Beiträge von Castor

    Castor beobachtete die Essensausgabe und seinen Bruder der versuchte wie ein ganz normaler, verhungerter und verlauster Bürger Roms den der Hunger aus den Augen stierte etwas Essen zu erhalten. Castors wusste es besser, der Ehrliche war immer der Dumme. Stellte man sich brav in der Schlange an, drängelte sich einer vor, bekam das letzte Stück Brot und man selbst ging leer aus. Dafür hatte man dann Stunde um Stunde angestanden, nur um mit leeren Händen und einem ebenso leeren Mangen wieder von dannen zu ziehen.


    Meist waren die Leute viel spendabler, wenn man sie höflich nach einer Spende fragte und einen Dolch dabei in der Hand hielt. Das lockerte die Geldsäckchen und die Zungen. Erstes war wichtig, zweites uninteressant. Mittlerweile pfiff der Wind durch seine Rippenbögen so ausgehungert waren sie und der Schatz von Kyriakos war vermutlich nicht einmal in den Ruinen des Lupanars zu finden gewesen. Der Schatz, wer wusste überhaupt was das war? Ein Blütenblatt seines Liebsten? Daraus hätte er sich dann vor gerechtem Zorn einen Tee gebrüht, aber nicht mal heißes Wasser hatte er!


    Wie ein lebendig gewordener Schatten trat Castor aus der Nische in die er sich gedrückt hatte. Seine Augen funkelten vor gerechtem Zorn. Wieso bekamen nur die anderen und nicht sein Bruder und er? Vielleicht sollten sie die Bereitschaft zur Hilfe einmal auf die Probe stellen und den Fettsack in den Hintern stechen. Castor ging so schnell in die Hocke, dass es aussah als wäre er zu Boden gestürzt. Aber das war er nicht, im Gegenteil, er stürzte auf den Stand zu und er würde sich ihren Anteil holen, das war gewiss!

    Castors Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, ehe er freundlich lächelte. Sein übliches, messerdünnes Lächeln, dass wie ein klaffender Riss in seinem Gesicht aussah.

    "Danke für Deine Hilfe Tarkyaris, wir werden uns erinnern und uns bedanken", quietsche Castor vergnügt hervor.


    Er packte seinen Bruder Pollux am Arm und rannte mit diesem zurück nach oben und hetzte vom Schiff dieses scheinheiligen Händlers. Der konnte was erleben, jetzt war es Zeit für die Rache der Göttlichen. Sie sollten keinen Lärm machen? Sie sollten keine Vigiles anlocken? Sie würden Tarkyaris die Urbaner auf den Hals hetzen, wie die Furien würden sie über ihn herfallen und sein Schiff versenken. Oder zumindest würden sie in befragen.

    Castor betrachtete die Gruppe die sich vor ihnen aufgebaut hatte. Der sprechende, selbstverliebte Fleischberg schien kein Sinn für Schönheit zu haben, denn er schien sie nicht zu erkennen. Seine Sprache war grausig und die Männer die ihm beistanden auch. Hier gab es nichts zu holen, außer blutige Nasen oder Schlimmeres. Castor ergriff die Hand seines Bruders und lächelte.


    "Eines Tages werden sie um unser Erscheinen betteln. Sie werden zu den Strahlenden beten, für einige Atemzüge mehr in ihrer bedauerlichen Existenz, wenn der Feind über sie kommt wie Heuschrecken. Aber uns schert das nicht. Wer die Öllampe löscht soll in Dunkelheit leben", antwortete Castor und zog sich mit seinem Bruder im Rückwärtsgang zurück. Er machte nicht den Fehler, ihnen den Rücken zuzuwenden, dafür hatten sie zu viel gesehen und zu lange überlebt.

    "Danke Tarkyaris, wenn Du weniger schwatzen und mal mit anpacken würdest, wären die beiden göttlichen Strahlenden auch etwas leiser. Es ist wirklich unhöflich solche Wesen wie uns derart schuften zu lassen. Wir kamen extra zu Dir und bringen Dir derart heiße Ware und Du hast nichts besseres zu tun, als Dich zu beschweren. Tarkyaris, Du wirst alt. Jedenfalls schimpfst Du schon wie die alten Männer, die bei jeder Bewegung einen Ton von sich geben müssen. Die Vigiles werden durch unseren Segen abgehalten, dass solltest Du wissen. Uns behelligen sie nicht. Sie wissen wer wir sind, jeder weiß das Tarkyaris, jeder", antwortete Castor und hob zwei Finger als wollte er Tarkyaris segnen, bohrte aber dann lachend in der Nase.

