Beiträge von Hairan

    Lupanar Ganymed >>>


    Hairan hatte geschwiegen, als er den Urbanern folgte. Er wirkte ganz in Gedanken versunken, seine dunklen Augen ins Leere gerichtet.
    Die Verwüstungen, die die neue Urbaner Station erlitten hatte, waren selbst für stoische Gemüter erschreckend, aber der Parther zeigte keinerlei Gefühlsregung.


    „Darf ich?“, fragte er, seine Miene war ungewöhnlich düster.


    Er trat auf die Überreste einer Mauer zu, und bevor ihn jemand daran hindern konnte, fuhr er mit seinen schlanken Fingern über das Mauerwerk, tastete in Ritzen.


    Sein Gesichtsausdruck, der vorher schon düster gewesen war, änderte sich nicht, aber mit seiner rechten Hand vollführte er zunächst verschiedene Gesten und dann die alte Abwehrgeste der mano in fica, in dem er den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger klemmte. Mit der anderen Hand griff er nochmal in seinen Beutel, warf Salz gegen die Wand und sein langer dunkelpurpurner Umhang blähte sich und verdeckte einige Augenblicke seine hagere Gestalt und das, was er tat.


    Kleine Schweißtropfen begannen sich auf Hairans Stirn zu zeigen; der Magus war bleich, als er sich nun wieder den Urbanern zuwandte.


    Und dann zog er folgende drei Dinge aus der Mauerspalte, die er gerade untersucht hatte:
    Das erste waren blutverschmierte schwarze Vogelfedern.
    Das zweite war eine tote Kröte, der man Maul und Augen mit Nadel und Faden zugenäht hatte.
    Aber das dritte und abscheulichste von allem war ein kleiner menschlicher Fötus. Babyleichen fand man in der Subura; oft wollte und konnte eine geschwängerte Lupa ihr Kind nicht behalten. Aber diese kleine Leiche hatte man mit roter Farbe bemalt und ihm winzige Hörner umgebunden.


    Hairan legte die drei Abscheulichkeiten vor die Urbaner hin.
    Dann sprach er:
    „Dieser Ort ist verflucht. Wer hier bleibt, wird Acherontis pabulum *werden. Die neue Station der Urbaner
    wurde von bösen Mächten attackiert. Aber nur Mut, es war gut, dass ihr mich gerufen habt. Ich weiß, was zu tun ist, und es wird mir eine Ehre sein, dem Imperium zu dienen."


    Sim-Off:

    * Futter für den Acheron= Hades

    Anis von Alexandria >>>




    Hairan war Lurco in die Ruine des Ganymed gefolgt.
    Mit unbewegtem Blick starrte er die Zeichnung an, dann nahm er aus seinem Beutel Salz und pustete es aus der flachen Hand über die Wand.
    Er schüttelte den Kopf, während er sprach:
    „Die Krähe ist ein vieldeutiges Zeichen. Sie steht für Wiederauferstehung, Weisheit und Unheil. Begleiterin ist sie des Wolfes, wo der graue Wolf jagt, ist seine Gefährtin, die Krähe, nicht weit.“


    Hairan kniete sich hin zu dem Grab und nahm eine Hand voller Erde:
    „Es ist nicht gut, die Toten innerhalb der Stadtmauern zu begraben.“, murmelte er und fuhr fort:
    „ Aethra geht auf meinen Befehl verschleiert. Sie ist nur eine Barbarin, den bestiae näher als uns Menschen. Vermutlich hat sie mit ihrer Barbarennase den Blutgeruch an den Steinen gewittert, nichts weiter.
    Es wurden nur Krähenschädel und Zeichnungen gefunden, keine Zeichnungen von Fischen oder?“


    Hairan, der die cristiani, die ein Fischsymbol benutzten, nicht leiden konnte, hätte sich sehr gefreut, ihnen etwas in die Schuhe schieben zu können.


