Beiträge von Iullus Seius Iunianus Fango

    "Dann würde ich mich halt scheiden lassen", sagte Fango leichthin, der darin überhaupt kein Problem sah. "Aber eigentlich meinte ich meine Stiefmutter."


    Er las ohne Schwierigkeiten vor: "Quod quo pro. - Das ist übrigens falsch, es heißt Quid pro quo." Er hatte keine Ahnung, wer das geschrieben hatte, aber er hielt es für hilfreich, den Fehler zu mockieren. Er fuhr fort:


    "A F H I
    C R G L
    O Q Z E
    W U V Y.


    Das Letzte ist ein wenig gemein, jemand, der kein Griechisch kann, wird das Y nicht erkennen."


    Am Ende folgte die Rechenaufgabe.


    "Zehn plus sechs sind sechzehn. Zwanzig minus elf ergibt neun."

    "Flucht vor der Stiefmutter", gab Fango ehrlich zu, als der Soldat seine Herkunft kommentierte. "20 Kilo Ausrüstung? Das ist ein Drittel meines Eigengewichts. Dann muss ich zunehmen, ja? Wenn ich zwanzig Kilo zulege, sinkt die Belastung auf ein Viertel meines Eigengewichts, bei vierzig auf ein Fünftel. Wie ist das Optimum? Und leitest du das an die Proviantausgabe weiter oder bekomme ich eine Marke für Sonderrationen?"


    Darüber war er nicht böse, denn wie die meisten jungen Männer konnte er sehr viel Essen. Dass er die Ausbildung überleben würde, daran hatte er keinen Zweifel, schließlich lebten der Capsarius und die anderen hier auch alle noch.


    "Ich bin 16", wiederholte er seine Lüge.


    Scheinbar war die körperliche Untersuchung trotz des Zweifels mit einem bloßen Blick auf den ankleideten Buben abgeschlossen. Er hatte mit einer umfassenden Untersuchung gerechnet und sich deshalb extra noch einmal bei der letzten Rast gewaschen und seine Nägel und Zähne gepflegt, aber so war es ihm auch Recht. Auf der Tabula stand, er sei 16 und so lange kein Medicus das revidierte oder irgendwer seine Geburtsurkunde anforderte, war es Fakt.


    Fango blickte in Richtung der Wandtafel. "Soll ich sagen, was drauf ist?", fragte er.

    Erleichtert packte Fango seine Habseligkeiten bei der Wand auf den Boden. Er schob sie zusammen, damit niemand darüber stolperte. Die Tabula fischte er aus dem Korb, um sie dem Soldaten zu reichen.



    ALA II NUMIDIA


    MUSTERUNGSAKTE


    nomen: Iullus Iunianus Fango
    pater: Titus Iunius Priscus
    mater: Iuniana Iotape
    natio: Mantua, Italia
    aetas: XVI


    artes: Lesen, Schreiben, griechischer Standard


    habitus:


    morbi cognitio medicus:


    exceptio:


    eventus:



    IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA.

    Fango, der mit seinem ganzen Gepäck eingetreten war und es auch nicht ablegte, freute sich über die Begrüßung, da er es nicht gewohnt war, so freundlich behandelt zu werden. Er hielt es noch immer für eine lieb gemeinte väterliche Geste, dass die Soldaten ihn mit Söhnchen oder Junge ansprachen. Dass diese Anrede auch eine unvorteilhafte Einschätzung in Bezug auf seine Eignung als Soldate beinhaltete, so weit dachte er nicht.


    "Salve", sagte er entsprechend arglos lächelnd. "Ich wurde gerade hierher zur medizinischen Untersuchung geschickt."

    "Dankesehr. Vale."


    Fango freute sich darüber, dass der Mann ihm geholfen hatte. Ihm erschienen hier alle sehr freundlich, auch wenn die Milites am Tor zunächst grimmig gewirkt hatten. Bei genauerem Nachdenken machte eine einladend lächelnde Torwache auch wenig Sinn. Er sortierte einmal mehr die Wachstafel in den Korb und begab sich guter Dinge zum Raum XIV. Er stellte den Korb wieder ab und klopfte. Derweil schaute er, ob es vielleicht im Gang ein Regal gab, wo die Patienten und Gäste vorübergehend ihre Habseligkeiten ablegen konnten, doch auf den ersten Blick entdeckte er nichts dergleichen.

