Beiträge von Galeo Seius Ravilla

    "So danke ich dir für deine Zeit und werde mein Mögliches geben."


    Auch freute er sich beim Abschied über den mitschwingenden Optimismus, nicht ahnend, dass er sich in Bälde als diesem nicht würdig erweisen sollte.


    Ravilla kam kaum noch dazu, sich in seine neue Position einzuarbeiten, da schlugen die Götter zu: Sol, sein alter Feind, der Lichtspeere durch seine Augen trieb, bis er sich vor Schmerz übergab, und ihn dazu zwang, des Tags alle Fenster zu verrammeln, bis die Milde der Nacht sich auf den Geschundenen legte und es ihm ermöglichte, die notwendigsten Erledigungen vorzunehmen. Doch musste der Mensch auch schlafen.


    In den folgenden Wochen wurde der hochmotivierte Seius durch sein Wetterleiden für einen beträchtlichen Teil seiner Amtsperiode in Schmerz und Gram ans Bett gefesselt, unfähig, die ihm aufgetragenen Arbeiten in persona zu erledigen und selbst des Delegierens nur unter größten Qualen fähig. Wer noch nie einen Mann vor Schmerzen hatte schreien gehört, der kam zu dieser Erfahrung, wenn er an Ravillas Tür vorbeiflanierte, wo er den Kampf gegen seine unsichtbare Krankheit ausfocht, gegen die kein Arzt ein Mittel wusste.

    "Ich danke dir für deinen Rat. Freilich werde ich ihn beherzigen und hätte zu dieser Gelegenheit eine Frage vorzubringen, welche eine Bitte um einen weiteren Rat impliziert. Die Gefängnisse zu besichtigen, steht in der Tat auf dem Plan für die nächste Zeit. Empfiehlst du dabei eine besondere Schwerpunktlegung in Anbetracht der aktuellen Lage oder erachtest du eine allgemeine Analyse für ausreichend?"

    "Der Arbeitsreichtum des Aedilats scheint in der Tat mitunter horrend", ließ Ravilla respektvoll verlauten, ein wenig in Sorge ob des Pensums, das ihn selbst während des Cursus Honorum erwarten würde.


    Er, welcher die Geistestiefe der beiden ihm bekannten Flavii zu schätzen gelernt hatte, mutmaßte durchaus, dass die Witterungsverhältnisse, welcher der ältere Flavius nun thematisierte, nur als Auftakt zu tieferen Gesprächen dienen mochten. Gleichwohl griff Ravilla sie auf, um eine harmonische Überleitung zu einem anderen Themenkreis zu ermöglichen. "Die Sommer in Cappadocia erscheinen mir wärmer als jene in Italia, bemerkenswerter jedoch ist die Trockenheit. Für jene, die zu Wetterleiden neigen, ist konstante Hitze und Trockenheit eine kurative Wohltat, denn die Tage des Wechsels sind es, welche besondere Pein zu bringen neigen."


    Doch hatte Ravilla nicht vor, zu jener Gelegenheit in Selbstmitleid zu schwelgen und fuhr sogleich fort: "Die Menschen haben gelernt, den lokalen Bedingungen zu trotzen, in Roma wie in Cappadocia. Für mich sind die Unterschiede, die sich daraus ergeben, durchaus von Interesse, so dass ein Lamento ob der hiesigen Witterungsverhältnisse für mich die Frage aufwirft, wie vor Ort umgekehrt mit so viel Regen in Herbst und Frühjahr umgegangen werden kann, ohne dass in den Tälern die Ernten faulen. Ich mutmaße, dass aus jenem Grund bevorzugt an den Hängen angebaut werden sollte. In Cappadocia hingegen erfolgt der Ackerbau in der Tat ausschließlich in den fruchtbaren Schwemmtälern der Flüsse, während in der Hochebene allein Viehhaltung möglich ist und kein Ackerbau sich lohnt. Die unterschiedlichen Lebensweisen haben gänzlich diverse, aber doch bisweilen ähnliche, Kulturen bedingt, die einen Reisenden hier wie da vor Herausforderungen stellen kann."