    Dann stellte er fest: „Ich kann an diesem Ort keine Magie finden. Die Krähe und der Wolf, das sind keine Wesen aus dem Acheron, sondern aus unserer Welt.
    Aber um ganz sicher zu sein, muss ich auch den anderen Ort sehen.
    Führt mich hin, Söhne des Mars.“

    Hairan log nicht, als er erwiderte:


    Für rohe Gewalt gibt es für meinesgleichen keinen Anlass, Sohn des Mars. Auch wir Magoi sind Geschäftsleute. Dass Ratsuchenden angstfrei und mit ihrem Obolus, den sie den Göttern entrichten, zu uns kommen können, das ist,es was wir uns wünschen.
    Ich begleite euch, aber um mir ein Bild zu machen, wäre es wichtig, jeden der betroffenen Orte zumindest abzugehen. Die eingestürzte Ruine muss ich nicht betreten, es reicht mir, sie von außen zu sehen.“


    Er packte rasch einige Gegenstände in einen Sack und warf sich einen Umhang von dunkelpurpurner Farbe über:
    „Ich bin bereit, mich mit dem Acheron * zu messen “, sagte er: „ Nach euch, damit ich meine Porta abschließen kann.“




    Sim-Off:

    * Acheron, einer der Flüsse der Unterwelt, auch gleich Hades

    Hairan schielte nach dem Schleier, der in seinen Augen mehr wert war als die komplette Aethra, aber als Eingeweihter der Magie hatte er über profanen Dingen zu stehen.


    Ernst nickte er zu dem , was die beiden Urbaner sagten.


    „O Hüter der urbs aeterna, sprach er sie an:
    „Vergrabene Schädel können durchaus auf magische Praktiken hindeuten. Ich werde euch zu dem Ort begleiten, an dem ihr sie gefunden habt und sehen, ob ich dort mehr in Erfahrung bringe. Natürlich werde ich meine Dienste nicht berechnen; das gute Gewissen, dem Gesetz zum Sieg verhelfen zu können, ist meiner bescheidenen Natur Lohn genug. Also wenn ihr wollt, führt mich dort hin.“


    Hairan schaute sich im Raum um, als würde er etwas suchen:
    „Aber zuvor lasst mich noch ein paar Dinge einpacken, die nützlich sein werden, wenn auf diesem Ort tatsächlich ein Fluch liegen sollte; Amulette, einen Dolch, der den Göttern geweiht ist, Räucherwerk und Opfermehl.“


    Hairan wartete, Würden die Soldaten sein großzügiges Angebot annehmen?

    Seit die neue Urbaner Station buchstäblich in die Luft geflogen war, waren die Urbaner so umtriebig wie Wespen, deren Nest man zerstört hatte. Sogar der alte Fall des Ganymed- Brandes war wieder aufgerollt worden. Mit beidem hatte Hairan nichts zu tun, Kyriakos schätzte er persönlich. Dass er daran dachte, ihm Nymphis zu rauben, war eine persönliche Sache.*


    Aber da Aethra in die Angelegenheit auf ihre ganz eigene tölpelhafte Weise verwickelt war, standen jetzt ständig Urbaner vor seiner Porta. Das es welche waren, erkannte er an ihrem herrischen Klopfen, dazu brauchte er keine übersinnlichen Fähigkeiten.


    Ob sie ihm Aethra zurück brachten? Der Urbaner Lurco, dem er damals das Schutzamulett angefertigt hatte, hatte ihm das in Bälde angekündigt. Auf der einen Seite wäre es sehr schmeichelhaft, wenn die Römer sich persönlich darum bemühten, ihm, dem Peregrinus, sein Eigentum zurück zu geben.


    Hairans Unmut verflog, schnell schlug er den Dolch, der sonst auf seinem Schreibtisch lag, in ein Tuch ein, damit sich keiner der milites versehentlich daran verletzen konnte.
    Ein wenig Räucherwerk von Bilsenkraut konnte nichts schaden – mit Wedeln fachte er die Flamme stärker an.


    Dann setzte sich der Magus hinter seinen Schreibtisch und nahm den Totenschädel mit den Kristallaugen in beide Hände:
    Tretet ein, Söhne des Mars, die Tür steht euch offen!“, rief er fast schon freundlich.


    Hairan wußte natürlich, wo Aethra war, die Urbaner hatten ihn informiert.
    Der Magus hatte ein durchaus gutes Verhältnis zu den Obrigkeiten der Stadt, daher war der Ton so angenehm gewesen, dass sie selbst auf eine angedachte Razzia verzichtet hatten. Das war gut so; in einen größeren Keller hätte die Stimmung gar nicht fallen können, wie wenn sie sein beträchtliche Arsenal von Giften entdeckt und womöglich beschlagnahmt hätten.
    Dass sie fast die Porta eingeschlagen hatten, nahm Hairan den Männern nicht krumm: So waren Soldaten eben.


