Beiträge von Hairan

    Hairan erkannte sofort, wenn er auf einen Meister traf, und dieser Mann vor ihm, der so gemütlich und arglos lächelte, war einer.
    Deshalb ging er auch in Seide, wurde in einer Sänfte, begleitet von einem Gefolge auserlesener Sklaven, getragen und gab sich den kostspieligsten Genüssen hin, während er, Hairan, zu Fuß in die nächste Garküche ging, um sich spelzigen puls mit Frühlingszwiebeln zum Frühstück zu kaufen.


    Viridomarus hatte in allem Recht: Der Hüter uralten Wissens zu sein war viel zugkräftiger als ein Verkäufer von Neuheiten, die in der nächsten Saison vielleicht schon vergessen waren; die Moden in Rom wechselten schnell. Sogar die Subura mochte sich als Standortvorteil entpuppen.


    Hairan nickte also bedächtig und sprach langsam:
    „Du bist sehr klug, edler Viridomarus . Nicht umsonst heißt es ja ad aspera at astra - Durch Mühsal gelangt man zu den Sternen. Die Subura selbst ist die Prüfung, durch die der Kunde, der den Rat der Götter sucht, gehen muss. Das hat Vorbilder in der ganzen Welt: Bei den Barbaren gibt es einen Gott, der sich selbst neun Tage aufhängt, um Weisheit zu erlangen. Ohne Prüfungen zu überwinden ist die Erkenntnis nichts wert. Und wenn nicht Prüfung, so doch wenigstens ein kleines schlüpfriges Abenteuer für die gelangweilte Oberschicht."


    Mit zehn Prozent war er einverstanden. Die Zusage, dass Viridomarus ihn weiterempfehlen würde, war ein geldwerter Vorteil, der noch obendrauf gelegt wurde.


    „ Dann wären wir uns von meiner Seite aus einig.“, sagte Hairan und legte eine Hand aufs Herz.

    Hairan nickte ruhig.
    Tatsächlich war Viridomarus, so weit das ein Händler sein konnte, nach seinem Geschmack – war er auch nicht von Adel, war er doch sehr, sehr reich und überaus geschäftstüchtig.


    Der Parther probierte die Flacons einzeln durch und suchte zielsicher die heraus, deren Herznoten Styrax, Moschus und Ambra waren, gleichermaßen drei für Herren und drei für Damen:
    „Diese sechs Parfüms wären es, und ich werde auch gleich ein Schild für die Tür, auf dem ich diese Neuheiten ankündige, entwerfen. Vielleicht etwas Gediegenes auf Bronze. Wenn du mir die Namen der Flacons verrätst. Ich dachte an : Neu - Weltneuheit - magische Düfte...."


    Wenn Hairan recht überlegte, widerte ihn die Subura ohnehin langsam an. Er sah seinen eigentlichen Platz – also den Platz für den er geboren worden war – ganz woanders.
    Zumindest nicht darin, Hungerleidern und Sklaven die Ohren über Liebesglück oder sonstige Belanglosigkeiten mit ihren Bälgern vollzusülzen.
    Magoi seiner Familie standen als Berater hinter dem parthischen Königsthron, und warum sollte er als Anis von Alexandria nicht einen hochstehenden Mann in Rom beraten?
    Schließlich war er ein Karena.
    ( Dass der Familienrat der Karena ihn hatte wissen lassen, er dürfe nie wieder zurückkehren, vergaß er gerne):


    „Du weißt allerdings, o edler Viridomarus , dass dies hier leider nur die Subura ist.“, sprach Hairan:
    „Ich hoffe sehr, dass sich ab und zu einmal ein Kunde hierher verirrt, der deine kostbaren Wohlgerüche zu schätzen weiß – und noch wichtiger, der sie sich leisten kann.
    Die Laufkundschaft ist durchweg von niedrigem oder niedrigsten Stand. Doch das muss ja nicht immer so bleiben, nicht wahr.
    Ich wäre dir verbunden, wenn du – natürlich nur wenn es passt – den Namen Anis von Alexandria gegenüber deiner wohlhabenden Kundschaft erwähnen würdest. So ginge doch alles Hand in Hand.“


    Er erhob sich wieder und goss noch etwas Wein durch das Sieb, obwohl es ihm missfiel, den anderen bedienen zu müssen wie ein Sklave:


    „Noch etwas Wein, edler Viridomarus ? Und dann sprechen wir über die Preise der Parfüms und den Anteil, den du mir zugedacht hast."

