Beiträge von Tiberios

    Tiberios sprang auf:
    "Gorgus oder Gorgonus aus Portus? Ein großer Sklave? Ich kenne ihn, er kommt aus dem Handelshaus Furii. Danke, Aischylos,ich hole ihn in mein Officium. Rhea, darf ich den Krug Posca gleich mit nehmen? Wenn er von so weit her kommt, hat er bestimmt Durst."


    Als Tiberios zur porta ging, war er beunruhigt. Die Dokumente für die Bücher hatte man ihm erst kürzlich geschickt; wenn jetzt Gorgonus noch einmal kam, war bestimmt etwas Außerordentliches in Ostia vorgefallen.


    >>> Porta

    Tiberios saß wo er saß, wie erstarrt, der Alkohol, die Drogen des Magus und seine ureigensten Ängste hatten sich seiner bemächtigt.


    Er spürte ganz deutlich, dass sie nicht mehr zu dritt in der Halle waren, in den Ecken wisperte und raschelte es, der Kreis der imagines zog sich enger, und als Terpanders Blut auf den Altar spritzte, sah er einen kleinen Schatten dahinhuschen, sich beugen und trinken, dann manifestierte er sich und wurde fast sichtbar; ein Knabe war es, kein Neugeborenes, ein graziles Kind doch wohlgeformt an allen Gliedern, und als es den Kopf drehte, war sein Mund verschmiert vom roten Lebenssaft, aber der Knabe suchte nicht nach ihm sondern sah mit großen grauen Augen Terpander an, doch keine Anklage entwich aus seinem Mund, denn er hatte noch nicht sprechen gelernt, dennoch sprach er für Briseis, denn sie kannte die Geschichte, die Terpander Tiberios anvertraut hatte:


    Lysander, mein Vater, dreierlei hast du mir gegeben: Meinen Namen, meinen Tod und nun dein Blut;


    Briseis ohne es zu merken weinte und fühlte fremden Schmerz und ... und wusste nicht mehr, wo sie aufhörte und die anderen anfingen, und aus tiefster Qual heraus entfuhr ihr der Name: Achilléas!


    Dann sah sie ihn nicht mehr, verschwunden war er aus ihren Augen, zurück zum Ufer des Styx, von wo ihn Charon niemals übersetzen würde, weil er nicht begraben worden war, und Briseis weinte um ihn bitterliche Tränen.

    Tiberios hob den Kopf: „Danke, liebe Lyda“, sagte er, als ihm die ältere Sklavin ein Stück Apfelkuchen hinstellte.
    Er schob den Kuchen zu sich hin:


    „Er sieht ausgezeichnet aus. Bestimmt schmeckt er auch so.
    So kann ich eine Pause einlegen. Ich hatte sowieso eine Frage an Dich: Da du die vertrauteste Dienerin unserer Domina bist, wäre es mir sehr recht, wenn nur du die Reinigung ihres Cubiculums übernimmst und deine Helfer aussuchst – vielleicht Rhea und Andreas? ...“


    Tiberios brach ab, als er sah, was Lyda außer Kuchen noch mitbrachte.
    Vor einiger Zeit hatte er mit seiner domina über ihre Reise nach Alexandria, wo sie früher schon eine Weile gelebt hatte, gesprochen.


    Und nun sah es so aus, als ob Tiberios zumindest für eine gewisse Zeit dorthin zurück kehren sollte.
    Natürlich würden noch viele Vorbereitungen getroffen werden müssen, aber spätestens im Oktober musste die Schiffsreise angetreten werden, sonst war es auf dem mare nostrum zu gefährlich.


    „Das ist der Brief für Domina Sergia Servera, nicht wahr?“, sagte er leise: „Ich werde ihn so bald wie möglich besorgen, und mich der Domina persönlich vorstellen.“


    Sehr viele Gefühle wollten in dem jungen Griechen aufsteigen, schöne und hässliche, doch er rang sie nieder und konzentrierte sich auf seine Pflichten.
    Er war ein Sklave, seine Gefühle spielten keine Rolle.
    Die apatheia, die Gemütsruhe, die galene, die Stille der Seele; wie die glatte Oberfläche eines heiteren Meeres zu sein, das war es, was er anzustreben hatte, wollte er zufrieden leben.