    Hairan kannte seine rechtliche Stellung als peregrinus recht genau. Um keinen Preis wollte er selbst in das Visier der Urbaner oder der Praetorianer geraten. Ein römischer Bürger hätte darauf bestehen können, seinen Fall dem Kaiser persönlich vorzutragen; ein ansässiger Fremder jedoch fiel unter das Kriegsrecht der Ordnungshüter. Er, Hairan aus dem Hause Karen, hätte im schlimmsten Fall genauso gekreuzigt werden können wie ein ordinärer Sklave.


    Für Aethra hätte der Magus nicht einmal etwas tun können, wenn er gewollt hätte. Sie musste selbst sehen, wie sie mit den Urbanern zurecht kam, doch bei ihrer störrischen Art würde ein Verhör ewig dauern. Hairan richtete sich also darauf ein, längere Zeit ohne sein Eigentum auskommen und die Nachttöpfe wieder selbst in die von den Gerbereien bereitgestellten Großamphoren leeren zu müssen - falls einer der milites nicht vorher die Geduld verlor und das Weib einfach totschlug.
    Doch selbst dann: Aethra war geschenkt gewesen, der finanzielle Verlust würde sich in Grenzen halten.
    Beerdigungskosten würden auch nicht anfallen, denn tote Straftäter durften im Gegensatz zu privat verstorbenen Sklaven zur Abschreckung in den Tiber geworfen werden.


    Schon daher würde sich Hairan für Aethra kein Bein ausreißen. Nicht, dass den Urbanern einfiel, ihm einen zweiten Besuch abzustatten.


    Nur, dass was der Urbaner Lurco über Rabenschädel, die vermutlich zu schwarzmagischen Zwecken verwendet worden waren, erwähnt hatte, erweckte Hairans Interesse. Hieran war der Magus völlig unschuldig.
    Hatte er etwa in der Subura unliebsame Konkurenz bekommen?


    Hairan beschloss, sich auch etwas in den ehemaligen Ruinen des Ganymed umzusehen, sobald die Urbaner
    ihre neuerwachte Umtriebigkeit wegen des Anschlags auf ihre neue Station wieder zurückschrauben würden.


    >>>Die neue Station

    Nur der Name der Mutter war gültig vor den cthonischen Göttern.
    Denn sie waren älter als die des Olymps, stammten sie doch aus der Morgenröte der Menschheit, als es noch kein Oben und kein Unten, keine Sklaven und keine Herren, kein Reichtum und keine Armut gab und Väter noch unbekannt waren. Jedes Kind war vor ihren Augen nur seiner Mutter Kind.


    Das Blut der geopferten Schlange benetzte den Altar, als der Sohn der Chaidó sie förmlich auswrang. Schwarz war der Saft, der die umbrae rufen würde.
    Dann bedeutete Hairan Terpander, den Leichnam der Schlange auf die Räucherschale zu legen. Kleine Flammen begannen an ihrem schuppigen Leib zu fressen.


    Es war Glück für den Parther dass er das Tier für eine Carbonarus hielt; eine schwarze Aspisviper hätte selbst ihn berunruhigt: Das Gift, das aus verrotteten Vipern gewonnen wurde, und welches er in einer gut verkorkten Phiole in seiner Truhe aufbewahrte, war das verderblichste in seinem Arsenal des Todbringenden.


    „Ich rufe den cthonischen Zeus, ich rufe den cthonischen Hermes herbei, den psychopompos* , die monstra erebi **, die Furien des Styx, Königin Persephone, Charon, Hekate und Megaira!
    Ihr Beherrscher der Umbrae, die ihr den Zugang zum Lethefluss verschließt,
    diese Gläubigen hier haben Opfer und Blasphemie zu eurem Wohlgefallen begangen, seid ihnen gewogen und befreit das Heer der Imagines!“


    Mittlerweile durfte auch der ältere Sklave, der am Altar stand, genug von dem Räucherwerk eingeatmet haben.
    Spürte er nicht, wie die Schatten herbeiströmten? Tausendfaches Wispern wie von trockenem raschelnden Laub...ein Heer...so viele?


