Der Tissi hat Post!
Beiträge von Iullus Seius Iunianus Fango
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<< RE: Ausbildungsturma Ala II Numidia
Fango linste zurück und schmunzelte, um Tisander aufzumuntern. Er fragte sich, wo Tisander so alles seine Spickzettel versteckt hatte. Da er nicht gelernt hatte, musste er welche haben - Zisimos hatte ebenfalls welche, nur wo? Fango als Moralprediger ihrer Turma untersagte sich so jegliche Versuche, das Ergebnis zu manipulieren.
Fango schien einer der Wenigen zu sein, die sich auf die Theorieprüfung freuten. Nicht erst seit gestern hatte er gelernt, sondern seit er hier bei der Ala angefangen hatte lernte er durchgehend. Wenn andere die Post aus der Heimat lasen, las Fango seine eigenen Niederschriften und wiederholte sie im Kopf.
Für ihn war das wichtig, weil er körperlich einer derjenigen war, welche die meisten Probleme hatten, was an seiner geringen Körpergröße lag. Für ihn war schlichtweg alles zu groß, jedes Übungsgerät, jede Waffe, sogar die Pferde und Trainingspartner. Beim Laufen musste er viel mehr Schritte rennen als andere, was ihn langsamer machte, beim Marschieren das Gleiche. So hoffte er, seine Mängel durch besonders gute theoretische Kenntnisse auszugleichen.
Hochkonzentriert starte er nun nach vorn, sein Schreibzeug perfekt an den Tischkanten ausgerichtet vor sich liegend.
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"Hunger auf was zu Essen oder auf eine Lupa?" Das hatte Fango nicht so ganz verstanden. "Dein Fuß auch noch? Zisimos war mein hauptsächliches Versuchsopfer, an dem kann man wunderbar üben, weil er schön stillhält und im Gegensatz zu Alwin nicht wegen jedem kleinen Fehler losjammert."
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"Salve, Vexillarius! Gut, dass du munter bist. Ich muss dir was vorbeibringen", plauderte Fango fröhlich, dem die miese Laune des Vexillarius volle Breitseite ins Gesicht schlug, der sich davon aber nicht im Mindesten beirren ließ. Er spazierte ins Innere und drapierte sein Geschenk auf dem Tisch. Er öffnete das Stofftuch. Das fiel auseinander und offenbarte den zweiten Apfelkuchen, duftend und ofenwarm. Der Erste war im Magen des Duplicarius Andriscus gelandet. "Mit freundlichen Grüßen von der Ausbildungsturma."
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"SALVE, DUPLICARIUS! JAWOHL, DUPLICARIUS!", bellte es Andriscus im Chor entgegen.
Prima, die theoretische Prüfung! Darauf hatte Fango sich schon lange gefreut und über seinen Aufzeichnungen gebüffelt. Begeistert blickte er in die Runde, während Zisimos ein langes Gesicht zog.
Sim-Off: Eröffnest du den Thread oder soll ich?
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Fango nahm Tisander die Salbe weg, um ihn einzureiben. So weit kam es noch, dass der verletzte Freund sich selbst überlassen wurde. Vorsichtig begann Fango mit dem malträtierten Arm. Der arme Tisander litt scheinbar unter Berührungsängsten, wenn er sich nicht einmal traute, nach Hilfe zu fragen. Fango hingegen hatte keinerlei Scheu, von anderen berührt zu werden oder sie anzufassen. Das lag entweder an den heimischen Verwöhn-Sklaven oder daran, dass er zwei Brüder hatte.
"Zisimos hat mich gleich am ersten Tag gefragt, ob ich ihm helfe. Er hat Haare auf dem Rücken, die lassen sich schlecht allein entfernen. Das habe ich für ihn gemacht und im Anschluss hat er mir dann bei meinem Kram geholfen. Und Alwin muss ja auch gepflegt aussehen, so als Kaufmannssöhnchen. Es ist nichts dabei, sich gegenseitig zu helfen, beim Ringen ist man doch auch nackt und grabscht sich überall an."