    Handelshaus Furii in Ostia >>>





    Gorgus, der Ianitor des Handelshauses Furii war fast 17 Meilen * von Portus zu Fuß gegangen. Cassander, der dienstälteste Sklave hatte ihn geschickt, weil es ihm der Mann, der nach Tiberios gefragt hatte, seltsam vorgekommen war.
    Nun stand der Hüne schnaufend vor der Porta der Casa Furia. Als er wieder zu Atem gekommen war, klopfte er an.


    Sim-Off:

    *ca 25 km

    Die Rache der Krähe >>>




    Himildo bürstete die große Porta ab und schwang den Besen.
    Der Sklave merkte nicht, dass er mit Argusaugen beobachtet wurde, pfiff vor sich hin und fand, dass dieser Tag sonnig und somit gut war.
    Der ihn beobachtete, war ein Mann in einfacher Kleidung, einem dunklen pallium, einen Mantel, wie ihn ärmere Leute trugen.
    Dann bewegte er sich quer über den Platz und setzte, als er vor Himildo stand, das auf, was er für ein gewinnendes Lächeln hielt:
    „Salve!“, sagte er: „Du bist nicht zufällig der Sklave Tiberios?“


    Himldo schüttelte den Kopf: „Salve, nein, Herr, ich bin der Sklave Himildo.“, antwortete er freundlich:“ Tiberios macht nur noch die Buchhaltung hier, normalerweise ist….“


    Es war eben Himildo mit seinem arglosen Gemüt. Cassander hätte sofort gefragt, wer denn diese Auskunft wünschte, und Gorgus hätte nur irgendetwas Leises geknurrt – er sprach generell nicht mit mit Fremden.



    Doch da trat auch schon Cassander vor die Porta:
    „...Normalerweise ist Cassander hier der stellvertretende villicus, und du kannst alle Bestellungen für deinen dominus bei mir aufgeben.“, vollendete er den Satz.
    Er tat natürlich nur so, als hielte er den Mann für einen Sklaven:
    „Wenn du jedoch Tiberios etwas ausrichten lassen möchtest, tu ich es gerne. Er ist nicht im Haus. Bist du ein Freund von ihm?“


    Als Cassander mit diesem Satz klar stellte, dass er nicht Tiberios war, war das gerade großes Glück für ihn, doch davon ahnte keiner der furischen Sklaven etwas.


    Der Mann verzog das Gesicht: „Nein, will ich nicht und bin ich nicht.“, erklärte er kurz angebunden.


    "Na dann kannst du ja genauso gut hier verschwinden.", sagte Cassander. Der Mann sah wirklich nicht aus wie die gutgestellten Kunden, die Seide oder Weihrauch kauften.


    Die Augen des Mannes wurden schmal, und er machte eine höchst unanständige Geste. Zu gerne hätte er diesem hochnäsigen Sklaven seine sica in den Wanst gerammt, doch dazu hatte er keine Order.


    Ohne einen weiteren Gruß marschierte er über den Vorplatz zurück, und Cassander sah ihm nach.



    Gorgus, der aber nur Gorgonus genannt wurde, stellte sich mit verschränkten Armen neben Cassander.
    Der ältere Sklave legte ihm die Hand auf die Schulter:
    „Mir gefällt nicht, wie der Bursche da eben ausgesehen und geredet hat.“,
    sagte er und wies mit dem Kinn auf den Davoneilenden:
    „ Was wollte er von dem Maiordomus? Tu mir den Gefallen und sag Tiberios Bescheid, dass ein höchst unhöflicher Kerl da war und nach ihm gefragt hat. Vielleicht weiß er ja, mit wem er es zu tun hat.“


    Gorgus nickte, und er machte sich auf den Weg.


