Der Bote, der auf den Namen Vírámak hörte, war im tiefsten Schlummer gewesen, als er von der Wache aufgeweckt wurde und hörte, dass der Satrap selber seine Dienste brauchte. Schlaftrunken mühte er sich also ins Zelt des Satrapen ab und hörte sich den Auftrag an. Vírámak unterließ es, irgendetwas zu sagen, war er noch zu müde und befürchtete, dass wenn er einmal seinen Mund offen hatte, er ihn nicht wieder schließen könne vor lauter Gähnen. Nach der Auftragserteilung beim Satrapen holte er sich nur Wasser, etwas Proviant für die nächsten Tage und sein Pferd und schon ritt er los. Es wäre zuviel gesagt, wenn Vírámak Tag und Nacht geritten wäre, natürlich nicht, das hätte das Pferd gar nicht ausgehalten, aber er ließ sich auch nicht übermäßig viel Zeit, schließlich konnte er sich noch an einen Kollegen erinnern, der es mit der Schnelligkeit nicht allzu genau nahm. Ahura-Mazda möge sich der Seele des Kollegen annehmen.
Drei Tage später erreichte Vírámak Edessa. Er hielt sich nicht lange auf mit der Begutachtung der Stadt, immerhin war er in einer groß geworden, kennt man eine, kennt man sie alle. Er fragte sich nur zum Palast des Satrapen durch und überbrachte dort einem der Sklaven die Nachricht, dass er ein Bote des Surenas sei. Der Sklave dort war davon aber wenig beeindruckt und brachte ihn erst zum Obersklaven für die Eingangstüre, wo der Bote sich erneut vorstellte. Auch der war nicht aus dem Häuschen und schickte den Boten weiter zum Obersklaven für den Eingangsbereich und der wiederum zum Obersklaven des Hauses, der allerdings wirklich für die Audienzen beim Satrap zuständig war. Dem Boten kam es vor, als würde der Weg zum Satrap länger dauern als der Weg vom Lager nach Edessa!
Der Obersklave des Hauses, also der, der für die Audienzen zuständig war, gab dem Boten endlich einmal etwas zu trinken und vertröstete ihn dann auf die Abendstunden. Es tue ihm leid, log der Obersklave, aber der Satrap wäre gerade nicht im Palast, sondern auf der Jagd. Er wäre erst gegen Abend wieder zurück und Vírámak solle in der Zwischenzeit sich einmal stärken, es könne ohnehin nicht mehr so lange dauern und dann würde der Satrap ihn sicher sogleich empfangen bei dieser wichtigen Nachricht vom geschätzten und verehrten Surenas, den Ahura Mazda auf all seinen Wegen beschützen solle. Vírámak, der Bote, zuckte mit den Schultern, er war ein sehr einfacher Mann und hatte mit den Gepflogenheiten zu Hofe nicht viel am Hut, und ließ sich dann Wein und Essen geben. Bei solch einer Verpflegung gab es schlimmeres als auf den Empfänger der Botschaft zu warten.
In der Tat, in den Abendstunden war tatsächlich der Satrap Nasreh Abgar im Palast zugegen. Und er war auch vorher jagen, oder besser gesagt, er war reiten und hatte zugesehen wie die anderen jagten, was aber auch eine durchaus amüsante Beschäftigung sein kann. Allerdings war er etwas betrübt, nur einer seiner Sklaven kam heute ums Leben, und erjagt hatten sie auch nichts. Daher wollte er den Boten erst gar nicht empfangen, aber auf Anraten seiner Berater tat er dies dennoch. Vírámak, der Bote, überbrachte dem Satrap unter Aufbietung aller Ehrerbietungen die Botschaft von Surenas. Wirklich beeindruckt war der Satrap Nasreh nicht. Er flüsterte einem seiner Sklaven etwas ins Ohr.
"Wann wird der Satrap ankommen, Bote?" fragte der Sklave, dem der Satrap gerade zugeflüstert hatte.
Der Bote antwortete, dass der Satrap Surenas wohl in drei oder vier Tagen mitsamt der Armee des Sháh in Sháhs ankommen werde. Der Satrap Nasreh schien zu überlegen, dann flüsterte er seinem Sklaven wieder etwas ins Ohr.
"Der ehrwürdige Satrap Nasreh Abgar, Gebieter über Edessa und Osroene, wird dem Satrap Surenas alle Unterstützung angedeihen lassen, die für den Satrapen Surenas und der glorreichen Armee des Sháh in Sháhs Osroes recht und billig wären." Vírámak nickte und dachte sich seinen Teil, denn so lange hatte der Satrap nicht geflüstert, wie der Sklave gesprochen hatte. Aber er wurde ohnehin bald entlassen, das war gut, denn er hatte wieder Hunger.