Beiträge von Hairan

    Als Aethra zurück kam, gab Hairan ihr ein Schälchen Honig. Er fragte nicht, ob sie mitbrachte, was er ihr aufgetragen hatte – er ging davon aus.
    Das die Keltin es trotzdem erwähnte - Dominus, den Thymian habe ich gekauft, ärgerte ihn. Die Sklavin plapperte über Dinge, die selbstverständlich waren, ohne es zu merken oder nachzufragen, ob ihr Dominus ihre Stimme hören wollte. Oder wollte sie ein Lob für Selbstverständlichkeiten?


    So ließ Hairan sich Zeit und tat so, als interessiere er sich ungemein für die Wandzeichnungen der aegyptischen Götter, bevor er sich bequemte, eine Antwort zu geben:


    „Wasche Thymian nicht, zerkleinere und zerreibe ihn mit den Fingern, damit du ein Gefühl dafür bekommst. Hier darfst du mit bloßen Händen arbeiten und normal einatmen, Thymian ist gut für Dich. Wenn Du es wünschst, sprich ein Gebet zu Aeskulapius oder Apollon oder ruf einen deiner Barbarengötter an, die für Heilung von Kelten zuständig sind“, sprach er:


    „Wenn Du fertig bist, zeig mir, wie du die Pflanze behandelt hast. Dann kommt der nächste Schritt."

    Als Aethra erzählte, wie sie dem furischen Sklaven im Blinden Esel beigestanden hatte, schüttelte der Magus leicht den Kopf:
    „Ihr musstet gar nichts. Der Wirt hatte kein Recht dazu, fremdes Eigentum zu benutzen. Er hätte sich mit seinen Forderungen an Tiberios‘ Dominus wenden müssen, und ihr beide wußtet das genau. Weshalb also hast du dich in die Sache hinein ziehen lassen, Aethra?“

    "Falls Du mit dem Blinden Esel recht behälst, so wird es sich schnell herumsprechen, welches Orakel den milites den Tipp gegeben hat. Dann sehen wir weiter, was es mit den Stimmen auf sich hat. Aber wenn du den Urbanern Unsinn erzählt hast, bist du einfach nur verrückt. Hast du diese Möglichkeit schon einmal in Betracht gezogen, liebe Aethra?", spottete der Magus.


    Er legte einen Sesterz vor die junge Sklavin hin.:


    "Weshalb hast du im Blinden Esel gearbeitet? Verleihen die Römer ihre Haussklavinnen jetzt schon an Spelunken?"


    Er machte eine Handbewegung, als würde er eine Fliege verscheuchen:


    "Antworte mir und dann verschwinde! Du brauchst nicht bis zu den Märkten zu gehen! Thymian ist ein Küchenkraut, das bekommst du auch hier an jeder Ecke! Was weißt du eigentlich, Aethra?!
    - Und verhülle dein Haupt, wenn du nach draußen gehst!"

    "Auch die Dienerin eines Magus sollte keinen körperlosen Stimmen folgen, besonders nicht an Orten innerhalb der Stadtmauern, an denen Tote nicht ordentlich begraben sind.", knurrte Hairan:
    "Wie kamst du übrigens darauf, die milites in den Blinden Esel zu schicken, Aethra?" Das interessierte ihn wirklich.
    Auch er bezahlte Schutzgeld an die Krähe, alle Geschäftsleute in der Subura taten das. Aber er hatte nie nachgefragt, an wen genau die Sesterzen gingen, sein Mittelsmann war ein Gaius Vedius vom Aventin, ein windiger Händler.


    In diesem Moment wurde die Sklavin von einem Hustenanfall geschüttelt.
    "Thymian in Honig", empfahl Hairan kurz und fuhr fort:
    "Wenn wir Glück haben, ist dein Hinweis mit dem Blinden Esel richtig. Daraus könnte man dann etwas machen. Wenn du Pech hast, war er falsch, dann wirst du zum Gespött der Leute und ich gleich mit.
    Ich werde deine Ausbildung zu einem Orakel erst einmal suspendieren. Vielleicht werde ich dich zu einer venefica* ausbilden, da könnte ich Hilfe benötigen, ich bin gerade gut im Geschäft."


    Hairan lächelte, der Gedanke fing an, ihm Spaß zu machen:
    "Heute darfst du etwas anderes tun. Besorge Thymian auf dem Markt, zupfe und zermahle ihn und lege ihn in Honig ein. Das wird deine Medizin. Du musst ein Gespür für Pflanzen bekommen. Wenn du es hast, sprechen sie mit dir wie die Rabenschädel.
    Sieh zu, dass du behälst, was du bei mir lernst. Morgen fangen wir mit dem ernsthaften Unterricht an."


    Sim-Off:

    * Giftmischerin, Zauberin

    Und wieder öffnete Hairan seiner Sklavin und sein kalter Blick wurde etwas milder, als er sah, dass sie ihm in allem gehorsam gewesen war. Mit einer Handbewegung ließ er Aethra auf den Boden sitzen:
    "Dein Seidentuch haben sie dir abgenommen.", sagte er wie nebenher:
    "Nun, Soldaten sind auch nur Menschen, nicht wahr."
    Das Tuch hatte einen gewissen Wert. Das irgendjemand in der Castra es "beschlagnahmen" würde, damit hatte der Parther gerechnet.


    Hairan holte ein anderes Tuch, was aber weder aus Seide noch von leuchtender Farbe war. Dünne Wolle war es, grau und verschlissen:
    "Hier, wenn du nach draußen gehst", sprach er und legte es sachte über Aethras Haar:" Iss deine Suppe, aber langsam. Dein Magen verträgt es nicht gut, wenn du nach einer so langen Hungerzeit zu schnell und zu viel in dich reinschlingst."