    Hairan hob die Fackel:
    Sohn der Chaidó ! Löse deinen Gürtel! Öffne dein Haar! Gestehe den dunklen Göttern das Schlimmste, was du je getan hast!“, sprach er:
    "Sie werden hören und sie werden kommen! Venite!"


    Diese Weisung brachte Hairan oft an sehr gute Informationen: Mord, Schändung, Blasphemie.


    Sim-Off:

    *Seelenbegleiter
    **Ungeheuer der Unterwelt

    Hairan blieb äußerlich ruhig, obwohl er innerlich mit seinem geistigen Ohr so etwas hörte wie ein leises Schwirren, ein Pfeil der auf ihn abgeschossen wurde.
    Das hier waren zwei Urbaner, die fahndeten, ernste, kluge Männer im Dienste Romas. Wie Bluthunde würden sie der einmal aufgenommenen Witterung folgen.


    „ Ich danke euch, dass ihr gekommen seid, mich über den Verbleib meines Eigentums zu unterrichten. Ihr sollt von meiner Seite aus alle Erklärungen bekommen, die ihr benötigt, o Hüter der Ewigen Stadt.“, sprach der Parther:
    „Ich bin einer der Magoi und wir geloben geschlechtliche Keuschheit, um den Göttern umso besser dienen zu können. Aber auch unsere Diener müssen Reinheit bewahren. Daher verhüllt sich Aethra, – sie heißt jetzt Aethra - um die Blicke der Männer zu vermeiden. Der Seidenschleier kostet ein Vermögen, kann ich ihn wieder haben?“,

    Hairan streckte die Hand aus und sprach weiter:
    „Wenn ich Kunden die Zukunft voraussage, wünschen sie für gewöhnlich nicht, dass eine Sklavin dabei anwesend ist. Also habe ich Aethra zum Mercatus geschickt und ihr Geld mitgegeben, damit sie einen Nachhtopf kauft.
    Aethra ist nicht ganz bei Verstand.
    Das unglückselige Geschöpf empfindet wohl geradezu eine wahnhafte Liebe zu Kyriakos, vielleicht hat sie ihn dort in den Ruinen gesucht.
    Wie es ab und zu bei verrückten Weibern vorkommt, läuft sie schamlos Männern nach, von denen sie glaubt, sie zu lieben. Vor dem Lupanarbesitzer Kyriakos traf es einen Sklaven namens Tiberios und zuvor bestimmt schon andere.
    Grausam und dumm nennt sie mich?
    Von bemerkenswerter Undankbarkeit ist Aethra:


    Ich habe sie von einem Optio der Urbaner geschenkt bekommen.
    Ich kleide sie, ich ernähre sie, ich beschütze sie.
    Ich habe sie in der Hoffnung, sie heilen zu können, aufgenommen.
    Gerade präpariere ich einen Absud von weißem Nieswurz, von dem bekannt ist, dass er Geisteskrankheiten kuriert."


    Hairan deutete auf seinenSchreibtisch, auf dem Helleboros albus lag. Ich freue mich schon darauf, das Gesöff an dir auszuprobieren, Aethra, dachte er grimmig, dann wirst du lernen, wie du von mir vor den Römern zu sprechen hast:
    "In den Ruinen des Ganymed hat sie nichts zu suchen, sie darf auch keine Bürger von ihrer Arbeit abhalten, das werde ich selbstverständlich bestrafen.“


    Dann horchte Hairan auf bei Pullus' Worten (Das Schwirren des imaginären Pfeils kam näher):
    „Schwarze Magie, sagst du, Sohn des Mars? Darfst du mir Näheres darüber sagen? Ich könnte beurteilen, wer euch verflucht hat?“


    Der Pfeil traf ins Ziel, als Pullus fortfuhr: „Wir müssen Deine Räume inspizieren"
    Aber Hairan nickte höflich:
    „Wenn es der Sache dienlich ist, dann seht euch nur um..“, sprach er und wies auf seine Halle.

