Beiträge von Iulia Stella

    Denn auch, wenn sich Ursus gewiss nicht für Dichtung interessieren dürfte, konnte Milo einfach nicht anders, als diesen Vers von Horatius zumindest grob nach dem Gedächtnis zu zitieren. So ist es auch vor seiner Reise nach Griechenland schon immer gewesen.

    Ursus war zusätzlich zu seiner Körpergrösse und Stärke nicht dumm und auch nicht vergesslich. So machte er die Verbindung zwischen dem ihm scheinbar bekannten Gesicht und dem ebenfalls von früher bekannten Vers des Quintus Horatius Flaccus sofort und öffnete die Porta.


    Marcus Annaeus Milo! Ist das möglich? Herzlich willkommen zu Hause!


    Es war für einen Sklaven nicht schicklich, Herrschaften zu umarmen, sonst hätte Ursus das sicherlich getan, aber die Freude über die Wiederkehr eines lange Zeit nicht gesehenen Familienmitgliedes war Ursus deutlich anzumerken.


    Mit dem rechten Fuss zuerst, wenn ich bitten darf. machte Ursus den Rückkehrer noch wie üblich darauf aufmerksam, dass ein Betreten des Hauses mit dem linken Fuss Unglück bedeuten würde. Obwohl dies Milo sicher wusste, gehörte es einfach zur Begrüssung dazu. Dann trat Ursus auf die Seite und gab den Eingang frei.

    Ursus, der ehemalige Gladiator, der als Türsteher für die Gens Annaea seit vielen Jahren eine hervorragende Arbeit verrichtete, lugte wie üblich bei einem Klopfen, durch den Sehschlitz und sah ein Gesicht vor sich, welches ihm irgendwie bekannt vorkam. Er war jedoch schon derart lange in Diensten der Gens Annaea, dass er tausende Menschen gesehen und eingelassen hatte. Daher wusste er, dass er trotzdem vorsichtig sein musste und genau wie bei einem Fremden agieren musste.


    Salve und willkommen in der Domus Annaea. Was kann ich für dich tun?

    Die Zeit des Wahlkampfes brach an und entsprechend wenig würden wir in den nächsten Monaten unseren Mann und Vater sehen. Wahlkampf war immer zeitaufwändig und auch Abends würde Florus bald kaum mehr hier sein, sondern sich an Festen und Cenae mit Politikern, Senatoren, Juristen und anderen wichtigen Männern treffen. Vielleicht würden wir selbst auch einige Cenae ausrichten müssen und Primus würde sich entsprechend verhalten müssen.

    Ein komischer Tag


    Der heutige Tag stand entweder unter komischen Sternen oder es war sonst irgend etwas nicht in Ordnung. Primus war den ganzen Tag lang mürrisch gewesen, hatte das halbe Haus gegen ihn aufgebracht, die Sklavinnen und Sklaven verrückt gemacht und auch mich komplett genervt. Nichts war gut genug heute, nichts machte Spass, alle waren doof oder gar noch schlimmer. Ich hatte bis anhin gar nicht gewusst, dass der Kleine bereits solche Worte kannte, die er heute in Massen versprühte.


    Als dann Florus nach Hause kam, sich mehr oder weniger wortlos eine Buchrolle schnappte und sich ins Officium verzog, war der Tag für mich definitiv gelaufen. Ich stellte sicher, dass Primus rechtzeitig in seinem Zimmer war, beauftragte die zuständigen Sklavinnen, sich entsprechend um ihn und seine Nachtruhe zu kümmern und verzog mich ins Cubiculum.