    >>> Casa Furia, Roma

    Gadir, der auf Grund seines Alters der Schmalste war, zeigte Tiberios zum ersten Mal den niedrigen Heizungsraum unter dem Fußboden der Casa, in dem das praefurnium, der Ofen, stand, mit dem das hypocaustum* beheizt wurde.


    Der Ofen nahm eine Seite des Raumes ein, der Brennholzstapel die andere. Nicht einmal der nicht sonderlich große Tiberios konnte wirklich aufrecht stehen, und er dachte bei sich, dass hier in der kalten Jahreszeit am glühenden Ofen Holz nachzuschippen, wirklich harte Arbeit war.


    Gadir öffnete nun eine Klappe in der Decke und zeigte Tiberios, wie der Boden über ihnen aufgebaut war:
    Er war mit Abzügen für heiße Luft und Abgase versehen und folgendermaßen angeordnet:
    ungefähr einen pes hohe Ziegeltürme aus quadratischen Ziegeln wurden im Abstand von etwas weniger als einem cubitus aufgestellt.
    Diese Türme trugen die sogenannte Deckplatte.
    Auf der Deckplatte lag die Tragplatte.
    Auf diese Tragplatte war der Estrich aufgetragen, und die oberste Schicht bildeten dann die Mosaik- oder Fliesenböden.
    Die gesamte Konstruktion der Platten war etwa ein semipes** dick.


    Tiberios steckte den Kopf durch die Klappe: „Die Kanäle, die zur Wand hingehen, wohin führen sie?“, fragte er: „ Sie sind vermutlich für den Rauch und die Abgase vorgesehen, nicht wahr?“


    „Ja richtig, die Wände werden durch die Kanäle nämlich auch warm. Sie führen nach draußen zum Rauchabzug. Der liegt unterm Dach und muss auch regelmäßig sauber gemacht werden.“, erwiderte Gadir.


    Da gerade erst Spätsommer war, wurde nur die Unterfeuerung für die Warmwasserbereitung geheizt, die sich im anschließenden Kellerraum, der vom ersten durch eine Porta getrennt war, befand.
    Dort saß Krates mit unterschlagenen Beinen auf einem Hocker, trank gerade Wasser und passte auf.


    Gadir zeigte Tiberios dort die drei hintereinanderstehenden Bronzekessel.


    „Fass sie mal der Reihe nach an, aber Vorsicht mit dem letzten!“, grinste er.


    Tiberios legte seine Hand auf das Metall: Kalt – Lauwarm und – bevor er den dritten Kessel berühren konnte, packte Gadir ihn am Arm: „Du verbrennst dir die Finger“, mahnte er.


    Tiberios bemerkte, dass die Kessel miteinander verbunden waren. Sobald heißes Wasser verbraucht wurde, floss aus dem Lauwarmkessel welches nach, wobei der wieder aus dem Kaltwasserkessel gespeist wurde.
    So funktionierte das also. Sehr schlau.


    „Früher hatten wir hier Bleirohre, aber mittlerweile sind sie aus Ton.“, erklärte Gadir weiter.


    „Weil Vitruvius schreibt, dass das Bleiweiß gesundheitsschädlich ist.***“, wusste Tiberios ,und Gadir nickte, er hatte Vitruvius nicht gelesen, aber das würde wohl richtig sein.


    Dennoch war Tiberios froh, als sie aus dem niedrigen Keller wieder oben an der frischen Luft waren. Ab da wusste er die Wärme und das warme Wasser mehr zu schätzen, und dachte an die, die unter Anstrengung dafür sorgten.


    Sim-Off:

    * Hypocaustum von griech. hypocaustos "Unterfeuer" , eine Warmluftheizung


    ** 1 pes (Fuß) ca 30 cm
    1 cubitus (Elle) ca. 44,5 cm
    1 semipes(Halbfuß) ca. 15 cm


    *** Vitruvius, de architectura,, achtes Buch:

    Am nächsten morgen fühlte sich Tiberios wie immer, aber als er aus seinem cubiculum trat, erinnerte ihn die Anwesenheit von gleich zwei ianitores, Aischylos und Krates an der Porta, an den gestrigen Tag.