    Die Konversation mit dem ehrenwerten Aedituus Lucius Quintilius Clemens hatte Ravillas Geist vortrefflich erquickt. Die Verabschiedung erfolgte in herzlicher Weise und mit der zum Ausdruck gebrachten Hoffnung, man möge einander bald wieder sehen, um die Gedanken zu vertiefen oder durch neue zu ergänzen.


    Vom Aedil Manius Flavius Gracchus Minor hingegen verabschiedete der Seius sich weniger schwungvoll, zum einen aufgrund von dessen exorbitant zu nennender Amtswürde, an welcher ein Übermaß an Enthusiasmus zu kratzen geeignet wäre, zum anderen, da sie sich bereits am morgigen Tag wieder sehen würden.


    Das Haupt voll frischer Gedanken begaben Ravilla und sein Sklave sich zum Standort ihrer wartenden Mietsänfte, um heim in die traute Wohnung zu kehren, die zu beziehen ihm großmütig gestattet worden ward.


    Sim-Off:

    Der Abschied aus jenem erbaulichen Gespräch erfolgt vor dem Hintergrund des Exils des geschätzten Aedituus Lucius Quintilius Clemens. In der Hoffnung auf eine Fortsetzung zu gegebener Stund verbleibt nicht nur Ravilla, sondern auch dessen Spieler. :)

    In stiller Einkehr harrte auch Ravilla dessen, was der Priester von den Unsterblichen an sie auszurichten hatte, doch war sein Gefühl ein Gutes. Das Gesicht des Seius zeigte sich entspannt, wie es das zumeist war, denn gleich seinen Vorfahren spürte er den Odem der Götter stärker als gewöhnliche Sterbliche. Das Priesteramt wäre durchaus in seinem Sinne gewesen, doch das römische Blut seines Vaters brannte stärker in seinen Adern als das der Mutter. Er war nicht zum Tempelfürsten geboren, sondern dazu, Rom zu dienen. Und doch spürte er tief im Inneren, was er hätte werden können, hätte er seine Schritte nicht nach Caput mundi gelenkt.


    Als das Ritual beendet ward und der Zug sich langsam zerstreute, verabschiedete Ravilla sich freundlich von allen Beteiligten, verlor auch hier und da ein Wort mehr als notwendig, ehe er in die bereitstehende Sänfte stieg, um hoch über den Häuptern des Volkes fortgetragen zu werden, selbst auch ein wenig entrückt.

    Ad

    Aulus Furius Saturninus

    Casa Furia

    Roma



    Lieber Freund,


    ich hoffe, die Frage nach deinem Befinden ist nicht zu vermessen. Lang und vergebens wartete ich auf ein positives Zeichen aus deinem Hause.


    Wie sehr hoffe ich, eines Tages frohe Kunde von dir zu vernehmen und sei es, dass du mager, schief und krumm auf Krücken endlich wieder zu gehen vermagst. Unsere Freundschaft würde dies nicht schmälern, ich würde mit dir heilsame Orte besuchen, welche Körper und Geist zu vitalisieren vermögen, bis du wieder ganz die alte Schweinsblase bist. Verzeih meinen Scherz, mir ist zum Weinen und ich bemühe mich um Selbstaufmunterung. So viele, die mir lieb und teuer sind, haben meinen Bekanntenkreis in den letzten Wochen leise verlassen.


    In unverbrüchlicher Solidarität hat auch mich für lange Zeit mein Wetterleiden niedergestreckt, so dass ich schon fürchtete, es würde nie mehr aufhören. Und doch stehe ich nun wieder in Toga bereit, meines Amtes zu walten, etwas blasser und magerer als zuvor und mit einer Akkumulation an Papyri und Tabulae auf dem Arbeitstisch, welche die Güte besaßen, regungslos meiner Rückkehr zu harren. Blässe wirkt edel und Magerkeit berechtigt zum Schlemmen und wenn ich ehrlich bin, fällt die Akkumulation nicht übermäßig aus, da viele Hände mir halfen. Ich hoffe sehr, dir wird ebenso geholfen in diesen schweren Stunden.


