Beiträge von Terpander

    "Es ist auch ungewöhnlich, Herr. Es ist die Strafe für ein Verbrechen gegen einen der Homoioi."


    Das musste man dazu sagen, denn eine Untat gegen einen Heloten interessierte noch weniger, als in Rom die Untat gegen einen Sklaven zählte, und auch die Periöken waren nur bedingt mit Peregrini zu vergleichen. Der Abstand der Vollbürger zu ihnen war riesig und unüberwindbar, wohingegen ein Peregrinus problemlos das römische Bürgerrecht erlangen konnte. Was Terpander verschwieg, war, dass es weder Verfahren noch Urteil gegeben hatte und er sich in der Sklaverei genau davor versteckte. Tatsächlich wusste selbst in der Polis kaum jemand davon, was er angerichtet hatte.


    "Über Sparta gibt es viel zu erzählen, es würde ganze Bücher füllen. Wir selbst schreiben sie jedoch nicht nieder. Dichtkunst ist in der Polis der beste Weg, sich lächerlich zu machen. Ich spreche natürlich ganz allgemein, Herr, vom Geiste Spartas, nicht von mir. Was würde euch denn interessieren, wovon darf ich euch erzählen?"

    Der "arschfaule Terpander" hielt sich im Hintergrund, damit die Herren ungestört plaudern konnten. Er wollte sich nicht des unziemlichen Lauschens schuldig machen. Und ja, ein wenig ausruhen wollte er vielleicht auch. Als er Stilos Blick bemerkte, hielt er ihm eine Schale mit Zitronenwasser hin, die eigens für diesen Zweck gedacht war. Über seinem Arm hing ein trockenes Tuch, an dem Stilo sich bedienen konnte. Scheinbar schmeckten die Eier, es war nicht mehr viel übrig. Tacitus hingegen schien noch gar nichts gegessen zu haben, wie Terpander mit leichtem Unbehagen feststellte. Scheinbar würde er mit der Küche ein ernstes Gespräch führen müssen, da die dort beschäftigten Sklaven sich nicht ausreichend informiert hatten, wie es dem Herrn schmeckte.

    "Das kommt darauf an, was man als Kultur definiert, Herr. Spartas Geist ist Selbstaufgabe, was nichts mit dem Prunk römischer Kultur gemein hat. Ja, ich stamme aus der Polis und habe die Agoge durchlaufen. Unser beliebtestes Gericht ist die Blutsuppe, unsere Gesänge handeln vom Sterben, unser berühmtestes Fest ist die Geißelung der Epheben. Auch heute noch werden schwächliche Kinder dem Taygetos überantwortet. Dass ein feingeistiger Römer wie du Spartas Beitrag für die hellenische Welt als von unschätzbarem Wert bezeichnet, mag deiner Wohlerzogenheit geschuldet sein. Und natürlich hat mein Vater mich nicht nach einem Kitharöden benannt. Das war meine erste Herrin."


    Terpander sprach mit Tacitus recht offen, so wie er es gewohnt war. Ein Sklave, der nur Ja und Danke sagte, war für die Küche geeignet, aber nicht als Gesellschafter. Falls den Herrn diese Art und Weise störte, würde er sich schon zu Wort melden.


    Das Haar von Tacitus war fertig eingeschäumt. Terpander übergoss es vorsichtig mit warmem Wasser, wobei er darauf achtete, dass möglichst wenig davon in das Gesicht des Herrn floss. Mit einem Handttuch tupfte er ihm das Gesicht ab und massierte ihm anschließend durch den flauschigen Stoff die Kopfhaut, so dass das Haar schonend getrocknet wurde. Zudem beugten Massagen Haarausfall vor. Haar- und Bartpflege gehörte zu den wenigen Aufgaben, die er nicht nur aus Pflichtgefühl erledigte, sondern wirklich gern tat.


    "Damit, dass du Tyrtaios kennst, habe ich nicht unbedingt gerechnet, muss ich zugeben."

    Exedra


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    Von der gemütlichen Sitznische aus konnte man den Garten betrachten und geschützt auch bei Regenwetter an der frischen Luft beisammensitzen, einen Wein trinken und etwas essen.


