'Metamorphosen' – Werkschau im Atelier des Dolios

  • Tatsächlich sah Iulia etwas enttäuscht aus, als sie die erbotene Bedenkzeit gewährte. Ich brauchte dringend eine Atempause von diesem Gespräch. Das Bild vom Greisengebiss mit den schwärzlichen Stummelzähnen hatte sich gar zu aufdringlich in meinem Kopf festgesetzt.
    "Ah, Iulius Caesonius, ich verstehe. Er ist ein Freund meines Cousins Casca." Man hörte zur Zeit recht häufig von diesem jungen Politiker... ganz ähnlich wie damals bei Dives, der mit seinem jugendlichen Tatendrang (und glühenden Ehrgeiz) schon im zarten Alter den Cursus honorum gestürmt hatte.
    "Nun denn. Ich habe unser Treffen sehr genossen, werte Iulia Graecina." Um sie nicht noch weiter zu kränken, griff ich feurig nach ihrer Hand und drückte einen Kuss auf die zarten Fingerspitzen, wobei ich ihr tief in die Augen sah. Es waren blaue, verträumte, arglose Mädchenaugen. Wäre ich nicht ein Schuft, ein so blühendes Mädchen an mich zu binden... sie ist doch verschwendet an so einen wie mich....
    "Diese Werkschau an der Seite einer so entzückenden jungen Dame wie dir zu erleben, war mir ein ganz besonderes Vergnügen! Vale bene und auf bald!"
    Darauf erhob ich mich, und wir wechselten noch einige höfliche Worte zum Abschied. Unwillkürlich wollten meine Schritte sich beschleunigen, als ich mich dann entfernte, doch ich beherrschte mich, und schritt gemessenen Schrittes durch den Hof, begleitet von meinem Custos, vorbei an gemarterten Verwandelten und kunstbeflissenen Besuchern.


    Auch Icarion gabelte ich unterwegs auf. Wir traten durch den Torbogen hinaus auf die Straße. Ich atmete auf.
    "Puuuhh..."
    "Wie war es denn noch?" fragte Icarion. "Ich habe ein Angebot gemacht für den Pygmalion."
    "Danke... Naja, sie ist wirklich nett und angenehm bodenständig irgendwie.... und fröhlich. Ein bisschen unbedacht vielleicht... stell dir vor, sie hat mir anvertraut, dass sie vor allem Angst hatte, auf einen Greis mit Mundgeruch zu treffen! Da war sie dann wohl vorteilhaft überrascht von meinem Gebiss und hat mir praktisch gleich einen Antrag gemacht!"
    "Keine unberechtigte Sorge für eine junge Römerin." gab Icarion zu bedenken.
    "Aber stell dir mal vor ich heirate sie und wir sind irgendwo eingeladen und sie sagt so was in der Art!" Während ich mich so echauffierte, musste ich jedoch zugleich grinsen bei der Vorstellung wie würdigen Hausherren und pompösen Matronen daraufhin die Kinnladen runterfallen würden.
    "Vielleicht liegt es daran, dass sie noch so jung ist... Mit noch ein bisschen Lebenserfahrung wird das bestimmt besser. Wie findet ihr sie?"
    Natakamani: "Sie hat ein gutes Herz."
    Icarion: "Eloquent und stilsicher."
    "Na wenn ihr das sagt."

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Der Name ihres Cousins war ihm bekannt. Nicht zuletzt deshalb, weil Caesoninus freundschaftliche Beziehungen zu einem Cousin des Decimers unterhielt. Aber auch sonst kam man wohl derzeit kaum an dem Namen Iulius Caesoninus vorbei wenn man das politische und gesellschaftliche Geschehen Roms ein wenig verfolgte, denn ihr Cousin hatte für sein jugendliches Alter bereits eine beachtliche Karriere hingelegt. Zumindest wusste der Decimus nun auch, wohin er sich als nächstes wenden musste, wenn er offiziell um ihre Hand anhalten wollte – falls er das wollte.


    Dem zarten Pflänzchen eines Hoffnungsschimmers jedoch wurde jeglicher Nährboden entzogen, als Decimus doch relativ überstürzt einen kontrollierten Rückzug einleitete. Er habe das Treffen mit ihr genossen, so sagte er zwar und er ergriff auch recht feurig nach ihrer Hand, um diese zu küssen – eben ganz genau so, wie man es von einem Hispanier vermuten mochte. Dann noch schnell ein weiteres Kompliment hinterhergeschoben und fertig. Dies geschah doch alles sehr voreilig und glich mehr einer Flucht. So konnte ihm Graecina lediglich nur lächelnd aber sprachlos hinterherblicken, als er sich erhob und sich zügig von ihr entfernte.