    Vor allem berichte ich dir von meinem eigenen Siechtum, um zu konstatieren, dass die Götter sich milde stimmen lassen mit der korrekten Einstellung und dass sie manchmal ein Einsehen haben, auch definitiv erscheinende Agitationen noch einmal zu revidieren. Wenn sie mir regelmäßig eine spontane Heilung schenkten, warum nicht auch dir?


    Ich verbleibe mit fester Hoffnung und den besten Wünschen,


    herzlichst,


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    "Ich danke dir recht herzlich für den freundlichen Empfang! Das Verzücken ist ganz meinerseits, ich freue mich sehr, dich wiedersehen zu dürfen."


    Dies entsprach durchaus den Tatsachen, da er den Augustus als hochgebildeten und umsichtigen Mann erlebt hatte. Das Lob in Richtung seiner Person hingegen würde Ravilla gern abwinken, da er es im Moment nicht verdiente, doch würde dies gleichsam bedeuten, dem mächtigsten Manne der Welt einen Irrtum zu unterstellen. Insgeheim freute der junge Seius sich, dass er in guter Erinnerung geblieben war, trotz seiner gelegentlichen Wehleidigkeit, die diesmal leider länger ward ausgefallen, als irgendwie entschuldbar wäre. Ravilla ließ sich langsam genug nieder, als dass noch während des Prozesses des Darniederlegens seine Toga in Form gebracht werden konnte. So schlug sie präsentable Falten, die einem Bildhauer die Tränen der Verzückung in die Augen getrieben hätten.


    "Ich hatte vor geraumer Zeit das Vergnügen eines Gesprächs mit dem Praefectus Urbi. Dabei ging es um die thematische Schwerpunktsetzung meiner Amtsperiode. Im Fokus der gegenwärtigen Ermittlungen steht jene Splittergruppe der Christen, welche unangenehm auffiel." Er berichtete nun, was seine Mitarbeiter während seiner Zeit des Siechtums an Informationen zusammengetragen hatten, so dass Ravilla nicht mit leeren Händen zur Audienz erscheinen und sich blamieren musste.


    In jenem Moment spürte er große Dankbarkein gegenüber allen, die ihn trotz seiner fürchterlichen Wetterkrankheit, die ihn zeitweise zur Untätigkeit verdammte, unterstützt hatten, seinen Patron, der stets für ihn dagewesen und in dessen Haus er wohnen durfte, seinen Mentor, der stets ein offenes Ohr für ihn hatte gehabt, den Praedectus Urbi, der Ravillas Mitarbeitern hatte zuarbeiten lassen, Annaeus Florus Minor, der ihm stets ein helfender Freund gewesen war, und all den anderen, die es ihm ermöglichten, sein Amt trotz der Unregelmäßigkeiten irgendwie zu versehen und nicht zuletzt die Familie und Freunde aus der Casa Leonis. Nur zwei vermisste er in seiner gedanklichen Aufzählung, wenngleich privat, so doch von großer persönlicher Wichtigkeit - den Kanzleimitarbeiter Furius Saturninus, der noch immer schwerkrank das Bett hütete, und Quintilius Clemens, mit dem er geistreiche Wortgefechte ausgetragen hatte, um Geist und Zunge zu schulen. Ferner auch Annaeus Vindex, der leise sich aus Ravillas Leben geschlichen hatte und Valerius Flaccus, von dem er einst lernte, was wichtig für ihn war in Rechtsangelegenheiten.


