören, wie wütend er sein musste. Ich trat aus der Culina hinaus zum Atrium. In meiner Hand hielt ich den Geldbeutel den mir Massa vor einer gefühlten Ewigkeit gegeben hatte, weil er mir damit sein Vertrauen hatte zeigen wollen.
    „Hier bin ich, Dominus,“ sagte ich leise mit zittriger Stimme. Ich konnte nicht verhindern, dass mir einige Tränen über das Gesicht kullerten.

    Der Weg nach Mogontiacum war lang und beschwerlich gewesen. Die Sohlen meiner Schuhe hatten angefangen, sich unterwegs aufzulösen. Ich hatte mir mehr als eine Blase gelaufen. Jeder Schritt damit war eine Tortur gewesen. Aber nicht nur das hatte den Weg anstrengend gemacht. Dadurch, dass man mich und die anderen Gefangenen aneinander gekettet hatte, kam es immer wieder vor, dass jemand hinfiel. Diejenigen ernteten dafür Schläge, bis sie wieder auf ihren Füßen standen. Auch ich war einmal hingefallen…
    Doch das allerschlimmste sollte erst noch kommen! Es war sehr bedrückend, als wir das Tor der Castra passierten. Wie sehr hatte ich mich danach gesehnt, wieder hier zu sein! Jetzt war ich wieder hier, aber unter welchen Umständen! Dort trennte man mich von den anderen Gefangenen. Doch ich blieb weiterhin gefesselt.
    Ich ahnte bereits, wohin die beiden Milites mich brachten. Auf dem Weg dorthin laberten sie mich voll, was der Tribun alles mit mir anstellen würde. Aber das beeindruckte mich nicht im Geringsten, denn ich wusste, wie Massa tickte. Wobei ich ihn noch nie so richtig wütend erlebt hatte. Aber diese Erfahrung würde ich sicher bald machen dürfen.


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    Nelia


    Seitdem Thula verschwunden und Amir in Sachen Sklavenjäger unterwegs war, musste nun Nelia, die Köchin ran und war damit das „Mädchen für fast alles“ geworden. Sie sehnte die Zeit wieder herbei, als alles noch seinen Normalen Gang gegangen war. Ob diese Zeit jemals wiederkehren würde?
    Als es an der Tür klopfte, eilte sie herbei und öffnete. Als erstes nahm sie die beiden Milites war, was an sich ja nicht ungewöhnliches war. „Ja?“ Doch dann erblickte sie Thula, die sie beinahe nicht mehr wiedererkannt hatte. Ihr Haar war schmutzig und fast schon verfilzt. Dieser Fetzen, den sie trug stand vor Dreck und war an einigen Stellen zerrissen. „Thula! Den Göttern sei Dank, du bist wieder da!“, rief sie erfreut und beachtete gar nicht mehr die beiden Bewacher der Sklavin.


    Nelia! Ich hatte sie so vermisst! Wie gerne hätte ich sie in die Arme geschlossen! Aber das ging ja leider nicht. Ich versuchte wenigstens ihr Lächeln zu erwidern, aber das bekam ich nicht hin. Nicht mal ein einziges Wort brachte ich heraus, weil ich so verzweifelt war. Außerdem wollte ich in Anwesenheit der beiden Milites nichts sagen. Nur ein paar wenige Tränen verirrten sich über meine Wangen.

    Als sie kamen, um uns… die Gefangenen zu fesseln, versuchte ich erst auf sie einzureden. Ich wollte erklären, wer ich bin und was ich hier mache. Aber alles perlte an ihnen ab. Keiner der Legionäre ließ sich darauf ein oder wollte mir überhaupt zuhören. Also gab ich resigniert auf und ließ mich fesseln. Ich hatte ein ganz mieses Gefühl dabei.
    Kurz darauf, erkannte ich plötzlich wieder Massa. Täuschte ich mich, oder suchte er nach jemand? Nach mir vielleicht? Ich konnte sehen, wie er einem seiner Männer etwas sagte, aber ich war zu weg, um verstehen zu können, was gesagt wurde. Eine Frage drängte sich bei mir auf. Warum befreite er mich denn nicht aus dieser unangenehmen Lage? Darauf konnte es eigentlich nur eine plausible Antwort geben: Wahrscheinlich glaubte er, ich sei freiwillig hier. Einfach abgehauen! Aber so war es doch nicht gewesen! Mir wurde mit einem Mal bewusst, dass mir alles genommen worden war, was ich glaubte, sicher zu haben. Alles vorbei! Inzwischen war es mir egal, was mit mir geschehen sollte. Offenbar gab es nichts mehr, wofür es sich lohnte zu kämpfen oder weiterzuleben.