Er überlegte, ob Tisander schon mal in den Thermen dabei gewesen war, während sie sich balgten oder mit dem Ball spielten (oder beides zugleich, man musste das Regelwerk nicht immer so genau nehmen).
"Lupas scheint es irgendwo in der Stadt zu geben. Da musst du mal den Vexillarius Matinius Ocella fragen, der kennt sich in der Hinsicht am besten aus von den Leuten, die ich so kenne. Oder seinen Bruder, der drückt sich hier auch manchmal rum und ist recht umtriebig." Den Sabaco kannte Fango - er war der beste Freund seines Onkels Stilo und darum manchmal mit ihm gemeinsam zu Gast gewesen in der Domus Iunia. "Alwin brauchst du nicht zu fragen. Der hat seine Frau hier in der Nähe wohnen - die hat ihm auch die Seidenpantöffelchen mitgegeben - und Zisis, na ja, der ist halt Grieche. Den brauchst du wohl genau so wenig zu fragen."
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<< RE: Valetudinarium - Lazarett
Fango klopfte am Türrahmen und schob den Kopf in die Stube, um zu sehen, ob Ocella daheim war.
"Vexillarius?"
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Fango freute sich, dass es ihm gelungen war, dem ramponierten Duplicarius eine Freude zu machen. Gemeinsam mampfen sie Kuchen und plauderten. Die Entspannung war eine Wohltat nach dem, was sie bei dem langen Ritt alles erlebt hatten. Nicht alle Wunden waren sichtbar, doch gerade eben spürte Fango sie nicht mehr.
"Grüße richte ich aus. Der Caesar ist putzmunter und garstig wie eh und je. Kann nur ein gutes Zeichen sein." Fango mochte den Mann nicht sonderlich. Er wirkte, als würde in seiner Brust kein menschliches Herz schlagen, sondern eines aus Eisen. "Decurio Equitius Calenus schiebt Dienst, er humpelt nur ein bisschen."
Dem einen Kuchen zu bringen, hatte Fango sich nicht getraut, obwohl er ihn mitsamt seiner übertriebenen Rüstung ins Herz geschlossen hatte. Ein Decurio war noch eine ganze Nummer höher angesiedelt als ein Unteroffizier, wie Andriscus und Ocella es waren. Einem Offizier brachte man keinen Kuchen, vermutete er, außer vielleicht zu seiner Entlassung.
Fango merkte, dass Andriscus´ Stimmung sich trübte. Vermutlich suchten ihn die grauenvollen Erinnerungen wieder heim. Leider konnte Fango ihm diese nicht aus dem Kopf holen. Andriscus musste selbst mit ihnen fertig werden, so wie Fango und jeder andere. Doch fand Fango, dass es gemeinsam leichter war als allein und so plauderten sie noch ein bisschen, um Andriscus abzulenken, ehe Fango sich wieder verabschiedete. Den Rest des Kuchens "vergaß" er, damit Andriscus noch ein wenig länger etwas davon hatte.
Mit dem zweiten Kuchen suchte Fango nun den Vexillarius, nur um festzustellen, dass der schon entlassen worden war. Jetzt schon?! Mit so einer Wunde?! Fango beschloss, sicherheitshalber nach ihm zu sehen.
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"Eine Lupa?"
Fango runzelte die Stirn und versuchte, den Zusammenhang zu finden. Er fragte sich, ob das vielleicht eine Aufforderung war, Tisander tatsächlich eine leichte Dame zu organisieren, um seine Heilung zu beschleunigen. Als Tiro, der keinen Ausgang bekam, war das allerdings schwierig. Dann fiel ihm ein, wo das Problem lag.
"Oh, ich vergaß - du stammst ja aus einfachen Verhältnissen! Du bist es nicht gewohnt, dass man dich verwöhnt. Weißt du, das ist so. In der Casa Iunia hatten wir einen Haufen Sklaven, da konnte man sich den Besten für jede Aufgabe herauspicken. Man musste nicht einen Finger selbst krumm machen, wenn man nicht wollte und Seia Sanga nicht gerade besonders bösartige Tage hatte. Und falls man so arm ist, dass man keine eigenen Sklaven besitzt, gibt es in den öffentlichen Thermen auch Staatssklaven, die einem behilflich sind. Man muss sich nicht selbst verrenken, um an alle Stellen zu kommen, es gibt immer helfende Hände, die einen einölen und einsalben."