    Fast klang er freundlich; dann fuhr der Magus fort:
    "Du wirst gemerkt haben, dass ich dich nicht schützen kann, Aethra, wenn die Römer dich verhaften. Ich bin nur ein Peregrinus - das bedeutet im Klartext ein geduldeter Gast. Vielleicht könnte ein Senator die Hand über dich halten, ich kann es nicht - und ich will es auch nicht. Gib ihnen also nie wieder Anlass dich mitzunehmen!"

    Nun sah Hairan Aethra forschend an:
    "WAs hast du den Urbanern erzählt?! Berichte mir alles!", befahl er.

    Hairan wußte nichts von den gewalttätigen Gedanken des Terpander, sonst hätte er sie entschieden missbilligt und daran gedacht, den Spartiaten und seinen adynatos zu töten oder zumindest erst einmal zu betäuben. Dann hätte man an beiden noch einige Gifte ausprobieren können, bevor man sie dem Hades überantwortete.
    Und es wäre reine Notwehr gewesen.


    Aber da der Magus nichts der dunklen Intentionen Terpanders ahnte, wiederholte er in fast mitleidigem Tonfall seine Worte von vorhin:
    "Selbst wenn die herbeigezwungenen Umbrae euch anflehen mit süßesten Stimmen, wenn die Imagines von Vater oder Mutter, der oder dem zärtlichen Geliebten, den liebsten Kindern auftauchen; ihr könnt sie nicht umarmen, wie Rauch sind sie zwischen euren Händen. Sie jedoch sind schädlich für euch.“
    ...denn dies war der Zeitpunkt, an dem fast jeder seiner Klienten versuchte, die Schatten zu umarmen.


    Soviel Sehnsucht, soviel Trauer, soviel Schmerz.


    Mochte Lysander sehen, welcher der beiden Verblichenen ihn mehr bedrückte – Astérios oder Cassander. Hier schwieg der Magus, denn er wusste es wirklich nicht. Sein Kunde musste es wissen. Aber vielleicht konnte er ihm auf die Sprünge helfen:
    Denn nun herrschte er den umbra an, um so recht zu demonstrieren, dass er über die monstra erebi gebot:
    „Ausgepeitscht werden wirst du mit lebenden Schlangen! Den Obolus, den sie dir als Bezahlung für Charon gaben, werde ich unter deiner Zunge herausrreißen! Gemeinsam mit den Gequälten des Tartaros sollst du um Gnade winseln! Das Schicksal des Tithyos erleiden, dem zwei Geier die Leber zerhacken! Das Schicksal des Tantalos mit ewigem Durst ! Das Schicksal des Ixion für alle Zeiten auf ein Rad geflochten zu werden!
    Wenn du nicht verrätst, wer du bist, elende Kreatur des Schattenreichs!“


    Hairan schwang die Fackel, nahm die ausgeblutete Schlange vom Altar und zog sie wirklich wie eine Peitsche durch die Luft, als wolle er den Toten foltern.
    Schwarze Blutstropfen lösten sich und besudelten das Kleid des Weibes, des Jünglings, der immer noch mit unterschlagenen Beinen auf dem Boden saß. Es rührte sich nicht, aber im Schein der Flamme sah Hairan , dass sein Gesicht tränenüberströmt war. Also erblickte er wohl das, was ihm Bilsenkraut und Schwefel, Coriander, schwarze Mohnsamen und Schierling eingaben.


    Aber dann schien der Magus sich zu besinnen und sprach sehr sanft:
    „Lysander hat eine Botschaft an euch, Imagines. Kommt sie zu hören!“


    Und er streckte seine knochige Hand aus und wies mit seinem Zeigefinger auf Terpander.

    Hairan öffnete.
    Er war nicht erstaunt, Aethra zu sehen, denn die Urbaner hatten ihm gesagt, dass er sie zurückbekommen würde, sobald sie kooperativ Auskunft gäbe.
    Heute also war es so weit gewesen.
    Hairan rümpfte die Nase, dann zog er erst einmal einen Denar hervor und schnippte ihn vor ihre Füße.
    "Erst Therme", befahl er ohne jegliche Begrüßung:
    "Dann kauf dir etwas zu essen, am besten puls oder eine Suppe. Aber iss langsam und nicht alles auf einmal, das verträgst du nicht."
    Die Sklavin war verwahrlost und halb verhungert, schien jedoch auf den ersten Blick keine Schäden davon getragen zu haben.
    Hairan beschloss, sie also erst einmal wieder in einen halbwegs menschlichen Zustand bringen zu lassen, bevor er sie befragen würde:
    Was hatte sie den Urbanern erzählt?
    Hatte sich jemand von denen gar für seine Herkunft oder seinen hortus interessiert?

    Ich hatte gerade solch ein Beispiel, wobei für die Bürger(Sonder)rechte der verschiedenen Poleis das gleiche gilt wie für das römische:


    Zitat

    Seit der Zeit des Kaisers Augustus werden Geburtsregister geführt, hier muss jedes eheliche Kind vermerkt werden. Seit Marcus Aurelius gilt dies auch für Kinder aus nicht-ehelichen Beziehungen; gefordert wurde eine Frist von 30 Tagen zu deren Erfassung. Die Erfassung erfolgte vor einem Magistrat in einem Tabularium.[2] Aus diesem Register, professio liberorum wiederum werden nun die testationes als Ausweise erstellt. Sie enthalten den Namen des Kindes, Geschlecht und dessen Eltern, die Tribus, das Geburtsdatum und -ort und eine Aussage zum Status als römischer Bürger.[3]...
    Bemerkenswerterweise scheint man erst im 2. Jahrhundert „Standesämter“ in den Provinzhauptstädten eingerichtet zu haben, die offizielle Listen mit den Inhabern des römischen Bürgerrechts führten.[4


    https://dewiki.de/Lexikon/R%C3…ung_des_B%C3%BCrgerrechts


    Vulpis könnte also, wenn er frech genug auftritt, durchaus durchkommen =)


