Beiträge von Galeo Seius Ravilla

    Der Stilus des Sklaven Anaxis flog in kratzender Eile über die Tabulae in seiner Hand. Der überwältigenden Quantität jener Anliegen begegnete sein Herr bemerkenswert kalmiert. Sicher auch, da er allein in der Rolle des Kuriers zugegen war und ihm keinerlei Entscheidungsbefugnis in jener Chose oblag. Er inspizierte lediglich den Zustand der finsteren Örtlichkeiten und trug diese an die zuständigen Stellen heran, auf dass diese sich mit dem Anliegen des Cornicularius und der eventuellen Option von Ausbau und Renovierung befassten.


    Allein, einen Punkt gab es, welcher die besondere Aufmerksamkeit des Tresvir capitalis auf sich zog. "Ich resümiere, dass eine Umstrukturierung vollzogen wurde? Die Zellen der Cohortes Praetoriae sind nicht länger in Gebrauch? Auch die Mitglieder jener fanatischen Splittergruppe christianischer Ausrichtung findet man hier und nicht länger dort?"

    Über die Präsenz des benannten Sklaven Terpander musste gesondert disputiert werden, denn ging bei den Pflichten des Tresvir capitalis um vertrauliche Angelegenheiten und teils unter Verschluss stehende Dokumente, die mit höchster Diskretion bearbeitet werden wollten. Der junge Magistrat kannte den Sklaven nicht ausreichend gut, um sich ein sofortiges Bild zu machen und gedachte, die Motivation seines neuen Schreibers zu vernehmen, denn sicher würde dieser Gründe vorweisen können, warum er dieses silberbärtige Wesen, welches stets auf leisen Sohlen einherzuschleichen pflegte, während des künftigen Laborierens permanent in seiner physischen Nähe wissen wollte.


    Doch wollte Ravilla diese Angelegenheit im vertraulichen Rahmen thematisieren und widmete sich vorerst der Erfüllung des heutigen Tagewerks, während einen Tisch weiter sein neuer Schreiber in die Methodik und den organisatorischen Rahmen seiner künftigen Aufgaben eingeführt wurde. So kam Caius Iunius "Zwiebel" Caepio zu der Erquickung, die Grundlagen seiner Arbeit bereits vor Anbeginn derselben von den professionellen Scribae dargelegt zu bekommen, um nicht hernach ins frostige Nass gestoßen zu werden, wenn es an die Praxis ging.

    "Nun denn", schickte Ravilla sich an zu referieren, "die bloße Sichtung allein trüge freilich den desaströsen Beigeschmack einer Qualitätskontrolle. Dafür, verehrter Praefectus, wurde ich in dieser Angelegenheit natürlich nicht entsandt."


    Ein emporweisender Finger kommunizierte die Tragweite dieser Worte, das Anheben der gezupften schwarzen Brauen schuf eine zusätzliche Betonung.


    "Sondern als helfende Hand und organisatorischer wie praktizierender Helfer. Zu unterstützen war und bin ich vor Ort. Wird meiner jedoch nicht, wie vom Imperator Augustus forciert, bedurft, werde ich meine Kapazitäten andernorts einzusetzen wissen. Für den Fall, dass sich die Bedarfslage ändert, ist mein Aufenthaltsort ja allgemein bekannt."


    Nun legte der Seius in vornehmer Geste die Fingerspitzen aneinander, senkte leicht das Haupt und lächelte freundlich.



    "Das Vergnügen ist ganz meinerseits." Die beiden Männer strahlten mit gebleichten Zähnen um die Wette. "So setz dich doch zu den übrigen Schreibern und lasse dich einweisen in die Grundlagen der Arbeit, welche dich an meiner Seite erwartet. Zu Feierabend wollen wir gemeinsam speisen und ich möchte dich in einem Gespräch besser kennenlernen und einige Fragen beantwortet wissen."