    Zwischen der Hausarbeit und der Karriere meines Mannes, gehörte Primus, oder eben Faustus Annaeus Primus, wie er offiziell hiess, zu meinen grössten Aufgaben. Ich hasste es, im Vordergrund zu stehen und obwohl ich natürlich meinen Mann bei seiner Arbeit als Curator Aquarum unterstützte wo ich konnte und er mich immer wieder um meine Meinung und Einschätzung bat, genoss ich es, dass meine eigentlichen Aufgaben in der Domus und somit auch bei unserem Sohn lagen. Noch war er zu klein, um einen Lehrer zu erhalten, der ihn den halben Tag von mir fernhalten würde und auch die Amme, welche wir natürlich eingestellt hatten, durfte ihn nicht ständig betreuen.


    In der Zwischenzeit hatte Primus gelernt zu gehen und auch erste Worte und Sätze hatte er bereits erfolgreich von sich gegeben. Er ass und trank, nicht mehr von meiner Brust, worauf ich entgegen der alten römischen Traditionen bestanden hatte, sondern mit den Händen und aus einem kleinen hölzernen Becher, den wir extra für ihn gekauft hatten. Seine erste Phase des Zahnwuchses hatte er hinter sich gebracht und das tägliche Geschrei, welches zum Teil fast ohne ersichtlichen Grund die Domus erfüllt hatte, wich wieder glücklichem Lachen.


    Primus Tage waren erfüllt mit Spass und Spiel, vom Holzschwert über die Spindel und den Webstuhl, bis zur Wachstafel und den Stilus, Würfel-, Nuss- und Steinspiele. Gerade im Moment waren wir damit beschäftigt, 5 kleine Wirbel eines Kaninchens aufzuwerfen und so viele wie möglich auf dem Handrücken zu fangen. Primus kleine Hände waren dabei erstaunlich geschickt, aber trotzdem waren die Wirbelchen noch immer zu gross, als dass er mehr als jeweils 1 hätte auffangen können.

    Ich hasse den Webstuhl! Die vielen Fäden und ständig geht etwas kaputt oder das Muster wird nicht so, wie ich es mir wünsche, weil ich wieder irgend eine Einstellung falsch hatte oder irgend einer der Kettfäden mit dem falschen Gewicht verknüpft war. Da kaufe ich mir auch lieber anständige Stoffe. Doch die Spindel beruhigt mich, wie gesagt. Zu Hause verbringe ich kaum eine Minute, ohne dass ich nicht die Spindel in der Hand hätte. Doch dann gebe ich den Faden meist auch an die Sklavinnen, damit sie für sich weben können.


    Stella hatte sich damit abgefunden, dass sie nicht weben konnte. Geld war sowohl bei den Iulii als auch bei den Annaei kein Problem, zumindest nicht für Stoffe. Dann blickte sie an sich herab, als sie nach den Stoffen gefragt wurde, welche sie gerade trug.


    Also diese Baumwolle stammt noch aus Hispania. Die Seide jedoch ist tatsächlich aus besagtem Geschäft beim Trajansforum. Es gibt dort viele Händler, du solltest zuerst unbedingt selbst schauen gehen, damit du nicht an den Falschen gerätst.

    Der Gedanke erinnerte sie wieder an ihre Bitte an die Iulia, die natürlich nicht für ihren Mann sprechen konnte und daher nicht gleich etwas dazu sagte. Hoffentlich dachte Iulia Stella jetzt nicht, dass Sabina die Baustelle bloß sehen wollte, um ein neues Kleid vorzuführen und vor Männern zu kokettieren. Sie errötete ein wenig unter dem Gedanken, dass man das glauben konnte:

    "Nur wenn es bei der Arbeit nicht stört", fügte sie daher hinzu.

    Als die Claudia sich noch einmal an mich wandte und nachschob, dass ihr Anliegen natürlich nicht die Arbeiten am Aquädukt stören sollte, nickte ich ihr zu und lächelte sie lieb an. Das war mir natürlich auch klar und auf keinen Fall sollte die junge Frau denken, dass ich auf Grund ihrer Frage irgendwie schlecht über sie denken könnte.