Und was man sonst noch so von ihnen verlangte, zum Beispiel, unerwünschten Haarwuchs weg zu zupfen. Hier in den Thermen der Ala halfen Fango meist Zisimos oder Alwin, wobei er Zisimos den Vorzug gab - der spendierte einem nämlich dabei noch eine Massage.
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Im ersten Moment hatte Fango geglaubt, tatsächlich den Anschiss seines Lebens zu bekommen. Als perfektionistisches Naturell nahm er jede Rüge persönlich. Das Herz klopfte ihm folglich bis sonst wohin, als er das Küchlein auf Andriscus´ Nachttisch stellte. Das auseinanderfallende Tuch offenbarte einen herrlich duftenden Apfelkuchen, dessen Oberfläche beim Backen mit Honig bestrichen worden war, so dass die glänzende Kruste auf der Zunge eine Note von Karamell entfalten würde.
"Den Dicax habe ich natürlich nicht gefragt! Der Medicus wird dir verbieten, den Kuchen zu essen, nur um ihn selber zu verspeisen! Was hast du eigentlich im Gefecht abbekommen? Alle Arme und Beine scheinen noch dran zu sein?"
Langsam beruhigte er sich wieder. Neugierig versuche Fango, den Quell von Andriscus´ Zustand auszumachen.
"Tisander hat einen geprellten Arm und ist auf dem Weg der Besserung. Aber den Vexillarius Matinius hat es übel erwischt! Es sah sehr blutig aus, ich hoffe, er kommt durch." Letzte Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. "Wenn irgendwas den Matinius umhaut und ans Bett fesselt, muss es was Ernstes sein. Ich gehe danach mal nach ihm schauen."
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"Den habe ich mitgenommen und ins Regal gestellt bei den Umkleiden." Fango verschwand kurz und kehrte samt Salbentigel wieder. "Kriegst du das allein hin oder brauchst du die Hilfe meiner schwieligen Hände?" Soldatenhände waren doch ein wenig rauer als die eines Sklaven, dessen Aufgabenbereich Körperpflege war. Sie hatten zeitweise etwas von einem Reibeisen.
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Andriscus erwachte gerade richtig. Im Türrahmen stand Fango, der ein Trösterli in Gestalt eines ofenwarmen Küchleins hochhielt, das in einem Stofftuch steckte und verführerisch duftete.
"Darf man dich besuchen, Duplicarius? Ich habe hier einen saftigen Apfelkuchen, der muss unbedingt gegessen werden."
Das Gefecht und die vielen Toten hatte Fango erschüttert und das Bewusstsein dafür geschärft, wie wertvoll ein Leben war. Er hatte noch ein zweites Küchlein dabei für den Vexillarius, der ein Zimmer weiter lag. Ob einer der Offiziere seinen Besuch überhaupt wollte oder ob das unangemessen war, wusste Fango nicht, aber er ließ sich lieber einmal zu viel wegschicken, als zu riskieren, dass einer seiner Leute allein und von aller Welt vergessen in seinem Krankenzimmer verfaulte.
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Ein wenig später erschien Fango, von Kopf bis Fuß krebsrot. Die gesundheitlichen Vorteile, bei Sommerhitze derart heiß zu baden, schienen fragwürdig, doch Fango war vergnügt. Auch er trug vorbildlich sein Badehandtuch, nur trug er es über den Schultern. Er beugte sich über Tisander, sodass diesem sein Schatten ins Gesicht fiel, um herauszufinden, ob sein Kumpel schlief. Dabei besah er sich auch den malträtierten Arm, der schlimm aussah, verfärbt und deformiert. Seine eigenen Prellungen am Schildarm waren dagegen marginal, alles funktionierte noch, wenn auch unter Schmerzen.