    Helleboros albus, wunderbare Helferin der Hilfesuchenden, dachte Hairan, der gerade weißen Nieswurz aus seinem verschwiegenen Garten geholt und sie der Fermentierung zugänglich machte – mit etwas Salz und Wasser in einem abgeschlossenen Gefäß würde in spätestens zwölf Tagen das Gift heranreifen, nach dem Lupas so oft fragten – aber durchaus auch „ehrbare“ Matronen …


    Da klopfte es – nein, das war kein Klopfen, es klang, als würde jemand die Porta einschlagen wollen.
    Hairan legte die Pflanze auf den Schreibtisch zurück und bedeckte sie mit dem weichen Lappen, mit dem er seine Hände schützte, wenn er mit schädlichen Substanzen zu tun hatte.


    Er erwartete niemanden. Falls es Aethra war, die zurückgekrochen kam, würde sie es nie wagen, auf diese Weise anzuklopfen.
    Gemessenen Schrittes ging Hairan zur Porta und öffnete sie.


    Vor der Tür warteten zwei Urbaner. Wenn der Magus überrascht war, ließ er sich nichts anmerken; es war für einen Wahrsager auch nicht geschäftsfördernd, von irgend etwas überrascht zu sein.


    Schnell überschlug er im Geiste die Ereignisse der letzten Monate: Er führte Buch über Einnahmen und Ausgaben und gab dem Kaiser, was des Kaisers war.
    Seit des bedauerlichen Zwischenfalls mit dem Dieb – aber einige Pflanzen waren nun einmal schon durch bloßen Hautkontakt tödlich – war es auch nicht zu unerklärlichen Todesfällen in seinem Wirkungskreis gekommen.
    Die letzte Zeit hatten die Einwohner Romas eher Liebeszauber und Schutzamulette als veneficium* verlangt – auch gerade milites wie die Urbaner, die auf Grund ihres gefährlichen Berufes häufiger an die höheren Mächte dachten als andere Leute.
    Ab und zu war auch eine Fluchtafel dabei gewesen, aber es war um Menschen niedrigen Standes - peregrini und Sklaven - gegangen, nichts was die römische Staatsmacht wirklich interessieren würde.


    Hairans Gewissen war also nach seinen Maßstäben geradezu so weiß wie die Blüte von helleboros albus zu nennen, als er die Urbaner grüßte:
    „Salve, Söhne des Mars, tretet ein. Mit was kann euch Anis von Alexandria dienen?“


    Sim-Off:

    * Giftmischerei, Zaubertrank

    Fama, das Gerücht, ist ein Tier mit hundert Zungen und tausend Augen, und es blieb nicht aus, dass Hairan erfuhr, dass Aethra gemeinsam mit dem Lupo Nicon von Urbanern mitgenommen worden war.
    Hairan bekam sich nicht mehr ein vor Wut. Verwünschungen gegen die Sklavin murmelnd schritt er die Halle auf und ab.
    Seit sich der Parther in Roma befand, ging er der Obrigkeit um den Bart; ja noch mehr, er tat alles, um ein gesetzestreuer Einwohner der urbs aeterna zu sein. Aber da Aethra ständig mit der Staatsmacht aneinandergeriet, war diese Mühe allmählich umsonst.
    Irgendwann würde der Zeitpunkt kommen, da würde Aethra die Urbaner in seine Halle führen - und in seinen Garten. Fragen würden auftauchen, auch nach dem Notar, der für Hairan allerhand erledigte, nach Toten in Alexandria und Palmyra und nach der wahren Identität von Anis von Alexandria.


    Hairan wartete nun auf eine Benachrichtung aus der Castra. Noch war die Frau sein Eigentum, und es gehörte sich nicht, sie ihm ohne Bescheid zu entziehen.

    Subura >>>


    Hairan brachte folgenden Aushang an:



    Anis von Alexandria



    Sklavin entlaufen!


    Hört auf den Namen Aethra
    18 Jahre alt, blaue Augen, dunkelbraune Haare,
    von mittlerer Größe und weißer Hautfarbe
    Aufmachung: Halsring mit der Marke des Besitzers, grüne Tunika, orangfarbener Seidenschleier


    Wer sie einfängt, bekommt eine Belohnung.
    Sie darf auch tüchtig ausgepeitscht werden, denn sie hat Strafe verdient.