    Dann ging das Thema über zu Stoffen. Obwohl ich dort nicht sonderlich bewandert war, einkaufen liess ich die Sklavinnen, genoss ich trotzdem die Ruhe des Spinnens.


    Ich spinne auch sehr gerne. Es beruhigt mich. Aber für edlere Stoffe schicke ich meine Sklavinnen in die Nähe des Trajanischen Forums. Dort soll es einige sehr gute und nicht überteuerte Tuchhändler geben. Bisher war ich mit den Baumwollstoffen und der Seide immer sehr zufrieden, welche sie mir brachten.

    Stella hörte dem weiteren Gespräch gespannt zu. Dass ihr Mann wohl kaum eine Führung für die Damenwelt Roms organisieren würde, selbst wenn er es könnte, das war für sie klar. Trotzdem würde sie das Interesse mit ihm besprechen und sehen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gab. Zumindest den Aquädukt würde man auf jeden Fall von vielen Orten Roms aus sehen können. Die Pumpwerke und Speicherwerke, oder sogar die Verteilwerke, das waren dann vermutlich schon andere Dinge.


    Da sie selbst noch nie in Aegyptus gewesen war und sich auf Grund ihrer Jugend in Hispania gerade ein wenig wie ein Landei fühlte, hörte sie weiter aufmerksam zu, was die anderen Damen zu berichten hatten.

    Bona Dea war für Stella keine Göttin, mit welcher sie sich gut auskannte. Sie wusste, dass es sich dabei um eine rein weibliche Gemeinschaft handelte, doch die Details kannte sie nicht. Aus diesem Grund hatte sich Stella auch kein Urteil über diese Göttin gemacht. Es gab sie, so wie es auch viele andere Götter und Göttinnen gab, mit welchen Stella nicht viel zu tun hatte.


    Das Gespräch sollte hier jedoch nicht weitergeführt werden. Es galt, das Fest zu geniessen und das wollte Stella auch tun.

    Die Gespräche entwickelten sich wie für Frauen üblich in verschiedene Richtungen gleichzeitig. Die Tugend verschiedene Themen mit unterschiedlichen Personen beinahe gleichzeitig diskutieren zu können, war eine, welche Frauen deutlich besser beherrschten als Männer, weshalb sich Stella die Diskussionen im Senat oft als langwierig vorstellte.


    Hier jedoch ging es schnell von einem zum anderen:


    Natürlich öffnete Maesa das Kästchen sofort, sie war viel zu neugierig um es verschlossen zu lassen. „Oh, wie wunderschön. Ich danke dir sehr für deinen herzlichen Willkommensgruß.“ Sie nahm eine der Haarnadeln und besah sie sich genau. „Venus, wenn ich richtig sehe, das passt sehr gut. Ich würde mich sehr freuen, mich mit dir in Ruhe zu unterhalten. Ich verehre unsere „gute Göttin“ sehr. In Alexandria habe ich jahrelang an Ihren Festen teilgenommen und auch geholfen. Ich hoffe das auch hier in Rom weiter machen zu können.“

    Dass das kleine aber feine Geschenk so viel Freude bereitete, machte mich glücklich. Auch solche Dinge waren ein Teil der Verbreitung des Willens der Göttin, denn kleine Geschenke erhalten die Freundschaft und Freundschaft konnte ebenfalls eine Form der Liebe sein.

    Wir freuen uns immer, wenn neue Personen sich für unsere Societas interessieren. Feste ausrichten, das tun wir allerdings nicht. Dies überlassen wir den Priesterschaften. Doch bei diesen helfen, das ist durchaus möglich.


    "Ich bin ebenfalls erfreut deine Bekanntschaft zu machen, Claudia. Magistra Iulia und ich kennen uns bereits von ihrer Hochzeit. Ich beglückwünsche dich zur Geburt eines gesunden Sohnes, Iulia. Dein Mann ist bestimmt hocherfreut." sagte ich freundlich lächelnd in Richtung von Claudia Sabina und Iulia Stella. Die Nachricht über die Geburt des Kindes hatte schnell die Runde gemacht, nachdem ihr Mann doch eine sehr bedeutende Persönlichkeit war.