    „Äh, was war das denn?“, fragte sie und sprach dabei mehr mit sich als mit ihren beiden Begleitern. Dann erhob auch sie sich und blickte zu Sulamith, ihrer Vertrauten. „Ich hab´s vermasselt, Sula! Nicht wahr? Ich hab es total vermasselt.“ Die Hebräerin trat einen Schritt auf sie zu und berührte sie sanft an ihrem Arm und versuchte sie zu trösten. „Aber nein, das hast du überhaupt nicht! Du warst sehr natürlich und hast ihm nichts vorgespielt. Vielleicht warst du ab und an etwas zu redselig. Aber im Grunde hast du ihm damit nur deine Ehrlichkeit demonstriert.“ Sie lächelte ihr aufmunternd zu. „Und mal ehrlich, wenn er das nicht zu schätzen weiß, dann hat er dich auch nicht verdient!“, fügte sie kurz darauf noch an.


    Graecina war für die Worte ihrer Sklavin sehr dankbar. Auch wenn sie befürchtete, keinen besseren Mann finden zu können, als den Decimus, falls jener sich gegen sie entschied. Aber vielleicht brauchten ältere Männer einfach nur etwas länger, um sich zu entscheiden, weil in ihnen einfach das Feuer der Jugend inzwischen erloschen war. Also war es sicher am besten, sich keine weiteren Gedanken darüber zu machen, sondern einfach abzuwarten.
    „Ja, so wird es wohl sein! Kommt, lasst uns gehen!“, meinte sie und machte sich mit ihren beiden Begleitern auf den Heimweg.


    ->>>


    https://www.imperium-romanum.i…?postid=921480#post921480

  • In Begleitung des nubischen Custos Corporis hatte sich Iduna getraut die Domus Iulia zu verlassen. Denn Tiberios hatte ihr in seinem Brief zu verstehen gegeben das er ihr die Skulpturen und Statuen auf dieser Werkschau zeigen wollte. Zu diesem Zweck hatte die Germanin ihre hübsche, nachtblaue Tunika angezogen. Jene die sie schon zu den Gladiatorenkämpfen getragen hatte. Zum Glück befand sich Wonga an ihrer Seite. Denn noch immer fühlte sich die Rothaarige unwohl wenn sie die Domus Iulia alleine verlassen musste. Mit großen Augen blickte Iduna zu dem Dunkelhäutigen empor, dessen Miene stoisch anmutete. So als könnte ihm nichts und niemand etwas anhaben. Idunas stützender Fels in diesen schwierigen Zeiten? Durchaus möglich.


    “Ich bin schon gespannt.“
    War ihr leises Stimmlein zu vernehmen. Während Wonga lediglich nickte. Denn das Bild der beiden küssenden Männer konnte der Nubier einfach nicht aus seinem Kopf vertreiben. Hatte sich der Lockenkopf mit der Keltin lediglich getröstet, weil sein Herz eigentlich für das gleiche Geschlecht schlug? Dies wollte der Nubier wissen. Während er Iduna sicher durch die Straßen geleitete und die beiden iulischen Sklaven schließlich vor dem Gebäude ankamen, in dem die Werksschau stattfand. Vor dem Gebäude warteten sie nun auf Tiberios.


    Sim-Off:

    r e s e r v i e r t

  • Casa Furia >>>


    Tiberios kam ein wenig außer Atem an. Auch er hatte sich sorgfältig nach griechischer Mode gekleidet, er trug einen wollweißen Chiton und darüber seine hellbraune Chlamys, den kurzen Mantel, der mit einer bronzenen Spange über der rechten Schulter befestigt wurde. Seine frischgewaschenen und mit telinum gesalbten Locken hielt er mit einem Stirnband aus dem Gesicht.
    Die gedeckten Farben entsprachen seinem Stand, so hatte er wie immer das Bronzetäfelchen seines Dominus dabei, aber das Material der Kleidung war durchaus nicht billig.


    Als Tiberios die junge iulische Sklavin und ihren Begleiter vor dem Eingang der Werkschau warten sah, winkte er ihnen freundlich zu:
    „Salvete!“, sagte er:
    „Ich hoffe, ihr habt nicht zu lange warten müssen. Wir haben heute die Balnearia wieder gefüllt und eines der Rohre tut nicht, was es soll. Ich glaube, wir müssen es mit Essig oder Wein durchspülen...“
    Er lächelte und unterbrach sich.