"Tissi?", flüsterte er kaum hörbar.
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<< RE: Ausbildungsturma Ala II Numidia
Nachdem Fango sich entkleidet und Handtuch und Badeschlappen angetan hatte, begleitete er Tisander in die heißen Dampfschwaden, die sie wie duftender Nebel empfingen. Die Stimmen der Soldaten, die bereits badeten und sich unterhielten, hallten ihnen entgegen. In der Ferne tönten die dumpfen Geräusche eines Lederballs und die dazugehörigen Rufe und Lacher.
"Oh Mann, ich liebe heißes Wasser", freute Fango sich. "Aber da du der heutige Pflegefall bist, suchst du aus, wohin wir gehen."
Von der konventionellen Reihenfolge hatte er noch nie etwas gehalten und wie sein Bruder machte er um das Becken mit dem kalten Wasser stets einen großzügigen Bogen, auch im Sommer.
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Natürlich war jemand so freundlich und nicht nur einer. Sie waren Kameraden und hielten zusammen. Tisander wurde von Zisimos vorsichtig aus den Schmutzklamotten gepellt, mit einer Fürsorglichkeit, die man dem grimmig aussehenden Pseudobarbaren nicht unbedingt zutrauen mochte. Alwin nahm die dreckigen Kleider und brachte sie in die Wäsche, wo man sie für Tisander reinigen würde. Fango hingegen reichte Tisander zuvorkommend das Handtuch und schubste ihm mit dem Fuß die hölzernen Badelatschen herüber, so dass der verletzte Kamerad nur noch hineinzuschlüpfen brauchte. Den Salbentigel grabschte er sich aus dem Regal, warf ihn einmal hoch und fing ihn mit der gleichen Hand wieder auf. Mit der anderen krallte er sich sein Badezeug und war bereit, loszuziehen.
"Los komm, ich helfe dir beim Entkrusten!"
RE: Thermae >>
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"Bei den Göttern, TISSI, mach doch mal langsam! Du und deine Ungeduld."
Warf der sein Bettzeug auf den Boden, weil er nicht abwarten konnte, bis die Kameraden ihnen beiden beim Aus-der-Rüstung-fahren geholfen hatten. Und dann warf sich Tisander stinkend und dreckig, ohne was zu essen, in seine provisorische Schlafstatt und war sofort eingeschlafen. Ratlos blickten die Kameraden sich an, dann deckte Fango Tisander noch etwas besser zu und machte sich daran, dessen Ausrüstung zu putzen, genau wie seine, so gut wie das eben mit einem Arm ging. Zisimos und Alwin halfen nach Kräften und gemeinsam war es bald geschafft.
"Ich bin so müde", jammerte Fango. "Kommt einer mit in die Thermen? Ich will kein Blut an mir haben und keinen Dreck. Ich muss das alles abwaschen."
Alwin opferte sich und ging Fango zuliebe ein zweites Mal mit ihm baden, während Zisimos in der Baracke noch etwas saubermachte. Später konnte Fango trotz seiner angekündigten Müdigkeit nicht gleich schlafen und hielt Zisimos noch lange wach, der sich all die Erlebnisse geduldig anhörte, während sie schon im Bett lagen. Fango trug zum Schlafen eine Tunika von Alwin, weil seine Klamotten allesamt im kochend heißen Wasser des Waschbottichs einweichten, mit Unmengen von Seife, und auch die Sachen von Tisander, die dieser gerade nicht trug, wanderten dort hinein. Erst, als der Zisimos nicht mehr reagierte und Fango an seinem leisen Schnarchen merkte, dass er eingeschlafen war, hörte er auf, zu plaudern, und sank ebenfalls in einen unruhigen Schlaf.