    Die Begrüssung und die Glückwünsche der Aemilia nahm ich mit einem freundlichen Kopfnicken entgegen: Danke für die Glückwünsche. Der kleine Primus macht sich wunderbar. Er hält alle auf Trab und verbreitet viel Freude. Man könnte beinahe meinen, er sei ein Mitglied der Societas Veneris.

    Von dem Beinaheskandal mit der Aemilia hatte ich keine Ahnung. Ich war damals vermutlich noch nicht in der Stadt gewesen oder noch derart mit anderen Dingen beschäftigt, dass dies an mir vorbei gegangen war.


    "Das Werk der Liebe unter den Menschen verbreiten klingt wie etwas, was auch mein bevorzugter Philosoph Gaius Musonius Rufus sehr gut heißen würde: Denn ein Gemeinwesen sollte von Menschenliebe, Güte, Gerechtigkeit und Sorge um das Wohl des anderen zusammen gehalten werden. Die Basis für das ideale Gemeinwesen ist jedoch die Gattenliebe" Sie hätte ja noch mehr über den von ihr tief verehrten Musonius sprechen können; stattdessen fragte sie:

    "Dürfte ich denn auch in die Gesellschaft der Göttlichen Venus eintreten, wenn mein Tutor es erlaubt?"

    Und schon ging das Gespräch wieder mit dem Thema der Societas Veneris weiter:

    Jede Frau darf der Societas beitreten. Wenn dein Tutor es also erlaubt, darfst auch du uns sehr gerne besuchen und dann darüber entscheiden, ob die Societas ein Platz für dich ist oder nicht.


    Bei der Bemerkung ihrer Gastgeberin horchte sie dann auf: "Alexandria? Dort habe auch ich meine Kindheit und Jugend verbracht. Sozusagen im Schatten des Tetragon Alexandris. Meine Mutter hatte nach dem Tod meines Vaters einen Ritter geheiratet, und da ich noch keine sieben Jahre alt war, hat sie mich dorthin mitgenommen"

    Alexandria war also der Ort, an welchem diese beiden Damen vor Rom ihre Zeit verbrachten. Mit Sicherheit war dies eine andere Erziehung gewesen als die, welche Stella in Hispania erhalten hatte. Auch wenn ihre Familie der Iulii nicht dem patrizischen Teil angehörte und daher eigentlich wesentlich einfachere Wurzeln hatte, hatte ihre Grosstante grossen Wert darauf gelegt, sie auf den Umgang mit diesen Kreisen vorzubereiten. "Eine Iulia ist eine Iulia. Niemand kennt die Stammbäume aller Familien auswendig. Der Name ist massgebend." hatte sie immer zu sagen gepflegt. Und trotzdem war eine Erziehung in Alexandria ganz anders anders als die im ländlichen Hispania.


    "Baut nicht dein Mann gerade das neue Aequaeduct, Iulia Stella? Wie hat er noch einmal die Quellen gefunden? Ich würde mir die Bauarbeiten sehr gerne einmal ansehen, möchte aber den Arbeitern nicht im Weg stehen"

    Und wie üblich gelangte man natürlich auch zu den Themen, bei welchen eigentlich mein Mann im Vordergrund stand. Als Senator und momentaner Curator Aquarum war dies selbstverständlich nicht zu vermeiden. An diesen Ruhm musste ich mich zwar erst noch gewöhnen, war der Aufstieg meines Mannes doch vergleichsweise schnell vor sich gegangen, doch wir sprachen oft Abends über solche Dinge, so dass ich meine Handlungen und Haltungen mit ihm absprechen konnte.

