Beiträge von Terpander

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    TRICLINIUM


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    Durch die offen stehende Tür flutete sommerliches Abendlicht in das Triclinium, welches die Sklaven zur Cena vorbereitet hatten. Jeder Herr, der eintrat, und natürlich jede Herrin, erhielt von Malachi mit einem Wort der Begrüßung eine Blumengirlande um den Hals gehängt und einen Blumenkranz auf den Kopf gesetzt. Der Jüngling Begoas stand als Mundschenk mit Wein und Wasser bereit, um den Durst des heißen Sommerabends zu löschen. Das Tischlein in der Mitte des Tricliniums war durch einen großen Tisch ersetzt worden, auf dem allerhand Speisen Platz finden konnten. Zur Vorspeise standen schon hartgekochte Eierhälften bereit, deren Dotter mit Honig und Kräutern in eine köstliche Creme verwandelt worden war. Schwere rote Decken schützten die bequemen Matratzen und die Kissen vor Flecken.


    Da die Ankunft einer Verwandten gefeiert wurde, strömte der Duft besonders köstlicher Speisen durch die Hallen. Aus der Küche hörte man die Sklaven darüber diskutieren, wer musizieren musste, denn darin war niemand von ihnen gut, doch sie waren sich einig, dass die Heimkehr der Seia Fusca einer künstlerischen Würdigung bedurfte.

    "Nur, wenn man derart verweichlicht ist, dass man es nicht anders verdient." Was auf Seia Fusca mitnichten zutraf. Der Staub und die feinen Schweißperlen auf der braungebrannten Haut standen ihr besser, als jeder Schmuck es könnte. Aus dem Mädchen war eine Frau geworden, die den Namen ihrer Familie zu recht trug. Rom würde sich warm anziehen können. Doch Terpander wärmte sich an dem jugendlichen Feuer und der Lebensfreude, die ihm selbst längst abhanden gekommen war.


    Ihr anzüglicher Scherz hatte sein Lächeln etwas breiter werden lassen, um ihr den kleinen Triumph zu gönnen, einem erfahrenen Mann vermeintlich den Kopf verdreht zu haben, doch er sagte nichts. Er war er nicht so dumm, vor aller Augen und Ohren auf einen solchen Spaß einzugehen.


    "Dann zuerst eine vernünftige Cena, während das Bad für dich vorbereitet wird. Mein Vorschlag: Gönn deiner Sklavin, während du speist, einen Moment der Erholung, damit sie sich waschen, umziehen und etwas zu sich nehmen kann, bevor sie dir beim Bad assistiert." Denn auch das Mädchen war von der Reise gezeichnet.


    Sim-Off:

    Danke für den Hinweis, ich habe es korrigiert!

    Terpander legte den bereits geöffneten Brief der kaiserlichen Kanzlei auf den Arbeitstisch von Aulus Iunius Tacitus:


    Ex administratione imperatoris


    An den Juristen Aulus Iunius Tacitus.


    - Domus Iunia -


    Der Imperator Caesar Tiberius Aquilius Severus Augustus

    gewährt die gewünschte Audienz.

    Der Zutritt

    in das an jenem Tage bezeichnete Officium Imperatoris

    in der Domus Flaviana auf dem Palatin,

    wird durch die Prätorianer am Tor gewährt.


    Der Termin ist angesetzt für


    ANTE DIEM XV KAL SEP DCCCLXXIII A.U.C. (18.8.2023/120 n.Chr.)


    um die vierte Stunde.




    Siegel - Procura Augusti

    Terpander ging nach dem Fehlkauf des Aulus Iunius Tacitus sehen. Er fand die Sklavin, ihre Verletzung auskurierend, in ihrer Unterkunft. Anscheinend hatte die Zurechtweisung endlich Wirkung gezeigt. Terpander ermahnte Artemisia, sich mehr denn je zusammenzureißen. Die Drohung, die er folgen ließ, war ernst zu nehmen. Es war die eine Sache, wenn ihr persönlicher Herr entschied, zu seinem Zeitvertreib oder Studienzwecken die Zügel relativ locker zu lassen, doch eine andere, wenn diese Sklavin die anderen Herrschaften belästigen würde. Es würde in diesem Fall nicht der züchtigenden Hand eines Römers bedürfen, so viel war gewiss. Artemisia würde einen kapitalen Fehler nur ein Mal begehen.