    Weniger frohlockte der Sklave des Magistraten, dessen schönes Gesicht einer spontanen Versteinerung oblag, als ihm derart verkündet wurde, dass seine Dienste als Schreibkraft nicht länger vonnöten seien. Doch mit solch einer Handschrift, wie Anaxis sie sein eigen nannte, konnte Ravilla nicht länger die Mitarbeiter plagen, welche oft viel Zeit mit der Dechiffrierung aufwenden mussten.

    Es ward vorgesehen, auf die Konversation mit dem Praefectus Urbi folgend jene von Ravilla so dringlich forcierte Inspektion der Carcer zu absolvieren. Nach einem gewissen Quantum der Evaluation hatte Claudius Menecrates dem Vigintivir die Genehmigung zur lokalen Analyse attestiert. Jener nahm sie nun wahr, perzipierte und rezipierte in Begleitung von jenem Soldaten, der damit ward betraut, ihn hinab zu führen in die sinistren, hypogäengleichen Gewölbe. Anaxis indes, vom Mutismus ergriffen, da der Magistrat in vollendeter Konzentration seiner Aufgabe sich widmete, schrieb, was der Herr parlierte, diktierte und evaluierte.


    "Cornicularius, bitte berichte mir doch, was es zu diesem Ort zu sagen gibt. Wie ist die Auslastung, bestehen ausreichende Kapazitäten? Ist die Bauweise noch zeitgemäß oder bedarf sie einer Renovierung? Was ich sehe, stimmt mich zuversichtlich ob der vorhandenen Qualität, doch mag dies anders erscheinen, wenn man regelmäßiger an diesem Ort zu arbeiten hat, als mir dies während meiner begrenzten Amtszeit gegeben ist."

    Vor lauter Bestürzung kam Ravilla nicht umhin, einige Atemzüge lang zu schweigen. "Praefectus", sprach er langsam, seine Worte mit höchster Sorgfalt wählend, denn er vergaß nicht, wer vor ihm saß. "Ein jeder Handgriff, den ich in meiner Amtsausübung tat, diente der Wahrung der Interessen Roms. Keine einzige diente der meinen! Mit welcher Amtshandlung habe ich diese Einschätzung bewirkt?"


    Ravillas Miene kommunizierte deutliche Konsterniertheit ob des offen ausgesprochenen Misstrauens, während er im Geiste jeden Handgriff rekapitulierte, den er getätigt und an welchen er sich spontan zu erinnern vermochte. "Ist denn künftig generell keine Zusammenarbeit der Cohortes Urbanae mit den Tresviri capitales mehr erwünscht, Praefectus? Der Kaiser selbst beauftragte mich damit, mich in dieser Sache an dich zu wenden."

    Wenig später bat ein Mitarbeiter den jungen Mann herein, der von Ravilla mit einem strahlenden Lächeln empfangen wurde.


    "Iunius Caepio, mein lieber Neffe! Lange ist es her." Ein Altersunterschied zwischen ihnen war kaum ersichtlich, war doch der gute Junge ein weiterer Sohn von Ravillas deutlich älterer Halbschwester Seia Sanga. "Tritt doch bitte heran und nenne mir dein Anliegen."

    Ravilla war der Aufforderung, sich niederzulassen, gefolgt was mit dem Umstand geschah, den eine Toga erforderlich machte. Sein Sklave sortierte sie rasch, jedoch mit weniger Sorgfalt als üblich, da es hier nicht um die Ästhetik, sondern um die Bewegungsfreiheit ging. Während Cornicularius Purgitius hatte das Officium verlassen müssen, verweilte der Perser bei seinem Herrn. Anaxis' Loyalität war über jeden Zweifel erhaben, andernfalls wäre er nicht der Leibsklave des Ravilla geworden. Anaxis würde nicht riskieren, seine privilegierte, ja, verhätschelte Position an der Seite des Seius zu gefärden. Nach den flinken Handgriffen am Herrn und auf einen Fingerzeig hin Servierens von einem halben Glas Wasser, nahm er Aufstellung an der Wand, reglos und still wie eine schöne exotische Statue.