    * * *


    Da es schon etwas kühl wurde, stellten die Sklaven eine breite Feuerschale dazu, die mit ihrem tiefen Glutbett angenehme Wärme verströmte. Die glühenden Kohlen hatten sie aus der Küche entnommen, sonst würde es zu lange dauern, bis die Wärme genügte. Auf dem Tisch standen verführerisch arrangierte Speisen bereit. Die gewünschten weichgekochten Eier in Honig* lagen in einer Schale, dazu gab es violett leuchtenden Getreidebrei mit gekochten Pflaumen. Wer wollte, konnte sich frisch geschlagene Sahne dazugeben oder mit Pfeffer, Salz und Honig nachwürzen. Auch eine Schale mit Feigen stand bereit, sowie ein Teller mit sanft geräucherten Schinkenstücken, falls jemand zwischendurch etwas Herzhaftes wünschte, das geschmacklich dazu passte.


    Sim-Off:

    *Rezept: In ovis apalis

    Eine lange Reihe von Sklaven marschierte zügig an der Tür vorbei, jeder Trug ein Tablett. Ziel war die Exedra, die nun in Windeseile hergerichtet wurde. Stilo war ein anspruchsloser Gast, aber sein Humor war zum Kotzen, vor allem wenn er auf Terpanders Kosten ging. Wahrscheinlich lachte der Prätorianer sich beim Anblick der gestressten Sklaven köstlich ins Fäustchen.


    Terpander ließ sich von seinem Unmut nichts anmerken, als er den gewünschten attischen Rotwein samt Wasser ins Tablinium trug und beiden Herren einschenkte, dem Hausherrn zuerst und Stilo einen Fingerbreit weniger. Aias brachte die gewünschte Vorspeise. Ohne das Gespräch zu unterbrechen, verschwanden die Sklaven wieder, um sich der Exedra zu widmen.


    Der Koch jammerte, Terpander schaute finster, Botenjunge Begoas stand kurz vor den Tränen. Doch wenig später war die Exedra in einen äußerst einladenden Ort verwandelt. Terpander gab dem Hausherrn ein nonverbales Zeichen, dass alles bereit war, ehe er wieder entschwand.

    Terpander stand gerade hinter dem Kopf von Tacitus, während er die Tunika faltete, so dass dieser nicht die Entgleisung in seinem Gesicht sah, als er ein Gedicht wünschte. Schmähgedichte kannte Terpander, pädagogische Merksprüche und unanständige Stammtischreime. Kriegslieder, in denen das Sterben und Schlachten wortreich gepriesen wurde. Aber vermutlich nichts, was nach dem Geschmack des Herrn sein würde.


    Terpander nahm ein Stück Seife zur Hand, das für die Haare gedacht war und das einen unaufdringlichen Duft verströmte. Das machte er nass, rubbelte es in seinen Händen und legte es dann ab, um die eingeschäumten Hände im Haar des Herrn zu vergraben.


    Er wollte tatsächlich ein Gedicht ...


    Zumindest eine Kopfmassage musste Tacitus über sich ergehen lassen, sonst wurden die Haare nicht sauber. Kein Mann seines Standes wollte Schuppen auf den Schultern spazieren tragen und wenn doch, würde Terpander es nicht widerspruchslos erdulden. Endlich hatte er sich für ein Lied entschieden, dass er nun als Gedicht vortrug:


    "Unerbittlich, immerwährend, festausharrend in der Not

    Unserer Väter Ahnen, schwangen ihre Lanzen blutigrot.

    Endlich dann, nach zwei Jahrzehnten ließ der Feind das fette Land,

    Aus Ithomes hohen Bergen hat er sich zur Flucht gewandt.


    Der schönste Tod von allen ist es, von Feindes Hand

    Als tapfrer Mann zu fallen im Streit fürs Heimatland;

    Doch nichts erträgt sich schwerer, als fort ins Elend fliehn,

    Der reichen Heimat ferne durchs Land als Bettler ziehn.


    Zur Seit' den grauen Vater, das Mütterlein, o Qual!,

    Und mit den kleinen Kindern das ehliche Gemahl.

    Ihn treibt der harte Mangel; im Zwang der bittern Not

    Fleht er umsonst um Beistand fremd und als Feind bedroht.


    Zur Unehr' seiner Ahnen, sein schön Gesicht entstellt,

    Dem aller Schimpf und Schande und Schlechtigkeit gesellt.