  • Neugierig blickte Iduna von links nach rechts. Ob der furische Sklave bereits auf sie beide wartete? Offensichtlich waren die iulischen Sklaven als erstes an der Werksschau angekommen. Und jetzt war es an Tiberios sich zu sputen. Da endlich erblickte die Germanin den Lockenkopf und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Während Wongas Blick abwartend dem jungen Msnn entgegen blickte.
    “Salve Tiberios.“
    Lächelte die Rothaarige. Während Wonga stumm blieb.


    Tiberios Erklärung lauschte die Cheruskerin aufmerksam und fragte sich insgeheim was ein Balnearia sein sollte. Jedoch wagte sie nicht ihre Gedanken laut auszusprechen.
    “Wir warten noch nicht lange und es freut mich das du gekommen bist. Auch wenn du sehr viel zu erledigen hast?“
    Die letzten Worte mutmaßte Iduna. Aber seinen Worten nach zu urteilen gab es wohl einiges zu tun in der Casa seiner Domina.
    “Ich bin schon so aufgeregt.“
    Plapperte die eigentlich sehr schüchterne Iduna. Wurde jedoch von Wonga gebremst. Denn der Nubier trat auf Tiberios zu und musterte den Jüngling.


    “Es wird gleich losgehen Iduna. Aber zuerst muss ich mit Tiberios etwas besprechen.“
    Dabei blickte Wonga ernst und zeigte Tiberios an, dass sie sich etwas entfernen sollten.
    Dann ließ der Nubier seine noch immer ruhige Stimme erklingen.
    “Ich verurteile deine Zuneigung zu dem älteren Griechen nicht Tiberios. Das steht mir auch nicht zu. Was ich von dir wissen möchte ist folgendes. Hast du Livia jemals geliebt? So wie du offensichtlich diesen Griechen liebst?“
    Regungslos durfte sich Tiberios von Wonga gemustert fühlen.

  • Tiberios hob den Kopf und sah Wonga forschend an, und seine Stimme nahm diesen schneidenden Tonfall an, mit der er für gewöhnlich Leute auf die Palme brachte:


    „Was bedeutet, du verurteilst meine Zuneigung zu Terpander nicht? Weshalb hättest du dir überhaupt ein Urteil zu erlauben über das was ich tue oder was ich lasse? Du stehst nicht über mir im Rang.“, sprach er:
    „Erkläre mir, warum du dich zum Sprecher für Livia machst, und warum du mir diese Frage stellst, bevor ich auch nur daran denke, dir eine Antwort zu geben."

  • Mit einem fast stoischen Ausdruck in seinen dunklen Augen musterte Wonga den furischen Sklaven. Der schneidende Tonfall Tiberios schien beinahe an dem Großgewachsenen abzuprallen. Natürlich stand es dem iulischen Sklaven in keinster Weise zu sich ein Urteil über Tiberios Liebesleben zu bilden. Und dennoch wollte er dem Lockenkopf auf den Zahn fühlen. Doch Wongas Lippen blieben verschlossen. Denn jetzt war es an Tiberios seine Stimme erklingen zu lassen. Wenn er nicht unhöflich sein wollte. Und diese Eigenschaft hatte Wonga dem jungen Mann niemals angedichtet.


    Doch da ließ Tiberios weitere Worte erklingen. Während der Gesichtsausdruck des Nubiers weiterhin regungslos auf dem Jüngeren ruhte.
    “Wie bereits gesagt verurteile ich dein Liebesleben nicht.“
    Wiederholte Wonga und blickte Tiberios unverwandt an.
    “Livia ist nicht mehr in der Lage dir diese Fragen zu stellen Tiberios. Die Keltin mag von störrischen Gemüt sein und handelt bevor sie denkt. Aber Livia hat dennoch ihr Herz am rechten Fleck und sie liebt dich Tiberios.“
    Der Dunkelhäutige war tatsächlich über sich selbst erstaunt.


    “Du weißt das Livia nun in der Subura lebt? Und dennoch hat sie dich nie vergessen Tiberios.“
    Woher Wonga dies wusste? Der Nubier hatte die Keltin beobachtet, als diese noch iulische Sklavin war und mit leuchtenden Augen von dem Lockenkopf erzählt hatte.