    Er schickte beide schlafen, da kam ihm Chloe entgegen, zwinkerte ihm verschwörerisch zu und zeigte, was sie in ihrer Tunika trug: Eines der Küchenmesser.
    Das ging gar nicht, damit würde sie nur sich oder einen der furischen Sklaven verletzen.


    „Leg das bitte wieder zurück, wo du es her hast.“, sagte Tiberios zu ihr: „Es ist nicht so, dass wir einen Angriff erwarten, man muss nur vosichtig sein. Vor ein paar Jahren gab es einmal einen großen Sklavenaufstand.“


    Aber Tiberios merkte schon, dass er gestern einige der jüngeren Sklaven erschreckt hatte und das es dringend notwendig war, sie auf andere Gedanken zu bringen. Der große Hausputz – den hatte er ja angekündigt; heute war ein guter Tag, ihn anzufangen, zumal er gestern ja schon die Penaten des Herdfeuers um Schutz gebeten hatte.


    Er hatte vor, mit der schwierigsten Aufgabe beginnen zu lassen, denn so würde man sich mit frischen Kräften an die härteste Arbeit wagen, und jeder Tag würde leichter als der vorhergehende werden.
    Am schwierigsten waren die Hypokaustenanlage und die beiden balnearia auf Vordermann zu bringen; in jedem Balnearium musste zudem das Wasser abgelassen werden.


    Tiberios hatte ursprünglich geplant, mit einem Grüppchen Sklaven die Agrippathermen zu besuchen; er war ganz am Anfang einmal dagewesen, und es hatte ihm selbst gut gefallen.


    Aber das war wegen der unklaren Sicherheitslage nun hinfällig.
    Dafür aber würde weiterhin wie gedacht jeden Abend nach dem Tagewerk ein gemeinsames Essen im Hortus statt finden.


    Rhea machte da ein geheimnisvolles Gesicht, bestimmt hatten sich Lyda und sie schon Leckereien ausgedacht, vielleicht würde man auch singen, spielen oder etwas von sich erzählen, aber nicht zu lange; bis auf die custodes würden alle früh zu Bett gehen, um im Morgengrauen wieder aufzustehen.


    >>> Kellerräume



    Sim-Off:

    Nulla dies sine linea - Kein Tag ohne Linie = kein Tag ohne Nützlichkeit

    Culina >>>


    Als Tiberios das Balneum betrat, war er alleine. Er legte seine Tunika ab, stieg in das Becken und tauchte sich dreimal unter.
    Dann stieg er aus dem Wasser und zog eine frische Tunika an, die auf einem Stapel auf einem Regal lag.
    Nun hatte er sich vollständig gereinigt.


    Seltsamerweise fühlte er sich jetzt besser; seine Kopfschmerzen hatten nachgelassen.


    Er fühlte sich wieder hergestellt genug, um morgen mit dem Hausputz beginnen zu können.

    officium Maiordomus>>>

    Da Tiberios nun nie wieder Antwort von Hephitios bekommen würde, weil er nicht mehr unter den Lebenden weilte, stieg seine Sorge noch, dass ihre unbekümmerte Suche nach einem unheiligen Toten einen Fluch herbeigezogen hatte.
    Nachdem der junge Maiordomus seine Anordnungen getroffen hatte, begab er sich in die Küche.


    In einer römischen Villa war genau wie in einem griechischen oikos der Herd von altersher ein heiliger, lebenschützender und bewahrender Altar mit einer eigenen Gottheit: hier war es Vesta, in der griechischen Welt Hestia . Niemals durfte das Herdfeuer erlöschen.


    Tiberios warf die Zeichnungen, die er von Rabastos angefertigt hatte, ins Herdfeuer, und schaute zu, wie die Penaten das Papyrus verzehrten.; danach sprengte er ein paar Tropfen Wein hinterher.


