Beiträge von Narrator

    Eine kleine Gruppe parthischer Soldaten beobachtete die Szenerie. Gut verborgen im Unterholz oder zwischen Geröllsbrocken observierten sie auf diese Weise das Gelände rund um Edessa, um bei wichtigen Ereignissen schnell an Surenas Meldung erstatten zu können.
    "Und die werden wir jetzt lynchen?" fragte einer der Soldaten seinen Anführer.
    "Nein."
    "Wieso nicht???"
    "Ja bist du von Ahura Mazda verlassen? Willst du die Aufmerksamkeit der Römer auf uns ziehen?"
    "Nein." maulte der junge Heißsporn.
    Schweigend beobachteten sie die Römer weiter, bis einem der Soldaten etwas auffiel und dann noch immer still, aber aufgeregt dem Anführer etwas zu zeigen versuchte. Der Anführer wollte ihm zuerst einen Vogel zeigen, weil der Soldat sich gar so merkwürdig benahm, besann sich aber eines besseren und tat dem anderen den Gefallen. Und dann verstand er.
    "He Kleiner, ist dir noch immer langweilig?" raunte er dem Heißsporn von vorhin zu.
    "Bei Ahrimans unzähligen Pickel am Arsch, ich würde am liebsten alle Römer..."
    "Jaja, halt die Klappe und hör zu. Da unten, siehst du den Römer mit der blitzblanken Rüstung?"
    "Äh, ja."
    "Den krallen wir uns."
    "Aber hast du nicht erst vorhin gesagt..."
    "Halts Maul. Das hier ist eine völlig andere Situation. Der da unten ist ein hoher Offizier. Wenn Ahura Mazda uns schon eine solche Gelegenheit liefert, werden wir das Geschenk annehmen."


    Es dauerte nicht lange, bis alle der kleinen Gruppe vom Vorhaben des Anführers wussten und genau instruiert waren. Der Plan war an sich einfach: den Offizier schnappen, möglichst lebendig, die anderen töten. Die Durchführung war schwieriger, musste dieses Unternehmen so leise wie möglich, um die anderen Römer nicht durch Kampflärm oder Geschrei zu alarmieren, und so schnell wie möglich geschehen. Schon hatten die parthischen Soldaten den Bogen gespannt und warteten nur auf das Zeichen ihres Anführers...


    ...


    Als die vorausgerittenen Römer nach einiger Zeit wieder zurückkamen, um den Legaten Meldung zu erstatten, fanden sie den Decurio und mehrere römische Soldaten tot vor, die Spuren zeugten von einem schnellen, überraschenden Kampf. Was oder besser wen sie nicht fanden, war der Legatus Decimus Livianus.

    Die Senatoren traten nach Abschluss ihrer Wahl aus der Curia auf das Forum Romanum hinaus. Noch hatten die Letzten nicht die Treppe verlassen, auf welcher sie vom wartenden Volk, vorallem ihren Klienten, erwartet wurden, als ein schrecklicher Schrei ertönte. Was war geschehen? Ein neuer Mord? Inmitten der Stadt? In den Hallen der heiligen Curia?


    Sogleich eilten einige noch rüstige Senatoren wieder die Treppe hoch und verschwanden im Innern der Senatshalle und schon kurze Zeit später gelangen erste Hinweise und Tatsachen an die Öffentlichkeit.


    Es war kein Mord, es war ein Selbstmord. Unsägliches hatte sich abgespielt, im Innern der heiligen Halle. Die Götter würden zürnen, nein, sie zürnten bereits. Noch nie war es geschehen, dass ein Senator oder Kandidat sich das Leben hier nahm und damit diesen Ort mit seinem Blut beschmutzte. Eine unsägliche Tat, vergleichbar nur mit dem Mord an einer Vestalin!


    Mord an einer Vestalin? War da nicht vor wenigen Tagen etwas gewesen? Bei allen Göttern! DOCH! Nein, es durfte nicht wahr sein! Rom war in Gefahr, grosser Gefahr! Zwei solche Ereignisse innerhalb weniger Tage, das konnte nur grosse Schwierigkeiten bedeuten.


    In einem einzigen Augenblick spielten sich diese Gedanken in tausenden Köpfen gleichzeitig ab und entleerten sich in einem kollektiven Aufschrei und Aufruhr. Die Siegmeldungen aus Parthia in der letzten Acta waren vergessen. Die Götter sandten Zeichen, es würde nicht so weitergehen mit Rom. Es musste etwas geschehen, jetzt, sofort.