  • Tiberios behielt Verletzungen für sich, begrub sie tief und breitete darüber das Ideal der galene, des unbewegten spiegelglatten Meeres, dem sein Gemüt zu gleichen hatte.


    Aber als Wonga von Livias Liebe sprach, entgegnete der Jüngling ihm mit einem Zitat von Cicero:


    „Quid verba audiam, cum facta videam?*


    Ich sehe schon, du weißt nichts von den Taten, und ich möchte darüber schweigen. Warum Schlechtes über eine Frau sprechen, der es schlecht ergangen ist. Nur so viel: Ich bin Maiordomus der Casa Furia, und Livia hat sich derart benommen, dass sie dort Hausverbot hat.“


    Sim-Off:

    * Was soll ich auf Worte hören, wenn ich Taten sehe?

  • Der Jüngling war stur und hielt an seiner vorgeschriebenen Meinung fest. Oder hatte er seine Gefühle lediglich tief in sich vergraben? Mit einem nachdenklichen Ausdruck musterte Wonga den Jüngeren. Und seufze schließlich leise. Offensichtlich hatte der Lockenkopf die Dunkelhaarige komplett aus seinen Gedanken gestrichen.


    Als Tiberios stattdessen mit einem Zitat atwortete, furchte sich die Stirn des Dunkelhäutigen.
    “Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient. Auch wenn Livia in der Casa Furia in Ungnade gefallen ist. So hat doch auch sie diese zweite Chance verdient. Meinst du nicht auch Tiberios? Ihre Taten waren nicht gut. Das steht außer Frage. Doch Livia hat dafür gebüßt. Mehr als du denkst.“


    Hatte der furische Maiordomus kein Gewissen? Hatte er all' das verdrängt, was Livia und er einst miteinander geteilt hatten?
    “Gib Livia diese zweite Chance und sie wird es dir auf Knien danken.“
    Wieso sich Wonga so für die Keltin einsetzte, war dem iulischen Custos Corporis selbst nicht so wirklich klar. Aber vielleicht rührten seine Worte an Tiberios Innersten.

  • Wenn es nach Tiberios gegangen wäre, hätte er damals domina Furia Stella gefragt, ob sie ihm und Eireann ein contubernium* gestattete. Die Domina hatte ihm einst einen freien Wunsch gewährt, dafür hatte er ihn aufgespart.
    Eireann und er hätten Kinder haben können; er wäre Eireann ein guter, liebevoller Mann gewesen, davon war er überzeugt. Das für ihn die Frau den Platz im oikos** hatte, und er sich auch in einen anderen Menschen verlieben konnte, das hielt er für nichts Unrechtes.
    Nahm er seiner "Ehefrau" damit etwas weg?
    Einzig die Christen beharrten darauf, dass man Aphrodites Gaben nur mit einer Einzigen oder einem Einzigen teilen durfte – und die glaubten nicht an Aphrodite.


    Nur ging das Wonga irgend etwas an? Was faselte er von zweiter Chance? Sklaven konnten froh sein, wenn sie eine einzige Chance bekamen.
    Tiberios blieb äußerlich ruhig – galene. Aber innerlich verlor er die Geduld:


    " Es ist nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich die Vergangenheit hinter mir lasse und vergesse.",
    Tiberios dachte kurz an seine Jugend in Alexandria:
    "Acta est fabula." ***


    Nun sah er in Idunas Richtung:
    „Hattest du Interesse an der Ausstellung oder bist auch du nur gekommen, um für Livia zu sprechen?“, fragte er:
    „Wenn es letzteres ist, gehe ich nach Hause. Ich habe in der Casa sehr viel zu tun.“

    Sim-Off:

    * hier: Lebensgemeinschaft eines Sklavenpaars
    ** hier: griechisch Haus, Heim
    *** Das Geschehene ist eine Fabel