    Terpander hatte es sich gerade zum Feierabend gemütlich im Garten eingerichtet, als jemand an die Porta hämmerte - nicht klopfte, sondern tatsächlich hämmerte, als stünden die Stadtkohorten für eine Razzia an der Tür. Terpander ließ die Schriftrolle auf das Tischlein sinken. Verärgert stand er auf und begab sich in Richtung Porta. Für den Klopfenden war zu hoffen, dass es sich entweder tatsächlich um die Stadtkohorten handelte oder anderweitig wichtig war. Terpanders Blick wurde mit jedem Schritt griesgrämiger und glich dem eines Henkers, als er die Tür öffnete.


    "Ja?", fragte er ungnädig, starrte jedoch an der klopfenden Frau vorbei, da die wirklich interessanten Leute in aller Regel dahinter standen.


    So war es auch diesmal. Der bösartige Blick wich dem Ausdruck reservierter Freundlichkeit. Natürlich kannte er die feine Dame von den seltenen, aber dennoch regelmäßigen Zusammenkünften der Familie. Mit einer knappen, aber einladenden Geste öffnete er die Tür. "Domina Seia Fusca, willkommen in Roma!" Er sagte das laut genug, dass die Sklaven in der Nähe hellhörig wurden.


    Hinter Terpander begannen eilends Vorbereitungen, um den Gast gebührend zu empfangen. Der alte Hellene zeigte ein seltenes, nur zu erahnendes Lächeln. "Wünschst du erst ein Bad oder erst eine Mahlzeit?" Die kommenden Wochen dürften nicht langweilig werden mit Seia Fusca im Haus, so viel war gewiss.

    Aulus Iunius Tacitus ertrug seine blonde Last wie ein Mann mit stoischer Würde. Trotzdem wusste Terpander, dass der Herr gestresst war, denn das erste Mal überhaupt hatte er einem Sklaven gedroht. Nicht mit der Knute, nicht mit Nahrungsentzung, sondern gleich mit den Schwefelminen. Damit war Iunius Tacitus in Terpanders Achtung gestiegen, was nicht vielen gelang, und vielleicht sogar in seiner Zuneigung.


    Er dachte nach, während er das Bett bezog, eigenhändig diesmal, mit frisch gewaschenen und in der Sonne getrockneten Laken und Decken. Das Bettzeug nicht nur mit reiner Seifenlauge zu waschen, sondern duftende Essenzen beizugeben, war auf Terpanders Anweisungen zurückzuführen. Er, dessen Nase so fein wie die eines Jagdhundes war, vertrat die Ansicht, Gerüche könnten den Geist beeinflussen. Der Geruch von Eisen, Blut und Urin brachte das Blut in Wallung, der von Sand, salziger Haut und Öl entfachte die Lebensfreude neu, während warme Milch mit Honig an die Zeit an der Mutterbrust erinnerte und eine beruhigende Wirkung entfaltete. So sehr er Dekadenz verabscheute: Zielgerichtet eingesetzte Düfte dienten einem Zweck. In dem Fall dieses Bettzeugs war es eine Mischung aus beruhigenden Kräutern und, ja, Milch mit Honig war auch dabei. Sie hatte die Stoffe weich und seidig gemacht und sollte gemeinsam mit den Kräutern für einen tiefen und erholsamen Schlaf sorgen.


    Terpander strich eine Falte auf dem Kissen glatt, vorerst zufrieden. Er würde den Herrn nicht fragen, wie es ihm gefallen hatte, sondern ihn, wie es seine Art war, beobachten, ob der Duft die beabsichtigte Wirkung entfaltete oder nicht. Trotzdem blieb da ein Schamgefühl, weil er anscheinend unnötig freundlich gewesen war, so dass er das Zimmer verließ und eine Weile nicht mehr in dessen Nähe kam. Seine Rolle hatte sich zu tief in sein Herz gefressen, er sollte gegenwirken. Oder weshalb wollte er, dass der Herr nach diesem turbulenten Tag gut schlief?