    Ja, der Kaiser hat den Bau eines neuen Aquäduktes angeordnet und als Curator Aquarum ist mein Mann für den Bau verantwortlich. Die Bauarbeiten stehen jedoch noch ganz am Anfang. Zuerst muss die Quelle gefasst und gesichert werden, damit der Bau der notwendigen Speichertürme und Pumpwerke überhaupt beginnen kann. Ein Besuch wird sicherlich möglich sein, sobald der Aquädukt etwas näher an der Stadt angekommen ist. Die Baustelle am Ende, also hier in der Stadt, ist soweit ich weiss noch nicht in Angriff genommen worden.
    Den Anspielung auf den Fund der Quelle überhörte ich grosszügig, da ich vor den mir noch nicht lange bekannten Damen der patrizischen Gesellschaft nicht riskieren wollte die Würde meines Mannes zu schädigen.


    “Von mir natürlich auch meinen Glückwunsch von ganzem Herzen, möge die Götter immer Ihre segnende Hände über dein Kind und dich halten.”

    Auch diese Glückwünsche verdankte ich freundlich, liess das Thema jedoch so stehen.

    Die Claudia war noch in die einfachere Kleidung eines Mädchens gekleidet, doch schien sie etwas älter als üblich zu sein. Doch diese Dinge interessierten mich selten bis gar nie. Auch wenn die Römerinnen das Talent hatten, immer und überall über jeden schlecht reden zu können, so musste man sich nicht immer daran beteiligen und meine Arbeit als Magistra der Societas Veneris sah vor, Liebe zu spenden, nicht böse zu tratschen. Daher war ich froh, als die Claudia mich auf diese Arbeit ansprach und ich setzt mich zu ihr.


    Die Societas Veneris ist nicht wirklich ein Kultverein. Vielmehr ist der Sinn und Zweck, das Werk der Venus unter den Menschen zu verbreiten. Das bedeutet, dass wir versuchen den Menschen, und hier vorallem den Frauen, zu zeigen und zu helfen, wie sie Liebe verbreiten können. Liebe in jeder Art ihres Seins oder Tuns, ganz egal welche Stellung oder welches Ansehen sie haben. Venus hilft uns allen, sie unterscheidet nicht zwischen alt und jung, reich oder arm.


    Den letzten Teil des Satzes, "zwischen Patriziern und Plebejern", liess ich in Anbetracht meiner Position für einmal aus.


    Du bist erst seit kurzem in Rom? Woher bist du denn gekommen? Wo verbrachtest du deine Kindheit?


    Irgendwo nahm es mich persönlich halt schon wunder, warum die Claudia, falls sie das Alter hatte, nach welchem sie aussah, noch nicht verheiratet war. Vielleicht würde ich ja im Gespräch etwas erfahren, ohne dass ich es danach jemals ausnutzen würde.

    Die Gastgeberin selbst empfing mich im Hortus.


    Flavia Maesa, deine Einladung ehrt mich sehr. Daher bin ich stolz, sie annehmen zu können. Herzlich willkommen in Rom.

    Die mich begleitende Sklavin trat einen Schritt auf die Gastgeberin zu und überreichte ein reich mit Mustern und Intarsien verziertes Holzkästchen. Wenn sie es öffnen würde, würde sie darin 3 Haarnadeln der absoluten Oberklasse finden, wie sie für eine Flavia angemessen waren. Alle 3 waren am einen Ende mit unterschiedlichen Variationen der Göttin Venus versehen.


    Nimm bitte dieses kleine Geschenk als Willkommen in Rom und Dank für die Einladung an. Selbstverständlich stehe ich als Magistra der Societas Veneris jederzeit zu deinen Diensten.

    Dann wandte ich mich den anderen Damen zu. Eine Aemilia und eine Claudia, also beides ebenfalls Patrizierinnen. Scheinbar war ich die einzige Plebejerin hier, doch als Iulia und Ehefrau eines Senators war dies zumindest für mich kein Problem. Ich war in der Zwischenzeit selbstbewusst genug geworden, mich von Geburtsrechten nicht mehr erschrecken zu lassen.