    "Nimm Platz, edler Viridomarus", sagte Hairan und wies auf einen der Sessel:
    "Es tut mir Leid, dass ich gerade keinen Sklaven habe, so muss ich selbst für die Erfrischungen sorgen. Darf ich dir geeisten Wein anbieten?"
    Der Wein wurde durch ein Sieb gegossen, das mit Eis gefüllt war, und bekam dadurch die gewünschte Kühle, ohne dass man allzu viel des kostbaren gefrorenen Wassers verbrauchen musste.


    „In der Tat sind Düfte eine gute Idee“, sprach der Parther, nach dem er seinem Besucher eingeschenkt hatte:
    „Denn im Duft, der einen Mann oder eine Frau wie einen Mantel umhüllt, reflektiert man seine Beziehungen zu den Göttern. Jede Gottheit hat Düfte, die sie bevorzugt:
    Das heilige Styrax : balsamisch, süß, zimtig, harzig, blumig, der Iuno lieb, ein Muss für eine römische matrona.
    Dann Kostuswurzelöl, die Vitalität des Gottes Mars, genauso wie Moschus.
    Ambra, teure Frucht des Meeres, der schaumgeborenen Venus geweiht.
    Aber ich bin kein Experte, du kannst mir bestimmt noch mehr darüber verraten."


    Hairan nickte wohlgefällig, als der Sklave die kleinen Phiolen geschickt auf seinen Schreibtisch stellte. Vorsichtshalber nahm er den Dolch weg, der Nubier sollte sich nicht verletzen.


    Er nahm den ersten Glasflakon in die Hand und schnupperte daran:
    „Und wie hast du dir das Geschäft vorgestellt, edler Virridomarus? Ich würde die Parfüme in Komission nehmen?"

    Hairan war einmal wieder in sentimentaler Stimmung und betrachtete das Bild seines von ihm so fernen Weibes
    So jung noch und wie eine Witwe musste sie leben, seit er fort war., umgeben nur von alten Dienerinnen und Eunuchen.
    Hairan erinnerte sich daran, wie Nannaia, die edle Tochter aus dem Hause Suren, in seinen Palast geführt wurde, zwölf Jahre alt und tief verschleiert und wie er nach tagelangen höchst komplizierten Hochzeitsritualen den Schleier endlich hob und..….


    Es klopft dreimal, wie es angemessen war.


    Hairan erwartete einen Kunden zu sehen, aber diesmal war es kein Kunde.
    Kurz bewunderte der Magus die muskulöse Statur des schwarzglänzenden nubischen Sklaven , dann schritt auch schon dessen Herr daher, stattlich und wohlbeleibt, was für Orientalen wie Hairan betörenden Reichtum bedeutete. Virridomarus war gesalbt mit edlen Düften, trug kostbare Gewänder und kam in einer Sänfte, begleitet von einer Schar ergebener Sklaven.


    Virridomarus war der Vermieter dieses Hauses. Das Haus selbst war eine Bruchbude in der Subura, aber mit einem hübschen hortus, der an die rückwärtige fensterlose Steinmauer einer Insula grenzte. Genau das Richtige für Hairans Zwecke, daher dachte er nicht daran, zu feilschen.


    Er setzte sein Lächeln auf, aber seine Augen blickten schwarz und unbewegt wie die von gewissen Reptilien:


    „Salve, edler Virridomarus!“, sprach er und erhob sich von seinem Platz, diese Ehre erwies er sonst keinem.

    Hairan begriff sofort: Der Barbar war nicht verrückt, er hatte sich nur schnell getröstet, eine Konkubine genommen und ein Kind, gezeugt, da war der Rat der verstorbenen Gattin also fast schon zu spät gekommen.
    Und das Balg hieß nach der Ex, wirklich pietätvoll.


    Wenigstens wußte Hairan so, dass das Kind ein Mädchen war, der Name Aislin hätte es ihm nicht verraten. Und der Parther ging davon aus, dass die Frau eine Sklavin und das Kind natürlich dann auch eine war, bei den Römern folgte ein Gör dem Rang der Mutter, daran gab es nichts zu rütteln.
    Beziehungen zu freien Menschen kamen zwar ab und zu vor, landeten jedoch wegen diverser Schadensersatzforderungen regelmäßig vor Gericht.


    Hairan schloss die Augen:
    „ Iduna und Aislin“, sagte er: „ Deine wunderschöne Iduna und eure reizende Tochter.“


    Jetzt kam das Folgende darauf an, was für eine Einstellung der Blonde zu seinem Los hatte.