    Als man begann, die aneinandergeketteten Gefangenen voranzutreiben, setzte auch ich mich in Bewegung. Unter diesen Umständen war der Weg nach Mogontiacum zurück besonders beschwerlich und schmerzlich zugleich.

    Die Stille hatte auch auf Ygrid eine heilende Wirkung. Zumindest so lange, bis die Soldaten mit Arwid aufgetaucht waren. Es war schon irgendwie interessant, welche Faszination dieses Stück Scheiße auf sie ausübte. Sie war ja gleich richtig aus dem Häuschen, als ihr klar wurde, dass er es war und dass er - Schreck! – auch noch verwundet war!


    Nichts hielt sie mehr bei mir. Sie stürzte zu ihm hin, so dass ich nur noch verdutzt aus der Wäsche gucken konnte. Mannomann, wieso lief sie dem Typen noch immer nach, obwohl er doch die Schuld am Tod ihres Bruders hatte?! Ich verstand echt die Welt nicht mehr!
    Dann plötzlich kam sie wieder an, gestikulierte wild, so dass ich erst gar nicht begriff, was sie von mir wollte. Aber sie ließ nicht locker, bis ich dahinterkam, was sie meinen könnte. Sie wollte dem Dreckskerl auch noch helfen, obwohl es wirklich keinen Verlust für die Menschheit gewesen wäre, wenn er einfach still und leise verreckte.
    Ich schüttelte den Kopf! „Nee, ganz bestimmt nicht! Für jeden anderen, aber nicht für den!“, antwortete ich entschieden, obwohl ich ganz genau wusste, dass sie keinen blassen Schimmer davon hatte, was ich sagte. Aber das Ganze erübrigte sich sowieso, als plötzlich ein paar Legionäre auftauchten, die uns zusammentrieben. Na Klasse, dachte ich mir. Das verdammte Schicksal nahm weiter seinen Lauf und das beklemmende Gefühl in der Magengegend wurde immer schlimmer. Obwohl ich mich auf nichts mehr gefreut hatte, als Massa endlich wieder zusehen.

    Zitat

    Original von Ygrid


    Die Kleine war gar nicht mehr sie selbst, weitentfernt von der zickigen Kratzbürste, die mich gestern noch am liebsten tot gesehen hätte. Jetzt wirkte sie so fragil und verletzlich. Dieses ‚Einar är död‘, was aus ihrem Mund kam, verstand ich erwartungsgemäß nicht, doch ich konnte mir vorstellen, was es bedeutete. Einar, das war ihr Bruder gewesen, wenn ich mich nicht irrte. Und dem riesen Blutflecken nach zu urteilen, war er wahrscheinlich bei den Kämpfen im Wald getötet worden. Nur so konnte ich es mir erklären, warum sie so aufgelöst war.


    Zum ersten Mal empfand ich für sie richtiges Mitleid! Ich wusste selbst, wie beschissen es war, wenn man niemanden mehr hatte, der zur eigenen Familie gehörte. Ich erinnerte mich sehr wohl daran, wie ich als Kind nächtelang geheult hatte, weil ich meine Eltern vermisste.
    Ich setzte mich neben sie und legte meinen Arm um sie. Wenn sie das nicht mochte, würde sie es mich garantiert wissen lassen. Aber im Moment war sie bestimmt für jegliche Form des Mitgefühls dankbar.


    Eine ganze Weile saß ich so still bei ihr. Manchmal war Stille einfach das Beste, was man in einer solchen Situation tun konnte. Auch mir selbst tat diese Stille gut, denn ich konnte für eine Weile meine beklemmenden Gedanken, was mit mir passieren würde, beiseiteschieben.
    Erst als einige Soldaten mit einem verletzten Gefangenen ankamen, wurde diese Stille unterbrochen. Beiläufig sah ich zu dem Verwundeten hinüber. Als ich realisierte, dass dies Arwid war, fuhr ein Schauer durch meinen Körper. Ich empfand plötzlich unendliche Wut für diesen elenden Mistkerl! Wenn ich gekonnt hätte, hatte ich ihm die Augen ausgekratzt. Er trug die Schuld für alles, was hier und heute geschehen war, einschließlich dem Grund, weswegen ich hier war. Er hatte alle seine Leute verraten und hatte sie blindlings ihr Unglück rennen lassen. Hoffentlich würden die Römer ihn dafür möglichst lange leiden lassen! Ich zweifelte nicht an deren Kreativität. Doch es hatte auch ein Gutes, dass der Dreckskerl überlebt hatte, denn er konnte bezeugen, das ich nicht geflohen war.