    Terpanders Meinung zu Artemisia hingegen war inzwischen dergestalt, dass man ihn besser nicht mehr danach fragte, denn dann müsste er lügen, weil seine Vorstellungen allzu dunkel waren für die Verhältnisse Roms, und besser niemand erfuhr, dass es im Laufe von Terpanders Lebens nicht immer bei solchen Gedanken geblieben war, damals, als er noch Lysander hieß und diesem Namen alle Ehre gemacht hatte. Nun trug er den Namen eines Kitharöden und machte einem Römer das Bett. Genau so gut hätte er jemanden damit beauftragen und sich in die Sonne setzen können. Die Welt war verrückt.


    Im Garten blieb er stehen, schüttelte den Kopf über sich selbst, schickte Malachi nach einem Becher Wasser und setzte sich in die Sonne.

    Das Trio, nunmehr zum Quartett angewachsen, kehrte von den Trajansmärkten zur Domus Iunia zurück. Auf die Verletzung der neuen Sklavin nahm Terpander keine Rücksicht, sondern drückte ihr schweigend eine Krücke in die Hand. Die verletzte und dreckige, aber jetzt immerhin anständig bekleidete Sklavin gelangte am Ende doch noch an ihren Bestimmungsort. In der Domus Iunia bekam sie alle Räume gezeigt. Den Schlüssel für die wichtigsten davon trug Terpander bei sich. Sie konnte nicht einfach in die Zimmer der Herren oder gar die Bibliotheka gelangen.


    Dann führte er sie in den Gruppenschlafraum der weiblichen Sklaven. Natürlich war sie darin allein, weil es hier aus gutem Grund nur noch männliche Sklaven gab. Den Grund dafür konnte man sich denken, denn Artemisia war nicht die erste Sklavin, die es den Iuniern derart schwer machte. Kaum stellte man dieses seit einigen Jahren herrschende eherne Gesetz auf die Probe, weil Scato in der Provinz weilte, ging es auch schon schief. "Hier wohnst du fortan, Artemisia. Dort steht etwas Wasser, daran kannst du dich jederzeit bedienen. Und das ist dein Bett. In das wirst du dich nur legen, wenn du sauber bist. Waschen kannst du dich an der Waschschüssel, das Badezimmer ist für die Herren. Du erhältst drei Mahlzeiten am Tag, die du gemeinsam mit den anderen Sklaven einnimmst." Inzwischen sollte Malachi das übrige Personal vor dieser Sklavin gewarnt haben, so dass sie sich darauf einstellen konnten.


    "Merke dir, wie ich dich eingekleidet habe. So und nicht anders will ich dich in Zukunft sehen. Dort ist eine frische Tunika, zieh die über. Dann ruh dich aus, bis der sich Herr Zeit für dich nimmt", befahl Terpander und verzog sich wieder.

    Mit Malachi, Dicon und robusten Männerkleidern anbei kehrte Terpander von der Domus Iunia in die Trajansmärkte zurück. "Herr!" Er grüßte Aulus Iunius Tacitus, dann marschierte er gleich nach hinten durch.


    Wenige Handgriffe später war der Oberkörper von Artemisia Doulos mit einem festen Band umwickelt, wie es unter Frauen gemeinhin üblich war, damit sich ein anständiges Erscheinungsbild abzeichnete. Jetzt war alles fest und blickdicht, hier wackelte, riss oder verrutschte nichts. Der Oberkörper glich einer Steinplatte und ließ gerade ausreichend Luft zum Atmen. Die gleiche Prozedur ließ er ihrem Unterleib zuteilwerden. Das Subligaculum gehörte zwar einem Mann, aber es erfüllte seinen Zweck. Auch das würde garantiert nicht ohne aktives Zutun den Körper verlassen. Zu guter Letzt zog er Artemisia die viel zu weite und zu lange Männertunika über und band sie in der Mitte mit einem Strick als Gürtel zusammen.


    Terpander kehrte lächelnd zu Iunius Tacitus zurück. "Auftrag ausgeführt."

    Aulus Iunius Tacitus hatte einen Fehlkauf getätigt. Nun stellte er sich den Problemen und versuchte, das Beste daraus zu machen. Terpander kam nicht umhin, der Gemütsruhe des Herrn Achtung zu zollen, auch wenn er nicht glaubte, dass sich die Zeitvergeudung lohnte. Aber wer wusste schon, welche Motive den aufstrebenden Advokaten antrieben.


    "Malachi! Dicon!"