    Lasst ihn das Land durchstreichen! Man höhnt ihn ins Gesicht,

    Er findet nirgends Achtung, nicht Rücksicht, Mitleid nicht."


    Mal sehen, ob Tacitus diesen Dichter erraten konnte, den sein Platon wortreich gelobt hatte.

    Tablinium

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    Das Tablinum öffnete sich oft mit seiner gesamten Vorderseite zum Atrium und konnte bei Bedarf durch Vorhänge oder Holztüren abgeschirmt werden. Die Rückwand des Tablinums war mit großen Fenstern versehen, so dass eine beeindruckende Blickachse vom Eingang des Hauses, durch das Atrium und das Tablinum bis in den Garten entstand. Hier empfing früher nicht nur der Pater familias seine Klienten, sondern es wurde allgemein als reich mit Wandmalereien ausgestatteter Repräsentationsraum genutzt. Wie bei allen vornehmen Familien befanden sich hier die Büsten der Vorfahren. Kurz - man konnte effektiv damit protzen.


    * * *


    Hier wurde nun Sisenna Seius Stilo deponiert, bis entschieden war, wie mit dem unangekündigten Gast zu verfahren sei. Alles kam durcheinander, weil dieser Gast es nicht für nötig gehalten hatte, den Gesetzen der Höflichkeit zu folgen. In der Küche rotierten die Sklaven. Vielleicht sah man Terpander den Stress an, als er Iunius Tacitus aufsuchte.


    "Dominus, dein Gast ist soeben an der Porta erschienen. Ich habe ihn erstmal ins Tablinium gesetzt. Wo darf ich decken lassen und welchen Wein servieren? Tablinium, Peristyl oder Garten? Andere Wünsche?" Da Seius Stilo, was den Geschmack von gutem Wein betraf, praktisch taubblind war, könnte Terpander auch den Billigsten nehmen, aber das konnte er so nicht sagen. Die Iunier waren ja nicht arm und am Wein zu geizen nicht notwendig, aber der teuerste wäre schlichtweg Verschwendung an diesem Gast, fand er.

    Beim Eintreten schien man in einen warmen Schleier einzutauchen. Der Raum war sehr gut beheizt, damit der Badende nicht fror, wenn er im Anschluss aus dem warmen Wasser stieg.Schnelle, effiziente Reinigung, keine Massage, keine Rasur, keine Fußpflege, kein gar nichts. Nur eine Reinigung. Obwohl die Oberfläche des kleinen Beckens einladend dampfte und allerlei olfaktorische Herrlichkeiten auf einem Tablett in kunstvollen Flaschen bereitstanden. Na ja, für irgendeines der Öle würde er sich schon erwärmen können, auch wenn er keine Massage wünschte, und sei es das duftfreie Olivenöl ohne alles. Uneingeölt konnte man schließlich nicht vor die Haustür gehen. Terpander wartete, bis Tacitus sich auffordernd hinstellte, um ihm schnell und effizient beim Auskleiden zu helfen.


    "Hattest du in deiner alten Heimat auch ein privates Balneum oder hast du die öffentlichen Bäder besucht?", plauderte Terpander ein wenig.


    Nicht einmal eine Rasur, kein Nichts ... irgendwie verstörte ihn die Anspruchslosigkeit. Er war es gewohnt, stundenlang Körper zu kneten und konnte seinerseits stundenlang stillliegen und sich verwöhnen lassen, und dieser Herr wollte einfach gar nichts. "Wünschst du vielleicht Musik während des Bades?" Terpander konnte sich die Antwort denken, doch er musste das einfach fragen.

    "Was den Fluss der Gedanken angeht, hoffe ich, dass er breit ist und viel Spielraum ist, sollte dem wirklich so sein, wie Platon es vermutet. Das Leben wie ein Theaterstück abspielen zu lassen, ohne Einfluss nehmen zu können, erschiene mir ansonsten trist."


    Das Leben eines Sklaven eben, doch bislang hatte Terpander reichlich Freiheiten genossen, da er die meisten Arbeiten delegiert. Mal sehen, wie Tacitus das handzuhaben gedachte, ob er die Zügel enger schnallen würde oder Terpander sein eigenwilliges Dasein beließ.