    Er war froh, dass er die Tunika, die er an jenem Tag getragen hatte, schon früher weggeworfen hatte, weil sie zerrissen und schmutzig gewesen war.


    Nun war nichts mehr im Haus, was ihn an jenen unheilvollen Tag erinnerte.


    Als Tiberios fertig war und die Küche wieder verließ, fühlte er sich besser, obwohl er wegen Hephitios traurig war.


    Um sich vollständig zu reinigen, begab er sich in das Sklavenbad.


    >>> Balneum servorum

    ...hora incerta: Kurz vor der Casa Octavia>>>


    Nach Rheas Bericht war Tiberios wie vor den Kopf geschlagen.
    Sein Freund Hephitios, der lebensfrohe, starke Custos, war nicht mehr auf dieser Welt; ein Schatten unter Schatten war der junge Rhodier, dem die Mädchen sehnsuchtsvoll nachgesehen hatten, nun. Man hatte Hephistos erschlagen, und vielleicht – Rhea wußte nicht zu sagen, wie sie zu Tode gekommen waren - auch seine sanfte, gütige Domina und ihren Verlobten, den edlen Gaius Iulius Caesoninus.


    Tiberios hielt das durchaus für ein böses Omen und keinen Zufall.
    Vielleicht lag ein Aufstand in der Luft, vielleicht ein Bandenkrieg oder ähnliches?


    Der junge Maiordomus gab folgende Anordnungen.
    Nicht nur Aischylos alleine; auch Krates, Gadir oder Andreas sollten abwechselnd mit einem Knüppel an der Porta wachen, so dass die custodes immer zu zweit waren.
    Die Hunde sollten nicht nur nachts, sondern auch tagsüber frei laufen.


    Tiberios erinnerte Lyda und Rhea daran, Amphoren mit Öl bereit zu halten und die Flamme im Beistellofen niemals erlöschen zu lassen, obwohl Hochsommer war.


    Außerdem ließ er Chloe und Andreas nach Gegenständen suchen, die als Waffen geeignet waren. Wirkliche Waffen durften sie nicht haben, sie waren Sklaven, aber Knüppel, Besenstiele und gusseiserne Pfannen, die Rhea mit grimmiger Miene schwenkte, auch lange Fleischmesser gab es zu Genüge in Lydas Küche, falls Feinde ihr Glück versuchen sollten.


    Niemand sollte die Casa Furia verlassen, wenn es sich nicht um dringende Besorgungen handelte.


    domina Furia Stella war, den Göttern sei Dank, sicher in Brundisium, und die furischen Sklaven würden die Casa und alles darin mit ihrem Leben verteidigen, wenn es sein musste.

    Casa Furia >>>



    „Ich tat Maiordomus Tiberios den Gefallen und ging nachdem ich so viel Kreuzkümmel besorgt hatte, dass Lyda sämtliche Fische des Mare nostrum damit würzen konnte, zur Casa Octavia.
    Aber als ich in die Straße kam, wußte ich nicht so recht, was das richtige Haus war und irrte so ein wenig ziellos herum.


    Da kam eine Sklavin aus einem anderen Haus und fragte mich, was ich suche.


    Als ich ihr sagte, Hephitios und die Casa Octavia, machte sie so ein Hornzeichen mit der Hand gegen den bösen Blick und meinte:
    „Geh da nicht hin, das ist ein Trauerhaus. Domina Octavia Flora lebt nicht mehr, und dieser Hephitios wurde getötet. Nicht einmal seine Leiche wurde gefunden. Und man sagt, dass auch der Verlobte der Domina tot ist und noch mehr feine Leute erschlagen wurden, und das nicht etwa in der Subura, sondern mitten in den besten Vierteln Roms“**


    Das Tratschweib schaute sich um: „Da liegt was in der Luft, würde ich meinen.“
    Vertraulich beugte sie sich zu Rhea hinab:
    „Man hat Rabenschädel bei den Toten gefunden. Was die wohl bedeuten? Böse Omen sind das!“


    Tut mir Leid, die Frau hat mich so erschreckt, dass ich mich nicht getraut habe, noch näher zu der Casa Octavia hinzugehen, geschweige denn einen Brief einzuwerfen.