    Als die beiden vor ihm standen, kam Terpander gleich zur Sache. Inzwischen hatte er sich auch eine - robuste und ausreichend lange - Tunika bringen lassen, sicherheitshalber auch Unterwäsche. Es waren Männerkleider und ein Tuch, so dass alles wie ein unförmiger Sack an ihr sitzen würde, aber vielleicht tat ihr das gut. "Aulus Iunius Tacitus bedarf unserer Hilfe in den Trajansmärkten. Der Kauf einer tollpatischigen Sklavin ist in einem Desaster gemündet und wir werden Schlimmeres verhindern. Auf jetzt." Mit den beiden Männern im Schlepptau, von denen der ehemalige Gladiator Malachi die eindrucksvollere Statur hatte als der Schreiber Dicon, machte er sich im Eilschritt auf den Weg zu den Trajansmärkten.

    Terpander ließ sich nichts anmerken. Seine Methoden wären andere gewesen, aber der Herr hatte gesprochen. Er benötigte keine Hilfe dabei, sie in die Werkstatt zu tragen. Dabei sinnierte er über die Qualität der Kleidung, die wegen so banaler Belastung vollständig zerriss. Er erinnerte sich daran, wie Iunius Scato sich in der ihm eigenen hysterischen Art und Weise genau darüber echauffiert hatte, dass bei Sklavinnen ständig die Sachen rissen. Sie bekamen dabei keine Löcher, es dröselte sich auch keine Naht auf, sondern die Kleidung zerfiel mir nichts dir nichts aus heiterem Himmel einfach in ihre Bestandteile, so dass die Trägerin völlig entblößt in der Öffentlichkeit stand. Wo kamen nur diese minderwertigen Stoffe her?


    Nachdem er die Sklavin abgelegt und eine Decke über sie gebreitet hatte, kehrte er zu seinem Herrn zurück, dem Verkäufer den Rücken zugewandt und die Augenbrauen bis zum Anschlag hochgezogen. "Zur Domus Iunia, sehr wohl." Terpander marschierte aus dem Laden und ward für geraume Weile nicht gesehen.


    Wenn die Sklavin weiter Ärger machte und sich keine Besserung abzeichnete, würde er sie, sobald der Herr nicht hinsah, erwürgen und in einen Brunnen werfen.

    So war es beschlossen. Terpander nickte, als er seinen Auftrag vernahm. Der Sklavenhändler würde sein Geld bekommen. Und was Artemisia betraf - sie würde das bekommen, was sie verdiente. Erwies sie sich als tüchtig und lernwillig, würde sie in der Domus Iunia ein gutes Leben führen. Wenn nicht, würden die Herren sich ihrer zu entledigen wissen.


    Ihre erste Lektion erhielt sie, als Terpander sie an ihrem Gewand beiseite zog. Er musste dafür nicht grob werden, um sie in der Sichtweite von Iunius Tacitus zu platzieren. "Niemand hat es gern, wenn ihm jemand im Nacken hängt", erklärte er kurz und bündig. "Stehe dort, wo dein Herr dich sieht und du seine Blicke und seinen Fingerzeig aufnehmen kannst."

    Als Tacitus das Wörtchen "würdig" in Verbindung mit dieser Sklavin betrachtete, erntete er einen väterlich-vorwurfsvollen Blick, in dem alles zu lesen war, was Terpander nicht aussprach. Iunius Tacitus hatte durch seinen Fleiß, sein Wissen und sein erhabenes Auftreten Terpanders Respekt erlangt, nicht zuletzt, weil er sich ihm gegenüber anständig verhielt. Der Herr war ein junger Hoffnungsträger in den verstaubten Hallen der römischen Magistrate - und nun stellte sich heraus, dass hinter seinem sachlichen, fast kühlen Auftreten ein weiches Herz schlug, was Terpander mit Sorge erfüllte.


    Terpander blickte wieder nach vorn, wo die Sklavin gerade auf die Knie sank. Dann blickte wieder zu Iunius Tacitus. "Herr", sagte er ruhig und bedacht, "als ehemaliger Paedagogus versichere ich dir: Jeder Mensch ist lernfähig. Es gilt einzig, die geeigneten Mittel zu finden und sie konsequent durchzusetzen. Damit wird die Entscheidung also weder stehen noch fallen. Für die entscheidendere Frage halte ich, ob der Nutzen die notwendige Mühe aufwiegt."