    Mein Eigentum ist abzugeben bei
    Anis von Alexandria
    Subura ,
    Gebäude ehemalige Bäckerei Rufus Gellius Paterculus, Parallelstraße ehemaliges Lupanar Ganymed, dreimal klopfen
    ROMA


    [

    Aethra kam auch am folgenden Tag nicht zurück.


    Es handelte sich also nicht um Herumtrödeln oder ein Abenteuer; die Sklavin schien tatsächlich wie vom Erdboden verschluckt. Hairan zumindest hatte keinen Bescheid von irgendjemandem bekommen.


    Am zweiten Tag beschloss er sich etwas umzuhorchen. Das letzte Mal hatte sich die Sklavin auf dem Mercatus herumgetrieben, um den Sklavenjüngling zu treffen. Vielleicht tat sie es ja wieder.


    Also begab sich Hairan dort hin, um eine Suchmeldung aufzuhängen:


    >>> Mercatus Urbis

    Eine schwarze Schlange, eine Carbonarius* vermutlich, mehr als armlang und vollkommen schwarz; und Hairan war erstaunt, als Terpander das Tier aus dem Sack holte.


    Schlangen waren keine Opfertiere. Niemand opferte den Göttern Schlangen, im Gegenteil, sie waren heilig.
    Die chtonischen Gottheiten jedoch liebten alles, was anders, verdreht, unmöglich, adynatos war, und sie hatten auch gewiss an diesem blasphemischen Opfer ihre Freude.


    Also nickte der Magus; Die schwarze Schlange hatte kein Gift, aber sie war aggressiv und konnte stark blutende Wunden verursachen.
    Auch jetzt versuchte sich das Tier in Terpanders Händen zu winden und zuzubeißen.
    Hairan hielt die Fackel so, dass Terpander etwas sehen konnte, dann befahl er ihm :


    „Komm jetzt, Freund, stelle dich in den heiligen Bezirk des schrecklichen Altars. Ich gebe dir das Opfermesser. Durchtrenne den Leib und lass das Blut dieses Opfertiers in die dunklen Tiefen der Unterwelt fließen als ein Getränk für die Leblosen, in dem du den Altar mit seinem Blut benetzt.
    Und wenn du hier stehst, nenne den Namen deiner Mutter. So werden die alten Götter wissen, wer du bist.“


    Er deutete auf den Dreifuß mit der Opferschale, von dem nun der Rauch dichter aufstieg.



    Hairan sah die Bewegung der Frau zu dem Mann hin, und das wunderte ihn nicht. Die Erwartung des Thanatos beflügelte den Eros, das sah er nicht das erste Mal bei seinen Kunden. Etwas belustigte ihn diese vorhersehbare Schwäche. Aber dem älteren Mann ging es wohl nicht darum, seine Begleiterin zu erobern. Sein Anliegen war sehr ernster Natur.


    Hairan wartete einige Minuten, dann sprach er langsam und recht leise. Durch die besondere Akkustik der Halle schien seine Stimme deutlich, jedoch aus verschiedenen Richtungen zu kommen:


    „Die Toten sind wie gefallene Blätter im Herbst,
    Schatten ihres früheren Selbst,
    ihrer Emotionen und ihres Bewusstseins beraubt.
    Was ihnen geblieben ist an Stachel ist zweierlei:
    Neid auf die Lebenden, weil sie am Leben sind
    und Gier, selbst wieder am Leben zu sein und einen atmenden Körper zu haben.


    Man erzählt, ein ehemaliger König auf Erden würde seine ganzen Reichtümer, die er während seiner Herrschaft angehäuft hat, freudig eintauschen,
    um nur noch einmal eine Stunde zu leben,
    und wenn es als der Geringste seiner Sklaven wäre.


    So groß sind Gier und Neid der Toten.
    Das müsst ihr wissen, meine Freunde:


    Wir sind hier eine kleine Weile in der oberen Welt,
    und sie sind dort für ewig in der Unterwelt.
    Je länger ein Schatten schon in der Unterwelt haust, desto weniger denkt er noch wie ein Mensch.
    Er beginnt alles zu hassen, was lebendig ist.
    Doch gerade diese Toten sind die Lohnendsten,
    denn sie wissen alles, was die anderen Toten wissen. Mehr freilich auch nicht.