    Allerdings wurde die Vorspiegelung eines falschen Bürgerrechts hart bestraft, wenn es aufflog (finde aber die Quelle gerade nicht)



    Zitat

    Original von Manius Purgitius Lurco
    Du meinst ob die Römer eine Verbrecherkartei hatten? :)
    Das wäre hochinteressant und hilfreich :)


    Da die Strafen meist sehr ...einseitig ausfielen, war solch eine Kartei an für sich unnötig. 8)

    Zitat

    Original von Flavia Domitilla
    Doch ihrem Ex-Gatten wollte sie eine solche Milde nicht gewähren. Nicht nachdem, was er ihr alles angetan hatte.
    „Wenn es nach mir ginge, so hätte er zu leiden, bis zu seinem letzten Tag auf Erden. Langsam sollte er dahin siechen. Jeder einzelne Tag sollte ein Martyrium für ihn sein. Und wenn dann dereinst der Tod ihn in seine gnädigen Arme schließt, so sollte er für alle Ewigkeit Tartaros verrotten.“ Damit war ihre Wahl eindeutig. Nein, für Tiberius Lepidus hatte sie kein gutes Wort mehr übrig.


    Nur wenige Menschen hatten den Mut, ihre Ziele unbeirrt zu verfolgen und nur sehr wenige Menschen waren so geartet, dass sie kühn in ihren Zielsetzungen waren. Als die Flavia die hasserfüllten Worte über Tiberius Lepidus sprach, war das für Hairan wie Balsam auf seiner dunklen Seele.
    War die schöne Römerin vielleicht die richtige Kundin für das Werk der Furien? Rache, süße Rache. Fluch – defixion – oder gar veneficium, Mord durch unentdecktes Gift?
    Hairan spürte seinen eigenen Herzschlag in seiner Brust wie lange nicht mehr, die edle und rachsüchtige Frau verwirrte seine Sinne.


    „Gemach, Nobilissima, was immer du wünschst, wird geschehen.“, sprach er:
    „Schon euer Dichter Vergilius schrieb: Flectere si nequeo superos, Acheronta movebo.* Ich verstehe mich auf alle Künste des Tartarus. Aber hier ist nicht der richtige Ort, um solche Dinge zu besprechen. Komme in meine Heiligen Hallen oder wenn Du den Weg in die Subura scheust, schick mir Nachricht, wohin ich kommen soll.“
    Hairan reichte der Römerin eine Tabula, auf der seine Adresse stand:



    Anis von Alexandria
    Magus
    Alle Geheimnisse werden offenbart , nichts bleibt meinem Auge verborgen
    Beratung und Lösung von Problemen : Nach Vereinbarung
    Subura ,
    Gebäude ehemalige Bäckerei Rufus Gellius Paterculus, Parallelstraße ehemaliges Lupanar Ganymed, dreimal klopfen

    ROMA


    Zitat

    Original von Appius Furius Cerretanus
    .


    Dann hatte Hairan es doch etwas eilig. Denn die Sklavin von Flavia Domitilla war zu dem Optio der Urbaner geeilt, und der machte ein Gesicht, als wolle er jeden Moment zu ihnen herüber kommen.
    Die Anfertigung von Flüchen war nicht legal, und der Soldat sollte keinesfalls mitbekommen, welches heikle Thema der Magus angeschnitten hatte.


    Sim-Off:

    * Wenn mich der Himmel nicht hört, rufe ich den Acheron (Tartarus) zur Hilfe

    Zitat

    Original von Flavia Domitilla
    :


    Hairan nickte mit sich selbst zufrieden über seine Intuition. Natürlich wollte Flavia Domitilla geliebt werden um ihrer selbst Willen.
    Sie war eine prachtvolle Frau, voller Leben. An die Seite einer Königin gehörte ein König.


    Der Magus folgte Flavia Domitillas Blick. Dort stand Appius Furius Cerretanus, der ihm die Sklavin Aethra geschenkt hatte ( die leider wieder im Kerker einsaß). Gewiss ein guter Römer und aufrechter Charakter, wenn auch in Hairans Augen etwas dröge wie der typische Soldat.


    Mittlerweile jubelte und tobte die Menge über dem Ausgang des Zweikampfes: Entweder Töte ihn oder Leben. Hairan hätte ganz gerne die Genugtuung gehabt, zu sehen, wie der Parther dem Römer das Schwert in den Hals stieß, aber es hätte seinem würdevollen Auftreten widersprochen, da mitzumischen. Also tat er so, als würde ihn das Ende des Priscus nicht interessieren.
    Außerdem bat nun der begleitende Sklave seine Domina um eine Entscheidung, und Flavia Domitilla plädierte für Gnade.


    Hairan nickte:
    „Es steigert einer edlen Dame Erhabenheit, Milde zu zeigen.“, sprach er:
    Clementia ist eine der großen römischen Tugenden. Aber ist jener Gatte, der die Nobilissima nicht zu schätzen wusste, deiner Milde würdig? Oder haben die dunklen Götter nicht schon längst die Entscheidung getroffen, ihn in den finstersten Tartarus, wohin niemals das Licht der Hoffnung dringt, zu werfen?
    Was du auch wählst, so soll es geschehen.“


    Der Magus legte die Fingerspitzen seiner Hände aneinander und lächelte nachsichtig wie ein liebender Vater.