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<<< RE: Balas Reise nach Mogontiacum - Teil II
Als Fango in die Stube trat, strahlten ihm Alwins lila Seidenpantoffeln auf dem sauber gefegten Boden entgegen. Auf dem Herd köchelte ein Topf voller Puls, der nach Milch und Honig duftete. Alwin lag barfuß, nur mit weißen Socken, auf seinem Bett und ging Briefe durch, von denen er stets zahlreiche empfing und beantwortete. Mit seinem kurzen, gescheitelten Haar und sorgfältig glattrasiert erinnerte er in nichts an den Barbarenstamm, dem er einst entschlüpft war. Er sah aus wie ein besonders gepflegter Römer.
"Salve, Fango", grüßte er und setzte sich auf. "Ihr kommt später als erwartet."
Doch Fango antwortete nicht. Er sah ihn nur an, in der Tür stehend, mit bebendem Herzen, blutverkrustet, verwundet und abgewrackt.
"Alles in Ordnung?" Alwin musterte Fango kritisch.
"Ja", sagte Fango. "Ich frage mich nur gerade, ob aus dir auch so ein Axtschwinger hätte werden können wie jener, der unseren Ausbilder aufschlitzte. Oder wie der, welcher dem Subpraefectus einen neuen Scheitel gezogen hat."
Das fragte er sich wirklich. Wie viel Barbarentum steckte in Alwin? Wie viel Zivilisation in einem wilden Germanen?
Alwin ordnete seine Papiere und packte sie ordentlich in eine Holzkladde. "Da ich einer Familie kluger Geschäftsleute entstamme kann ich Entwarnung geben. Mir wuchert nicht plötzlich ein Rauschebart und ich reiße mir die Kleider vom Leib, um mich nackt in eine Legion zu stürzen, weil mir eingeredet wird, dass meine Ehre mir Idiotie gebietet. Rom ist die Zukunft, Fango, auch für Germanien. Und ich finde es gut, deshalb möchte ich durch meinen Dienst das Bürgerrecht erlangen. Aber frage doch mal unseren der Wiege aller Zivilisation entstammenden Freund Zisimos, ob aus ihm ein axtschwingender Barbar hätte werden können."
Der Grieche Zisimos, der mit Bart und hüftlanger Löwenmähne barbarischer aussah als jeder andere in ihrer Turma, lächelte nur, sagte aber nichts dazu.
"Nie kriegst du das Maul auf", klagte Fango Zisimos an und fühlte sich gleich ein wenig besser, weil hier die Welt noch in Ordnung war. "Alwin, deine Hilfe wird benötigt. Zieh die Seidenpantoffeln an und hilf mir aus der Ausrüstung. Mein linker Arm redet nicht mehr mit mir. Danach kannst du Tisander helfen, bei dem streikt das Bein."
Zumindest war Tisander gerade eben noch hinter ihm gewesen.
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"Was gibt es da zu feixen, du Arschloch?! Hier liegen unsere Toten und der Mann der dich ausgebildet hat! Hau bloß ab! Verpiss dich!"
Fango versuchte, seinen Schecken zwischen den Wagen und die lachenden Kameraden zu drängen und er war drauf und dran, grob zu werden. Ihm war es egal, welche vermurksten Gefühle sie dazu brachten, so zu reagieren und ob er nur ein Tiro war und sie irgendwas Besseres. Alles hatte seine Grenzen und dass jemand lachte, während Ocella im Sterben lag und sie vor einem Wagen voller Gefallener standen, war inakzeptabel. Die waren doch alle irre und krank im Kopf!
Nachdem sich alles wieder verteilt hatte, blieb Fango bei dem Wagen. Sein Mantel fand den Weg über Ocella. Es war bitterkalt, wenn man nass war und sich nicht bewegte. Er ritt allein neben der Stelle, wo Ocella lag und heulte leise vor sich hin, was im Regen niemand sah und auch niemand sehen sollte.
Falls Ocella aufwachte und etwas sagte, musste jemand es hören.
Falls Ocella starb, sollte er nicht allein sein.
Als Mogontiacum in Sicht kam, wusch Fango sich das eiskalte Gesicht im Regen sauber. Seine Schildhand war blutig und taub also nahm er die andere. Bei den Liedern sang er nicht mehr mit. Die Trauer wich dem Gefühl einer dumpfen Leere, einer Machtlosigkeit, die in der ewigen Aufgabe resultierte, zu ertragen und dabei eine möglichst respektable Figur zu machen. Vermutlich war es das, was auch in Calenus umging, sie beide zogen ähnliche Gesichter, denen man nichts ansah und die doch alles sagten.
