Die letzten beiden Tage waren die balnearia auf Vordermann gebracht worden. Das Wasser abgelassen, jedes Mosaiksteinchen mit einer weichen Bürste und einer Paste aus Milch und Salz gereinigt, dann mit nitrum*
die Abflüsse gesäubert. Nun strahlte das Bad der Domina, aber auch das der Sklaven in altem neuen Glanz.
Als Tiberios und Andreas von den Circusspielen nach Hause kamen, waren die anderen schon gewaschen, umgezogen und fein gekämmt. Die beiden Sklaven schämten sich etwas; heute waren sie etwas faul gewesen.
Aber als dann Lyda, Rhea und Chloe im Hortus auftischten, saßen sie alle friedlich zusammen, und dann zückte Tiberios den Brief:
"Glafira hat uns geschrieben.", sagte er und las vor. Ab und zu wurde er durch Kommentare unterbrochen, dann lächelte er und machte eine Pause, bis er weiterlesen konnte.
Glafira
Villa am Meer
Brundisium
Italia
An Tiberios
Hausverwaltung
Casa Furia
Roma
Salve Tiberios
ich bitte dich den Brief allen vorzulesen, damit ich ihn nicht neunmal schreiben muss.
Ich gebe ihn Philetas, dem Kutscher mit, wenn er nach Roma zurück fährt.
Also erstmal das Wichtigste: Wir sind gut und sicher in Brundisium angekommen. Und jetzt sind wir auch alle gesund und munter.
Den Göttern sei Dank, unserer Domina geht es gut, sagten die Sklaven der furischen familia erfreut. Ihre Gebete waren also erhört worden. Kein Achsenbruch, keine Räuber, nichts Schlimmes war auf der Reise passiert.
So was Schönes wie die Villa und das Meer habe ich meinen Lebtag noch nicht gesehen. Das Meer ist ganz blau und der Himmel auch. Die Sonne brennt, aber es gibt immer eine Brise. Die Luft ist vieeel besser als in Roma. Es gibt einen Strand und erst bin ich barfuß gegangen, aber dann habe ich Holzsandalen angezogen, weil ich mir die Füße verbrannt habe.
Ich schreibe euch mal, was wir machen: Morgens stehe ich früh auf, helfe der Domina beim Ankleiden und frisiere ihr eine schlichte Frisur. Dann serviere ich ihr das Frühstück: Frischgepressten Orangensaft , Früchte und Quark und frischgebackene kleine Brötchen mit Honig.
Dann möchten wir an den Strand, und ich creme die Domina ein, damit ihre Haut schön weiß bleibt. Denn ich weiß schon: Sie will nicht die ganze Zeit unter dem Schirm bleiben. Domina Stella kann schwimmen, reiten, und sie spielt auch Ball.
Ich kann noch nicht schwimmen. Ich kam ja vom Land und in Flüssen kann man nur baden. Doch Domina Stella zeigt es mir jeden Tag, wie ich die Arme und Beine bewegen soll. Bei ihr sieht es elegant aus, bei mir wie ein Frosch.
Hier gab es einiges Gelächter. Der Gedanke, dass sich Glafira wie ein kleiner Frosch bewegte, war erheiternd. Die Ernsteren wie Tiberios und Andreas sahen sich an. Wie gerne hätten sie auch einmal das Meer gesehen. Tiberios war noch nie aus den Städten herausgekommen und an einem Strand gewesen.
Rhea und Chloe tuschelten miteinander: WEnn sie sich das ganze nächste Jahr musterhaft verhielten, ob die Domina vielleicht zwei cubiculariae zusätzlich mitnehmen würde? Euch Hühner nimmt sie bestimmt nicht mit, sagte Timon, und die Mädchen warfen ihm ein Stuhlkissen an den Kopf, doch das war nur Spaß.
Aber das Schönste: Wir sind am Strand geritten. Domina Stella auf Malika, Domina Clara und Tusca auf ihren Pferden und Nestor als Custos auf einem anderen. Da konnte ich nicht mit, doch dann sagte Nestor, ich kann hinter ihm sitzen und das habe ich gemacht und mich festgehalten. Und huiii, sind wir den Strand entlang. Ich hatte erst fürchterliche Angst, ich falle hinunter. Aber dann hat es mir mehr Spaß gemacht als alles im Leben.
Jetzt aber gab es wirklich einen Aufschrei von Rhea und Chloe: Wie schlau Glafira war und sich an Nestor heranmachte! Hinter ihm auf dem Pferd war sie gesessen wie Prinzessin. Hach, Nestor, Rhea seufzte.
Tiberios hob beide Hände:
"Ich bitte um Ruhe", sagte er: "Nestor wollte einfach nur nett sein. Glafira kann doch nicht reiten."
"Wer ist eigentlich Tusca?", fragte Andreas.
"Das ist der weibliche Custos von Domina Duccia Clara", erwiderte Tiberios: "Sie ist wie eine Amazone aus den alten Sagen, doch in Wirklichkeit eine Britannierin."