    Zitat

    Original von Centurio Legionis II


    Anscheinend hatten die Legionäre den gleichen Gedanken wie ich. Allerding musste ich mich ietzt nicht mehr mit diesem Problem herumschlagen, denn bevor ich hätte reagieren können, schrie jemand ‚Packt sie‘. Kurz darauf hatten sich gleich ein paar der Soldaten auf mich gestürzt und packten mich an meinen Armen. Ich leistete keinen Widerstand. Schließlich hatte ich ja keinen Grund dazu. Denn ich lebte mit der Hoffnung, dass sich alles bald aufklären würde, was durch den Centurio bestätigt wurde, als er seinen Männern noch den Willen des Tribuns entgegenbrüllte, während ich weggeführt wurde. Also hatte er mich doch gehört, schlussfolgerte ich. Noch war ich guter Dinge. Aber das änderte sich schlagartig, als sie mich zu den anderen Gefangenen brachten. Hauptsächlich waren es Frauen, die angstvoll am Boden kauerten und jammerten. Einige von ihnen kannte ich. Mit ihnen hatte ich zusammen die Hütten gebaut. Am Abend zuvor hatten sie noch ausgelassen gefeiert und nun? Ich erkannte auch einige der Männer. Es waren hauptsächlich geflohene Sklaven der Villa rustica, die Arwid und seine Männer gestern überfallen und in Schutt und Asche gelegt hatte. Ehrlich gesagt wollte ich nicht in ihrer Haut stecken. Wahrscheinlich würde Massa keine Gnade mit ihnen haben und sie… äh, Moment, würde er denn Gnade mit mir haben? Wenn er glaubte, ich sei geflohen… Mich beschlich plötzlich ein ganz seltsames und beklemmendes Gefühl!


    Zitat

    Ygrid


    Zu allem Übel entdeckte ich dann auch noch eine ‚alte Bekannte‘ unter den Gefangenen wieder – Ygrid! Na toll, dachte ich. Dieses kleine Miststück!
    Sie sah ja ganz schön mitgenommen aus. All das Blut an ihren Klamotten und in ihrem Gesicht. Ihre Augen sahen ziemlich verquollen aus. Etwas Furchtbares musste geschehen sein.
    Sicher, ich hätte mich von ihr fernhalten können. Nachdem sie versucht hatte, mich umzubringen. Aber wie sie da so zusammengekauert saß, konnte sie einem richtig leidtun! Daher entschied ich mich, zu ihr zu gehen und mich neben sie zu setzen. „Yigrid! Was ist passiert?“ Ich wusste ja, dass sie kein Wort, von dem was ich sagte, verstand. Aber vielleicht half es, wenn ich auf die Blutflecken auf ihrer Kleidung deutete.

    Zitat

    Original von Lucius Vinicius Massa
    Wie vereinbart rückte die siebte Kohorte über den rechten Flügel vor. Es war nicht einfach hier in den Wäldern die Formation zu halten, doch es war für das römische Heer überlebensnotwendig genau dies zu tun. So trieben die Centurionen ihre Männer also weiter an, die Formation zu halten, während sie weiter vorrückten und die Optionen ihres zu tun hatten, die Befehle auch durchzusetzen.
    Immer näher kamen sie dem Lager, so wie die sechste Kohorte von der anderen Seite und die Turma der Legionsreiterei von Vorne.


    Die Reiterei der ALA war mir noch nicht gemeldet worden und ich dachte in weiter Ferne meinen Namen gehört zu haben...... doch das konnte ja wohl nicht sein. Keiner der Soldaten würde mich beim Namen nennen.


    Er ritt weiter! Weg war er! Er war einfach weitergeritten und hatte mein Schreien nicht gehört! Möglicherweise hatte ich mich ja geirrt. Vielleicht war er es ja doch gar nicht gewesen. Aber ich hatte doch das Pferd erkannt! Ich kannte doch Massas Pferd! Ich wusste das ich mich nicht geirrt hatte. Aber das brachte mich im Moment auch nicht weiter. Enttäuscht ergab ich mich meinem Schicksal und wartete, was nun passierte. Ich rappelte mich auf, damit ich wieder auf die Füße kam. Überall aus dem Wald drang Kampfgeschrei. Die Germanen hatten anscheinend mitbekommen, dass die Römer anrückten und griffen sie an. Angsterfüllt sah ich mich um. Ich musste hier weg, und zwar schnell!

