Hingabe und Stolz schlossen einander keineswegs aus. Spartiaten bewiesen es jeden Tag, indem sie sich dem Kollektiv mit Körper und Geist vollkommen unterwarfen. Und selbst Tiberios zeigte nun, dass es möglich war, dem höheren Wohl zu dienen und dabei noch zu glänzen. In dem Falle war es Terpanders Wohl. Der fühlte sich gut mit dem lebenden Kleinod an seiner Seite, das so manche Blicke auf sich zog, einige neugierig, andere begehrlich. Er zog für Tiberios den Stuhl zurück und rückte ihn unter ihm wieder heran, dann setzte er selbst sich mit dem Rücken zur Wand, so dass er den Raum und die Tür im Blick behalten konnte.
"Ich trinke keinen Alkohol, Briseis. Mein Geist muss klar sein zu jedem Augenblick. Aber lass dich nicht hindern, ich nehme Wasser. Das Kleid schmeichelt dir, ich würde mir wünschen, dass du es öfter trägst zu unseren Treffen."
Er hob die Hand und schnipste in Richtung der Bedienung, um ihr Erscheinen ein wenig zu beschleunigen. Die Geschichte, die Tiberios ihm während der Wartezeit erzählte, fand Terpander allerdings nicht so lustig, wie der Jüngling es sich erhoffte. Stattdessen wurde der Blick des Älteren bohrend.
"Die Waage zwischen Demut und Dummheit ist bei dir zur falschen Seite gekippt. Niemand hat eine Handhabe gegen dich, nur deine Herren, von den Urbanern und Prätorianern abgesehen, für die nur das Kriegsrecht gilt. Ein Wirt gehört nicht dazu. Das Verhältnis zwischen dir und den Furiern ist gut, also solltest du ihnen auch vertrauen. Und wenn du sie fürchtest, so fragst du das nächste Mal zumindest mich, bevor du Unsinn verzapfst."
Tiberios hatte ihm jedoch noch eine sehr viel wichtigere Information preisgegeben, als die, dass er vor lauter Selbstlosigkeit manchmal ein Dummkopf war. Der Wirt, Helvetius Archias, war ein ausgemachtes Schlitzohr, das eine diebische Freude daran empfand, Leute nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Tiberios war ihm freudig mit beiden Füßen in die Falle gehüpft. Selbst jetzt erkannte er nicht, dass mit ihm gespielt worden war. So, so. Der Blick des alten Jägers wanderte über die Anwesenden in Richtung des Tresens, um den Mann zu betrachten. Offenbar hatten sie dort einen zweiten Wolf. Terpander musste Scato, der zu seinem Leidwesen anfällig für Manipulationsversuche war, unbedingt warnen. Scato kehrte gern hier ein und sollte sich von dem Wirt nicht um den Finger wickeln lassen.
Terpanders Blick richtete sich wieder auf Tiberios, wie er strahlte. Fast hätte ihm seine Rüge leid getan. Aber nur fast.
"Nimm mir meine Maßregelungen nicht übel", sagte er. "Du hast sie nötig. Ich möchte, dass es dir gut geht. Manchmal geht das nur über Schmerz." Er lächelte und ließ diese Aussage einen Moment im Raum stehen. "Aber ich hoffe, meine Worte waren nicht zu schmerzhaft für dich", fügte er dann hinzu, als hätte er nie etwas anderes als Worte gemeint.