    Einmal hatte Hairan eine kriegsgefangene Sklavin kennen gelernt, die konnte er mit seinem Gequassel von „gefangenes Falkenweibchen im goldenen Käfig“ fast bis aufs Lager kriegen, obwohl er sich gar nicht so viel daraus machte. Aber hätte er es darauf angelegt, hätte sich bald das Wort „Freiheit“ mit Seufzen und Stöhnen gemischt, was bei solchen Möchtegernrebellinnen abzusehen
    war. )*


    Bestimmt fühlte auch dieser Barbar, dessen frühere Familie man ermordet hatte, nicht allzu große Begeisterung über seine neuen Herren.


    „ Ich sehe eine kostbare Stute und ihr schönes Fohlen, angebunden im goldenen Stall, einem Römer und seinen gierigen Händen zum Ergötzen.“, sagte Hairan und hob die Stimme, als wäre er erschüttert:


    „Der Schmerz muss groß sein bei einem wilden Hengst, der einst in Freiheit lebte. “



    Hairan nickte leicht und gab Lurco zehn Sesterzen zurück.
    "Blasphemie ist ein Übel unserer Zeit, junger Hüter der Wölfin", sprach er:
    " Gottlose Menschen rufen Feuerbrünste, die Pest und Missernten auf uns herab. Kürzlich gab es einen Großbrand hier in der Subura, vielleicht hätten ein paar Christen am Kreuz den Zorn der Götter besänftigt.
    Aber leider ist die Tendenz heutzutage, alles zu verzeihen und alles zu verstehen"


    Der Magus seufzte:
    "Doch genug der düsteren Gedanken.. Es war angenehm, mit einem jungen Mann, Geschäfte zu machen, der noch denkt wie die Männer, die das Imperium groß gemacht haben. Vale bene, miles Lurco."


    Hairan entließ den jungen Urbaner für seine Begriffe mit überschwenglicher Freundlichkeit.

    "Das Kästchen und von dem Labdanum sollst du haben, Hüter der Wölfin", sprach Hairan und brach einige großzügige Brocken vom dem Harz ab, um sie in das Kästchen zu legen.


    Es gefiel ihm, dass Lurco den ausgemachten Preis im Kopf hatte, und dass er sich respektvoll verhielt. Trotz seiner Betrügereien sah sich Hairan selbst durchaus als ein Werkzeug der Götter:
    "Viel Glück für dich und deinen Gefährten! Ich habe nichts dagegen, wenn du den Namen Anis von Alexandria wohlwollend bei deinen Kameraden in der Castra erwähnst, wenn auch besser nicht bei deinen Vorgesetzten"

    Was Hairan nicht dazu sagte, war, dass es ab und zu Verbannungen oder sogar Hinrichtungen von Magiern und Hexen gab, und dass der Anlass für Verfolgungen für gewöhnlich Giftmord an hochstehenden Personen war.
    Stattdessen seufzte er:
    "Oft gibt es großes Unverständnis, ja sogar Vorurteile den Männern und Frauen gegenüber, die sich dem Dienst an den Göttern verschrieben haben, bedauerliche Missverständnisse!"
    und schüttelte betrübt den Kopf, wobei er die schweren Lider halb senkte:
    "Leg die neunzig Sesterzen auf den Tisch, Sohn des Mars, und wenn du einen Aureus hast, kann ich dir zehn herausgeben.", sprach er.

    „Komm herein!“, sprach Hairan , und als er sah, dass es der Urbaner war:


    „Salve, Sohn des Mars, Hüter der Wölfin. Du kommst um das Geschenk deines Freundes abzuholen.“
    Das war klar, aber Hairan sagte es so feierlich, als wäre es eine weitere Prophezeiung. Und außerdem kommst du, mir meine achzig Sesterzen zu bringen, dachte er.
    Vorsichtshalber griff er wie in Gedanken versunken nach dem Dolch auf seinem Tisch und drehte die Spitze weg von dem Besucher. Er hatte keinerlei Interesse daran, dass sich der miles aus Versehen verletzte und womöglich tot zusammenbrach. Soviele Fragen, wie man ihm in diesem Fall stellen würde, konnte er gar nicht nicht beantworten.


    Hairan drehte sich um und holte das Amulett aus seiner Truhe hervor. Er hatte es in einem Kästchen aus Sandelholz aufbewahrt:


    Mit Salz und Labdanum, das Räucherwerk, das dem Mars geweiht ist , habe ich den göttlichen Segen gerufen.“, sagte er, und legte ein Stück des gelblichgrünen Harzes der Cistrosengewächse in die Räucherschale.
    Der honigartige Kräuterduft, der aber auch einen kräftige Unterton von männlichem Moschus hatte, zog zu dem Kunden hin :


    Auch der göttliche Faunus liebt Labdanum“, fuhr er fort:
    „Denn er ist der uralte Gott der edlen Männer vom Tiber, deren virtutes sie zu den Herren der bewohnten Welt gemacht haben.“


    Wenn meine Familie mitansehen müsste, wie ich vor den Römern buckle, dachte Hairan und dann: Es geschieht ihr Recht, denn sie hat mich verstoßen….