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    Amir


    Amir konnte nichts vermissen, was er noch nie getan hatte. Doch der junge Mann hatte Träume und Wünsche, obwohl er wusste, dass sich diese wahrscheinlich nie erfüllen würden. Einer seiner Träume war es, einmal in seinem Leben ein Abenteuer zu bestehen, auszubrechen aus dem Alltagstrott und so etwas wie Freiheit zu spüren. Dass ausgerechnet Thulas Verschwinden ihm dies ermöglichen sollte, dämpfte seine Freude darüber. Er hatte am Abend zuvor um Erlaubnis gebeten, den Noriker begleiten zu dürfen und er hatte sie erhalten, da der Venicier die kommenden Tage eh nicht in der Castra sein würde.
    Doch bevor es soweit war, brauchte Carbo zuerst noch mehr Informationen. Dass es Germanen waren, half nicht wirklich weiter. Schließlich befanden sie sich in Germanien und diese Kerle konnten überall abgeblieben sein. Womöglich waren sie schon längst hinter der Grenze. Aber der Noriker schien genau zu wissen, wie er weiter vorgehen musste. Auf zur Stadtwache! Auch der Bettler schien nicht abgeneigt zu sein, sich noch ein Paar Münzen mehr zu verdienen „Aber natürlich, Herr!“, entgegnete er und lächelte ein halb zahnloses Lächeln.

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    Amir


    Das verscheuchte Amirs Sorgen ein wenig. Dabei hatte er noch gar keine Vorstellung davon, wie schwierig sich die Suche nach Thula gestalten würde. Er hoffte einfach auf Carbos Gespür und seine Kreativität. Das sollte ihn sicher zum gewünschten Ergebnis führen.


    Der junge Syrer leerte seinen Wasserbecher. Ob er sich noch einen verdünnten Wein genehmigen sollte, jetzt da seine Suche ja erfolgreich gewesen war? Er wog das Für und Wider ab. Währenddessen sprach der Noriker weiter. Er wollte sich also wirklich alleine aufmachen! Aber er bot ihm an, mitzukommen. Dieser Gedanke war sicher sehr reizvoll und ohne weiteres hätte er sich mit ja geantwortet... Aber das war noch was! „Du würdest mich mitnehmen wollen?“, fragte er. Bei einem solchen Abenteuer wäre er natürlich gerne dabei gewesen! „Aber ich müsste zuerst meinen Dominus um Erlaubnis bitten.“ Das war eben der Nachteil, Sklave zu sein. Über sein ganzes Leben hatte sein Dominus zu entscheiden.

    Zitat

    Original von Narrator Germaniae


    Die Soldaten kamen immer näher und näher und mein Plan mit dem Verstecken wollte auch nicht so richtig aufgehen. Ganz gleich wo ich auch schaute, ich fand kein geeignetes Versteck. Ich rannte vor den herannahenden Soldaten davon, wahrscheinlich direkt auf das Lager zu. Dann änderte ich wieder meine Richtung und lief quer, mitten durch das dichteste Gebüsch. Der Zweig eines großen Busches schlug mir direkt ins Gesicht und hinterließ eine fiese Schramme auf meiner Wange. Immer wieder verhedderten sich meine Haare oder die wollene Tunika, die man mir statt meiner Kleidung gegeben hatte. Mehrmals stolperte ich und fiel hin. Meine Knie mussten inzwischen schon ganz blutig gewesen sein. Inzwischen konnte ich auch nicht mehr einschätzen, aus welcher Richtung die Stimmen kamen. Ich hatte den Eindruck, sie waren vor mir, hinter mir und auch links und rechts von mir. Eigentlich wusste ich gar nicht, wohin ich noch sollte. Meine Angst wuchs mit jedem Schritt. Und dann passierte, was irgendwann passieren musste! Plötzlich stand ich direkt vor ihnen und erschrak. Ich weiß nicht, wie viele Soldaten es waren. Ein Reiter führte sie an, begleitet von dem alten Centurio, den ich ab und an schon mal gesehen hatte. Moment mal das Pferd kam mir bekannt vor… aber weiter konnte ich im Augenblick nicht denken. Mit aufgerissenen Augen, versuchte ich zurückzuweichen, stolperte aber und fiel wieder hin.
    „Scheiße,“ fluchte ich leise.
    „Bitte, tut mir nichts!“, bettelte ich und sah die Soldaten verzweifelt an, die nun direkt vor mir standen. Meine flehenden Blicke wanderten hin und her. Wieder fing ich mit meinen Augen das Pferd ein. Endlich wurde mir klar, woher ich das Pferd kannte. Es war das Pferd meines Dominus! Ich schöpfte ein wenig Hoffnung. Massa war hier! Massa… „Massa… Massa! ...Massa!" Immer lauter wurden meine Rufe, bis ich schließlich laut schrie. Ich schickte ein Stoßgebet zu allen Göttern, die ich kannte. Hoffentlich hörte er mich!