    Wenn man die Schatten beschwören will, ruft man sie mit Blut von Lebendigem.


    Das ist die Sciomantia, die Beschwörung der Schatten oder Imagines. *


    Eine eigentliche Necyomantea kann nur durchgeführt werden, wenn der tote Leib oder Teile davon in der Hand des Magus sind; dann schlägt der Leichnam die Augen auf und spricht.


    Wenn ich die Schatten der Toten herbeirufe, werden sie kommen und mit unstillbarer Gier vom Opferblut trinken, und wenn sie getrunken haben, kann man sie befragen oder ihnen etwas mitteilen.


    Daher ist es wichtig, dass ihr ab jetzt auf euren Plätzen bleibt und sie im keinen Augenblick verlasst.


    Selbst wenn die herbeigezwungenen Umbrae euch anflehen mit süßesten Stimmen, wenn die Imagines von Vater oder Mutter, der oder dem zärtlichen Geliebten, den liebsten Kindern auftauchen; ihr könnt sie nicht umarmen, wie Rauch sind sie zwischen euren Händen. Sie jedoch sind schädlich für euch.


    Hast du das schwarze Tier dabei, wie ich es dir aufgetragen habe, ohne ein weißes Haar oder eine weiße Feder am Leib?“

    Hairan wandte sich nun direkt an Terpander.



    Sim-Off:

    * Bilder, Trugbilder

    Am nächsten Abend kam Aethra nicht zurück, um ihren Pflichten nachzugehen.
    Hairan war zunächst überrascht, aber nicht lange: Der Halsring hatte ja schon von Anfang verraten, dass die Sklavin es nirgends lange aushielt. Sie lernte wohl auch nicht dazu.


    Das Aethra was zugestoßen war, glaubte er keinen Augenblick. Der flammendorange Schleier wies sie als seine Dienerin aus, und es gab wenige Männer, die sich am Eigentum eines Magus vergreifen würden.


    Vielleicht trödelte sie irgendwo herum.


    Oder hielt sich nicht an die Regeln und hob ihren Rock für einen Burschen.
    Kandidaten dafür waren der Alexandriner Sklavenjüngling oder aber - Hairan hatte die Geschichte, dass Kyriakos sie entführt hatte, nie so wirklich geglaubt - der ansehnliche Lupo, dem sie schon einmal nachgelaufen war.


    Hairan musste sein Wasser am Abend selbst holen, was seine Laune auf einen Tiefpunkt sinken ließ.

    Die Antwort Aethras verblüffte Hairan. Er warf den Kopf zurück und lachte laut auf.


    "Was für eine mima* du bist!", spottete er:
    "Meinst du, so spricht ein wirklicher daimon? Aber dir ist es gelungen, mich mit deiner kleinen Komödie zu amüsieren; lass den Eimer also nach sinken und gieße den Rest Wasser in den Zuber. Und dann kämm dir das Öl aus den Haaren."


    Er wurde ernst:
    "Werd nie wieder frech, Aethra!", sagte er:
    "Und nun kannst du putzen bis zum Dunkelwerden und dich dann irgendwo auf dem Boden zur Ruhe legen."


    Sim-Off:

    * lat. Schauspielerin, Komödiantin

    Der Raum des Magus war in Dunkelheit gehüllt, als Hairan den nächtlichen Gästen die Tür öffnete. Vier Fackeln, die in jeder Ecke in Haltern steckten, spendeten flackerndes Licht.
    Der rote Schein war jedoch zu schwach, als dass Hairan in der jungen Frau im grünen Gewand den Sklaven Tiberios erkannt hätte. Dass Terpander überhaupt eine Frau dabei hatte, wunderte den Parther nicht; Männer brachten ab und zu Weiber mit zu ihm, die etwas erleben wollten oder um sie zu beeindrucken.


    Aber selbst wenn er den Alexandriner erkannt hätte; Hairan wäre zu professionell gewesen, um über seine mädchenhafte Aufmachung ein Wort zu verlieren, da hätte der sich nicht sorgen brauchen; denn Terpander war ein Kunde und trotz seines unfreien Standes hatte er sich als zahlungskräftig erwiesen.


    „Salve!“, sprach Hairan: „Du bist pünktlich. Setz dich!"
    Er sprach mit dem Mann, nicht mit der Frau, so wie es Sitte war in zivilisierten Landen, mochte der Mann dafür Sorge tragen, dass sein Weib sich gesittet benahm.