    "Unlängst gelang es, einen der aggressiven Gruppierung zugehörigen Mann festzunehmen. Volusus Didius Molliculus ist sein Name. Ich erwarte sehnlich das Ergebnis des Verhörs durch die Cohortes Urbanae. Danach können Schritte erwogen werden, wie in dem speziellen Fall, aber auch betreffs dieser christlichen Gruppierung weiter verfahren werden sollte. Diese Sache fällt in meine Amtszeit, so dass ich mich nach Kräften darum bemühen werde, sie zu einem guten Ende zu bringen. Dies ist folglich mein Hauptanliegen. Deiner Unterstützung bedarf ich momentan nicht, so dass du sie guten Gewissens in jemanden investieren kannst, der sie nötiger hat als meine Person. Hegst du darüber hinaus einen weiteren Wunsch, auf den ich mein Augenmerk richten sollte?"

    Im weißen Schlafgewand saß Ravilla auf der Kante seiner Liegestatt. Der Geschmack von Zitronensaft und Salz brannte auf seiner Zunge. Ein wenig vermochte diese Mixtur die Pein seiner Wetterkrankheit zu lindern, so diese sich noch im Anfangsstadium befand. Qualvoll waren die letzten Wochen verlaufen, doch nun konnte Ravilla sich immerhin wieder erheben, ohne sogleich von Schwindel erfüllt wieder niederzusinken. Das tägliche Erbrechen war verebbt, die Schmerzen seines verätzten Rachens nach Tagen der Genesung verklungen. Der vernichtende Kopfschmerz hatte sich in seinen rechten Augapfel zurückgezogen, den er sich zur Wohnstatt hatte auserkoren, und ruhte nach der Zeit des Wütens, nur hin und wieder leis sich noch regend.


    Anaxis bereitete soeben alles vor, damit sein Herr heute erstmals seit langem wieder arbeiten konnte. Ein belebendes Bad, ein magenschonendes Frühstück und warme Kräutersude als Getränk würden helfen, den Tag mit der notwendigen Mindestleistung, um ihn als Arbeitstag titulieren zu können, zu überstehen.


    Ein Schmunzeln stahl sich gar auf die blassen Lippen, als Ravilla daran dachte, wie vortrefflich er das Klischee des faulen Magistrates in den letzten Wochen hatte erfüllt.

    Da mein Jahreswechsel-Urlaub sich schon wieder dem Ende zuneigt muss ich mich nun doch anstelle eins Posts mit einer Entschuldigung melden. Ich habe im Herbst eine neue Aufgabe übernommen, die mich nicht nur übermäßig forderte, sondern auch meine kreative Energie verschlang. Ich hatte gehofft während meines Urlaubes könnte ich wieder aufholen, doch wie ihr lesen konntet (respektive nicht), hat dies nicht funktioniert. Momentan bin ich sehr unschlüssig, wie meine Zukunft im IR aussieht, indes bin ich (noch) nicht bereit für das Exil. Ich habe in den letzten Tagen einiges für mich sortiert und hoffe, dass damit an den kommenden Abenden oder zumindest Wochenenden etwas mehr Kreativität übrig bleibt und ich alsbald wieder zur Geschichte des IR beitragen kann. Versprechen mag ich nichts, doch üblicherweise geben sich solche Stoßzeiten immerhin auch irgendwann wieder.


    Ein Jammer ohnegleichen! Wenngleich ich mich als fauler und träger Klient entpuppte, so hatte ich doch lesend, interagierend wie konversierend stets großes Vergnügen mit den Werken deiner edlen Person. So bleibt mir allein, der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass auch diese Stoßzeit dereinst ihr Ende nehmen wird und wünsche zur Bewältigung selbiger viel Erfolg.


    Man liest sich hoffentlich bald wieder!


    Ich hoffe dies ebenso, lieber Clemens! Unsere klugen Debatten werde ich vermissen. :(



    Ich hab zur Zeit RL-bedingt leider wenig Muße. Posts können sich daher verzögern, das tut mir leid.

    Freilich ist's auch um den Centurio Duccius ausgesprochen schade, wenngleich wir uns spielend noch nicht begegnen konnten.