    Am Tag zuvor nach Thulas Flucht...


    Ich blieb im Gras liegen und rührte mich nicht mehr. Wie durch ein Wunder kam niemand, um mich zu suchen. Es wurde dunkel, aber ich blieb dort, wo ich war. Es war meine Angst, die mich hier festhielt. Meine Erinnerungen an meine damalige Flucht, als ich noch ein Kind gewesen war, nahmen wieder Gestalt an. Hoffentlich gab es hier keine wilden Tiere! In meiner Vorstellung war es das Schlimmste, von Wölfen angefressen zu werden.
    Schließlich kam die Nacht und mit ihr die Schreie von Füchsen, Eulen und sonstigem nachtaktiven Getier. Ich tat kaum ein Auge zu, so groß war meine Angst. Aber irgendwann übermannte mich einfach die Müdigkeit und ich fiel in einen traumlosen Schlaf.


    Die ersten Sonnenstrahlen des Morgens waren es dann, die mich weckten. Wenn ich nicht hier im Dreck, mitten in der Wildnis gelegen hätte, dann hätte dieser Tag vielleicht ein guter Tag werden können. Aber so räumte ich ihm wenig Chance ein.
    Ich wagte es, mich aufzusetzen und über das hohe Gras zu linsen. Der Wald lag still vor mir, hinter mir und auch neben mir. Ich begann zu sinnieren. Es war schon seltsam, dass uns niemand gesucht hatte. Ob Ygrid noch lebte? Wenn nicht, dann hatte sie es sich selbst zuzuschreiben! Diese dämliche Göre! Warum hatte sie das nur getan? Sie hätte mich um ein Haar ertränkt! Doch viel wichtiger war es, zu überlegen, was ich jetzt tun sollte. Nachdem ich gestern einfach nur losgerannt war, hatte ich voll die Orientierung verloren. Aber hier sitzen zu bleiben war auch keine Lösung!
    Ich stand auf und lief vorsichtig durch das hohe Gras und das Gebüsch. Als sich vor mir plötzlich zwei Vögel aus dem Gras erhoben, weil ich sie durch mein Kommen aufgeschreckt hatte, blieb ich erschrocken stehen und brauchte erst wieder einen Moment, bis ich weiter gehen konnte. Um mich war wieder Stille eingekehrt. Nein, ich hörte etwas. Etwas was unmerklich lauter zu werden schien, weil es anscheinend langsam auf mich zu kam. Wie verwurzelt blieb ich stehen, um zu horchen. Es waren menschliche Laute, vielleicht Rufe. Irgendwie kam es mir bekannt vor. Diese Rufe… Roma invicta…? Das mussten Legionäre sein! Und ihr Ziel war mit Sicherheit das Lager der Germanen. Ich lief los in die Richtung, aus der die Laute kamen. Aber dann blieb ich abrupt stehen. War denn klug, einfach auf die Soldaten zuzurennen? So wie ich im Augenblick aussah, würden die mich doch glatt für eine von den Germanen halten und mit mir kurzen Prozess machen. War es nicht besser, sich im Wald versteckt zu halten, bis alles vorbei war?