  • Nachdem Wonga seinen Text aufgesagt hatte, blickte er fragend zu dem furischen Sklaven. Hatte er mit seinen Worten Erfolg gehabt? Würde Tiberios der Keltin eine zweite Chance geben? Denn in den Augen des iulischen Custos Corporis hatte ein jeder eine zweite Chance verdient. Nur sah dies der Lockenkopf offensichtlich nicht so. Und so nickte der Nubier äußerst knapp.
    “Livia würde es dir danken.“
    Mehr würde Wonga auch nicht mehr über dieses Thema verlieren. Er wollte der Dunkelhaarigen helfen, die wie vom Erdboden verschwunden zu sein schien. Nur schien der Lockenkopf die Keltin vollends aus seinen Gedanken gestrichen zu haben. Knapp zuckte Wonga mit seinen massigen Schultern und blickte aus dem Augenwinkel in Idunas Richtung. Mit einem knappen Wink in Richtung der Rothaarigen bedeutete der Nubier der jungen Frau dann näher zu kommen. Denn genau in diesem Augenblick richtete Tiberios das Wort an die Germanin.
    “Ich habe mich auf die Ausstellung gefreut Tiberios. Aber du scheinst sehr beschäftigt zu sein. Da möchte ich dich nicht zwingen mit mir diese Ausstellung zu besuchen.“
    War Idunas leises Stimmlein zu vernehmen. Während sie vorsichtig zu dem Lockenkopf empor schielte.

  • "Ich bin doch her gekommen - oder nicht? Natürlich wollte ich mit dir die Ausstellung besuchen. Nur wenn ich zuvor noch allerlei Fragen beantworten muss, wird die Zeit knapp."


    Tiberios zögerte, dann wandte er sich nochmal an Wonga:


    "Da du Livia sehr gut zu kennen scheinst und in ihrem Namen sprichst - könntest du dir vorstellen, dass sie meinen Tod wünscht?", fragte er.


    Tiberios hatte seine Gründe, weshalb er solch eine merkwürdige Frage stellte.

  • Unwillkürlich biss sich die Rothaarige auf die Unterlippe und schielte aus dem Augenwinkel zu Tiberios empor. Natütlich hatte der furische Sklave Recht. Wenn sie hier noch lnger herumstehen, würde es immer später werden und wer wusste schon wie lange diese Werksschau geöffnet hatte.
    “Bitte sei nicht so aufbrausend mit mir Tiberios.“
    Bat die Germanin. Die trotz ihrer barbarischen Herkunft ein äußerst zartes Gemüt hatte und dadurch das komplette Gegenteil der störrischen und launischen Livia war.
    “Wonga lässt das Schicksal von Livia einfach nicht los. Und ich... ich habe sie kaum gekannt.“
    Denn als die Keltin iulische Sklavin war, war sie mit Aislin hochschwanger und hatte sich lediglich auf die bevorstehende Geburt konzentriert. Die bei eben jenem Frühlingsfest ihr Ende finden sollte.


    Und doch schien sich der Lockenkopf noch einmal zu besinnen. Denn es erfolgte eine Frage an Wonga.
    “Livia liebt dich Tiberios Da will sie garantiert nicht deinen Tod. Deswegen meine Bitte an dich - Verzeihe ihr.“
    Ein letztmaliger Appell an die Güte des furischen Maiordomus. Bevor sein Bliclk zwischen Iduna und Tiberios hin- und her wanderte.
    “Aber nun lasst uns diese Werksschau betreten. Tiberios, da du hier schon gewesen bist, würde ich vorschlagen, empfiehlt es sich das du uns durch diese Ausstellung geleitest und Iduna alles erklärst?“

  • „Es gibt nichts zu verzeihen.“, sprach Tiberios: „Ich möchte Livia nur nicht mehr an meiner Seite. Ich wünsche mir jemanden, der entweder etwas erreichen möchte im Leben oder der schon dort ist, wo ich hin will. Und wenn Tyche dagegen ist, dass ich solch einem Menschen begegne, so bleibe ich für mich. Philia und Eros kann ich dennoch genießen.“

    Ernst schaute er Iduna an.
    Da sie so sensibel schien, dass sie sich über seine klaren Worte schon als zu aufbrausend beschwerte, beschloss er, mit dem Rundgang am besten im Hortus der Werkschau zu beginnen.


    Dort standen die Statuen der neun pierischen Musen, die zur Strafe für ihr anmaßendes Verhalten in Elstern verwandelt worden waren. Geeignet für empfindsame Personen waren wohl auch die Geschichte vom verräterischen Askalaphos, Baucis und Philemon und die Darstellung des Bukephalos.
    Die anderen Metamorphosen waren nun...etwas gewalttätig.


    „Wie weit bist du mit Ovids Metamorphosen vertraut, Iduna?“, fragte Tiberios vorsichtig.
    Nicht, dass Iduna auf der Werkschau noch in Tränen ausbrach oder gar ohnmächtig wurde. Bei diesen nordischen Barbaren wusste man nie; sie schienen dem jungen Alexandriner allzu sehr von ihren Gefühlen geleitet, da waren Kelten und Germanen sich wohl gleich.