    Eine minimale Falte entstand zwischen seiner Stirn, als er daran dachte, dass die Frau dem selben Volk entsprossen sein sollte wie einst Alexander. Er stellte sich vor, wie dessen Gebeine im Mausoleum in Alexandria zornig rasselten.


    "Immerhin, sie scheint ausreichend verzweifelt zu sein. Ich sehe einen möglichen Nutzen in ihr, und das ist nicht der angepriesene. Du sprachst davon, dir eine Frau suchen zu wollen. Sicher wird sie ihr eigenes Personal in die Domus Iunia mitbringen, aber dennoch könnte es wohl nicht schaden, einen eigenen weiblichen Sklaven auf Vorrat zu besitzen, für Notfälle. Ob es diese sein soll, das liegt natürlich in deinem Ermessen, Herr."

    Mit einer dicken Mappe frisch gekaufter Papyri unter dem Arm fand sich auch Terpander ein. Er war auf dem Sklavenmarkt ein gern gesehener Gast, zumindest, wenn man die Perspektive des alten Sklaventreibers zum Maßstab nahm. Gelegentlich hatte er es sich zum Zeitvertreib gemacht, ohne Kaufabsicht die Preise in die Höhe zu treiben, was dem alten Titus Tranquilius zusätzliches Einkommen beschert hatte. Heute war das nicht möglich, denn Aulus Iunius Tacitus war auch zugegen. Er nickte in dessen Richtung und klopfte kurz auf die Mappe, sprach ihn jedoch nicht an, da der Herr gerade in einem Gespräch mit dem Sklavenhändler vertieft war.


    Nun warf Terpander einen Blick nach oben, um zu sehen, um welche Ware es ging. Aus seiner Heimat war Terpander Nacktheit gewohnt, so dass erst die Reaktion der Vestalin ihn daran erinnerte, dass hier etwas Ungehöriges vor sich ging. Jetzt zeigte sich ein gehässiger Zug um seine Mundwinkel, als er die offensichtliche Hilflosigkeit der Sklavin wahrnahm. Mitleid zählte nicht zu den Eigenschaften, die Terpander besaß, dafür eine gehörige Portion Schadenfreude und ein Gefühl der eigenen Überlegenheit.


    Beischlaf gab es an jeder Ecke für wenige Asse, dafür musste man keine teure Sklavin halten, und wenn man Terpander hieß, musste man dafür überhaupt nichts bezahlen. Anscheinend wusste die Sklavin nicht, dass dieses Geschäft in Rom praktisch nichts wert war. Auch er selbst hatte entsprechende Aufgaben erfüllt, aber er war vor allem Griechischlehrer gewesen, worin sein eigentlicher Wert begründet lag. Eine Sklavin, die nichts anderes konnte, würde kaum einen Käufer bei der Oberschicht finden. Solche vegetierten üblicherweise in den Lupanaren, aber genossen nicht das gute Leben in einer römischen Familie. Das würden die Frauen des Hauses auch kaum dulden.


    Na, mal schauen, wie sich das hier noch entwickelte. Vielleicht kaufte sie ja irgendjemand aus Mitleid oder nur darum, damit sie sich endlich wieder anzog und die kultivierte Oberschicht nicht länger beleidigt wude.

    "Eine berechtigte Frage. Was Änderungen betraf, so waren und sind die Spartiaten Betonschädel. Die Tradition war Garant für den Erfolg und Versuche, den Kampfgeist des Gegners zu schwächen, gehören zur Kriegsführung dazu. Zersetzung, Demoralisierung. Es bedarf einer guten Portion Sturheit, dagegen zu bestehen, wenn man so eine kleine Polis ist. Die gleiche Sturheit fiel Sparta irgendwann auf die Füße. Andererseits - wenn man die Traditionen und damit die Kultur aufgibt, verliert man sich dann nicht automatisch selbst?“

    Der junge Römer mit dem adretten Bart war scheinbar jemand, der sich am besten entspannen konnte, wenn jemand lange dozierte. Terpander legte das Handtuch beiseite und massierte Tacitus die Kopfhaut, damit sein Haar voll und gesund blieb, während er sprach. Für seine Verhältnisse waren das viele Worte auf einmal, aber der Herr wünschte es eben so, also sprach der Hellene.