    Ich bin sofort wieder zur Casa Furia zurückgelaufen.


    Und noch mehr tut es mir um Tiberios' Freund Hephitios Leid, und dass ich ihm diese Nachricht überbringen muss."


    >>> ...hora incerta: Auf alles gefasst


    Sim-Off:

    * mors certa, hora incerta = Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss
    **Tod des Hephitios
    Hier zu dem beschriebenen EreignisI
    Hier zu dem beschriebenen Ereignis II

    Als Tiberios die Abrechnung beendet hatte, waren die Kopfschmerzen unerträglich geworden.
    Er dachte nach, ob er sich vielleicht irgendwo eine Krankheit geholt hatte, doch in letzter Zeit hatte er die Casa Furia selten verlassen und auch nur dort Gekochtes gegessen.


    Aber dann dachte er an das Skelett des toten Rabastos, das er gemeinsam mit dem octavischen Sklaven Hephitios aufgestöbert hatte.
    Tiberios hatte interessante Zeichnungen anfertigen können, besonders von den Handgelenken und den Handknochen.
    Pünktlich war er wieder zuhause gewesen, und hatte die Zeichnungen in seiner Truhe verwahrt.


    Doch nun überlegte er, ob nicht doch ein Fluch auf dem unbestatteten Toten gelegen haben konnte, der ihn nun mit Albträumen und schlechtem Befinden verfolgte.


    Am besten fragte er bei Hephitios nach, wie es denn ihm nach dem Abenteuer ergangen war.
    Also setzte sich Tiberios an einen kurzen Brief:


    Tiberios
    Casa Furia
    Quirinal


    An Hephitios Servus
    Octavia Flora
    Casa Octavia
    datum


    s.d.*Freund Hephitios
    Ich würde dir gerne schreiben, dass es mir gut geht, aber so recht wohl fühle ich mich nicht.
    Ich wollte dich nur fragen, wie es dir geht? Nicht, dass der alte Rabastos uns noch eine defixio angehängt hat.
    Des weiteren wollte ich dich fragen, ob du von deiner Domina ein paar freie Stunden erbitten kannst, um mit mir auf die palastrae der Agrippa Thermen zu gehen? So ein bißchen Lauftraining würde mir gut tun, und du wolltest mir noch einige Griffen beim Ringen zeigen. Dafür spendiere ich die Massage hinterher. =)
    s.v.b.e.**
    Tiberios



    Tiberios wollte das Schreiben selbst zur Villa Octavia bringen, aber als er zur Haustür hinaus ging, war es ihm, als würde die Sonne ihre Strahlen durch seine Augen in seinen Kopf hämmern.
    Er zögerte also, da kam Rhea mit einem Korb:


    „Salve, Tiberios“, sagte sie: „Ich wollte noch einmal los, cuminum*** besorgen, Lyda ist es ausgegangen. Aber wie siehst du denn aus – du bist so weiß wie die Wand.“


    Tiberios lächelte ihr zu: „Es ist nichts, Rhea“, sagte er: „Ich habe vermutlich zu viel gelesen. Wenn du weggehst, könntest du mir einen Brief für Hephitios in der Casa Octavia abgeben?“


    Rhea nickte: „Ja, ich weiß wo das ist.“ Ein bißchen ängstlich blickte sie drein.


    „Du brauchst keine Sorge haben, Hephitios ist sehr nett und seine Domina ist eine freundliche Dame.“, erwiderte Tiberios: „Gib nur die Tabula ab, bitte, auf eine Rückantwort brauchst du nicht warten.“


    Er wußte ja, dass Hephitios Lesen und Schreiben gerade gelernt hatte und deshalb für die Antwort etwas länger Zeit brauchen würde.