    "Eine standesgemäße Ehefrau mit allen von dir gewünschten Eigenschaften wirst du hier in Rom zu finden vermögen. Du bist ein gebildeter und ansehnlicher Mann aus gutem Hause. Ein Vater, der da Nein sagt, wäre ein Tor. Kinder sind die Zierde einer jeden Ehe, deren ursprünglichster Zweck, doch leider ist das ein Punkt, den die meisten Iunier in letzter Zeit umschiffen. Ich bin froh, dass du nicht vorhast, die Gens aussterben zu lassen."


    Kinder waren die Seele des Volkes. Er selbst mochte sie. Terpander verbot sich die Erinnerung an den Taygetos, dessen Eiskrone wie kein anderes Wahrzeichen dafür stand, was seine eigene Heimat ausmachte, und daran, was dort auch unter römischer Herrschaft noch immer geschah. Doch hier in Rom war es anders.


    "Wenn du mich dann bitte ins Balneum begleiten möchtest ... Malachi hat alles für das Bad vorbereitet."

    Die Tür ging gleich vollständig auf. Anhand der Schritte hatte Terpander schon gehört, wer da nahte. Eine kurze Verneigung war die Folge. "Dominus Seius Stilo, wie erfreulich."


    Von wegen, keinen Finger hatte irgendjemand gerührt, um den Kerl zu empfangen - wie auch, wenn er sich nicht ankündigte, bevor er hier aufschlug! Malachi, der mitgehört hatte, eilte in die Küche, wo sofort ein hektisches Treiben begann. Dann in den Hortus, wo das Gleiche geschah. Alle Sklaven stellten sich auf den Betrieb Adventor ante portas um. Terpander seinerseits führte den Gast zunächst ins Tablinium und eilte dann los, um den Hausherrn zu informieren. Ob dieser ihn dann ins Triclinium einladen würde, wo man gemütlich auf den Liegesofas plaudern konnte, in die Exedra mit Gartenblick oder sonstwohin, war dann die Sache von Iunius Tacitus.

    "Oh, Seius Stilo kann dir zu allem möglichen Rat geben, besonders, wenn du nicht mit dem Wein geizt. Er weiß viel. Prätorianer eben. Und sicher hat er auch guten Rat für dich, wem du dich als Patron empfehlen könntest."


    Terpander legte die Tunika beiseite, so dass er sie anschließend ins Bad tragen konnte, ehe er die übrigen Sachen weiter einräumte, während Iunius Tacitus sprach. Am Ende fragte Terpander:


    "Wenn alles fließt, weil der göttliche logos am Ende jede Ursache und jede Wirkung bedingt, bleibt dann noch Raum für freie Entscheidungen? Oder sind auch unsere Gedanken nur eine Folge dieses Flusses?" Eine deprimierende Vorstellung, fand er.


    "Da du vorhin fragtest: Keiner der mir bekannten Iunier ist verheiratet oder hat Kinder. Nicht einmal Iunia Proxima, die wie so viele andere im besten Heiratsalter ist. Was daran liegt, dass die Iunier oft andere Prioritäten setzen als Familiengründung. Manche wehren sich sogar mit Händen und Füßen dagegen, als sei die Ehe eine Bedrohung. Viele iunische Männer ziehen die Gegenwart ihrer Kameraden jener der Familie vor und die Feuer eines Militärlagers dem heimischen Herd. Andere ruft die Ferne und sie sehnen sich mehr nach exotischen Ländern als nach dem Heimathafen. Darf ich fragen, welche Vorstellungen du von deinem künftigen Privatleben hast, dominus?"


    Jetzt war er ja gespannt, ob Tacitus tatsächlich die einzige lebende Ausnahme sein würde, die sich nach Ehe und Sesshaftigkeit sehnte.


    Malachi steckte kurz den Kopf durch die Tür und vermeldete, dass das Bad fertig sei. Terpander fuhr herum. "Nach dem Bad Brot mit Olivenöl für den Herrn, dazu Posca", kommandierte er und schickte den Mann wieder davon. Nicht gemeckert war genug des Lobes. Er verstaute die letzten Sachen von Iunius Tacitus, nahm die Tunika, dann richtete er sich wieder auf.


    "Entnehme ich deinen Worten richtig, dass du deine Gedanken schnell und effektiv zu sammeln pflegst, anstatt lange im Wasser zu liegen? Du möchtest, dass man dich möglichst schnell und effizient reinigt? Keine Massage nach der langen Reise, keine Rasur oder Fußpflege, keinerlei Schnickschnack, nur eine Reinigung und sonst nichts?"