  • Schweigend lauschte der Nubier den Worten des Lockenkopfs. Während Iduna mit großen Augen zu Tiberios empor blickte.
    “Deine Worte klingen hart Tiberios. Zu hart in meinen Augen das du Livia keine zweite Chance gewährst. Aber wer bin ich schon um dir Ratschläge zu erteilen.“
    Im nächsten Augenblick verstummte die Germanin auch schon und schielte aus dem Augenwinkel in Wongas Richtung. Würde der Nubier seine Stimme noch einmal für Livia einsetzen? Aber eigentlich hatte der Dunkelhäutige bereits zu viel gesagt. Und der furische Maiordomus hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben das er Livia komplett aus seinem weiteren Leben gestrichen hatte. Oder aber der junge Mann verbarg seine Gefühle tief in sich, dann hatte er sich selbst außerordentlich gut unter Kontrolle.
    “Ich werde dich nicht mehr auf Livia ansprechen. Lasst uns nun endlich hinein gehen.“
    Dabei blickte Wonga zuerst den Lockenkopf an. Bevor sein Blick in Idunas Richtung glitt ind ein warmherziges Lächeln über seine Lippen huschte.


    Und endlich setzte sich das kleine Grüppchen in Bewegung. Wobei Idunas Blick höchst aufmerksam in jedes Eck huschte. Schließlich spürte Iduna weiches Gras unter ihren Füßen und ließ ihren Blick zu Tiberios gleiten. Wieso hatte der Lockenkopf die Führung im Hortus der Werksschau begonnen? Gab es hier etwas besonderes zu sehen? Tatsächlich gab es das und die Germanin blickte mit großen Augen zu den neun pierischen Musen.
    “Sind das nun Musen oder Elstern?“
    Erklang Idunas fragendes Stimmlein.
    “Livia hätte diese Werksschau besuchen müssem. Diese Musen könnten Livia verdeutlichen das sie mit ihrem Sturkopf nicht weit kommen wird.“
    Dann verstummte Iduna auch schon und schüttelte ihren Kopf.
    “Es tut mir Leid. Auch wenn ich Livia nie persönlich zu Gesicht bekommen habe. So scheint sie mir eine verlorene Seele zu sein.“


    Vorsichtig näherte sie sich den Statuen der Musen und betrachtete diese mit zur Seite geneigtem Köpfchen.
    “Ovids Metamorphosen? Kenne ich nicht Tiberios. Der flavische Hauslehrer ließ mich die Aeneas auswendig lernen.“
    Bei diesen Worten huschte ein Lächeln über Idunas Lippen. Denn dieses Werk konnte die Cheruskerin noch immer auswendig vortragen.

  • Tiberios schloss die Augen und schüttelte den Kopf, zum Zeichen, dass das Thema für ihn beendet war. Mochten sie ihn für hart halten.
    Tiberios hatte nunmal kein Interesse daran, wegen Eireanns Aufsässigkeit dazu degradiert zu werden, an der furischen Hypokaustenanlage (Die hatte er erst kürzlich inspiziert) Holz zu schippen oder auf dem Sklavenmarkt verkauft zu werden.
    Aber das würde er weder dem Rotschopf noch dem aufdringlichen Wonga erklären, und das aus dem einfachen Grund heraus, dass beide seine Entscheidung nichts anging.


    Also schwieg der Jüngling übers Private und richtete sein Augenmerk auf die pierischen Musen.
    „ Sie sind beides, Musen und Elstern.“, erklärte er und erzählte kurz die Geschichte, wie die Pieriden, die aus Aegyptus kamen, die jüngeren olympischen mousai* zum künstlerischen Wettstreit herausgefordert und nach Ansicht der Richterinnen, der Nymphen, verloren hatten, obwohl sie schrien, sie hätten gewonnen. So wurden sie von den Göttern zur Strafe für ihre Anmaßung in Elstern verwandelt.
    Dann machte er Iduna auf die Bemalung des Marmors aufmerksam, die Haut nämlich war ganz rosig dargestellt, doch an der Stelle, an der sie sich in Federn verwandelten, waren sie von einem kräftigen Blau.
    „Das ist eine Wachsglasur mit nur ein wenig Rötel, um ihr den rosigen Ton zu geben.“, sagte er:
    „Aber wie man diesen schwarzblauen Farbton der Elsternfedern hinbekommt, weiß ich nicht. Ich kenne einen Farbenmischer namens Norius Carbo , doch vieles seiner Kunst ist Betriebsgeheimnis, und er wollte mich nicht näher einweihen."
    Bedauernd zuckte der furische Sklave die Schultern:


    "Ich führe euch zu Philemon und Baucis, diese Geschichte wirst du bestimmt schön finden, Iduna ", sagte er dann.


