Das kam nicht vom Lager her - es drang aus dem Hügeln zu ihm. Vorsichtig richtete er sich ein Stück auf, atmete die Nachtluft, versuchte den Eindruck zu bestätigen. Schwer zu sagen. Er musste dem nachgehen. Rocus spuckte das Süßholz in den Staub und zog seinen Dolch. Halbgeduckt schlich er sich ein Stück in die Richtung, aus der Wind kam, von Schatten zu Schatten, nahezu lautlos.
Da war ein dumpfes Geräusch, ein leises Schnauben - und dann schälten sich Gestalten vor ihm aus der Nacht: Reiter, sich bewegende Flecken von tieferer Schwärze in der sie umgebenden Dunkelheit. Parther. Viele von ihnen.
Waren sie also endlich aus ihren Löchern gekrochen, in denen sie sich bisher versteckt hatten, dachte der Späher grimmig und verharrte vollkommen reglos, zusammengekauert, das Gesicht verborgen unter der Kapuze seines Mantels. Eines der Pferde kam direkt auf ihn zu. Nur leise war das Geräusch der Hufe zu hören - sie mussten sie umwunden haben mit Stoff oder Stroh. Rocus hielt den Atem an, und schickte ein Stoßgebet zu Fortuna, dass sie ihn vor dem Blick des Feindes bewahren möge. Und tatsächlich - der Reiter kam ganz nahe an ihm vorbei, schien ihn aber nicht zu bemerken. Dann drang ein leise gezischter Befehl an Rocus' Ohr. Die Männer saßen ab, und schienen sich aufzuteilen. Ein großer Trupp verschwand leise in der Nacht, wurde von der Dunkelheit verschluckt.
Auch für ihn war es Zeit sich zurückzuziehen. Er musste schleunigst zum Lager, berichten, dass der Feind sich hier zusammen rottete. Vorsichtig tastete er auf dem Boden, setzte ganz behutsam Füße und Hände auf, versuchte dabei nicht an Giftschlangen zu denken. Er wandte sich um, wollte erst auf allen Vieren ein Stück zurück kriechen, um dann, wenn er Abstand gewonnen hatte, zum Lager zu eilen. Doch da - ein Geräusch! Das feine Klingen von Stahl der die Scheide verläßt.
Just in diesem Moment rissen die Wolken auf, offenbahrten im bleichen Licht des Mondes eine schwarz verhüllte Gestalt. Er hatte sie nicht kommen hören. Und geschwärzt war auch die Klinge, die in einem eleganten Halbkreis die Nacht durchschnitt, als sie auf ihn zu wirbelte, viel zu schnell, viel zu nahe...
Gnaeus Gavius Rocus tat zwei Dinge. Er stieß sein Pugio nach vorne und er holte Luft um einen Alarmschrei auszustoßen - zu spät. Der Halbkreis endete in seiner Kehle, Stahl schnitt durch Fleisch, und eine Schwall warmen Blutes quoll hervor. Kein Schrei, nur ein nasses Röcheln drang mit dem Blut aus seiner Kehle. Er fiel in den Staub, die Hand um den Dolch gekrampft. Und während das Blut aus der klaffenden Wund pulste, während das Leben aus ihm floh, und die Schwärze ihn verschlang, stand noch immer ein Ausdruck von Überraschung in seinen glasig werdenden Augen, die niemals wieder das lichte Grün der cottischen Wälder sehen würden.