    Als Tacitus in makelloser Koine antwortete, zeigte Terpander ein seltenes Lächeln. "Dein Lehrer war offensichtlich erfolgreicher als ich. Ich habe meine Schüler nie für das Auswendiglernen von Grammatiktabellen begeistern können." Wahrscheinlich, weil er es selbst grauenvoll fand und seinerseits erst spät Latein gelernt hatte, so dass er zwar aufgrund der vielen Praxis inzwischen fehlerfrei, aber mit starkem Akzent sprach.


    Den philosophischen Ausführungen konnte er folgen, auch wenn er ihre Sinnhaftigkeit aufgrund seiner klaffenden Bildungslücke nur zum Teil begriff. Das Konstrukt des Ruhms fand er jedenfalls genau so sinnlos wie Tacitus. In seiner Heimat gab es nicht einmal Grabsteine, geschweige denn, dass man einen Namen hineinmeißeln würde. Ein Feldherr lag bei seinen Soldaten und in den gleichen Kleidern, seine Leistung wurde nicht hervorgehoben. Er aß und lebte auch genau so und war generell kaum von seinen Untergebenen zu unterscheiden. Wenn er da an die aufgemotzten senatorischen Feldherren Roms dachte, die selbst im Feldlager in einer Villa residierten ...


    "Wer aber bestimmt, was dieser Weg sein soll? Ein jeder selbst? Die Götter? Der Stand, in den man hineingeboren wurde? Wer sagt, dass du nun nach Rom kommen und als Verwalter arbeiten solltest? Unabhängig davon würde ich dir empfehlen, nachdem du dich erholt hast, nach einem Patron Ausschau zu halten. Er wird dir helfen können, eine geeignete Anstellung zu finden."


    Terpander begann, die Habseligkeiten des Iuniers einzuräumen. Der Herr würde sich melden, wenn er etwas an einem anderen Platz wünschte.


    "Mein Herr Iunius Scato wohnt theoretisch in Rom, das ist richtig. Er diente einige Jahre bei den Cohortes Urbanae, wurde aber vor einigen Monaten zu den Prätorianern abkommandiert. Zum Schutz des Caesar weilt er momentan in Germania, wo er als Militärarzt nun reichlich Fronterfahrung sammeln darf." Hoffentlich steckte das Sensibelchen das weg, Terpander hegte da seine Zweifel. "Ich vermute, er wird eines Tages nach Rom zurückkehren, denn eigentlich haben die Cohortes Praetoriae in Germania nichts zu suchen, das ist Sache der Ala und der Legio, doch man kann es nicht sicher wissen. Und natürlich hoffe ich es auch."


    Der Stümper Unauris würde Terpander jedenfalls nicht würdig vertreten können. Nachdenklich rieb Terpander seinen silbernen Bart, als er darüber nachdachte, wo sich welche Verwandtschaft momentan aufhielt.


    "Caius Iunius Caepio weilt ebenfalls in Rom, doch er ist - wieder mal - verschwunden. Es bietet in meinen Augen keinen Anlass zur Sorge, da Caepio dafür bekannt ist. Vielleicht führt er ein Geschäft in den Schatten oder hat eine nicht repräsentative Familie gegründet, über die Gründe seines wiederholten Untertauchens lässt sich nur spekulieren. Wir werden warten müssen, bis er von selbst entscheidet, wieder von sich hören zu lassen.


    Titus Iunius Verax und seine Schwester Iunia Proxima betreiben meines Wissens eine Taberna in Kappadokien. Von beiden hat man seit längerem nichts gehört, was bedauerlich ist. Wenn du einen Brief schreiben würdest, könntest du sicher mehr erfahren." Terpander hoffte nicht, dass es schlechte Neuigkeiten gäbe.


    "An Verwandtschaft, die nicht iunisch ist, hält sich ansonsten Sisenna Seius Stilo in Rom auf, ebenfalls ein Prätorianer. Den könntest du auf einen Wein einladen. Er ist allerdings ein Soldat durch und durch. Er ist der Onkel von Scato und Caepio, außerdem hat er einen Iunier adoptiert: Iunianus Fango, der allerdings ebenfalls in Germania weilt und in der Ala dient."