    Währenddessen im Lager


    Philiscus, einer der Sklaven, die sich am Tag zuvor ihren Befreiern angeschlossen hatten, trat aus der Menge hervor zu den Männern, die sich um Arwid geschart hatten und erhob laut seine Stimme: „Halt! Es gibt einen Ausweg!“ Es war ihm gelungen, die Aufmerksamkeit der Männer zu erlangen. Schließlich hing sein Leben und das aller anderer Sklaven davon ab! „Es gibt vielleicht einen Ausweg, wenn wir uns beeilen und sofort losziehen! Als ihr den Rhenus überquert habt, ist euch sicher diese markante Erhebung in der Landschaft aufgefallen. Ein scheinbar einzelnstehender Berg. Die Römer nennen ihn Mons Iovis. Er ist nicht ganz einen Tagesritt entfernt von hier. Auf ihm befindet sich eine alte keltische Höhensiedlung mit einer hohen Befestigungsmauer. Das Oppidum wurde vor ewigen Zeiten von seinen Bewohnern verlassen. Aber vielleicht kann es uns Schutz bieten.“ Philiscus war in der Gegend aufgewachsen und kannte sie in und auswendig. Als Junge war er mehrmals auf dem Berg gewesen und hatte ihn zusammen, mit dem Sohn seines damaligen Herrn erkundet. Die hohen Mauern des Oppidums, die nur an einigen Stellen eingestürzt waren, waren ihm im Gedächtnis geblieben. Die Leute, die um den Berg lebten, hatten ihm damals berichtet, die Höhensiedlung sei noch vor dem Eintreffen Caesars verlassen worden, da deren Bewohner von den Germanenstämmen jenseits des Rhenus immer stärker in Bedrängnis geraten waren. Welch Ironie des Schicksals wäre es, wenn nun dieses Oppidum diesen Germanen Schutz bieten würde!

    Endlich wieder waschen! Das war mein erster Gedanke. Der kleinen rothaarigen Göre gefiel das auch. Sie war wie ausgewechselt. Wieder sagte sie etwas, was ich nicht verstand. Dann sie winkte mir zu und ich traute mich weiter hinein in den Fluss, obwohl ich eigentlich gar nicht so gut schwimmen konnte.


    Ich begann mich zu waschen, so wie auch Ygrid es tat. Auch ich tauchte einmal unter, so dass meine Haare nass wurden. Das kühle Wasser rann über mein Gesicht, so dass es mir anfangs die Sicht nahm.
    Nie hätte ich geahnt, was dann geschah! Sie packte mich plötzlich und drückte mich nach unten. Erst wusste ich gar nicht, wie mir geschah. Meine Arme schlugen unter Wasser aus, um sie abzuwehren. Ich begann mir meinen Füßen mach ihr auszutreten, so dass ich zwangsläufig mein Gleichgewicht verlor. Nichts half und ich wusste, wenn es mir nicht gelang, sie bald aufzuhalten, dann war ich bald tot!
    Sie drückte mich weiter nach unten. Unablässig versuchten meine Hände nach etwas zu greifen. Schließlich bekam ich einen größeren Kieselstein zu fassen, der auf dem Grund des Flusses lag und schleuderte meinen Arm nach oben. Ich spürte, wie der Stein in meiner Hand etwas festes traf. Dann erschlafften ihre Arme, die mich nach unten drückten. Ich versuchte so schnell wie es irgendwie ging, wieder an die Oberfläche zu gelangen und schnappte erst einmal nach Luft.


    Ygrids Körper versank benommen in den Fluten. Ich hatte sie an ihrer linken Schläfe erwischt. Nachdem sie gerade versucht hatte, mich zu töten, hätte ich sie einfach verrecken lassen können. Aber das widerstrebte mir. Deshalb zog ich sie wieder nach oben und schleppte sie bis zum Ufer. Dort ließ ich sie einfach liegen, schnappte mir meine Sachen und rannte in meiner Panik davon, so schnell ich nur konnte. Als ich eine Weile gelaufen war musste ich mich stehenbleiben und wieder nach Luft schnappen. Ich fror und zitterte am ganzen Körper. Meine Kleider! Ich musste meine Kleider und die Schuhe wieder anziehen! Dann lief ich weiter, damit die Germanen mich nicht fanden. Irgendwann würden sie sicher nach Ygrid und mir suchen.


    Ich konnte nicht sagen, wie lange ich gelaufen war. Aber irgendwann konnte ich nicht mehr und ließ mich erschöpft ins hohe Gras fallen.

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    Amir


    Der Syrer kam ein weinig ins Grübeln, ob er wirklich alles richtig gemacht hatte. Normalerweise gehörte so etwas wie das hier nicht zu seinem üblichen Aufgabenbereich. Mit Pferden konnte er gut. Die waren von Grund auf ehrlich. Wie ehrlich der frischgebackene Sklavenjäger war, musste sich noch zeigen. „Ich hoffe wirklich, du wirst sie bald wiederfinden!“ Dies war nicht nur der Wunsch seines Dominus, sondern auch sein eigener. „Wirst du alleine losziehen, oder hast du noch einen Gehilfen, der dich bei der Suche unterstützen wird?“