    Rasch rief er sich zur Ordnung, und öffnete das Kästchen:


    Der Anhänger hatte die von Lurco gewünschte Größe; schweres Gold, war aber während des Soldatendienstes nicht hinderlich. Er zeigte den Ziegenbock mit dem fein ziselierten Fell im Lorbeerkranz, nur die Pute und die beiden Glocken der Darstellung auf dem Denar fehlten.


    Hairan machte eine Pause in seinen Ausführungen.
    Er hoffte, Lurco hatte den vereinbarten Preis noch im Kopf und würde die Sesterzen auf den Tisch legen. Preise zu nennen hatte immer den unangenehmen Beigeschmack von Geschacher und verdarb die magische Stimmung.

    Gefährtin und Kind ? Hairan verbarg ein gewisses Erstaunen unter einer ausdruckslosen Miene:
    Hatte er dem Barbaren nicht gerade versichert, Gefährtin und Kind wären glücklich im keltischen Elysium. Weshalb fragte er noch mal nach den Beiden ? Hatte der Bursche etwa die Dreistigkeit besessen, ihm nicht zuzuhören und dass obwohl er in den letzten beiden Zeilen der Prophezeiung sogar so etwas wie einen Reim zustande gebracht hatte? War künstlerische Mühe denn gar nichts wert?


    Aber Geld hatte der Sklave, Geld wie Heu. Seltsam, dass all diese Sklaven in Rom an Geld kamen. In seinem Haushalt früher waren die Sklaven schon froh gewesen, wenn sie Trinkwasser zugeteilt bekamen...


    Der Kelte fischte währendessen zehn Sesterzen aus seinem prallgefüllten Beutel. Außerdem schaute er gerührt drein - wie ein waidwunder Bär - ;er hatte die Weissagung bestimmt vernommen.


    Oder war das Glänzen in seinen Augen keine Rührung, sondern das Glitzern daimonischer Besessenheit?
    Vielleicht war der Bursche nicht ganz bei Verstand. Der Kummer hatte ihm den Geist verwirrt und ihn zur Beute der nekydaimones gemacht: Er glaubte, seine tote Gefährtin und sein toter Sohn lebten noch mit ihm und hätten gar eine Zukunft?


    Hairan griff seinen Dolch auf dem Tisch und drehte ihn so hin, dass die Spitze nun auf den Mann zeigte.
    Er hatte die zierliche Waffe vorhin mit dem Gift aus verrottten Vipern imprägniert, welches er in der besonders verkorkten kleinen Amphore in seiner Truhe aufbewahrte – und das widerwärtig stank, weshalb er den Kadavergeruch stets mit Räucherwerk übertünchen musste.
    Ein Ritzer mit der Dolchspitze würde genügen – und der wahnsinnige Barbar würde noch bevor er die Ausgangstür erreichte zusammenbrechen.
    Hairan hoffte jedoch nicht zu diesem äußersten Mittel greifen zu müssen. Das Entsorgen von Toten wurde auch immer schwieriger, seit soviele Urbaner durch die Subura Streife liefen , und nun bekamen sie sogar in Kürze eine neue Station….


    „Junger Freund“, sagte der Parther gemessen, aber vorsichtig:
    " Für die Glücklichen in Tir na nOg ist die Zeit eine andere als bei uns auf Erden. Während du hier ein ganzes Leben lebst, ist für sie gerade einmal ein Tag vergangen, und Conor, der tapfere Knabe wird dich erwarten, als sei sein Vater nur einen Tag auf die Jagd gewesen. Aber eine Zukunft haben sie nicht, denn sie sind eben ewig glücklich.
    Dennoch würden sie wünschen, dass du dir in deiner Zeit, die du von ihnen getrennt lebst, eine neue Gefährtin erwählst. Denn es ist nicht gut, dass du dein Leben einsam fristest. Das sagt Aislin die Mutter: Werde wieder froh, Geliebter. Nichts wärmt einen Mann mehr als sein eigenes Herdfeuer mit Weib und Kind! Zweifellos ein weiser Rat deiner verstorbenen Frau.“


    Hairan blickte den Sklaven mit seinen schwarzen Augen unbewegt an: Ob er tobsüchtig werden konnte? Dann ein schneller Schnitt und Aus. Aber der Blonde saß ganz ruhig da. Vielleicht konnte man ihm nochmal etwas Kohle aus den Rippen leiern:


    „Das macht nochmals zehn Sesterzen“, sagte er.