Er errötete etwas, denn er erinnerte sich daran, wie Tusca so freundlich seine Hand genommen hatte. Den Göttern sei Dank war es im Garten schon dunkel. Tiberios schwärmte etwas für die Keltin, aber das brauchten die anderen nicht zu wissen.
Nach dem Morgen gibt es ein leichtes Mittagessen ,und dann sollen die dominae ruhen. Dann nehme ich mir Sachen zum Saubermachen auf die Veranda, schüttle die Decken aus, schaue nach, ob ich etwas flicken kann, und ich und die anderen Sklaven gehen auf Zehenspitzen durchs Haus.
Nur Tusca nicht, das ist eine ehemalige Kriegerin, und sie geht immer stolz durch das Haus. Am Anfang war ich schüchtern bei ihr, doch sie ist lieb, auch wenn sie nicht viel spricht. Sie kann genauso gut reiten wie Nestor und wenn die Beiden um die Wette reiten, stobt der Sand.
Das würde ich zu gerne einmal sehen, dachte Tiberios.
Wenn unsere dominae ausgeruht haben, gehen wir nochmals in den Strand, schwimmen(die es können) und baden. Einen Tag gab es hohe Wellen, die haben mich fast umgehauen. Doch dann hat mir Domina Stella gezeigt , dass man hineinspringen und sich tragen lassen kann. Das war ein Gefühl im Bauch wie ich mir fliegen vorstelle.
Die Herrinnen lesen auch oft unter dem Sonnenschirm oder unterhalten sich. Ich hole ihnen kühle Getränke, die sie hier in Amphoren im Keller aufbewahren und dann durch ein Sieb mit kleingehacktem Eis gießen. Das kleingehackte Eis ist sehr teuer; es wird von den Alpen in Blöcken gebracht und auch unter der Erde aufbewahrt.
Später gehen wir alle in die balnearia und ziehen uns frische Sachen an und sehen wieder manierlich aus.
Wenn es nacht wird, lenkt Sol seinen Wagen direkt ins Meer hinein. Die Sonne ist dann rot und steht tief, und das Meer färbt sich golden. Dann bringen die anderen Diener (ich kenne sie schon alle, sie sind freundlich und haben uns in ihrer Sklavenunterkunft gut Platz gemacht) große Fackeln und stellen sie auf. Ich laufe zwischen culina und Strand hin- und her, denn jetzt erst gibt es ein richtiges großes Essen. Die Männer machen eine Grube in den Sand und einen Rost und grillen Fleischspießchen und Lukaner Würste.
Wie schön, sagten alle. Gut, dass sie schon gegessen hatten, so machte ihnen die Beschreibung des Abendessen am Strand keinen Hunger.
Wenn Domina Stella möchte, spielt sie nach dem Essen für uns auf der Lyra. Dann kommen die Sterne raus und alles ist so feierlich, und ich bin froh. Musik mag ich sehr gerne.
Manchmal ist es auch ausgelassen, die Mädchen singen und die Burschen tanzen. Sie wollten mit mir tanzen, aber ich war zu schüchtern.
"Ich wäre nicht zu schüchtern!", pipste die vorlaute Chloe, und erntete einen rügenden Blick von Tiberios.
Wenn es spät ist, räumen alle auf und löschen das Feuer gut. Ich begleite Domina Stella in ihr Cubiculum, bin ihr behilflich , bürste ihr das Haar aus und öle es ein. Sie hat Sand im Haar, aber das macht nichts. Ich habe auch welchen, überall ist Sand. Bestimmt bringe ich ihn mit nach Rom, dann habe ich eine Erinnerung an diese wunderschönen Ferien in Brundisium.
So ich hoffe euch geht es allen gut, das ist die Hauptsache
liebe Grüße Eure Glafira
PS: In meinen Sachen ist ein blaues Haarband, das gehört mir nicht, das ist bestimmt deines, Chloe. Warum wirfst du deine Sachen auch auf mein Bett? Ich bewahre es gut auf bei mir und bringe es Dir wieder mit.
Jetzt lachten alle, und Chloe wurde so rot, dass Andreas frotzelte, man hätte ja nun seine eigene kleine Fackel im Garten. Aber dann musste sie doch lachen. Glafira hatte ja recht; Chloe warf wirklich ihre Sachen gerne auf die Betten der anderen Mädchen. Künftig musste sie ordentlicher sein.
Tiberios rollte die Schriftrolle wieder zusammen.
Ein schöner Brief, sagten alle übereinstimmend. Und ob man auch einmal so verreisen könnte.
Aber dann waren sie alle der Meinung, noch wichtiger wäre es, dass ihre verehrte domina wieder gesund nach Hause käme. Die Casa Furia war das Zuhause der familia. Niemand wollte woanders hin.
Da es nun schon dämmerte, trugen sie alles in die Culina, wuschen ihr Geschirr und halfen Lyda beim aufräumen. Dann gingen sie schlafen.
Aber alle träumten von Brundisium und dem Meer und dem Strand, was Glafira alles so schön beschrieben hatte.
Und Tiberios? Er träumte davon, dass er mit Tusca am Strand ritt, und als er erwachte, fand er, dass war ein sehr schöner Traum gewesen.