    Immer noch tobte die Menge. Selbst Damen hoben in wilder Begeisterung für den siegreichen Flamma ihre Gewänder, und wollten ihn je nach Charakter töten oder Großmut üben sehen.


    Zitat

    Original von Faustus Aurelius Tigellinus
    .


    Ein vornehm aussehender Römer rief: „Mortem“, und Hairan war in seinem Herzen ganz bei ihm: Dem Parther gebührte der Tod seines Feindes. :dagegen:

    Zitat

    Original von Flavia Domitilla
    Die Flavia wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie plötzlich angesprochen wurde. Sie blinzelte mehrmals, als sie ihr exotisch anmutendes Gegenüber ins Visier nahm. Ein Orientale zweifellos. Mit ausreichendem Abstand, ohne dass ihre beiden Barbaren Alarm schlugen, hatte er sich an sie gewandt. Es schmeichelte sie, was sie hörte und die Worte des Orientalen machten sie neugierig.
    "Ein Mittler der Götter? Sehr interessant!" Natürlich war sie auf seine Botschaft neugierig. Kurzum bot sie ihm einen Platz neben sich an. "Bitte, nimm doch Platz, Anis! Natürlich möchte ich diese Botschaft gerne hören!" Domitilla war in guter Stimmung. Ein paar Kuriositäten mehr oder weniger konnten gewiss nicht schaden.


    Hairan nahm neben der Patrizierin Platz, bemüht, niemanden auch nur zu streifen; er berührte ungern Menschen.
    Aber er beobachtete sie. Die Römerin hatte alles, was man sich vom Leben wünschen konnte: einen großen Namen, Reichtum, Schönheit.
    Hairan war sich sicher, dass ihr Ehemann oder Exehemann, da Ehen in diesen Kreisen oft nur kurzlebige Familienbündnisse waren, gar nicht wußte, was er an ihr hatte.
    Die Römer waren ein kaltes Volk.
    Der Gleichklang der Seelen interessierte sie nicht, selbst die heiligen Mysterien hatten sie zu bäurischer Unterhaltung herabgewürdigt. Einst waren die Gladiatorenkämpfe munera, Pflicht gegenüber den Toten, gewesen.


    Wie immer, wenn er etwas Bedeutungsvolles sagte, senkte der Magus die Stimme anstatt sie zu heben:


    „Dieser Spruch ist von der Göttin für Dich:
    Nam quaecumque mulieris bene cuiquam aut dicere possunt
    Omnia quae ingratae perierunt credita menti.....*

    Denn was auch immer eine Frau jemandem Gutes zu sagen oder zu tun nur vermag.
    Alles vergeblich, einem undankbaren Geist anvertraut. ..

    Schwierig ist es, eine langdauernde Liebe plötzlich fallen zu lassen.
    Aber wie es sei, tu es!

    Neues Glück wartet auf Dich, Nobilissima. Es ist nahe. Wenn du nachher nach Hause gehst, geh zum Tempel der Templum Veneris Verticordiae und opfere einen Aureus.“


    Hairan wollte nichts für sich – noch nicht.
    Aber wenn Flavia Domitilla tat, was er sagte, so war das ihr erster Schritt unter seinen Einfluss.
    Traf ein, was er ihr prophezeite, so würde sie sich gewiss wieder an ihn wenden. Sie brauchte einen spirituellen Berater, der ihr half, ihr Lebensschiff in diesen unruhigen Zeiten zu steuern.
    Und welches Weib, das so prachtvoll war wie die Römerin, sehnte sich nicht nach allumfassender Liebe?.


    Nun lächelte Hairan mit jenem Lächeln, das seine Augen nie erreichte:
    „Was wünschst du dir am meisten auf der Welt, Nobilissima?“, fragte er plötzlich.


    Sim-Off:

    * Hairan wandelt die 76. carmen von Catull ab

    Zitat

    Original von Flavia Domitilla
    .


    Hairan bahnte sich seinen Weg recht rücksichtslos durch die Menge, wobei er sich nicht beirren ließ. Wer protestierte, den traf ein Blick aus seinen schwarzen Augen, die glitzerten wie die gewisser Reptilien.


    Endlich war er, wo er sein wollte und trat auf die vornehme Flavia Domitilla zu. Aber er hielt respektvoll Abstand, so dass ihre barbarischen custodes keinen Anlass sehen mussten, einzugreifen.


    Als Hairan vor der stolzen Römerin stand, erkannte er das erste Mal seit langem wieder in den Zügen eines Weibes, was ihn auch bei seiner früheren Gattin Nannaia sofort angezogen hatte: strahlende Intelligenz gepaart mit eleganter Anmut.


    Er verbeugte sich nicht, er war kein Diener. Doch er sprach so, wie es ihrem hohen Rang angemessen war:
    Ave, mit welchem Namen du auch angesprochen werden möchtest, die Mondgöttin, die Artemis in Griechenland und Diana und Luna in Roma genannt wird, segnet Dich, nobilissima*...."
    Nannaia heißt die Mondgöttin meiner Sprache, dachte der Parther.
    Er fuhr fort:
    "Ich bin nur ein bescheidener Mittler der Götter, Anis ist mein Name.
    Eine Botschaft hat die Himmlische für Dich: Möchtest du sie denn hören?“



    Sim-Off:

    * Edelste, Vornehmste

    Hairan Karena von Hyrcania, der sich in Roma Anis von Alexandria, nannte, war weniger gekommen um zu sehen als gesehen zu werden. Er trug ein indigogefärbtes langes Gewand und einen safrangelben Umhang, der mit astrologigischen Symbolen bestickt war. Sein Bart war geölt, sein dunkles Haar in Locken gelegt, er verströmte den Duft nach kostbarem Nardenöl.
    Der Magus hatte etwas an sich, was andere Menschen fern hielt, weshalb er noch Platz fand, während sich die Zuschauer um ihn zusammendrängten.