    Sim-Off:

    Oder dann so :D

    "Salve, edler Furius Cerretanus", sagte Hairan und legte die Fingerspitzen aneinander:


    "Ich hatte mich an dich gewandt und will offen sein: Das Mädchen wird dir niemals gut dienen, die Götter haben ihren Verstand verwirrt.
    Allerdings nicht auf die heitere Weise, dass sie wenigstens noch als Sklavennärrin deine Gäste unterhalten könnte.
    Aber so jemand ist gut für mein Geschäft der Wahrsagerei. Daher bin ich daran interessiert, diese Eireann zu mieten, wenn es dir genehm ist, und es soll, wie ich schon geschrieben habe, dein Schaden nicht sein.
    Ich schlage einen Denar am Tag vor, das ist der Arbeitslohn eines guten Arbeiters."

    Dafür stand schon der nächste Kunde vor der Tür, und ja, der hatte ordentlich dreimal geklopft:
    "Salve, tritt ein ! Mit was kann dir Anis von Alexandria helfen.", sprach Hairan.


    Er kannte den Mann flüchtig vom Sehen von der Brandstätte des Ganymed.. Das war dieser Optio, der Besitzer der Sklavin mit dem Wahrsagedaimon. Mal sehen, ob man mit ihm ins Geschäft kam.

    Ein Straßenjunge aus der Subura möchte sich ein paar Asse verdienen und gibt eilfertig ein Schreiben am Posteingang der Castra ab ( wehe, er hätte das nicht zuverlässig erledigt.....)



    Ad Manius Purgitius Lurco miles
    Castra Praetoria
    Cohortes Urbanae,
    Zwölfte Kohorte,
    dritte Zenturie
    siebtes Contubernium


    Salve Manius Purgitius Lurco
    Ich freue mich, dir mitteilen zu können, dass deine Auftragsarbeit beendet ist und zur Abholung bereit liegt.
    Den Segen aller wohlmeinenden Götter auf dich und dein Haus .


    Vale bene
    Anis von Alexandria

    Bei dem Namen Aislin traten diesem Angus Tränen in die Augen.
    Aislin und Conor, Weib und Sohn, das lief ja wie geschmiert, dachte Hairan.


    Er legte eine Redepause, wie um sich zu sammeln, ein; tatsächlich aber hatte er gemerkt, dass es umso eindrucksvoller wurde, je länger er schwieg.
    Die aufgehängten Glöckchen und Münzen klingelten im Luftzug, der Weihrauch kräuselte sich, und erst nach geraumer Zeit begann der Parther zu sprechen.
    Er erhob nicht etwa die Stimme, er senkte sie und dennoch war er gut zu verstehen, das lag an der Akkustik des Raumes:


    „Conor der Sohn
    in Tir na nOg
    geliebt von den Göttern trotz seiner Jugend,
    flink fängt er mit einer Hand
    die Forelle im klaren Bach.
    Er hält die Zügel der göttlichen Pferde
    begleitet zur Jagd die Unsterblichen,
    schenkt ihnen abends ein in ihren Hallen.
    Und freut sich seiner Stärke.
    Dann eilt er zur Mutter, der tapfere Jüngling
    Sie steht auf der Schwelle, erwartet ihn schon
    Aislin die Mutter, Conor der Sohn.“
    ...


    ...oder was sich diese keltischen Barbaren sonst so unter ihrem Elysium vorstellen mögen, dachte Hairan.


    Der Magier seufzte tief und sah um sich, fasste sich dann wie leidend an die Stirn, der Besucher sollte ruhig sehen, welche Last es war, mit den Göttern zu sprechen.


    „Hatten die Unsterblichen eine erfreuliche Botschaft für dich?“, sagte er mit jenem Lächeln, das seine Augen nie erreichte:
    „Denn ich weiß nicht, was sie dir verkündet haben.“


    Wie beiläufig nahm er den Dolch zur Hand und wog ihn hin und her:


    „Das macht übrigens zehn Sesterzen, Freund Angus.“, sprach er mit geheuchelter Freundlichkeit: „Ich hoffe, du bist ein junger Sklave mit Geld. Denn bei Anis von Alexandria kann man nicht anschreiben lassen.“

    Hairan wollte diesen Angus, der bestimmt nur ein Sklave oder libertus war, schon mit einer nachlässigen Handbewegung auffordern, wieder herauszustolpern, da fiel ihm wieder ein, mit welcher unpassenden Sentimentalität manche Römer an ihren nichtswürdigen Sklaven und Freigelassenen hingen.
    Vielleicht hatte dieser Angus ja das Ohr seiner Herrschaft. Römische, wohlhabende Kundschaft verirrte sich ohnehin zu selten in die Subura.