    Castor folgte dem Blick seines Bruders. Eine ganze Gruppe Reiter hielt auf das Anwesen zu, aus dem Pollux vor kurzem hinausgeworfen wurde. Allein das die Männer mit Pferden unterwegs waren, zeigte dass sie Geld in den Taschen hatten. Tiefe Taschen mit vielen Sezterzen. In der Gruppe waren einige unvorsichtiger, dass könnte ihre Chance sein. Castor lächelte genauso charmant wie sein Bruder, die Lieblichkeit in Person. Nur Personen wie Tarkyaris, der sie ohne ihre Maske gesehen hatte, der würde wissen was sich hinter diesem Lächeln verbarg. Wo war der Händler eigentlich abgeblieben? Er hatte überall nach ihm gesucht. Castor schob den Gedanken beiseite und suchte nach einem potentiellen Opfer in der Gruppe.

    Castor schleppte ihren Schuldner bis zum Schiff das am Ufer des Tiber lag. Der Gestank der Tiere und des Unrats war bei der Kälte nicht annähernd so schlimm wie üblicherweise. Allerdings störte sich Castor nicht daran, in der Subura hatten sie ganz andere Dinge gerochen und ihr Gast hatte einen Sack über dem Kopf. Gemeinsam mit seinem Bruder und seiner schweren Last kämpfte sich der Zwilling den Steg zum Schiff hinauf und hielt nach einem Ansprechpartner Ausschau.


    "Kundschaft!", rief Castor und lief ächzend weiter. Der Bursche wurde von Schritt zu Schritt schwerer.

    Endlich öffnete sich die Tür des Hauses und ein alter Mann trat mit seinem Bruder ins Freie. Es dauerte einen Augenblick, bis ihn der Alte losließ. Sie sollten diesen Ort verlassen und nicht wiederkehren, dass waren die Worte des Mannes, bevor er Pollux in die Freiheit entließ. Den Wunsch konnten die beiden Brüder dem alten Mann leicht erfüllen, es gab für sie keinen Grund in Neros Haus zurückzukehren. Der ganze Abend war schauerlich verlaufen und alles hatte im Chaos geendet. Dann endlich konnte Castor seinen Bruder wieder in die Arme schließen.


    "POLLUX!", rief dieser aufgeregt vor Wiedersehensfreude. Er umarmte seinen Bruder felsenfest, so als hätte er Angst, der alte Mann könnte es sich anders überlegen. Über die Schulter seines Bruders hinweg musterte er die Männer vor der Tür anklagend.


    Er zog Pollux fester in seine Arme, drehte sich demonstrativ mit ihm um und führte ihn fort von Neros Haus, indem man versucht hatte sie mit Vogelzungen und Butter in die Knie zu zwingen.

    Ein markerschütternder Schrei war vor dem Haus bis ins Bad zu hören.

    "POLLUX!", kreischte ein männliche Stimme in einer Tonlage, die einem eine Gänsehaut über den Körper jagte. Sie klang als würde Metall über Metall schaben.

    "BRUDER!", kreischte der blonde Zwilling.

    Während Tarkyaris durch die nächtlichen Straßen Roms lief, hörte er einmal aus weiter Ferne das Gebrüll von Castor, der die Suche nach ihm immer noch nicht aufgegeben hatte. Ein anderes Mal war das Wutgeheul gefühlt nur noch die nächsten Straßenkreuzung entfernt. Einmal war es so nahe, dass Tarkyaris meinen konnte, Castor wäre direkt hinter ihm. Mehrere Atemzüge später war das Geheul wieder zig Straßen weiter bevor es ganz verstummte.

    Castor rannte aus der Villa und stürmte die Straße hinab wie besessen. Oder fast, den urplötzlich blieb er stehen, als hätte er einen Anker geworfen.


    Witternd schaute er sich um. Erneut kreischte er auf, so nah neben Tarkyaris dass dieser sogar von einigen Speicheltropfen getroffen wurde, dann stürzte Castor die Straßen entlang hinab und aus der Sichtweite von Tarkyaris.

    Castor nickte und hockte sich neben seinen Bruder. Zweihundert Sezterzen, dass war ein guter Abend. Dafür dass sie an einer so noblen Feier teilnehmen durften und sogar Wein genossen hatten.


    "Beeil Dich, wir haben nicht viel Zeit", forderte Castor, als hätten sie noch einen wichtigen Termin. Sie hatten keinen, aber es konnte ja nicht schaden so zu tun als ob. Gefragte Leute wurden immer gefragten. Typen nach denen kein Hahn krähte wurden auch nicht gebucht.