    Hairan schaute nach potentiellen Kunden aus. Militär excluierte er sofort, zumindest die hohen Ränge, er wollte niemanden der Obrigkeit unnötigerweise auf seine Existenz aufmerksam machen.


    Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio


    Hairans Augen ruhten einen Moment auf dem edlen römischen Ritter, der sich bester Laune und ungezwungen mit seinen Begleitern unterhielt. Auch wenn der Magus ein Verbannter seiner patria war, fühlte er sich dennoch als Parther. Der Gardetribun kannte ihn nicht, aber Hairan wußte genau wer das war: Faustus Decimus Serapio. Er murmelte einen Fluch in seine Richtung, im Namen von Angra Maynu.*


    Unten im heißen Sand der Arena kämpfte ein Landsmann von Hairan, Flamma. Vermutlich eines von Serapios Kriegsandenken. Hairan hätte es im umgekehrten Fall nicht anders gehalten, wünschte sich aber einen Moment lang, Flamma würde gewinnen, schon weil er einen so unheilverheißenden Namen trug. Carrhae - Romas Niederlage.


    Hairan fragte sich, ob Flammus den „parthischen Schuss“ beherrschte, das Manöver, beim Davonreiten mit abgewandtem Gesicht einen tödlichen Pfeil auf den Feind zu lenken oder ob er eher wie kataphraktoi ** kämpfen würde - aber da war der Gladiator schon abgestiegen – um den eleganten Kampf zu Perde in ein Hauen und Stechen zu verwandeln. Hairan fand das bedauernswert, anderfalls wäre Priscus jedoch zu schnell acherontis pabulum, Hadesfutter, geworden, und hätte die römischen Zuschauer nicht mehr mit seinen Wunden und seinem Blut unterhalten können.


    Zitat

    Original von Flavia Domitilla
    .


    Flavia Domitilla fiel Hairan auf. Sie war reich, jung, schön - und ohne männliche Begleitung gekommen.
    Er beobachtete sie unter gesenkten Lidern. Ob er sie ansprechen und segnen sollte? Frauen waren oft spiritueller als Männer und daher seinen Worten geneigter. Aus dem Hause Karen - seinem Haus - kamen Männer, die Könige berieten – weshalb also nicht Anis von Alexandria eine römische Patrizierin?


    Sim-Off:

    * Die parthische Entsprechung des Hades
    ** gepanzerte Reiter

    Da Hairan wusste, dass Kyriakos im Lupanar Magnum Momentum Aufenthalt bezogen hatte, begab er sich dorthin, um ein Schreiben abzugeben.
    Er hatte es zweimal versiegelt, aber auch ansonsten wusste er, dass die Lupas abergläubisch waren wie sabinische Großmütter und die Sachen eines Magus nicht anrühren würden. Eine Ausnahme bildeten vielleicht die respektlosen Zwillinge, doch die waren schon länger nicht mehr in der Gegend gesehen worden, genauso wenig wie Nicon oder Satizarbanes.
    Ein Mädchen nahm den Brief so vorsichtig an, als enthielte er eine Fluchtafel und legte ihn auf Kyriakos' Bett:


    Chaire Freund Kyriakos,
    es erfüllt mich mit Befriedigung, dir so schnell gute Nachricht senden zu können.
    Zu Korinth liegt ein zwölfjähriges Mädchen begraben, das gesund und kräftig an Leib und Gliedern, aber unbegreiflich langsam im Denken war. Sie hieß Melanippe, Tochter des Myles, und dieser Myles ist ein spartiatischer Vollbürger, geboren in Sparta.
    Er wird nichts dagegen haben, einem anderen das Glück einer edlen Geburt zu verschaffen, zumal er es niemals wissen wird.
    Und Melanippe, deine amatrix, die mit dir Sparta verließ und die du mit eigenen Händen entbunden und dann begraben hast, weilte bei der Geburt ihres Sohnes schon seit elf Jahren als Schatten im Hades, so dass sie von ihrem späten Kinderglück genauso wenig mitbekommen wird.
    Vor zehn Jahren vernichtete im Tabularium von Megara in der Provinz Achaia ein Feuer einige Urkunden, die das Amt seit jener Zeit versucht hat, von den damals registrierten Bürgern erneut zu kopieren.* Leider war dir von diesem Brand nicht bekannt, daher hast du jetzt erst deine Abschrift mit einem Boten nach Megara senden können.
    Welch Ironie des Schicksals, nicht wahr, nach dem dir ein wütendes Feuer deine Existenz genommen hat, sichert ein anderes Feuer die Existenz deines Sohnes.
    Ich hoffe, es stört nicht, dass Nymphis nun schon zehn Jahre zählt.
    Der Notar möchte tausend Sesterzen für seine Aufwendungen, besonders der Versand der Abschrift der Urkunde nach Megara und die Bestechung des dortigen Notars.

    An den Kalenden des Mai DCCCLX A.U.C.** erschien der spartiatische Vollbürger Kyriakos in den Hallen des Tabularium von Megara, um die Geburt eines Knaben zu melden und ihn als Sohn anzuerkennen:
    Nymphis
    geboren am ANTE DIEM VIII ID APR DCCCLX A.U.C. *** zu Megara, Provinz Achaia
    Vater: Kyriakos von Sparta
    Mutter: Melanippe, Tochter des Myles, spartiatische Vollbürgerin, postpartal verstorben
    .