    Nicarea schluckte schwer, als sie die Anweisung des Centurio vernahm. Ihr Blick fiel auf die andere Frau, die neben ihr stand. Hätten die Prätorianer nur eine grobe Beschreibung ihrer Person, würde sie auch auf ihre Leidensgenossin zutreffen.
    Schreckliche Gewissheit erfasste die junge Attentäterin. Ihre Häscher wussten von ihr. Jemand hatte ihnen also einen Tipp gegeben. Es war zu spät für eine Flucht. Sie war umstellt von Soldaten, hatte keine andere Wahl als ihnen in die Castra zu folgen.


    Nicarea machte keine Anstalten sich zu wehren, als sich ihr die Soldaten näherten. Ein schrecklich langer Marsch wartete auf sie, viel Zeit um sich wieder und wieder zu fragen, was schief gelaufen war. Noch hegte sie die leise Hoffnung auf ein gutes Ende. Daß sie aber nicht mehr ungeschoren davonkommen würde, war ihr klar.

    Ein Liktor des Consuls hatte sein übliches Rudel verlassen, um an der Casa Decima einen Brief seines Dienstherren loszuwerden.


    Auctrix Actae Diurnae
    Decima Lucilla



    Consul Seppius Septimus salutem dicit.


    Mit Bedeuern habe ich dein Ansuchen entgegen genommen, den Senat gemäß des Gesetzes mit der Wahl eines neuen Auctors zu beauftragen. Mehrere Senatoren sprachen sich nun dafür aus, zunächst deine Empfehlung für einen Nachfolger zu hören. Kannst du uns eine oder mehrere Personen nennen, aus der derzeitigen Redaktion der Acta Diurna oder aus anderen Kreisen, die du für eine Nachfolge in deinem Amt empfehlen kannst? Deine unschätzbare Erfahrung auf diesem Posten kann uns auch jetzt nur eine wertvolle Hilfe sein.


    Vale bene
    Seppius Spetimus, Consul

    In Edessa wurde nicht lange Halt gemacht. Die gröbsten Wunden der Römer wurden geleckt, eine Ruhepause den Männern verordnet. Doch wer von den Soldaten glaubte, dass ein kleiner Urlaub mit Plünderungen und weiblicher Gesellschaft verbracht werden konnte, der wurde schwer enttäuscht. Vorräte an Wasser und Nahrung wurden aufgefüllt, Beschädigungen an Rüstungen und Fuhrwerken so gut wie möglich ausgebessert, und dann gaben die Offiziere - viel zu früh für den Geschmack vieler Soldaten - schon das Zeichen zum Aufbruch Richtung Osten. An der unglücksseligen Stelle Carrhae vorbei zog die römische Armee zu einem Fluss, mit deren Hilfe sie ihr nächstes Ziel leichter erreichen konnten. Circesium.


    Der Marsch ging im großen und ganzen ohne Probleme vonstatten. Einzelne, kleinere Überfälle von parthischer Seite fanden zwar ab und an statt, doch selten mit mehr als einer Handvoll Toten oder Verletzten. Doch diese Zwischenfälle reichten, um den Römern immer wieder zu verdeutlichen, sie gehen hier in Feindesland und stehen permanent unter Beobachtung.

    Nicarea hatte das Gefühl, daß sich die Aufmerksamkeit des Centurio auf sie und die andere Frau konzentrieren würde. Wusste er doch etwas? Noch einmal mußte sie an Lucius denken... und an den Auftraggeber. Aber der hatte keinen Grund, sie zu verraten. Vielleicht aber hatte der Centurio keine Ahnung von ihr und ihren Taten, vielleicht war er einfach nur ein lüsternes Schwein. Nicarea hoffte, daß dem so war.
    Dann stand er vor ihr und fragte sie nach ihrem Namen.


    "Niobe"


    erwiderte sie ohne zu zögern. Nicarea wagte es aber nicht, dem Centurio in die Augen zu sehen. Ihr Blick wanderte unruhig über die Rüstung des Soldaten und über den Boden. Gib ihm keinen Grund, argwöhnisch zu werden, sagte sie sich immerzu.