    Ravilla betrat das Officium Imperatoris mit seinem Sklaven, welcher gleich einem Schatten hinter ihm drein glitt. Freilich war Anaxis ebenso wie sein Herr auf Waffen durchsucht worden und freilich geschah dies bei beiden vergebens. Seine einzige Waffe stellte sein entwaffnendes Lächeln dar, zu welchem er zuweilen imstande war, wenn die arrogante Miene des verwöhnten Edelsklaven nicht mehr zielführend schien. Im Angesicht des mächtigsten Mannes der Welt jedoch hielt er die Lider stets gesenkt, hob den Blick nicht über Brusthöhe hinaus, um zu erkennen, was die zwei Herren trieben, wie sie sich positionierten und wo seiner helfenden Hand bedurft wurde, meist zum Zwecke des Richtens von Ravillas Toga.


    "Majestät", grüßte Ravilla mit Huld und Ehrfurcht, die Stimme ein wenig nervös im Unterton.


    Sim-Off:

    Ich bitte um Verzeihung ob der massiven Verzögerung!

    In der Tat war Ravilla durchaus mit einem gewissen Maß Humor gesegnet, welcher schwierigen Situationen die Schärfe zu nehmen vermochte. Jedoch empfand er diese als mitnichten schwierig, das Gespräch verlief besser, als er zu hoffen gewagt hatte und der Praefectus Urbi zeigte sich offen und sympathisch, was die Zusammenarbeit angenehmer und vielleicht auch simpler gestalten würde.


    "So danke ich dir für deine Zeit und möchte diese nicht über die Gebühr hinaus strapazieren. Von meiner Seite aus bestehen keine weiteren Unsicherheiten oder Fragen."


    Das Gespräch zu beenden stand ihm indes nicht zu, so signalisierte er lediglich, dass er an diesem Punkt keinen weiteren Klärungsbedarf sah.

    Als dem Praefectus Urbi ein Glucksen entfleuchte, winkte Ravilla lächelnd ab. "Es ist erfreulich zu sehen, dass meine Präsenz solch gute Laune zu induzieren vermag. Es wäre doch ein Jammer, würden wir in trister Stimmung schweigend über Unterlagen brüten und nichts als das Rascheln der Papyri wäre in der mausoleumsgleichen Stille zu vernehmen."


    Dessen, dass die Angehörigen des Ermordeten über jeden Zweifel erhaben seien, wollte Ravilla sich nicht so sicher sein. Die meisten Gewalttaten geschahen im Umfeld der eigenen Familie. Freilich widersprach er dem Praefectus Urbi nicht, sondern nickte einmal mehr, freundlich, sich die Lüge nicht anmerken lassend. Da sein Gegenüber in vortrefflicher Stimmung war, gedachte er diese nicht zu ruinieren, sondern zu nutzen.


    "Cornicularius Purgitius Lurco? Wie erfreulich. Ein Freund meines Neffen, mit dem ich bereits das Vergnügen hatte. Er wird also die Durchsuchung leiten, während ich - zeitgleich im Anwesen der Iulii - die Verwandten befragen werde."


    Er hoffte, diesmal endlich richtig verstanden zu haben. Während der arme Claudius an seiner eigenen Zulänglichkeit zweifelte, käme Ravilla dergleichen vernichtende Selbstkritik nie in den Sinn. Vielmehr hatte er die kulturelle Diskrepanz zwischen dem latinisch geprägten West- und dem hellenisch dominierten Ostrom im Verdacht, schuldig an den kommunikativen Missverständnissen zu sein.

    Das Vigintivirat war das Einstiegsamt im Cursus Honorum. Die Vigintiviri rekrutierten sich aus Beamten und Richtern, die - bevor sie in die senatorische Ämterlaufbahn eintreten konnten - gewisse öffentliche Aufgaben erledigen mussten. So bildeten sie die unterste Rangklasse der Magistraturen. Die Vigintiviri wurden als Assistenten den Praetoren, Aedilen oder dem Praefectus Urbi zugewiesen.