    Ich hoffe dieser Brief ist Dir ein Licht in der Dunkelheit, denn es liegt in meiner Natur, Ratsuchenden beizustehen, die Tränen der Notleidenden zu trocknen und Siechende von ihren Qualen zu erlösen.

    Hairan Karena von Hyrcania


    Sim-Off:

    *Die Geburt eines Kindes war pätestens nach 30 Tagen den Behörden zu melden. Es wurde eine Urkunde in zweifacher Ausfertigung ausgestellt; eine für das Stadtarchiv, eine für die Familie.
    ** 1.5.107 n. Chr.
    *** 6.4.107 n.Chr.

    In Hairans Augen verstand das Bauernvolk vom Tiber, das sich nun Herr der Welt nannte, nichts von den tiefen Mysterien.
    Was sie anzog, war die damit verbundene Sinnlichkeit, und ein Jüngling in Mädchengewändern - denn das war das Weib zu Füßen des Sklaven, als es Achilléas! ausrief, erkannte Hairan seine Natur an seiner Stimme - wäre von einem durchschnittlichen Römer nur unter dem Aspekt des sexuell Pervertierten betrachtet worden.
    Vielleicht hätte er mit ihm das Lager geteilt, ganz sicher hätte er ihn aber gesellschaftlich geächtet; es sei denn, es handelte sich dabei um einen Unfreien, für den moralische Maßstäbe nicht galten, weil man mit seinem Eigentum machen konnte, was man wollte.


    Hairan jedoch wußte nun was Briseis war, und sprach es an: Adynatos“, sagte er und nickte:
    Der ältere Sklave hatte zwar keine Schandtat für die cthonischen Götter zu berichten, dafür hatte er ihnen mitgebracht, was weder das Eine noch das Andere war und in typisch griechischer Mehrdeutigkeit auch „schwach“*, so etwas schätzten sie.


    Überhaupt dieser ältere Sklave. An ihm war mehr dran als an anderen Sklaven, viel mehr, dies hatte Hairan bemerkt, als er ohne mit der Wimper zu zucken eine Vene geöffnet und sein Blut auf dem Altar gespendet hatte.
    Die meisten Menschen hatten Scheu vor ihrem eigenen Lebenssaft, es schwächte sie, davon herzugeben und zwar nicht unbedingt körperlich, sondern moralisch.
    Vielen wurde es dabei elend, und das spielte für gewöhnlich Hairan in die Hände, der sie umso mehr sehen lassen konnte, was er wollte.


    Der ältere Grieche jedoch handhabte den Dolch und erduldete den Anblick seines eigenen Blutes wie ein routinierter Krieger.


    Würde Kyriakos seinen alten Lehrer Lysander angreifen, würde der ihn vielleicht ungern, doch in Notwehr töten können. Lysander hatte entschieden mehr daimon.
    Kyriakos war bereits acherontis pabulum – Futter für den Hades.
    Hairan freute sich, auf das richtige Pferdchen zu setzen.


    Aber nun galt es erst einmal, seinen Kunden mit profunden Kenntnissen frisch aus der Unterwelt zu beeindrucken:


    „Die Toten wissen, was die anderen Toten wissen, Sohn der Chaidó.“, wiederholte der Magus:
    „Und nun höre, was sie mir gerade sagen.
    Kyriakos ist nicht unter ihnen. Noch wandelt er im Licht der Sonne.
    Ein Schatten namens Velia erzählte ihnen, dass er in Roma lebt.
    Velia war Kyriaklos‘ Gefährtin, und sie ist erst sehr kurze Zeit dort unten. Wie sie weint und klagt und die Hände ringt und sich danach sehnt, wieder ein Mensch zu sein.“


    Und der Magus sprach weiter:
    „Einer der umbrae hält sich fern, obwohl er nach dem Blut von Lebendigem dürstet wie die anderen auch. Mit ihm hast du eine Rechnung offen. Da er nicht deutlich wird, weiß ich nicht, ob Mann oder Frau, aber stark war er im Leben, so wie du. Er sagt, du wüsstest schon, wer er sei.
    Ist dem so, Sohn der Chaidó? Hast du ihm etwas zu sagen? Er nennt dich übrigens Lysander von Sparta.“


    Das erste Mal seit ihres Hierseins erwähnte Hairan den Namen des Spartiaten, den ihm Kyriakos ja genannt hatte, und er tat es so beiläufg, als hätten ihm die blutgenährten Schatten die Wahrheit verraten.


    Sim-Off:

    * das Wort ist mehrdeutig: unmöglich, verdreht, aber auch: schwach oder schmächtig

    Jetzt war es an Hairan, aufmerksam zu lauschen.


    Schade, dass keine nekyomanteia gewünscht wurde. Hairan hatte die Ausbildung der magoi nie abgeschlossen und deshalb nie wirklich Einblick in diese geheimen Praktiken bekommen, aber so etwas war eindrucksvoll - und natürlich entsprechend teuer.


    Aber auch er war sehr einverstanden damit, sich in diesem Moment zu verabschieden. Aufgeschoben war nicht aufgehoben.
    "Das müssen eure Priester entscheiden.", stimmte er zu: "Der Segén des Mars auf euren Wegen. Ich werde für euch und eure Mission ein Opfer darbringen....ein unblutiges natürliches."


    Letzeres fügte er an, denn man wußte bei diesen beiden Urbanern nicht, was ihnen noch einfallen würde.


    Die Information, tote Sklaven in den Tiber werfen zu dürfen, fand Hairan interessant. Er hatte gedacht, das war bei einem von der Jura besessenem Volk wie die Römer auch wieder in irgendeinem Gesetz geregelt.
    Von hundert Bewohnern Romas waren angeblich vierzig Sklaven; sollte sich diese Art der Leichenentsorgung durchsetzen, war bei einer Million Einwohner vermutlich bald nichts mehr vom Fluss übrig.