    Fango stellte den Weidenkorb ab und pustete eine Feder von der Tabula, ehe er sie dem Mann zeigte. "Hier. Aber das Valetudinarium ist groß, man hat mir den Raum nicht genannt."



    ALA II NUMIDIA


    MUSTERUNGSAKTE


    nomen: Iullus Iunianus Fango
    pater: Titus Iunius Priscus
    mater: Iuniana Iotape
    natio: Mantua, Italia
    aetas: XVI


    artes: Lesen, Schreiben, griechischer Standard


    habitus:


    morbi cognitio medicus:


    exceptio:


    eventus:



    IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA.

    Fango stellte den Korb ab, um eine Hand frei zu haben. Er nahm die Tabula entgegen, las sie, und steckte sie neben den schwarzen Hahn. Das Tier saß lieb und schweigsam in seinem künstlichen Nest und musterte die Tabula nun mit einem Auge. Fango hob den Korb wieder an.


    "Danke, Vale!"


    Er öffnete und schloss die Tür ein weiteres Mal so umständlich wie beim Eintreten und folgte dem beschriebenen Weg.


    Valetudinarium >>

    "Ja, vor allem Lesen und Schreiben hat mir immer Spaß gemacht. Wir hatten einen eigenen griechischen Lehrer daheim."


    Zwar war der alte Terpander ein elender Kauz, aber er hatte ein Händchen für Jünglinge im schrecklichsten Alter, die ihren Eltern und sich gegenseitig den letzten Nerv raubten. Der war zwar eigentlich für das verhätschelte Sorgenkind Scato dagewesen, der den Schulunterricht verweigert hatte, bis er mit dem Sklaven seine persönliche Extrawurst bekam, aber auch sein Halbbruder hatte von dem Umstand profitiert.


    Fango bemerkte, dass der Mann irgendetwas Langes aufschrieb, konnte es aber aus dem Blickwinkel nicht lesen. Seiner Schwachpunkte war der junge Mann sich durchaus bewusst. Seine gute Laune wurde von der Sorge etwas gedämpft. Da er bislang nicht viel gesagt hatte, was hätte aufgeschrieben werden müssen, hoffte er, es wäre nichts Fatales.

    "Ich bin sicher", entgegnete Fango und in seiner Stimme lag Stolz. Denn sicher war er wirklich, sonst hätte er den langen Weg nicht auf sich genommen. Dass der Mann ihn Söhnchen nannte, fand er freundlich und kam nicht auf den Gedanken, dass es auch ein Hinweis auf dessen skeptische Sicht sein könnte. "Sechzehn Jahre bin ich", wiederholte er seine Lüge entsprechend guter Dinge.

    Der Soldat konnte einige Zeit lang das Wackeln der Klinke beobachten, ehe die Tür sich langsam aufschob. Grund war, dass Fango wieder beide Hände voll hatte und die Tür darum mit dem Ellbogen geöffnet und mit dem dürren Hintern aufgeschoben hatte. Schüchtern lächelnd trat er ein und schubste sie mit der Hüfte wieder zu.


    "Salve, ich möchte mich zur Rekrutierung melden."

    Fango schrumpfte ein Stück, als der Mann seine Lüge witterte, doch netterweise ließ er ihn dennoch passieren. Vermutlich war er nicht der Einzige, der beim Alter ein wenig mogelte. Vielleicht war der Soldat vor ihm sogar einst auf die gleiche Weise zur Ala gelangt.


    "Danke", sagte Fango und folgte dem gewiesenen Weg. Dabei beeilte er sich, für den Fall, dass der Mann es sich doch noch anders überlegte.


    Rekrutierungsbüro >>

    Fango fiel erst jetzt auf, dass die anwesenden Soldaten logischer Weise auch Reiter sein mussten, wenn sie die Castra der Ala bewachten. Diese Männer wirkten alles andere als zierlich. Das war nun etwas peinlich. "Oh." Ihm schoss das Blut in die Ohren.