    Kaum ausgesprochen lief Tarkyaris auch schon los, er war erstaunlich flink für sein Alter, stellte Castor mit Genugtuung fest. Eine Genugtuung die sich in rasenden Zorn verwandelte. Wie ein wilder Stier tobte Castor durch das Haus von Nero, auf der Suche nach dem Parthischen Preller ihrer Zeche. Er keischte wie ein weidwundes Tier, scheuchte die Sklaven und Mitbewohner auf und durchsuchte jede Ecke nach dem Händler, der sich jetzt gewaltigen Ärger eingehandelt hatte.


    Castor war wütend, er war rasend vor Zorn und er war eines - er war schnell. Wie von einer Tarantel gestochen stürzte er nach seinem Wüten im Haus aus der Villa und rannte Richtung Schiff. Nur dorthin konnte Tarkyaris verschwunden sien. Er würde ihm das Ding Planke für Planke auseinander nehmen. Dieser Unhold hatte sie betrogen, erneut, schon wieder, dauerhaft!


    Tarkyaris hörte ein schauerliches Kreischen dass verdammt schnell näher kam.

    "Mein Bruder braucht mich", forderte Castor unmissverständlich. Er hätte seinen Worten mit den Zähnen Nachdruck verliehen, aber Tarkyaris der Mann ohne Ehre hielt ihn am Nacken fest, so dass er ihn nicht beißen konnte. Hundeaugen halfen bei dem Burschen auch nicht, so waren sie die Händler. Allesamt brutale Gauner, die ihnen das Leben schwer machten. Wo war der Dank und der Respekt geblieben? Castor zappelte ungeduldig und merkte dass er schon frei war.


    "Du hast ein gutes Herz Tarkyaris. Hundert Sezterzen für jeden, ich kann meinen Bruder nicht hier liegen lassen", grinste Castor und hielt mit dem freundlichsten Lächeln, dass er aufbringen konnte die Hand auf.

    Castor ließ widerwillig von Nero ab, dabei zog er ein Gesicht, dass bekümmerter nicht aussehen konnte.


    "Er hat meinen Bruder mit Nachtigallenzungen gefoltert, hast Du nicht gesehen was geschehen ist? Tarkyaris Du unwürdiger Wurm, Du wirst die Strafe der Strahlenden noch empfangen, das schwöre ich Dir. Nachdem wir uns erholt haben. Pollux? Pollux wie geht es Dir?", wimmerte Castor im Griff von Tarkyaris, in Sorge um seinen angeschlagenen Bruder.

    Cator empfing seinen Bruder mit offenen Armen und lachte vor Freude. Einen Moment später wurde ein invernalisches Kreischen daraus, als er sich auf Nero stürzte, der seinen Bruder mit den Nachtigallzungen in gesottener Butter vergiftet zu haben schien. Wie ein blonder Blitz war Castor über Nero und würgte diesen für den Frevel, sich an Pollux vergriffen zu haben.

    "Seht Ihr", raunte Castor verschwörerisch, als hätte Tarkyaris soeben alles bestätigt, was Castor vorher gesagt hatte.


    "Bruder? wo bist Du?", rief Castor auf einmal und schaute sich suchend nach Pollux um. Da saß er ja auf einem Haufen Wäsche die er zu einem Nest aufgetürmt hatte.


    Castor klopfte neben sich, damit sein Bruder sich zu ihm gesellte. Das war immer Castors Traum gewesen, in einem warmen, weichen Bett zu schlafen, dass in einem sicheren Haus stand. Die Nächte waren kalt, jedenfalls zur Zeit und sie hatten ihre letzte Bleibe verloren. Das Ganymed mochte nicht der beste aller Orte gewesen sein, aber es war dennoch ein Teil ihres Lebens und hatte ihnen Unterkunft und ein Einkommen verschafft. Nun war alles fort, den Flammen und einer Wahnsinnigen zum Opfer gefallen. Kyriakos der Kopf des Puffs hatte nach Geld gestunken, aber er war nicht bereit gewesen mit ihnen zu teilen. Dass würde sich bald ändern. Sie vergaßen nie und Geld schon gar nicht. Sollte sich Kyriakos doch in Sicherheit wiegen, die Zwillinge wussten es besser.


    Auch für Kyriakos kam ein ganz besonderer Tag - der Zahltag.