    Im Fall von Ravilla und seiner zwei Kollegen war es der Praefectus Urbi, dem sie zur Seite standen. Gemeinsam kümmerten sie sich um die Kriminalrechtspflege und den Strafvollzug. Insbesondere in der jetzigen Zeit, da eine Brandserie und mörderische Christen die Urbs Aeterna erschütterten, gedachte Ravilla nicht, einer von jenen zu sein, welche die Hände in den Schoß legten. Zwar war diese Aufgabe weniger angesehen als beispielsweise die Beaufsichtigung des Münzwesens, doch der Schutz der Bevölkerung vor den Übeln, die das Imperium in derlei gewaltvoller Manier heimsuchten, lag ihm besonders am Herzen. Was das anbelangte, so regte sich hier vielleicht das Erbe der Tempelfürsten in seinem Blut.


    Nicht zuletzt hielt er es bei vorbildlicher Absolvierung zudem für prestigeträchtiger, einem solchen Übel den Garaus gemacht zu haben, als irgendeinem kleinen Geldfälscher, wie Ravilla frei von Scham zugab, wenn man ihn danach fragte.

    Ravilla folgte den Ausführungen des zunächst amüsierten, dann ernsten Praefectus mit einem gelegentlichen Nicken. Am Ende sprach er: "Ich fasse zusammen, um erneute Fehlannahmen auszuschließen: Iulius Caesoninus, mein Vorgänger im Amt, wurde vermutlich aufgrund seiner Ermittlungsarbeit zu der Brandserie ermordet. Das Anwesen seiner Gens zu durchsuchen und die Anverwandten zu befragen ist die erste mir anvertraute Aufgabe. Ermittlungsschwerpunkte sind dabei die Analyse seiner Aufzeichnungen sowie die Prüfung potenzieller Vernetzungen krimineller römischer Bürger, auch einflussreicher."


    Ein Wespennest, sollte Ravilla tatsächlich fündig werden. Er würde vorsichtig vorgehen und jeden Schritt mit Bedacht wählen müssen.


    "Die Prüfung erscheint mir gefahrenträchtiger als der anschließende Auftrag", sinnierte er, wobei seine mit etlichen Goldringen besetzten Finger um das Wasserglas herum klimperten. "Ein paar Christen erscheinen mir weniger bedrohlich als die römische Elite. Ich werde mir wohl für den Fall ein paar zusätzliche Leibwächter mieten. Welche Anhaltspunkte führten zu der Annahme, dass es sich um einflussreiche Römer handeln könnte, welche in die Brandserie verstrickt sind? Welches Tatmotiv für die Brände wird angenommen?"

    "Indem zum Beispiel ein neumodisches Gesetz, welches der Tradition zuwiderläuft, revidiert wird. Dies wäre eine Veränderung, die zur Wahrung der Tradition beitragen würde", beantwortete Ravilla die durchaus klug gestellte Frage von Annaeus. "Aus diesem Grund meine ich, dass Veränderungen nicht zwingend das Traditionsbewusstsein ausschließen. Sie können im Gegenteil durchaus auch der Wahrung der Tradition dienen."


    Erneut konfrontierte ihn hernach der Praefectus Urbi mit der Forderung nach deutlichen Worten. Ravilla behielt sein Lächeln bei, während er sich darum mühte, Klarheit zu schaffen.


    "Opportunismus lautet dein Vorwurf. Doch die beiden Konzepte Treue und Opportunismus schließen einander aus wie Wasser und Öl. Einen loyalen Menschen bindet sein Wort, ungeachtet der Richtung, aus welcher der Wind weht. Treue generiert Verlässlichkeit. Verlässlichkeit generiert Vertrauen. Vertrauen generiert fruchtbare Zusammenarbeit. In einem Umfeld stetigen Misstrauens kann nichts Gutes gedeihen. Wenn Treue in diesen Tagen einen Menschen beliebig macht, müssen es gute Zeiten sein.