    Der Mann legte die Pranke auf seine schmale Schulter. Erst dachte Fango, nun würde man ihn grob davonschieben, weil man ihn auch hier nicht gebrauchen konnte, doch die Geste war offenbar freundlich gemeint, denn der Soldat erkundigte sich nach seinem Alter. Da spitzte Fango die Ohren. Wenn er sich für jünger ausgab, als er war, dann würde man glauben, dass er noch im Wachstum stecken würde.


    "Ich bin gerade 16 geworden", log er also und war zum ersten Mal im Leben dankbar für seine Piepsstimme und seinen fast fehlenden Bartwuchs.

    Fango versuchte, den Stich, den er bei dieser gegrollten Information verspürte, nicht nach außen hin zu zeigen. Gut, er hätte es vielleicht nicht ausgerechnet bei der Prima zu versuchen brauchen, nur weil sein Vater dort einst diente, doch die Worte des Medicus waren eindeutig gewesen. Dass eine andere Legio Verwendung für einen Mickerling wie ihn finden würde, war zumindest unwahrscheinlich. So versuchte Fango nun, aus der Not eine Tugend zu machen:


    "Ich hörte, dass es für Reiter von Vorteil ist, klein und leicht zu sein."

    Zwischen seinesgleichen hatte der Soldat ganz normal gewirkt, doch als Fango unmittelbar vor ihm stand, sah er auf einmal groß aus. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass der Mann ihm mit seinem grimmigen Starren Furcht einflößte. Als auch noch dessen Kamerad nahte, der keineswegs freundlicher dreinblickte, musste Fango den Korb und das Bündel noch fester umklammern, um das Zittern seiner Finger zu verbergen.


    "Salve, Milites", piepste er möglichst laut und deutlich. "Mein Name ist Iullus Iunianus Fango. Ich möchte um Aufnahme in die ruhmreichen Reihen der Ala II Numidia ersuchen. Dafür bin ich extra von Mantua angereist."


    Er kannte durchaus Soldaten - sein Vater war einer gewesen und hatte bisweilen den einen oder anderen Kameraden beim Heimaturlaub auf einen Besuch mit in die Villa gebracht - doch bislang hatte er nichts von ihnen gewollt. Für Fango, der es gewohnt war, dass man seinen Wünschen kein Gehör schenkte, bedeutete es Überwindung, dem Mann sein Anliegen vorzutragen.

    Germania zeigte sich von seiner hässlichsten Seite, als Fango die Castra Alae II Numidiae erreichte. Ein hässlicher nasser Herbstwind fauchte ihm entgegen. Dabei war das Wetter auf der Reise noch schön gewesen, doch die Gerüchte, dass Germania eine nasse und kalte Provinz sei, schienen sich zu bestätigen. Fango zog den Reisemantel enger um den Hals. Er war eindeutig zu leicht angezogen. Bald würde er sich wieder bewegen können und auftauen, er hatte das Ziel seiner Reise schon vor Augen. Da er von Süden kam, sah er das Reiterkastell, bevor er Mogontiacum erblickte. Er bedankte sich bei dem Händler, der ihn auf seinem Wagen mitgenommen hatte, zahlte ihm einen Obulus und sprang samt Reisebündel und Weidenkorb ab. Rumpelnd setzte sich der Ochsenkarren wieder in Bewegung.


    Fango vertrat sich ein wenig die Beine auf der Straße, während er die Castra aus der Ferne betrachtete, deren Schießscharten ihn drohend anzustarren schienen. Die Mauern schüchterten ihn ein, mehr noch die gerade vorbeireitenden Soldaten, die allesamt schlecht gelaunt zu sein schienen. Fango merkte, dass er den Griff des Weidenkorbes, in dem der schwarze Hahn saß, fest zusammendrückte. Sein Angstschweiß hatte den Henkel im Laufe der Reise verfärbt. Eigentlich hatte er noch eine Nacht in Mogontiacum verbringen und sich ausruhen wollen, bevor er sich bei der Ala vorstellte, doch nun wollte er es hinter sich bringen. Und so begab Fango sich samt seines Reisebündels und dem Hahn im Korb zum Haupttor, das der Straße zugewandt war.


    "Salve?", grüßte er vorsichtig einen der wachhabenden Soldaten.