    Das waren viele Informationen und nur teilweise erfreulich, hoffentlich schwirrte dem weit gereisten Gast nicht der Kopf.

    Cubiculum

    Aulus Iunius Tacitus


    Es war das vorletzte Zimmer am Garten. An einer geflochteten Türmatte konnte man die Füße abstreichen, bevor man eintrat, doch da die Wege der Domus Iunia auch im Garten zu allen Jahreszeiten sehr sauber waren, war das kaum notwendig. Das Sonnenlicht hatte den einst tannengrünen Polstern der Möbel die Farbe genommen und sie zu einem Moosgrün verlasst. Das helle Akazienholz war zu einem Bernsteinton verdunkelt. Wahrscheinlich hatten die Sklaven öfters während der Mittagssonne gelüftet, so dass die Strahlen deutliche Spuren hinterlassen hatten. So strahlte der Raum in warmen, aber gedeckten Farben durchaus Behaglichkeit aus.


    Eine Truhe und ein Regal boten ausreichend Stauraum. Alles war sauber und duftete nach den orangen Herbstblumen und blühenden Kräutern, die in einer Vase arrangiert waren. Auf dem Bett lagen zwei gemusterte Strickdecken, eine dick und eine dünn, dazu farblich passende Kissen. Um einem kleinen Tisch standen zwei Stühle, so dass Tacitus auch Gäste empfangen konnte. Während sie sich im Atrium unterhielten, hatte einer der Sklaven je eine kunstvolle Karaffe mit Wein und mit Wasser sowie ein passendes Glas bereitgestellt sowie ein Körbchen voller Kekse.


    "Ist alles zu deiner Zufriedenheit, dominus? Benötigst du noch etwas, um dich wohlfühlen zu können?"

    Eine Synthese mit den Lehren Zenons und Chrysippos ... einwandfreier Lebenswandel, atomistische Lehre ... aber Terpander hatte ja gefragt. Brav hörte er dem neuen Hausherren zu und blickte wissend drein, so lange, bis dieser die Rückfrage stellte.


    "Du bist ein belesener Mann, dominus. Aber was meinst du mit einem ethisch einwandfreien Lebenswandel? Ist dies dein Ziel? Nein, ich selbst habe davon keine Ahnung. Meinen jungen Herrn habe ich damals in Griechisch unterrichtet." Und ihm die hölzerne Grammatiktabelle um die Ohren gehauen, wenn er wieder falsch konjugierte und den Unterschied zwischen dem durativen Aorist und und dem punktuell-ingressiven Präsens beziehungsweise Imperfekt nicht begreifen wollte. Als paedagogus hatte er selbstverständlich das Züchtigungsrecht innegehabt.


    Terpander winkte einen der Sklaven herbei. "Malachi! Bereite dem Herrn ein heißes Bad vor." Malachi war als ehemaliger Gladiator einer der wenigen Sklaven, denen Terpander so etwas wie Respekt entgegenbringen konnte und den er noch nie körperlich gezüchtigt hatte. Für die übrigen war der Hellene ein Schreckgespenst, das sie lieber gehen als kommen sahen. In seiner Gegenwart wagte niemand, weniger als alles zu geben. Mochten die Iunii im Allgemeinen auch milde mit den Sklaven umgehen - der von ihnen eingesetzte Maiordomus sah das anders, so wie er generell fast alles anders sah.


    Er führte den neuen Iunier in das Zimmer hinten am Hortus, welches er für ihn im Sinne hatte.

    "In den Gemächern am Hortus wirst du dich wohlfühlen, dominus. Ich werde dir eines zeigen, von dem ich glaube, dass es dir besonders gefallen könnte, und dann entscheidest du. Die Sklaven werde ich anweisen", das hieß ihnen bei Bedarf einprügeln, "in dem Bereich besonders auf Ruhe zu achten. Deine Bücher kannst du entweder in deinem Zimmer unterbringen oder in der gut sortierten Bibliothek* dieses Hauses. Wie es dir recht ist.


    Alexandria also, da hast du eine weite Reise hinter dir und wünschst sicher ein Bad. Darf ich fragen, welcher Lehre dein Philosophen-Lehrer Alexios anhing und welche du bevorzugst?" Das musste ja nicht übereinstimmen. Terpander selbst war im Gegensatz zu anderen Hellenen für Philosophie und die schönen Künste völlig taubblind, doch interessierte es ihn zu erfahren, wie der neue Iunier dachte, und so war seine Interesse dennoch aufrichtig.