    Aemilia, Claudia, ich freue mich euch kennen zu lernen.

    Als Frau eines Senators und Magistra der Societas Veneris, war es für Iulia Stella selbstverständlich gewesen, dass sie die Einladung der Flavia Maesa annehmen würde. In die Frisur war an diesem Tag daher äusserst viel Zeit geflossen. Ihre Haare waren zum Glück lang und robust genug, dass sie sich für eine Frisur der gehobenen Gesellschaft nutzen liessen und sie nicht auf eine Perücke zurückgreifen musste. Diese Dinger juckten immer so entsetzlich im Sommer und wirklich schön war man damit auch nicht. So war Stella schon früh am Morgen während mehrerer Stunden beim Frisör gesessen und das Resultat konnte sich wirklich sehen lassen. viele einzelne Zöpfe waren geflochten worden und diese dann dazu genutzt, ein Haarschild aus den Haaren irgendeiner anderen Frau mit gleicher Haarfarbe aufrecht auf der Stirn anzubinden. Gehalten wurde diese ganze Konstruktion neben dem Zug der eigenen Haare auch von vielen kleinen Haarnadeln. Sichtbar waren jedoch bloss 3 grosse Nadeln mit verzierten Hinterteilen, welche in unterschiedlichen Farben glänzten und dem Stand der Dame entsprachen.



    Gekleidet war Stella in eine leicht enge Untertunika aus gebleichter weisser Baumwolle, ein Luxus, da dieser Stoff nicht leicht zu erhalten war und von weit her eingeführt werden musste. Darüber trug sie eine römisch geschnittene Übertunika aus blauer Seide, welche auf den Schultern von dezenten, aber kunstvoll hergestellten Goldfibeln mit Edelsteinen zusammengehalten wurde. Um den Hals trug sie eine Kette aus Golddraht mit passenden Glasperlen und die Ohren zierten ebenfalls goldene Ohrgehänge in 2 Stufen.


    Nachdem die Sänfte am Tor der Villa Flavia Felix abgestellt worden war und der Gast durch Sklaven angekündet worden war, öffnete sich das Tor der Villa und Stella wurde durch 2 Sklaven aus der Sänfte geholfen und trat ein.


    In Begleitung einer Sklavin, welche ihrer Herrin für den ganzen Tag zur Seite gestellt war, folgte sie dem Haussklaven in den Garten, wo bereits einige Damen anwesend waren.

    Ein Sklave der Annaei überbrachte die folgende Nachricht:


    An: Flavia Maesa

    Villa Flavia Felix

    Quirinal, Roma


    Iulia Stella Flaviae Maesae suo salutem petit,


    Herzlich willkommen in Rom, Flavia Maesa.


    Als Magistra der Societas Veneris ist es mir eine Ehre, deine Einladung anzunehmen. Ich freue mich darauf, dich kennen zu lernen.


    Mögen die Götter dich und die Flavii schützen, Iulia Stella.

    Heute betraten Iulia Stella und ihr Ehemann, der noch knapp amtierende Volkstribun Lucius Annaeus Florus Minor, gemeinsam das Officium des Decemvir Litibus Iudicandis. Eine ganze Reihe an Todesfällen, oder zumindest die Nachrichten darüber, hatten in den letzten Tagen die Domus Annaea erreicht, so dass eine ganze Liste mit Namen an den Amtsträger zu übergeben war.


    Die Gesetze hatten sich in den letzten Amtsperioden geändert. Neu mussten die Leute, welche ihre Erbschaften antreten wollten, dies dem Decemvirn melden, da es immer häufiger passiert war, dass der Decemvir gar nicht über Todesfälle informiert gewesen war. Nun würde er die Namen entgegen nehmen, die Tatsachen prüfen, Informationen einholen falls notwendig und dann die Überschreibung oder Überweisung der Erbmasse veranlassen.