    "Wir sind die Zulieferer für Tarkyaris, ohne uns hätte der Mann keine Waren, kein Geschäft, er würde am Hungertuch nagen. Er lebt durch unser Wohlwollen, unsere Gnade und Gunst. Deshalb ist er so freudlos, man nennt das ehrfürchtig Apollinaris. Tarkyaris weiß uns zu würdigen, er liebt uns auf seine stille Art und huldigt uns. Wir sahen ihn schon, wie er im Gebet gen Himmel starrte und unsere Namen rief. Bei den Göttern! So rief er - Castor und Pollux", erklärte Castor mit seinem messerdünnen Lächeln und bohrte in der Nase.

    Castor und Pollux waren nicht umsonst die Strahlenden. Auch heute strahlten sie voller Glück, denn sie folgten Nero nach Hause. Tarkyaris beglückten sie ebenfalls mit Ihrer Anwesenheit. Der Händler sah fast so aus, als wollte er sie los werden. Aber das konnte nicht sein, denn wer wäre er ohne sie und ihre Lieferungen? Vermutlich war die Truhe einfach zu schwer. Ihm die Last abzunehmen ließ Tarkyaris aber nicht zu. Man konnte jemanden nur helfen, wenn er sich helfen lassen wollte. Was immer in der Truhe war, sie würden eben später Nero darum erleichtern. Zum Schutze ihres Freundes, nicht dass dieser genauso elendig an dem schweren Ding schleppen musste, wie der Händler. Alles eine Frage des richtigen Blickwinkels. Castor schritt gut gelaunt hinter den beiden her und betrat mit ihnen die Villa von Nero.


    Das war ein Haus nach seinem Geschmack. Hier ließ es sich leben, eines Tages würden sie auch so eine Bude haben. Und dazu würde ihnen Tarkyaris verhelfen, ob er wollte oder nicht. Immerhin war der Mann Händler, dann war es besser er handelte in ihrem Interesse. Castor drehte sich einmal um sich in Zimmer von Nero und ließ sich rücklings in dessen Bett fallen. Pure Gemütlichkeit umfing ihn.


    Und hier ging die Feier erst richtig los. Speisen, Getränke und gute Laune. Was wollte man mehr? Jedenfalls im Moment? Castor grinste seelig, während er sich mit allen möglichen Leckereien vollstopfte.

    Castor ließ als Antwort ebenfalls die Augenbrauen hüpfen. So eine Gelegenheit konnten sie sich nicht entgehen lassen. Die anderen Götter waren mit ihnen, dass war eindeutig. Der Schuldner wusste nicht, mit wem er es sich verscherzt hatte. Wobei vermutlich hatte er gerade eine Kostprobe dessen erhalten. Castor störte all das nicht mehr. Sie würden bald ihren wohlverdienen Lohn in Händen halten.


    Wie von seinem Bruder vorgeschlagen, lud Castor sich Tacitus auf die Schultern. Der Mann war schwerer als er auf den ersten Blick aussah.

    "Gute Idee, betrunken und wir retten ihn. Wir sind an Güte kaum zu überbieten. Lass uns nur schnell machen Brüderchen, ich möchte Tacitus loswerden und endlich unser Geld in die Finger bekommen", grinste Castor und wuchtete mit.


    Flinken Fußes eilte Castor los, nun jedenfalls so flink wie man laufen kann wenn man gefühlt einen Sack Steine schleppte.

    Allerdings sehr wertvolle Steine.

    Castor legte ganz vorsichtig seine Hand auf die Brust von Tacitus. Nachdem sein Bruder etwas auf den Sack geträufelt hatte, war der Mann wie von Sinnen. Eine unbändige Angst schien von ihm Besitz ergriffen zu haben und sein Herz schlug wie wild. Seine eigenen Dämonen schienen Tacitus eingeholt zu haben, er hatte versucht die Götter zu bestehlen, nun bekam er es mit der Gegenseite zu tun. Auf der anderen Seite konnte Castor den Schuldner nicht freigeben. Die Dämonen hatten kein Anrecht auf diesen Mann, sein Bruder und er hingegen schon.


    Er schuldete ihnen ihren wohlverdienten Lohn. Den Rest musste der Mann mit sich und seinen Dämonen später selbst ausmachen. Das war nicht mehr ihre Aufgabe und ihr Problem schon gar nicht. Es wurde allerdings ihres, wenn Tacitus vor lauter Angst gleich hinüber war. Behutsam streichelte er ihm über den Kopf und schaute sich nach seinem Bruder Pollux um.


    "Wir müssen den Burschen schnellstmöglich loswerden, sonst ist er keine Sezterze mehr wert. Also wohin Brüderlein?", fragte Castor mit funkelnden Augen. Er konnte das Geld schon förmlich riechen.