    Aber gut - dies war Problem der Römer, und überdies konnte er jetzt Aethra immer damit drohen, sie in den Tiber zu schmeißen, wenn er sie wieder ausgehändigt bekam.


    "Vale bene. Ich stehe zu euren Diensten.", sprach Hairan und ging gemessenen Schrittes, obwohl er es eilig hatte, nach Hause.


    >>> Anis von Alexandria

    Die Säuglngsleiche rührte die rauen Urbaner wohl, während sie ungerührt über Kreuzigungen sprachen, und somit ging das ganze Gespräch in eine für Hairan höchst ungemütliche Richtung. Am liebsten hätte er sich unter dem Vorwand unumstößlicher Pflichten zurück gezogen, aber das war in Begleitung dieser diensteifrigen Soldaten unmöglich.


    „Nur vor dem römischen Gesetz sind Sklaven Sachen, vor den Augen der Götter keineswegs.“, stellte er richtig:
    "Deshalb müssen sie beerdigt werden, wie andere Leute auch; können, wenn man ihnen Unrecht getan hat, nach ihrem Tod zur Heimsuchung werden und ja, wenn man ihnen bitteres Unrecht antut, können sie genauso gut wie alle Menschen die Furien anrufen und um göttliche Gerechtigkeit bitten.
    Das gleiche Gesetz, welches einen Diener als Eigentum völlig in die Hand seines dominus gibt, kann ihn auch wieder lösen, wenn er frei gelassen wird, woran ihr schon seht, dass die Unfreiheit von Männern und ihren Gesetzen gemacht wird und nicht durch die Unsterblichen.“


    So sprach Hairan, der Mann, der im fernen Hyrcania gemeinsam mit seiner Gemahlin viele Sklaven bei seinen Forschungen elend getötet hatte, aber das wussten die römischen Urbaner ja nicht.


    Eine Ausnahme dieser Gesetze freilich bildete seine Aethra, denn die hatte ihm versprochen, ihm bis in den Tartaros zu folgen - und somit auch nach ihrem Tod für alle Ewigkeit sein Eigentum zu bleiben.


    „Auch das Begraben von Sklaven ist also ein Menschenopfer, und Hochgestellte müssen entscheiden, ob es hier zum Wohle des Staates angebracht ist.“, schloss er.


    Hairan folgte Lurco und Pullus zu dem Laden. Da er keine kleinen Überraschungen mehr in seinem Sack hatte, stellte er das fest, was er schon im Ganymed gesagt hatte:
    “Das hier war Menschenwerk. Nur die neue Urbanerstation ist verflucht worden.“


    Dann fiel dem Magus etwas anderes ein, wie er doch noch zu seinem Lohn kommen konnte, ohne irgendwelche Leute gesetzwidrig einbuddeln zu müssen:


    „Ist die Leiche des Besitzers noch brauchbar? Durch eine Necyomantea* könnte sie für kurze Zeit wiederbelebt werden und uns selbst sagen, wer sie umgebracht hat.
    Nur...“


    Er tat so, als zögere er einen Moment:


    „Das Ritual ist...etwas unappetitlich, weswegen die Angehörigen meist einen Aufstand machen. Und ihr Römer habt in diese Richtung eindeutige Verbote. Ich bräuchte also die Zusicherung von Straffreiheit und einer angemessenen Bezahlung von ganz oben, wenn der Kaiser meine Dienste in dieser Richtung benötigen sollte."


    Sim-Off:

    * Necyomanteia orientalischen Typs: Die Leiche selbst wird wieder erweckt, im Gegensatz zur griech. Sciomantia= Beschwörung der Schatten

    Als Terpander Kyriakos‘ Füße erwähnte, wusste Hairan sofort, von wem er sprach.


    Aber er hatte nicht vor, diese Information jetzt schon zu nutzen. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, Nymphis als Sohn anzunehmen; es war in seinem Interesse, dass der Knabe als ingenuus, freigeboren, galt, doch sobald die Papiere vorliegen würden, war Kyriakos überflüssig.


    Auch wenn der alte Grieche beteuerte, er hätte aus Liebe gehandelt – Kyriakos hatte da was anderes erzählt. Der Lupo würde seinen ehemaligen erastes töten, wenn er konnte; am besten war es, beide aufeinander zu hetzen, damit sie sich gegenseitig umbrächten.


    Nur einen Sieger würde es in der Tragödie geben: Hairan Karena, der den letzten Willen seines sterbenden Freundes erfüllen würde, dessen Sohn zu adoptieren – für was hatte man einen Notar bei der Hand?


    Das waren angenehme Gedanken für den Parther, denen er aber nicht zu lange nachhing, denn das Ritual brauchte seine Konzentration:


    „Sohn der Chaidó, die cthonischen Götter haben dich erhört: Sie öffnen das Tor und gestatten den Bewohnern der Abgründe an die Oberfläche zu steigen. O kommt herbei, ihr Schatten, vom Blut der Schlange zu trinken, um Ohren zu bekommen, die hören und Stimmen, die reden!“

    Hairan senkte seine Stimme nun:
    „Zuerst kommen die Unbegrabenen, die niemals Geborenen, die Neugeborenen, die den Styx nicht überqueren können, weil Charon sie zurück weist! Dann die Schar der gewöhnlichen umbrae. Erst ganz zum Schluss werden die Großen, die Helden aus dem Elysium, zum Altar gezwungen!“