    Salve Decemvir! Wir müssen dich leider über eine ganze Sammlung an Todesfällen informieren. Ich bitte dich für mich, die folgenden Namen zu prüfen und mir, falls möglich, das Erbe zu überlassen:

    - Iulia Aviana Minor, verstorben erst kürzlich. [LECTIO]

    - Manius Iulius Avianus, verstorben erst kürzlich. [LECTIO]

    - Lucius Iulius Antoninus, verstorben erst kürzlich. [LECTIO]

    - Caius Iulius Spurinus, verstorben erst kürzlich. [LECTIO]


    Und dann leider auch noch Senator Lucius Iulius Centho. Auch die Nachricht über seinen Tod in einer fernen Provinz hat uns erst kürzlich erreicht. [LECTIO]


    Mein Ehemann, Volkstribun Lucius Annaeus Florus Minor, begleitet mich, damit er seine Zustimmung geben kann, sollte ich ein Erbe mit Grundbesitz oder grossem Geldbetrag antreten dürfen.

    Stella wusste, dass dies zwar offiziell nicht notwendig war, aber sowohl die Iulii als auch die Annaei hielten sich gerne an die alten Traditionen, wo dies ohne grössere Einschränkungen möglich war und dies war ein solcher Moment. Frauen sollten Geld- oder Besitzgeschäfte grösseren Ausmasses mit der Zustimmung ihres Vormundes oder Ehemannes tätigen. Das war für beide völlig normal.

    Die nun folgende Frage schockierte Stella innerlich, denn sie hatte noch nie darüber nachgedacht, Liebe gegen den Willen einer anderen Person aufzuzwingen und nur dazu konnte sie sich vorstellen, dass man berauschende Mittel nutzen müsste. Sie liess sich jedoch nichts anmerken und antwortete so offen und ohne zu werten wie möglich, jedoch ebenso leise wie ihre Gesprächspartnerin:


    Diese Frage kann ich dir nicht beantworten. Die Aufgabe der Societas Veneris ist es, Liebe zu verbreiten. Nur die Göttin selbst kann entscheiden, welche Mittel sie in einem speziellen Fall für angebracht und erlaubt anerkennen will und wo die Grenze zur aufgezwungenen Handlung liegt. Du möchtest der Göttin opfern, dann wird sie deine Frage sicherlich aufnehmen und dir hoffentlich eine Antwort geben, oder zumindest einen Weg aufzeigen.

    Stella war zwar überrascht über die Worte, welche ihrer Gesprächspartnerin in diesem Moment so unverblümt über die Lippen kamen, doch sie war es sich gewohnt genau dieses Thema in unterschiedlichster Form mit anderen Frauen zu besprechen. Da sie jedoch nicht wusste, weshalb die Dame sich ob ihrer eigenen Worte erschrak, hielt sie es für Scham.


    Schäm dich deiner Worte nicht. Ja, es ist richtig, dass es für Kinder einer körperlichen Gemeinschaft bedarf. Doch dies muss nicht zwingend eine Form der Liebe sein. Es gibt so viele Paare, die eine Ehe eingehen, weil es ihren Familien Nutzen bringt und nicht weil sie sich lieben. Auch diese Paare wollen Kinder haben, damit die Familie weiterlebt. Der Geschlechtsakt kann im besten Fall Freude bereiten und Liebe zeigen, doch die Realität lehrt mich, dass dies nur selten der Fall ist. Viel öfter ist es eine gemeinsame Entscheidung für die Erhaltung der Familie, ein Dienst, kein Geschenk. Doch diesen Dienst erweisen wir, und auch die Männer, der Göttin und ihr Geschenk ist im besten Fall ein männlicher Erbe.