    Widerwillig blieb Nicarea stehen, während sich die anderen auf den Rückweg in ihre Zimmer machten. Noch wollte Nicarea an eine Routine Untersuchung glauben; es mußte ein böser Zufall sein, daß ausgerechnet sie vom Centurio ausgewählt wurde. Aber sie begann daran zu zweifeln. Während sie neben die anderen "Auserwählten" trat, dachte sie unaufhörlich daran, ob ihr ein Fehler unterlaufen war.
    Nicarea fiel ihr Streit mit Lucius, dem Handlanger ein. Sie konnte aber nicht daran glauben, daß sich dieser Feigling an die Prätorianer wenden würde. Immerhin hing er selbst mit drin, seiner Haut würde es nicht besser ergehen als ihrer. Schnell verwarf sie also den Gedanken und begnügte sich vorerst damit abzuwarten und das Spiel der Prätorianer mitzuspielen.

    Wie zu Beginn der Debatte, ergriff Seppius Septimus, der Consul, auch zu deren Ende das Wort, sofern man derzeit von einem Ende sprechen konnte.


    "Wir danken Kaeso Annaeus Modestus für seine Auskünfte. Die Befragung ist beendet. Ich weise darauf hin, dass gemäß Codex Iuridicialis vor dem kaiserlichen Gericht stets der Advocatus Imperialis der Ankläger ist. Solange mir von diesem keine Bestätigung der hier erörterten Anklage vorliegt, sehe ich mich nicht genötigt, den Kandidaten von der Liste zu streichen."

    [Blockierte Grafik: http://i74.photobucket.com/albums/i280/Kaetzchen1980/Avatars/Solvy.gif]


    Nicarea war bereit, die Stadt wieder zu erleben. Viel zu lange schien ihr die Zeit, in der sie untergetaucht war. Tavernen, Märkte, sämtliche Ansammlungen von Menschen hatte sie gemieden seit ihrem erfolgreichen Abschluß des Auftrages. Jetzt, da sich sicher war, daß ihr niemand auf die Schliche gekommen war, konnte sie aufatmen und nach neuen Aufträgen Ausschau halten.
    Sie wollte gerade zu einem neuen Streifzug aufbrechen, als sie die Aufforderung hörte, sich im Innenhof einzufinden. Einen Moment lang ereilte sie schiere Panik, aber kurz darauf besann sie sich eines Besseren und wagte einen Blick aus dem kleinen Fenster ihres Zimmers.
    Soldaten der Prätorianer, wohin sie sehen konnte. Sie waren offensichtlich drauf und dran die Insula zu durchsuchen. Nun galt es, ruhig und besonnen zu handeln. Die Prätorianer kannten sie nicht, dessen war sie sicher. Hierbei handelte es sich mit Sicherheit um reine Routine. Nicarae wurde ruhiger, ihr Geld wusste sie gut versteckt, das konnten selbst die Häscher des Kaisers nicht finden. Das Vernünftigste war also, der Aufforderung Folge zu leisten.
    Im Innenhof angelangt, stellte sie sich hinter einen besonders kräftigen Burschen und wartete ab, was geschehen würde.

    Diesen Punkt hatte der Consul noch geschwind auf die Tagesordnung gepackt. Als dieser dran war, erhob er sich.


    "Quirites! Am gestrigen Tage habe ich ein Schreiben von der derzeitigen Auctrix der Acta Diurna bekommen. Scriba, lies vor."


    Der angesprochene Scriba nahm den Brief aus der Hand des Consuls entgegen und las diesen vor.


    Consuls Sextus Seppius Septimus, Roma



    Salve Consul Seppius Septimus,


    In stillschweigendem Einverständnis haben die Senatoren Roms und die Redaktion der Acta Diurna das regelmäßige Versäumnis der Einhaltung des Paragraphen 7.2, Abschnitt 2 des Codex Universalis geduldet. Hiermit möchte ich Kund tun, dass die Redaktion, respektive die Auctrix der Acta Diurna, dies für die kommende Amtszeit nicht mehr tun wird und eine Neuwahl des Auctors einfordert.
    Meine eigene Person wird für eine erneute Ausübung dieses Amtes nicht mehr zur Verfügung stehen.


    Vale,
    Decima Lucilla,
    Auctrix der Acta Diurna


    "Das bedeutet, dass wir nun ehestmöglich einen neuen Auctor suchen müssen." schloß er eher überflüssigerweise.

    Der Consul wartete noch weitere Meldungen ab. Dann wandte er sich an Senator Germanicus Avarus.


    "Senator Germanicus Avarus, der Senat betraut dich hiermit mit der Leitung des Gremiums zur Erarbeitung einer Bausicherheitsverordnung für Rom. Erstatte dem Senat Bericht, wenn eure Arbeit zu einem Abschluß gekommen ist."