    Plötzlich zischte der Parther selbst wie eine Schlange, sprang vor und bewegte die Fackel:
    „Zurück mit euch, Totenheer, wenn ich euch nicht züchtigen soll! Gebt Raum den umbrae des Mannes, der hier steht! Nur die imagines des Sohnes der Chaidó – trinkt!“


    Venite! - Advenerunt


    Seine Stimme schien wiederzuhallen, verzerrte sich, als stände er einmal ganz nahe oder in weiter Ferne.
    Ein Rascheln wie von fahlem Herbstlaub erhob sich, unendlich pfeffriger Geruch von Moder und dem Schwefel in der Räucherschale.
    Mittlerweile erfüllte die ekle Mischung, die der Magus auf dem Altar verkokelte, den Raum, und der Kadaver der Schlange verbrannte.
    Etwas flirrte und bewegte sich in den Ecken der Halle; weder Terpander noch Tiberios wussten, dass es eine Vorrichtung mit Spiegeln gab, die diese Effekte unterstrich.


    „Für die Tatsache, dass du nie unrecht getan hast, sind es viele imagines, die dich heimsuchen.“, sprach Hairan fast höhnisch, denn er glaubte, die Wahrheit zu kennen.


    Venite! - Advenerunt


    Doch dann stoppte das Flirren plötzlich.
    Buchstäbliche Totenstille herrschte,
    und die Fackel des Magus erlosch. ....


    Und dann ertönte Hairans Stimme aus der Dunkelheit, als wäre er selbst überrascht von dem, was er sah:


    Die Toten sind stehen geblieben.
    Hinter ihnen warten noch die, die verzweifelt vom Lebenssaft kosten wollen.
    So viele Schatten, dass das Blut der Schlange nicht reicht, Sohn der Chaidó.
    Dein Blut oder das des Weibes ist vonnöten, wenn der Zug weiter gehen soll.
    Gib ihnen zu trinken, rasch! Noch hälst du das Opfermesser in deiner Hand!“

    Hairan blieb wie immer unbewegt, obwohl erstaunt darüber war, wie profan der ihm als fromm bekannte Urbaner die Angelegenheit sah.
    Es ging doch nicht darum, zwei Kriminelle zu verscharren wie tote Hunde; es ging um das höchste Opfer, das man den Göttern zukommen lassen konnte.


    Natürlich würde ich die Sklavin spenden, es wäre mir eine Ehre, dem Imperium zu dienen.“, sprach er etwas säuerlich, denn er hatte die Idee gehabt, sich zu bereichern, nicht sein Eigentum aufzugeben:
    „Der Mann jedoch darf kein Krimineller aus der Subura sein, so etwas stimmt die Götter eher beleidigt statt milde. Wie tradiert sollte er der Gefährte der Frau oder zumindest ein Kriegsgefangener oder Kelte sein.
    Ob dieses Opfer angebracht ist, müssten freilich die höchsten Priester Romas, der pontifex maximus oder der flamen dialis, entscheiden.
    Wie gesagt, mit Tieropfern geht die Reinigung auch, sie dauert nur länger und verursacht höhere Kosten.
    Am besten besprecht ihr das mit eurem Vorgesetzten, Hüter der Stadt.“


    Menschenopfer waren seit mehr als hundert Jahre verboten, und wenn ein Priester oder Magus dabei erwischt wurde, wurde er zur Strafe ans Kreuz geschlagen.
    Keinesfalls würde Hairan also so etwas auf eigene Faust durchführen.


    Aber er hatte auch nicht vor, sich die finanziell vielversprechende Angelegenheit von irgendwelchen römischen Priestern aus der Hand nehmen zu lassen.

    Hairan lächelte dünn, denn er fand die Urbaner sehr naiv, wie sie meinten, Bestellungen aufgeben zu können als ginge es um die Speisekarte in einer Taberna: Magus tu dieses, kannst du jenes.


    Aber er nickte, sprach:" Ich werde versuchen, was ich tun kann“,
    dann betastete er die Wände weiter; zögerte und meinte nach einer Weile kopfschüttelnd:


    Wer das auch immer getan hat, ist sehr mächtig, denn wenn jemand die Station derer, die im Dienste des Kaisers stehen, verfluchen konnte, so muss er mächtiger sein als selbst der Genius des Kaisers. Und das er es konnte, hat man ja gesehen.
    Ich jedoch bin nur ein gewöhnlicher Magus, und es würde langwierigiger, sehr kostspieliger Vorbereitungen bedürfen, mich diesen infernischen Mächten zu stellen.
    Nicht weil ich etwa Lohn verlangen würde, sondern weil es edelsten Weihrauch, Gold und der besten Opfertiere bedarf, um all die Reinigungsrituale durchzuführen.
    Am effektivsten wäre es natürlich wie in alten Zeiten eine Frau und einen Mann aneinandergefesselt lebendig an dieser Stelle zu begraben."
    *


    Hairan machte eine kurze Kunstpause. Er wußte, dass Römer die Idee von Menschenopfern entsetzlich fanden, obwohl sie kein Problem damit hatten, Hunderte in der Arena hinzuschlachten. Bedauerliche Widersprüchlichkeit eines ansonsten rationalen Volkes.


    So, das muss genügen, dachte Hairan, jetzt habe ich sie an der Angel. Solch eine Gelegenheit, mich in den höchsten Kreisen Romas bekannt zu machen, kommt nicht wieder. Die kleinen Abscheulichkeiten, die ich vorrätig hatte, haben zumindest die beiden Soldaten beeindruckt. Jetzt kommt es auf mein Verhandlungsgeschick an, wie viel ich noch herausschlagen kann.


    Der Parther warf Lurco einen prüfenden Seitenblick zu.