    Sim-Off:

    +griech. Musen

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  • Der Nubier presste die Lippen kurzzeitig fest aufeinander. Bevor er seine Gemütsruhe und Neutralität wiedergefunden hatte. Auch für ihn war das Thema nun endgültig erledigt. Der furische Sklave hatte seinen Standpunkt mit klaren Worten verdeutlicht. Und es lag nicht an dem Dunkelhäutigen Tiberios Entscheidung in Frage zu stellen.
    “Lasst uns diese Werksschau genießen.“
    Ermunterte der Custos Corporis und ließ sich etwas zurück fallen, um hinter den beiden jungen Sklaven zu bleiben. Wobei sein Hauptaugenmerk der Rothaarigen galt. Und lediglich aus dem Augenwinkel musterte der Dunkehäutige die Skulpturen. Denn eigentlich machte er sich nicht viel aus irgendwelchen Statuen oder Skulpturen.


    Im Gegensatz zu Iduna. Denn deren Aufmerksamkeit ruhte auf den Statuen der pierischen Musen. Und es juckte in ihren Fingern über die Statuen zu streicheln. Denn diese Nachbildungen der Elstern wirkten so lebensgetreu. Sodass die Rothaarige vermeinte das rauschen der Flügel im Wind zu vernehmen und das klagende krächzen der Elstern.
    “Wie kann man beides sein? Man ist doch entweder eine Muse oder eine Elster. Oder können sich Musen auf einmal in Elstern verwandeln?“
    Langsam wandte Iduna ihren Blick von den Statuen ab und blickte fragend zu dem Lockenkopf. Konnte er ihr diese Frage beantworten? Ihre Frage beantwortete Tiberios auch schon dahingehend, indem er Iduna die Geschichte hinter den Statuen erzählte. Und Iduna lauschte mit gespitzten Ohren und einem höchst aufmerksamen Gesichtsausdruck.


    Die hübsche Färbung des Marmors war Iduna auch schon aufgefallen. Und jetzt konnte sie sich nicht mehr zurück halten und streichelte über das vermeintliche Gefieder der Elstern.
    “Diese dunkle Farbschattierung gefällt mir.“
    Antwortete die Rothaarige und hob ihren Blick an, um direkt zu Tiberios zu sehen.
    “Du scheinst ein vielseitig, begabter junger Mann zu sein Tiberios.“
    Schmunzelte Iduna und folgte ihm auch schon nach.
    “Philemon und Baucis? Was ist das für eine Geschichte?“
    Sprudelte es mit leuchtenden Augen über Idunas Lippen.

  • Tiberios lachte ein wenig, als Iduna ihn einen „vielseitig begabten jungen Mann" nannte und neckte sie: „Du redest als wärst du viel älter als ich, Iduna, wie alt bist du eigentlich?“


    Aber dann hörte er, dass die iulische Sklavin die Aeneas im Kopf hatte, und das brachte ihn auf einn Gedanken .
    „Der flavische Hauslehrer, der gewiss ein Grieche war, ließ dich die Aeneas auswendig lernen?", fragte Tiberios zurück:
    „Er hat es gut mit dir gemeint, damit du deinen domini gefällst. Uns Griechen kommt es ja zuweilen bitter an, dass die Römer permanent die Partei der Trojaner ergreifen, aber ich glaube, wir sind ihnen unheimlich, besonders Achilleus in seiner Raserei.“


    Übermütig fasste er nach der Hand der rothaarigen Germanin:
    „So werden Baucis und Philemon noch pausieren, damit du uns die nächste Geschichte erzählen kannst, da Vergil und Ovid sie gleichermaßen aufgeschrieben haben.“,
    sagte er und führte sie und Wonga vor eine Skulptur, die nicht weit weg von den Pieriden unter einer Zypresse im Schatten stand.


    Sie zeigte ...ein Schiff mit gebogenem Hinterverdeck, Rudern, Kiel und Rahe, das gerade in Begriff war, sich in ein Mädchen von blauer Hautfarbe zu transformieren. Der Kopf ragte aus dem Hinterverdeck, Finger wuchsen aus den Rudern, ein anmutiger Rücken schwang sich aus dem Kiel emphor, während sich die Rahe in ihre Arme verwandelten und das raue Tauwerk zu geschmeidigem aegyptischblauen Haar.