    Nachdenklich und ohne zu blinzeln starrte der Parther Angus an. Angus – ein Kelte, dachte er. Vermutlich ein ehemaliger Kriegsgefangener, groß, kräftig, ansehnlich, gut ernährt – eventuell der custos corporis einer reichen Dame, die ihn auch noch für ganz andere Dienste gekauft hat, als nur ihr Leibwächter zu sein? (Hairan hielt nicht viel von diesen freizügigen Römerinnen. Seinem eigenen Weib in der Heimat hatten sich nur Eunuchen nähern dürfen.)


    Er würde dem Besucher noch etwas mehr auf den Zahn fühlen müssen, bevor er entschied, was er mit ihm machen würde.
    Der Magier bemerkte, wie Angus sich in dem Raum umschaute. Das gefiel ihm, denn der Raum war nach seinen Entwürfen gestaltet worden, und er selbst fand ihn sehr eindrucksvoll.
    „ Was du hier siehst, sind die Götter Aegyptens, junger Freund.“, sagte er: „ Altehrwürdige Götter, viel älter als Roma. Du siehst hier Anubis mit dem Schakalkopf, Horus mit dem Falkenkopf und Sachmet, die Löwenköpfige, die alle Geheimnisse aufdeckt.“


    Er lächelte dünn:
    „Die Götter lassen niemanden grundlos in die Halle eines Wahrsagers kommen. Sei gewiss, dass sie deine Schritte lenkten und dich vor meiner Tür stolpern ließen.“


    Hairan machte eine Pause und senkte die Lider einen Moment, bevor er sie öffnete und seine schwarzen Augen den Kelten fixierten:
    Dann sprach er sehr gemessen:
    „Die Götter haben mir gesagt, dass die schöne Frau, von der du so schmerzlich getrennt wurdest, nun in den grünen Auen von Tír na nÓg weilt. Ich soll dir sagen: Sei nicht mehr traurig, ich bin jetzt glücklich und bei den Göttern.“


    Diese Aussage war nicht allzu schwierig zu treffen. Hairan wußte, dass die Kelten ihr Elysium Tír na nÓg oder auch Avalon nannten.
    Und bei einem Kriegsgefangenen gab es immer eine Frau, die getötet oder entführt worden war, vorzugsweise vor seinen Augen: Eine Gattin, eine Schwester, die Mutter, das war so sicher wie dass man an den römischen Kaiser Steuern zahlen musste, dachte Hairan ohne jedes Mitgefühl:
    Ob sie schön war – diese Barbaren hatten andere ästhetische Vorstellungen und würden auch einen Bären in einem Frauengewand für schön halten. Die Aussage, dass die Frau aus Angus' Leben nun glücklich war, würde den blonden Barbaren vermutlich auch glücklich machen. Das Herauskitzeln von weiteren Informationen war ab da ein Kinderspiel.

    Hairan musterte den Neuankömmling mit ungefähr so viel Freundlichkeit wie wenn man ein widerliches Insekt an der Wand entdeckt.


    Was war das für ein junger Mann? Ein Kunde? Aber dann hätte er angeklopft….Allerdings sah er mit seinem blonden, wilden Haar wie ein Barbar aus.
    Vielleicht hatte er das Schild gar nicht lesen können.
    Hairan beschloss bei sich, sein Eingangschild mit dem Bild einer klopfenden Hand und dem römischen Symbol III für mögliche ratsuchende Analphabeten zu ergänzen.
    Das Anklopfen war dem Parther wichtig. Bei seinem Beruf brauchte es Diskretion, und viele seiner Kunden wollten keinem anderen Kunden begegnen.


    „Wenn man ein fremdes Haus betritt, junger Freund, so ist es üblich, dass man anklopft, sich vorstellt und sagt, was man begehrt“, rügte Hairan sehr sanft, denn immerhin hatte der Bursche sich auf Latein entschuldigt (wenigstens war er einer der Sprachen der zivilisierten Welt mächtig und brabbelte nicht irgendein barbarisches Idiom):
    „ Also gebe ich deine Frage an dich zurück. Wie heißt du und was führt dich in das Haus von Anis von Alexandria, Wahrsager und Astrologe ?“

    Der Urbaner Manius Purgitius Lurco war gegangen.
    Wieder ein zufriedener Kunde, dachte Hairan und füllte einige Brocken Weihrauch in die Kupferschale und entzündete sie.
    Als der Rauch dick qualmte holte der Parther eine handtellergroße festverkorkte schwarze Amphore aus der Truhe hinter ihm, öffnete sie, und selbst er schauderte vor dem infernalischen Gestank, der daraus hervorquoll, zurück. Schnell benetzte er die Spitze des parthischen Dolches, der immer auf seinem Schreibtisch neben dem Totenschädel lag, mit einem Tropfen des Inhalts, bevor er die Amphore wieder verschloss und an ihren Platz zurücklegte.


