Tiberios wusste genau, was Charis meinte. Stille, weil man keinen Vertrauten hatte. Stille, weil man niemals, in keinem Augenblick die Selbstbeherrschung verlieren durfte. Sklaven, die zufrieden waren mit ihrem Los, gewiss; die Arbeit war körperlich nicht so schwer und es wurde für einen gesorgt.
Tiberios hatte kein Problem damit, zu dienen. Doch so oft wusste er nicht, wohin mit seinen Gefühlen, seinen Gedanken, seiner raschen quecksilbrigen Art. In der Casa Furia hatte er bisher keinen Kameraden gefunden, dem er völlig vertraute, obwohl alle hilfsbereit und gut miteinander umgingen – wie dominus Viridomarus liebte auch domina Stella Harmonie und Frieden in ihrem Haus.
In Alexandria war das anders gewesen; nun erinnerte er sich wieder an die drei anderen Sklavenkinder: Anippe,Timothea und Daphne .Sie hatten sich alle vertraut, eine verschworene Bande waren sie gewesen; oft nur um Haaresbreite kamen sie mit ihren Untaten davon und auch nur, weil sie ihren Herren meistens zum Lachen brachten. Aber damals waren sie alle fürchterlich jung gewesen.
„Semiramis heißt deine Mutter? Auch das ein Königinnenname. Ich merke schon, ihr Nubier oder Halbnubier seid anmutige Menschen von königlichem Geblüt.“,
machte Tiberios ein Kompliment und schluckte, als Charilaus so liebevoll von seiner Mutter sprach:
„Caenis hat graue Augen, silbergrau wie das Meer, wenn es im Sommer so heiß ist, dass es wie ein Spiegel vor den Toren Alexandrias liegt. Auch sie hatte einen bestimmten Blick allein für mich reserviert und einen besonderen Klang in ihrer Stimme.“, erinnerte er sich.
Er ließ sich von Charis füttern, in dem er brav den Kopf vorneigte:
"Diese Käsebrote sind wirklich gut, wir sollten öfter herkommen...
Ich war eine zeitlang vilicus im Handelshaus meines Herren, und habe sehr eigenverantwortlich gearbeitet , aber ich hatte immer schreckliche Angst, einen groben Fehler zu machen und an ein Bergwerk verkauft zu werden.
Was würde dein Dominus mit dir machen, wenn er wegen dir Geld verlieren würde?“,
Tiberios setzte eine etwas besorgte Miene auf. Er wollte einfach, dass es Charis, der so lieb und freundlich war, gut erging in seinem Leben.
Dann antwortete er:
„Von was ich träume? Es gibt sehr viel: Fremde Länder entdecken wie Pytheas, der behauptet, hoch im Norden würde das Meer gerinnen wie Milch.
Oder mir Dinge ausdenken und erforschen, so viel Interessantes gibt es auf der Welt.
Aber auch Gedichte und Lesen und Deklamieren und Bibliotheken machen mir Freude.
Ich bin auch gerne ein Scriba und gehe mit Tinte und Papyrus um.
Meine Arbeit gerade jetzt mag ich auch, es gefällt mir, wenn alles ordentlich und gut ineinander greift wie Zahnräder einer Wasseruhr von Ktesibos.
Doch ich bin ja noch jung, Tyche, die Schicksalsgöttin hat mich bisher so gut geleitet und-“
Tiberios sah ernst in Charis Augen:
„...mich heute an diesen Platz mit dir geführt. Und heute träume ich einzig davon, dich besser kennen zu lernen.", jetzt lächelte er und streichelte wieder Charis Hand.