    Stella war dieses Thema schon längst nicht mehr fremd. Auch wenn sie selbst das Glück hatte, einen Mann zu haben, der sie auch auf diese Art liebte, so wusste sie, dass dies ein ganz spezielles Geschenk war, das nicht alle Frauen kannten.

    Das Gespräch wurde vertraulicher, der Abstand zwischen uns Frauen kleiner und die Lautstärke geringer, doch die Frage war deutlich und in ihrer Bedeutung zwar unklar, doch gleichzeitig auch eindeutig.


    Ich kann nicht behaupten genau zu wissen, was die Göttin verärgert und was nicht. Doch als vermessen würde ich einen solchen Wunsch nicht bezeichnen. Jeden Tag kommen hunderte junge Mädchen zu diesen Tempeln und bitten um die Liebe eines Mannes, den sie toll finden, der jedoch in keiner Art und Weise zu ihnen passt oder deren Familien einer solchen Verbindung niemals zustimmen würden. Auch diese Wünsche sind nicht vermessen und ich habe noch nie erlebt, dass die Göttin deswegen aktiv zürnt.


    Die Göttin hatte derart viele unterschiedliche Gestalten und Facetten, dass es vermutlich unmöglich war, sie mit einer simplen Bitte zu erzürnen, denn jede Form der Liebe hatte irgendwo die korrekte Ansprechstelle.


    Auch dort wo eine Liebe noch nicht gewachsen ist, oder nur als Samen vorhanden ist, wird die Göttin bestimmt dafür sorgen, dass sie wachsen und gedeihen kann. Die Sorge für genügend Nahrung und Wasser obliegt jedoch uns Menschen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Liebe nicht immer auch in körperlicher Art gezeigt werden muss. Es gibt viele Formen der Liebe und die körperliche ist bloss eine davon.


    Langsam kam in mir eine Erinnerung hoch, woher ich die Frau kannte, doch ich schwieg dazu, denn hier ging es nicht darum wer sie war, sondern was sie wissen wollte.

    Ursus durchsuchte sein Gedächtnis und wurde fündig.


    Sextus Annaeanus Graecus, natürlich! Willkommen zurück in Rom! Bitte tritt ein. Senator Lucius Annaeus Florus Minor wird dich sicherlich empfangen.


    Der Sehschlitz schloss sich wieder und die Tür öffnete sich, nachdem diverse Schlösser mit Schlüsseln geöffnet worden waren. Rom war ein unsicheres Pflaster und ein Senatorenhaushalt ein Ziel erster Güte.

    Eine nächste Frau, die ich ebenfalls bereits zuvor bemerkt hatte, die sich jedoch bis anhin im Hintergrund gehalten hatte, trat auf mich zu, als ein etwas ruhigerer Moment eintrat. Sie entschuldigte sich dafür, mitgehört zu haben, doch wir waren ja in der Öffentlichkeit und daher waren meine Gespräche offen für Zuhörerinnen. Ihre Kleidung, ihr Wunsch der Göttin zu opfern und die hinter ihr gehende Sklavin liessen eine Römerin vermuten. Dass ich die Dame von irgendwo kannte, merkte ich, doch ich wusste gerade nicht mehr woher.


    Salve! Bitte, entschuldige dich nicht. Unsere Gespräche hier sind öffentlich und daher kann jeder oder jede mithören, die das möchte. Die Liebe zwischen Menschen kann auch durchaus die Liebe zwischen zwei Menschen bedeuten, jawohl. Auch diese muss gepflegt werden, denn sonst verfliegt sie. Die Göttin gibt Liebe, aber sie nimmt sie auch wieder, wenn sie merkt, dass diese nicht gepflegt wird. Daran ist nichts Falsches, aber es ist schade und traurig, da wir es oft selbst in Händen haben, die Liebe am Leben zu halten.


    Ich würde niemals jemanden fragen, was denn genau das Problem sei. Der Mut, die Entscheidung, über ein genaues Problem zu sprechen, musste von den Betroffenen selbst ausgehen.