    Doch sicher hast du deine Gründe für deine Sichtweise. Möchtest du uns an deinen Erfahrungen teilhaben lassen?"


    Wie stets in solchen Diskussionen meinte Ravilla seine Rückfrage ernst, denn er hatte ein aufrichtiges Interesse daran, die Sicht seines Gegenübers zu vernehmen. Differierende Ansichten anzuhören und zu durchdenken hielt den Geist jung und das Herz offen.

    Das Glucksen des Praefectus quittierte Ravilla mit einem amüsierten Lächeln, während er Wasser sich einschenkte und einen kühlen Schluck seinen Mund benetzen ließ.


    "Eine Befragung parallel zu einer Untersuchung bedeutet zur gleichen Zeit am gleichen Ort?" Üblicher waren Befragungen vor dem Tribunal oder in den Kerkern Roms, doch würde Ravilla sich nicht mäklig verhalten. Es handelte sich um eine reine Verständnisfrage.


    Dankbar registrierte er den Hinweis seines Gegenübers, dass dieser weniger am Resultat, als an der Methodik sich interessiert zu zeigen gedachte. Die Tatsache verwies auf ein hohes Maß an Professionalität - nicht, dass von jemandem in der Position des Praefectus Urbi er anderes hätte erwartet. Ravilla war kein Freund von Geständnissen von fragwürdigem Wahrheitsgehalt, die nur der Vollständigkeit dienten, aber nicht der Rechtssprechung im eigentlichen Wortsinn. Die Verlockungen der Folter in Fällen, in denen der Rechtspfleger unter Druck stand, waren ihm bekannt. Mit ihrer Hilfe ließ sich mit genügend Geschick auf der Psyche des Menschen spielen wie auf einem Instrument. Mit genügend Geduld konnte beinahe jedes gewünschte Ergebnis den Lippen des Delinquenten entlockt werden.


    "Deinen Worten entnehme ich, dass es sich bei der Durchsuchung um mutmaßliche oder bekannte Christen handelt. Gern bin ich bereit, meine Tauglichkeit in dieser Angelegenheit deinen prüfenden Augen und Ohren unter Beweis zu stellen. Um eine zielgerichtete Befragung durchführen zu können, müsste mir bitte der Tatvorwurf mitgeteilt werden, der zur Durchsuchung geführt hat, ebenso die relevanten Eckdaten zu diesem Fall."

    Gemessenen Schrittes näherte Ravilla sich dem Altar. Etwas unwohl fühlte er sich dabei, sein Gesäß darauf zu platzieren. Den Herrn der Unterwelt zu erzürnen lag ihm fern. "Hab Dank, ich würde stehend mich zu dir gesellen, ich sitze tagsüber genug", gab freundlich er die Antwort, während stehend er sich neben Stella positionierte.


    Gemeinsam beobachteten für eine Weile sie das Spiel der Flammen, das Huschen und Flackern, hörte das Knistern, das gelegentliche Knallen und folgten mit ihren Augen dem Funkenregen. Ein merkwürdiges Band war es, das ihrer Schicksale miteinander verwob, kaum sichtbar, kaum spürbar, doch bei jeder Begegnung von großer Kraft.


    "Seltsam scheint die Zauberkraft weniger, wenn man berücksichtigt, dass dies der Altar eines Großen unter den Unsterblichen ist. Wir haben Ohren, um zu hören und Augen, um zu sehen, was uns vielleicht vom durchschnittlichen Römer dieser Tage unterscheidet. Die Götter pflegen sich in anderer Sprache als wir auszudrücken. Selten nur manifestieren sie sich in heutiger Zeit noch in körperlicher Gestalt, um mit menschlichen Lippen zu uns zu sprechen. So bedarf es aufmerksamer Zuhörer, um ihren verschlüsselten Willen zu ergründen, ihre Warnungen und ihren Segen zu begreifen.