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  • Das Lachen des Lockenkopfs klang bezaubernd in den Ohren der iulischen Sklavin. Und so neigte sich Idunas Köpfchen kaum merklich auf die Seite.
    “Ich wurde mit 16 Jahren nach Roma gebracht.“
    Somit musste Iduna ungefähr um die achtzehn Jahre sein. Das die Rothaarige bereits so viel älter klang, könnte mitunter daran liegen das sie bereits Mutter war.


    Dann jedoch plapperte die Germanin unbedacht hervor, dass sie die Aeneas von ihrem griechischen Hauslehrer in der flavischen Villa beigebracht bekommen hatte.
    “Aristoceles hieß mein Hauslehrer in der flavischen Villa. Er stammte aus Athen.“
    Vor ihrem geistigen Auge erblickte Iduna ihren einstigen Hauslehrer und lächelte leicht vor sich hin.
    “Mein Hauslehrer hatte bereits weißes Haupthaar und einen dichten weißen Bart. Und er war so klug. Sind alle Griechen so klug?“
    Dabei blickte die Rothaarige dem furischen Sklaven mit einem neugierigen funkeln in ihren Augen entgegen.
    “Wieso fürchten euch die Römer? Weil ihr Griechen schlauer seid?“
    Bei diesen Worten musste die kleine Germanin leise kichern und presste ihre zarten Hände gegen ihre Lippen. Bevor sie ihren Blick erschrocken nach links und rechts gleiten ließ. Den Göttern sei gedankt waren sie alleine in diesem Teil der Ausstellung. So hatte niemand ihre frevlerischen Worte mitbekommen.


    Taumelnd folgte die kleine Rothaarige dem Alexandriner und blickte mit großen Augen die Skulptur an. Zögernd bettete Iduna ihre Finger auf das Haupt des dargestellten Mädchens.
    “Du möchtest das ich die Aeneas rezitiere?“
    Dabei blickte Iduna fragend in Tiberios Richting. Oh je. Ob sie die Verse noch auswendig vorsagen konnte? Für einen kurzen Augenblick schimpfte sich die Rothaarige für ihr vorschnelles Mundwerk. Doch dann besann sie sich, richtete ihren Blick in weite Ferne und ließ ihre helle Stimme erklingen.


    “et Paeana voca nitidaque incingere lauru!
    vincis enim, moriorque libens: age, ferrea, gaude!
    certe aliquid laudare mei cogeris amoris,
    quo tibi sim gratus, meritumque fatebere nostrum.
    non tamen ante tui curam excessisse memento“


    Dann endetete die Rothaarige, mit diesem Teil aus der Aeneas und blickte mit rotglühenden Wangen in Tiberios Richtung. Hatte der Alexandriner etwas zu bemängeln?

  • Tiberios hörte andächtig zu, dann lachte er und hob beide Hände:


    "Alles war richtig und vortrefflich vorgetragen, aber Iduna, du hast mir gesagt, du kennst nichts von Ovid und jetzt rezitierst du ihn! So hat dir Aristoceles nicht nur Vergil beigebracht, sondern auch andere Autoren. Was kannst du denn noch, du erstaunliche Barbarin?!"


    Vor lauter Übermut legte Tiberios den Arm um die iulische Sklavin und gab ihr einen Kuss auf die Stirn:
    "Jetzt weiß ich, wer ab hier die Führung der Werkschau übernimmt.", sagte er:
    "Und so hat Kybele die Schiffe des Aeneas in Nymphen verwandelt, sie wurden lebendig und freuten sich ihres Lebens."


    Als Iduna ihn fragte, ob die Römer die Griechen fürchteten, schüttelte er den Kopf:
    "Nein, Iduna, sie fürchten uns nicht. Mein Volk hat vor Jahrhunderten schon den Karren politisch so gründlich gegen den Wand gefahren, weil wir uns nie vertragen haben oder einig waren. Aber um vergangene Geschichte klagen oder um vergossene Milch jammern ist das gleiche: sinnlos. Die Römer haben die Fackel der paideia, unserer Kultur weitergereicht.
    Der Beweis: Eine rothaarige Germanin, die auf Latein griechische Motive vorträgt, selbst wenn sie die Werke durcheinander bringt."


    Nun wurde er ernster:
    "Deine Simme ist reizend, hat schon einmal jemand daran gedacht, sie auszubilden?",fragte er.

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