    >>>... hora incerta: Vor der Casa Octavia


    Sim-Off:

    *s.d. = salutem dicit , ich grüße dich
    ** s.v.b.e. = si vales bene est, wenn es dir gut geht, ist es gut
    *** Kreuzkümmel

    Cubiculum Maiordomus >>>


    Obwohl er heftige Kopfschmerzen hatte - Tiberios wunderte sich darüber, denn er war normalerweise nie krank - setzte er sich an die monatliche Abrechnung. Bestimmt hatten die Kopfschmerzen mit seinem beunruhigenden Traum letzte Nacht zu tun und würden vergehen, sobald er sich auf andere Dinge konzentrierte.
    Folgende Abrechnung schrieb er:


    Haushalt Casa Furia ANTE DIEM III KAL SEP DCCCLXX A.U.C.





    Sim-Off:

    Das Zeichen für den Sesterz ist HS, das durchgestrichene V = 5000

    Eulogium


    Marcus Valerius Nasica
    Velia
    Iulia Phoebe
    Norius Carbo
    Paulus von Myra
    Hephitios
    Gaius Iulius Caesoninus
    Octavia Flora


    Cum tacent clamant



    Schade, dass ihr nicht mehr hier seid. :(

    In dieser Nacht hatte Tiberios abermals einen beunruhigenden Traum:


    Als er zur Seite sah, bemerkte er, dass jemand neben ihm stand, den er nur sehen konnte, wenn er den Kopf nicht drehte.


    Er fragte: „Wer bist du?“
    und der andere erwiderte: „Du weißt es.“
    Tiberios schaute ihn an und hatte das seltsame Gefühl, dass er es selbst war, der neben ihm stand, nur eine – nicht unbedingt an Jahren ältere, sondern an der Summe aller Lebenserfahrungen reichere – Version seiner selbst, sein daimon.


    „Gehen wir ein Stück“, sagte der Andere.
    Diesmal führte er ihn nicht auf einen Berg, auf dem er einem Adler gleich die urbs aeterna überblickte, sondern tiefe Häuserschluchten entlang, ja noch tiefer, in den Bauch der Stadt, die Kloaken und dann aus der Stadt hinaus in die Nekropole bis zu einem grauen Stein.
    „Lies!“, befahl er, und Tiberios las:



    TIBERIOS SERVUS
    Sohn der Caenis
    geboren in Alexandria
    gestorben zu Roma



    Der junge Grieche wunderte sich einen Moment darüber, dass überhaupt eine Inschrift existierte, denn das war bei Sklaven nicht notwendig, nickte jedoch zustimmend über diese Summe seines Lebens; mehr war er nicht gewesen, ein geringer Gast auf Erden. Er erschrak nicht, denn er war in Alexandria geboren, nach Roma verkauft worden , und dort würde er eines Tages dahinscheiden. Es war ihm immer klar gewesen, ein Sterblicher zu sein. und doch: Sub solis luce miserrimum esse quam umbrarum princeps esse malle.*



    „Ich weiß“, sagte er, als er die Inschrift sah:
    „So wird es wohl eines Tages kommen.“


    „Ich vergaß“, sprach der Daimon, nahm seinen Stilus und ritzte den Stein, als sei er Wachs, als er ergänzte:




    TIBERIOS SERVUS
    Sohn der Caenis
    geboren in Alexandria
    gestorben zu Roma
    Sohn der Caesnis
    geboren in Alexandria
    gestorben zu Roma
    „...in seinem zwanzigsten Jahr“



    Und da erschrak Tiberios doch, der Acheron nein, bitte noch nicht, es gab noch so viel, was er wissen, was er tun wollte; die Hände erhoben, wich er zurück….und wachte auf. Sein Herz klopfte ihm bis zum Halse, und seine Stimmung blieb unruhig und düster, und er war nicht er selbst.


    Sim-Off:

    *Lieber der Elendste unter dem Sonnenlicht sein als der Erste der Schatten.