    Hairan wies auf die beiden Stühle, die normalerweise vor dem Schreibtisch standen. Er hatte einen davon
    so umgedreht, dass seine Sitzfläche nun in den Raum hinein wies; mochte der Grieche sich darum kümmern, ob seine Begleiterin auf dem anderen Stuhl oder auf dem Boden sitzen würde.


    Erst dann begann Anis von Alexandria mit den Vorbereitungen. Er stellte einen Dreifuß in die Mitte der Halle, eine Räucherschale aus Blei kam oben darauf.
    Dort warf er die Kräutermischung hinein, die er für diese Zwecke bereitet hatte: getrocknete Samen und Pflanzen bei Neumond aus seinem kleinen, persönlichen Garten des Tartaros geerntet:
    Bilsenkraut, Coriander, schwarze Mohnsamen und Schierling; dazu noch Schwefel, ein winziges Flämmchen glänzte auf und eine dünne Rauchsäule erwachte, um sich höher und höher zu schrauben; tief atmete Hairan den Geruch des Räucherwerks ein. Der Rauch würde nicht lange brauchen, um auch seine Gäste zu erreichen, und wie im Traum würden sie sein, den Geist sehr offen für das, was sie zu sehen und Hairan ihnen zu zeigen wünschte.


    „Bevor wir uns vorbereiten und mit der Anrufung der chthonischen Gottheiten* beginnen, unter deren Schutz wir uns heute Nacht begeben, muss ich euch etwas über die Umbrae, die Schatten aus dem Hades, sagen. Es ist wichtig, dass ihr begreift, damit kein Fehler geschieht.“, sprach der Parther aus der Dunkelheit.
    Erst jetzt entzündete er seine Fackel. Er war einer der Magoi, der Feuerpriester, und die Heilige Flamme von Oromazes war sein Schild.


    Dass Hairan die entbehrungsreiche Ausbildung zum Magos nie beendet hatte, brauchten die Kunden nicht zu wissen.


    Sim-Off:

    *chthonische Götter Götter der Unterwelt [zu grch. chthon „Erde“]

    Hairan korrigierte Aethra nicht; sie konnte nicht wissen, dass er Tiberios'Geschichte vielleicht von allen Bewohnern Romas am besten kannte - vielleicht sogar besser als der furische Sklave selbst.


    "Ganz einfach, wenn du versagst, zünde ich deine Haare an.", sagte er in einem Tonfall, als würde er plaudern:
    "Ich kann gut mit Feuer umgehen, glaube mir. Also wirst du nicht versagen. Doch sollten deine Kräfte wirklich erlahmen, so lass dir eine Geschichte einfallen, um mich zu unterhalten. Vielleicht amüsiert mich das, ich gerate in weiche Stimmung und gewähre dir die Gnade, mir weiter dienen zu dürfen. "

    Aethra sollte sich das nächste Mal sehr in Acht nehmen, wie sie das Wort an ihn richtete. Vielleicht wäre das diesmal eine Lektion. Vielleicht eine tödliche, vielleicht nicht.


    Vielleicht aber würde die Todesangst der Keltin den daimon wieder hervorlocken; Hairan wartete ab.

    Hairan beobachtete, wie sich die junge Frau mit dem Eimer abmühte.


    "Alles richtig, was du über den furischen Sklaven weißt. Nur das mit dem Fehler der Mutter - sie war vollkommen unschuldig. Der große Irrtum jedoch wurde berichtigt - aber auch nicht so, wie es hätte sein sollen.
    Tiberios hat wahrhaft Grund dazu, Fortuna auf Knien zu danken.
    Aber ich glaube nicht, dass du meine Worte verstehst. Und deine Worte klingen eher so, als wolltest du den Jüngling loben anstatt sein Verderben.
    Doch wie die Römer so treffend sagen: Varium et mutabile semper femina


    Ich habe nicht gesagt, dass du den Eimer abstellen kannst. Und weißt du, was geschieht, Aethra, wenn du es doch tust?"


    Hairan lächelte.



    Sim-Off:

    Stets wankelmütig und launisch die Frau, Vergil. Aeneis IV