    "Es gibt die Vollbürger, das sind die Spartiaten - jene Männer in Bronzerüstung und rotem Mantel, die man sich gemeinhin unter einem Spartaner vorstellt. Es ist ein Kriegeradel. Darunter stehen die Periöken, Freie, die am ehesten mit Peregrini zu vergleichen sind. Es sind Angehörige der unterworfenen Regionen. Sie leben mehr oder weniger autonom und leisten gelegentlich Kriegsdienste. Die Stellung der Periöken im lakedaimonischen Heer darf nicht unterschätzt werden. Eine Hochzeit zwischene Vollbürgern und Periöken ist allerdings völlig ausgeschlossen, während Römer und Peregrini ja öfter mal heiraten.


    Dem gegenüber stehen noch die Heloten. Die sind zwar im Staat sesshaft, aber keine Bürger, dürfen außerdem ihr Land nicht verlassen, sondern haben es zu bewirtschaften. Vielleicht kannst du sie dir als öffentliche Sklaven vorstellen. Wichtig ist, dass sie niemals ausschließlich einem einzelnen Spartaner gehören können, sondern immer auch für ihr Gemeinwesen zuständig sind. Seit der Herrschaft von Rom ist das aber rückläufig und wird zunehmend durch die übliche Form der Sklaverei ersetzt.


    Militärisch ist Sparta natürlich schon seit 300 Jahren nicht mehr ernstzunehmen. Unser letzter großer Kampf war gegen die Achaier und Makedonen. Unter König Nabis endete die unabhängige Politik Spartas. Schuld daran waren natürlich die Römer, die von den feigen Achaiern um Hilfe angefleht wurden. Sparta schlug sich in Anbetracht einer solchen Übermacht hervorragend, aber am Ende konnte solchem Druck nicht standgehalten werden. Die Macht der Polis wurde stark beschnitten. Seine Unabhängigkeit durfte Sparta allerdings ebenso behalten wie die Stadtmauern, die Nabis hatte errichten lassen. Nach ihm gab es keinen König mehr.


    Im Grunde hat Sparta nach der Niederlage das Los der übrigen griechischen Staaten geteilt, jedoch wurde ihm von den Römern besondere Ehre zuteil. Wir blieben frei und haben nominell nichts anderes als Freundschaftsdienste erwiesen. Jedoch sind zum Beispiel sind die Ephoren - so eine Art Aufsichtsbeamte, die auch die Außenpolitik bestimmten - aus dem Leben Spartas verschwunden. Nach Augustus aber hat Rom die Zügel noch fester gezogen und von der Freiheit blieb nicht mehr allzu viel übrig. Das Thema ist umfangreich, aber mit Politik hatte ich im Grunde nie viel zu tun. Fakt ist: Alles war klar geregelt, bis Rom die Herrschaft übernahm.


    Für einen Menschenschlag, der seit jeher für den Kampf lebt, ist so eine neue, aufgezwungene Ordnung nicht leicht zu verkraften, auch heute nicht, obwohl das zehn Generationen her ist. Wofür leben wir noch? Für ein zerbrochenes Spiegelbild. Unsere gesamte Gesellschaft war und ist auf den Kampf ausgelegt. Wir versuchen, die Traditionen hoch zu halten, aber es sind nur Schatten und vergebene Hoffnungen. Der Geist Spartas stirbt."


    Den Optimismus hatte Terpander wahrlich nicht für sich gepachtet.


    "Aber bevor du dich sorgst: Ich gehöre nicht zu jenen, die Rom dafür hassen. Rom war einfach besser, das ist der Lauf der Dinge. Es ist nur ärgerlich, dass es kein vernünftiger Kampf war, kein Untergang im eigenen Blut, wie Sparta ihn verdient hätte, sondern schnöde Außenpolitik, die am Ende alles entschied."


    Sim-Off:

    Wie die innenpolitische Situation zu Zeiten des Rollenspiels im Einzelnen ist, kann ich leider nicht sagen, da die Quellenlage zu meinem Bedauern dazu äußerst dürftig ausfällt. Die Spartaner selbst schrieben ja nichts auf; es gibt keine schriftlichen Quellen aus der Hand von Lakedaimoniern. Die alten Stände sind aber während der Zeit des Prinzipats zumindest noch zum Teil vorhanden.