    Oft vermögen das heute nur noch die Priester und Wunder sind rar geworden. Doch bin ich nicht darüber im Klaren, ob Pluto in Roma eine Priesterschaft oder einen Kult sein Eigen nennt. Aber vielleicht kannst du mir Antwort geben, denn sicher suchst du nicht ohne Grund diesen einsamen Ort auf, stets im Dunkeln und immer allein. Stella, der Stern. Es liegt eine Poesie in deinem Namen, die sich an der Metaphorik des Lichts nicht erschöpft, denn damit ein Stern sein Strahlen zeigen kann, muss Dunkelheit ihn umfangen."

    Im Vorzimmer war für den Augenblick niemand zugegen gewesen, sei es aufgrund eines menschlichen Bedürfnisses oder im Zuge der Ausübung seiner Funktion, welche den Mitarbeiter dazu veranlasst haben mochte, seinen Arbeitsplatz vorübergehend zu verlassen. Ravilla, wichtig, wie er sich nahm, hatte dies zum Anlass genommen, den Raum kurzerhand zu durchschreiten, anstatt auf die Rückkehr des Mitarbeiters zu warten.1 Mit elegantem Schwung seiner Tunika ließ der Seius sich auf dem dargebotenen Sitzmobiliar nieder. Anaxis sortierte die Falten, zupfte eine Haarsträhne in Form und verwandelte sich hernach etwas abseits selbst in einen adretten Teil des Mobiliars, darauf wartend, dass man seiner bedurfte.


    "Danke, Praefectus. Bisher ist unter den Tresviri capitales keine Trennung nach Schwerpunkten erfolgt. Jedoch erachten wir alle drei eine solche als sinnvoll. Effizienz ist das Stichwort. Viele Köche verderben den Brei, vor allem aber ist es unsinnig, zu dritt im selben Topf zu rühren, während zwei andere Töpfe anbrennen.


    Letztlich strebt ein jeder Tresvir auch nach vorzeigbaren Referenzen, die ihn von seinen Kollegen abhebt. Unsere Amtsperioden sind zeitlich begrenzt und ein jeder von uns dreien ist bestrebt, sie in vorbildlicher Manier zu absolvieren, um hernach den nächsten Schritt in Angriff nehmen zu können. Die anvisierte Effizienz durch individuelle Fallzuweisung dient also der Sicherheit des Staats ebenso wie dem Portfolio des Amtsträgers.


    Ich bin hier, um diese Option zu evaluieren. Gibt es Fälle, die momentan besondere Priorität genießen und welche du mir anvertrauen möchtest oder bei denen ich dir helfen kann?"


    Sim-Off:

    1Ich bitte um Verzeihung, mir war die Existenz des Vorzimmers schlichtweg entfallen. :)

    Irrig von der Castra Praetoria kommend, traf Ravilla mit leichter Verspätung in der Praefectura Urbis ein. Da die Sänfte das Transportmittel seiner Wahl gewesen war, schlug Ravilla trotz der Eile keineswegs im verschwitzten und keuchenden Zustand auf, so wenig wie sein Sklave Anaxis, der bei ihm gesessen hatte. Sie wirkten herausgeputzt wie eh und je.


    "Salve, Praefectus Urbi Herius Claudius Menecrates. Ich hoffe, ich komme gelegen?"

    Ravilla blickte Lurco konsterniert an, dann fasste er sich leidend an die Schläfe. "Ach, Nein", ließ der Seius sich zu einem Gefühlsausbruch hinreißen. "Wie unaufmerksam von mir. Das hätte ich eigentlich wissen müssen. Die Freude ist ganz meinerseits, doch leider bin ich in Eile, jetzt noch mehr als zuvor. Hab Dank!"


    Sprach's und verschwand flugs hinter den Vorhängen seiner Sänfte, die ihn sogleich im Eilschritt zur korrekten Lokalität transportierte.