    Aber dann gab es ein Gepolter an der Eingangstür. Hairan runzelte die Stirn. Hatte dieser Lurco die Tür nicht richtig hinter sich zugezogen?


    Wer jetzt auch gerade in die große Halle gestolpert kam, hatte versäumt dreimal zu klopfen, und damit die elementarsten Regeln der Höflichkeit missachtet.


    Hairan verschränkte die Arme und blieb sitzen, wo er war. Ein wölfisches Lächeln umspielte seine Lippen.

    Hairan nickte ernst, als sich der junge Urbaner über das Lob des Dienstes der Urbanici für die urbs zu freuen schien:
    „Die Undankbaren und Hochmütigen, die die Götter schmähen, werden ihre Strafe erhalten, junger Sohn des Mars. Sie werden im Tartaros noch um Gnade winseln, während du und deine Kameraden einst an der Seite der Götter im Elysium wandeln.“, sprach er gemessen.


    Es war vielleicht gar nicht schlecht, jemanden der urbanici zu kennen. Wenn hier erst einmal die Soldaten ein -und ausgingen, würden es wenige noch wagen, ihre Stimme gegen Anis von Alexandria zu erheben.


    Hairan notierte sich Namen und die Angaben von Lurco. Ein Purgitier, also. Diese Famiie kannte er nicht namentlich, aber es würde nichts schaden, über sie Erkundigungen einzuziehen .
    Vielleicht hätte man hier einen Fuß in der Tür einer einflussreichen römischen gens.
    Vielleicht war der Preisnachlass für Manius Purgitius Lurco die beste Investition in die Zukunft, die er machen konnte.


    „Das Bild wie auf der Münze, das heilige Tier umrahmt von Lorbeer “, wiederholte Hairan Lurcos Wunsch: „In schwerem Gold. Das ist fürwahr ein fürstliches Geschenk, Sohn des Mars, und der Segen aller wohlwollenden Götter, aber besonders des Faunus, den dein Freund verehrt und der des Kriegsgottes, er euch milites beschützt, wird dieses Schmuckstück zu einem Schutzamulett machen.“


    In diesem Moment drang ein kühler Luftzug durch die Dachluke und brachte die Glöckchen zum Klingeln. Die Vorhänge bauschten sich , und der Weihrauch, der die ganze Zeit vor sich hingekokelt hatte, erlosch, weil sich kein Rest mehr in der Kupferschale befand.
    Der Augenblick war perfekt.


    Hairan überlegte, ob er noch einen draufsetzen sollte. Das mit dem nahen Feind erschien ihm unpassend – vielleicht würde Lurco das sogar auf ihn selbst, Hairan, beziehen. Aber er kannte noch mehr Prophezeiungen, die sowie immer zutreffend als auch verschwommen waren.:


    „Der göttliche Schutz ist wichtig für deinen Freund,
    denn höre, was die Götter mir gerade auftragen, zu sagen:
    Dein Gefährte und du werdet durch eine schwere Zeit geistiger und körperlicher Prüfungen gehen.
    Haltet euch die Treue in aller Mühsal, und am Ende winkt euch der Lorbeer des Siegers.“
    ,
    sprach der Parther langsam und starrte wie in weite Ferne.


    Dann legte er eine Hand an seine Stirn und schloss die Lider, bevor er sie wieder öffnete.


    Er richtete den Blick wieder auf Lurco.

    Hairan hörte das Wort „Castra“ und erschrak innerlich , ohne sich das Geringste anmerken zu lassen.
    Der Römer war kein einfacher miles, er war ein Urbaner oder Prätorianer. Schneidig genug dafür sah er aus.