    Sim-Off:

    *Bibliotheca

    Terpander geleitete den Gast durch die Porta in den Innenhof, wo das bepflanzte Wasserbecken den klaren Himmel des Spätsommers spiegelte. Eine Libelle flog über die glatte Wasseroberfläche, unter der die dunklen Rücken von Fischen schimmerten.


    "Gern zeige ich dir Rom, sobald du dich dafür bereit fühlst. Was interessiert dich am meisten? Einstweilen solltest du dir aber eine Unterkunft aussuchen*. Hier im Bereich des Atriums haben wir sechs Zimmer. Wenn du es ruhiger wünschst, sind auch hinten beim Garte noch zwei Zimmer frei. Im Dritten wohnt mein Herr Sisenna Iunius Scato."


    Wo die Sklaven es sich gemütlich gemacht hatten, wusste er aus dem Kopf nicht, doch das würden sie gleich sehen.


    "Salve, dominus", korrigierte Terpander seine Anrede. "Und willkommen zu Hause. Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Meine Abwesenheit währte nur ein paar Wochen. Vor zehn Jahren versah ich meine Pflichten allerdings noch in Mantua, so dass ich noch nicht das Vergnügen deiner Bekanntschaft gehabt habe." Damals musste Iunius Tacitus noch ein Knabe gewesen sein.


    Terpander schloss die Porta auf, öffnete sie und griff nach dem Sack, der dem unbekannten Iunier gehörte, um ihn ins Innere zu tragen.

    Von der Porta aus war es noch ein gutes Stück zum Quirinal. Den Esel hatte Terpander inzwischen abgegeben, sein Gepäck trug er auf dem Rücken, als er die Domus Iunia erreichte. Er betrachtete den Mann an der Porta. Das Gepäckbündel wies auf jemanden hin, der eine Reise hinter sich gebracht hatte und nun eine Unterkunft in der Domus Iunia suchte. Dann würde er sicher mit der Gens in Verbindung stehen.


    "Salve", grüßte er und trat ins Sichtfeld. "Mein Name ist Terpander, ich bin der Maiordomus über alle iunischen Sklaven." Wenn schon, denn schon. "Kann ich dir weiterhelfen?"

    Roma. Und das erste, was Terpander nach dem wochenlangen Ritt empfing, waren einige Exemplare von Asinias drallen Würsten. Der Duft der frisch gebratenen Lukanerwürste, der Terpander nie sonderlich reizte, erinnerte ihn allerdings daran, dass seine letzte Mahlzeit schon eine Weile zurücklag. Um rasch vorwärts zu kommen, hatte er nur selten eine Rast eingelegt und die Mahlzeiten, die hauptsächlich aus Brot und Schinken bestanden, auf dem Rücken des Esels eingenommen. Ihm war nun nach einer guten Blutsuppe, die nach Heimat schmeckte.


    Vor dem Tor stieg er von dem Esel, der genau so hungrig und erschöpft war wie sein Reiter, und reihte sich in der Schlange der Wartenden ein.


    Er hatte Glück, Ferox hatte heute Dienst. Der Germanicer sollte ihn über Scato aus dem Lallenden Löwen kennen, aber letztlich war es die Entscheidung der Urbaniciani, wie pingelig ihnen der Wachdienst heute genehm war. Hatten sie einen schlechten Tag, kontrollierten sie manche Leute nur aus Prinzip und ließen sich dabei sehr viel Zeit, wendeten jeden Becher und jedes Kleidungsstück und informierten sich bei normalen Küchengeräten oder Werkzeugen erstmal langwierig bei irgendeinem weit entfernt arbeitenden Vorgesetzten darüber, ob man das vielleicht als Waffe ansehen könnte.


    Gerade bei wohlhabend wirkenden Händlern taten sie das angeblich vor allem dann, wenn ihnen nicht die gewünschte Bestechungssumme angeboten worden war. So nahm Terpander schon mal ein paar Sesterze zur Hand, damit sie sein karges Gepäck in Ruhe ließen, in dem sich nichts weiter befand außer dem, was man auf Reisen benötigte, und er rasch zur Domus Iunia kam.