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Fango durchlebte ein Gefühlschaos, wie es wohl nur ein gebürtiger Iunier vermochte: Zeitgleich wollte er die verbliebenen Barbaren totschlagen, mit Tisander ihr Überleben feiern, seine Trauer um die Toten in den grauen Himmel hinauf schreien und seinen momentanen Decurio Equitius Calenus aufmuntern, bei dessen zermürbtem Anblick Fango vor Mitleid schier zerfloss. All das riss gleichzeitig an ihm, sodass er sogar Herzschmerzen bekam. Nacheinander musste er es abarbeiten, so würde er die Gefühle in den Griff bekommen. Alles in Ruhe und nacheinander. Erst die Barbaren. Er wollte Klarheit und trabte mit seinem kleinen Schecken vor zu den Offizieren.
Da vorn fiel ihm der Zustand von Matinius Ocella auf. Fango war ein aufmerksamer Beobachter, wenn es um seine Mitmenschen ging und ihm schien, sein Ausbilder war nicht ganz beisammen. So suchte er sich ihn aus, um seine Frage zu stellen.
"Vexillarius Matinius Ocella, ich habe eine Frage. Was geschieht mit den überlebenden Barbaren?"
Das hatte er nicht so ganz mitbekommen, vielleicht waren sie weiter hinten im Tross, vielleicht hatte man sie - was er schrecklich fände - wieder laufen gelassen. Ihm fiel auf, dass der Regen es nicht schaffte, das Blut aus der Tunika des Vexillarius zu spülen. Das war kein Feindesblut. Erschrocken hob Fango wieder den Blick.
"Du brauchst einen Medicus!"
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Calenus lebte!
Fangos erster Blutrausch versiegte unverrichteter Dinge, wie wenn die Sonne aufging und die Gewitterwolken sich verzogen, um einem schönen Tag Platz zu machen. Viele Kameraden waren gefallen, doch die Freude, wer alles noch lebte, überwog in diesem Moment. Ein beinahe irrationaler Freudenrausch überkam Fango, denn er stellte fest, dass auch er selbst das Gefecht unbeschadet überstanden hatte, abgesehen davon, dass er seinen linken Arm nicht mehr so gut bewegen konnte, der wohl von den Hieben der Barbaren geprellt war. Doch wen kümmerte es? Decurio Equitius Calenus lebte und Tisander lebte - Fango hatte ihn vorhin herumlaufen gesehen - und Germanicus Varro und Matinius Ocella lebten auch noch! Genau wie die zwei Zivilisten, von denen einer gerade durchdrehte, doch das kümmerte Fango nicht. Wer durchdrehen konnte, dem ging es gut. Der andere sah weniger fröhlich aus, konnte sich aber aufrecht halten und war wohl entsprechend nicht weiter verletzt.
Überglücklich half Fango, den gestürzten, doch nicht gefallenen Calenus unter dem Pferd hervorzuziehen, indem sie das riesige Tier mit den Füßen an zwei anderen Pferden festmachten, die es von ihm herunterzogen, während die übrigen Soldaten versuchten, dabei zu verhindern, dass das Bein von Calenus zermalmt wurde. Fango hatte den Decurio noch nie so dreckig gesehen und noch nie so lebendig!
Vor Freude grinste er über beide Ohren. Aber die Offiziere würden unter sich sein wollen, um sich zu besprechen ... ein freudiger Tiro konnte nur stören. So wandte sich Fango wieder ab, denn er bemerkte, dass Tisander ihm nicht gefolgt war.
"TISSI", plärrte er. "Hilf doch mal mit!" Er begann, zwischen den am Boden liegenden Gestalten herumzulaufen und sie auf den Rücken zu drehen, um zu kontrollieren, wer alles noch lebte. Vielleicht war dem einen oder anderen noch zu helfen.