    Weil sich der Parther nach außen hin an alle Gesetze hielt und sogar regelmäßig seine Steuern bezahlte, hatte er sich bisher erfolgreich aus dem Fokus der Ordnungskräfte heraushalten können. Mindestens die letzten vier Monate hatte sich Hairan sogar überhaupt nichts zu Schulden kommen lassen, zumindest nach seinem Gefühl.
    Falls der Römer aber ein Fahnder in Zivil war, weshalb bat er ihn dann um etwas Freundliches wie einen Glücks- und Schutzzauber und nicht darum, beispielsweise einen Vorgesetzten zu erledigen?
    Entweder war der Römer so heimtückisch, erst Hairans Vertrauen gewinnen zu wollen, bevor die Falle zuschnappte oder sein Auftrag war völlig aufrichtig und harmlos.


    Während Hairan so tat, als würde er sich die Zahlungsbedingungen übelegen, spielte er mehrere Szenarien im Kopf durch : Den Urbaner oder Prätorianer verschwinden zu lassen – ganz schlechte Idee, dann hätte er die gesamte Castra auf dem Hals ? Einfach zu sagen, dass die Darstellung eines Ziegenbocks seine Fähigkeiten überschritt, wäre brüsk und würde den Mann, nachdem sie schon mitten in den Verhandlungen waren, verärgern?
    Hairan beschloss den dritten Weg zu gehen, den Römer wie einen besonders geschätzten und ihm lieben Kunden zu behandeln.
    Und so kam Lurco zu einem großen Preisnachlass, ohne etwas von den Überlegungen Hairans zu ahnen:


    „So bist du, o Sohn des Mars, einer der Hüter dieser Stadt , die dafür sorgen, das gesetzestreue Menschen ruhig schlafen können.“, sprach der Parther, der immer gut schlief, denn tatsächlich hatte es noch nie jemand gewagt, bei ihm einzubrechen, ( Bis vor einem guten Jahr ein Dieb, der sich in seinen Garten verirrt hatte, aber das war noch in einem anderen Haus und unter anderem der Grund für den Umzug in dieses neue Gebäude, das einem gewissen Viridomarus gehörte, gewesen):


    „Ich vertraue dir vollkommen und benötige keine Anzahlung. Fertig wäre ich etwa in zwei Wochen, aber ich würde dir Bescheid geben, wenn du mir deinen Namen hinterlässt.“


    Hairan beugte sich zu seiner Truhe und nahm mehrere Wachstafeln und einen Griffel heraus:
    „Schau her, zu dem Ziegenbock, es gibt einige Entwürfe, die mir gerade einfallen. Auch auf einigen republikanischen Denaren ist die Abbildung des heiligen Tieres zu finden.“
    Hairan skizzierte mit leichter Hand vier Entwürfe, zwei davon glichen kleinen Skulpturen , die anderen beiden lehnten sich an die Münzbilder an:


    "Sage mir bitte, was deine genauen Wünsche sind, denn es ist dein Herz, das zu deinem Kameraden und Freund sprechen will, und selbst für einen Magus birgt ein Menschenherz manchmal noch tiefe Geheimnisse.", sprach er mit jenem Lächeln, das niemals seine schwarzen Augen erreichte.

    Hairan überlegte. Einen Anhänger anfertigen, das klang nach einer schönen Abwechslung. Wie alle magoi beherrschte er ein wenig vom Metallhandwerk, doch die Anwendung seiner Kenntnisse erschöpfte sich für gewöhnlich in der feinen Beschriftung von Bleiblechen.


    „Der alte Gott der Italer, Faunus, Entsühner der Menschen, welch kluge Wahl.“, sagte Hairan, der die Mythologie der in Rom wohnenden Völker leidlich kannte:
    „ Der Anhänger würde den Materialwert des Goldes kosten, was einen halben Aureus beträgt. Dazu kommt meine Arbeitszeit für dreißig Sesterzen. Da Rom sich so weise Gesetze gegen Feuerbrünste gegeben hat, werde ich, um mit offenem Feuer hantieren zu können, die Werkstatt eines befreundeten Schmiedes in Anspruch nehmen .Auch dieser Mann muss bezahlt werden.
    Die Segnungen freilich schenke ich dir dazu, denn dein junges Glück rührt mich....",


    Der Parther, dem andere Menschen für gewöhnlich herzlich egal waren, machte eine kunstvolle Pause:


    "Das Wichtigste, nicht wahr, ist das Wohlwollen der Götter. Ein Ritual des Glückes ist unblutig, nur Salz, Wasser und Sandelholz sind dafür notwendig.“


    Das der Schmied Hairan die Werkstatt kostenlos überlassen würde, weil der Magier genau wusste, dass dessen älterer Bruder nicht an einer Fischvergiftung gestorben war, sagte er nicht dazu, das ging den Römer nichts an.


    Hairan lächelte nun milde und sanft:
    „Was sagst du, Sohn des Mars ? Möchtest du dieses Angebot annehmen ?“