    Ravilla nahm einen Schluck, um seine Kehle zu befeuchten. "Es freut mich, dass wir auf diese Weise verbleiben. Was sagst du zu meinen Anmerkungen bezüglich der Unterlagen und meiner Bitte, den Carcer zu besichtigen, Praefectus?"

    Die Legio in Germania ist unsere einzige. :hmm: Wenn sie gar nicht mehr bespielt wird, könnte kein plebejischer Senatsanwärter mehr in den Senat aufgenommen werden, weil das Militärtribunat zwingend (zwischen dem ersten und zweiten Amt) absolviert werden muss.


    Ravilla benötigt das Tribunat als Nächster. Will/kann er?


    Er will und er kann. :) Die gesamte Legio allein zu leiten, übersteigt meine zeitlichen Kapazitäten, doch trage ich im Rahmen meines Tribunats gern meinen Teil dazu bei.

    Mit gebührender Umständlichkeit erhob Ravilla sich. Stehend erwartete er, dass Anaxis ihm die Falten der Toga erneut in eine ansprechende Form legte, nahm Abschied vom Herren der Welt und wandelte hinaus, um sich gänzlich den ihm anvertrauten Pflichten zu widmen. Ein Hauch von Parfum hing lange noch in der Luft und auf der Kline fand sich ein wenig glitzernder Staub, der daran erinnerte, dass der eitle Seius den edlen Leib hier unlängst hatte niedergebettet.

    Ravilla samt Sklave grüßte mit ausgesuchter Höflichkeit.


    "Salve, Praefectus Urbi. Zunächst möchte ich meinem Bedauern ob der Verzögerung diverser Angelegenheiten Ausdruck verleihen. Eine Entschuldigung ist wohl angemessen und sei hiermit verlautbart. Mich streckte für längere Zeit ein Wetterleiden nieder, das einen wesentlichen Teil meiner Energien band. Ich versichere, dass niemand besser darauf hätte verzichten können als meine Person.


    Die alltäglichen Arbeiten in der Basilica Ulpia konnten dank tatkräftiger Hilfe meiner Kollegen im Amt trotzdem zufriedenstellend erfüllt werden. Regelmäßige Korrespondenz, die ich meinem Anaxis hier diktierte, sorgte für adäquate Kommunikation unter den Tresviri capitales. So konnte auch vom Bett aus effektiv delegiert wie organisiert werden, was nicht dem Optimalzustand entsprach, jedoch weilte ich auch nicht völlig aus der Welt des Rechtsschutzes.


    Jene Aufgaben jedoch, welche meine Präsenz in persona erforderlich machten, musste ich zu meinem Bedauern in andere Hände geben. So übernahm Cornicularius Purgitius freundlicher Weise das Verhör des Delinquenten Didius Molliculus im Carcer, gleichsam kümmerte er sich um die Befragung der Gens Iulia mittels Iulia Stella, wohnhaft im Haus der Annaei.


    So weit erfolgte alles in Übereinstimmung mit der Vereinbarung der Fallvertretung. Überraschend für mich ist die heutige Erkenntnis, dass ausgerechnet die Ergebnisse jener Dinge, welche ursprünglich mir anvertraut worden waren, nun für meine Augen unter Verschluss stehen, ohne dass ich darüber Nachricht erhielt, so dass ich die Fäden nicht ordnend zusammenzuführen vermag. Ich nehme an, das hat seine Richtigkeit?


    Heute bin ich jedoch primär vor Ort, um im Rahmen einer Routinekontrolle die Inspektion der Carcer vorzunehmen. Es wäre außerordentlich freundlich, wenn ich zu diesem Zwecke einen erfahrenen Soldaten an die Seite gestellt bekäme, welchem ich einige Fragen zur Anlage stellen könnte."

    Ravilla winkte freundlich ab. "Sofern du keinen tüchtigeren und dennoch nicht minder repräsentativen Schreibsklaven parat hast als meinen Anaxis, dessen Schriftbild arg an Leserlichkeit vermissen lässt, vermagst du mir keinen Beistand zu leisten. Dennoch danke ich dir für das Angebot. Mein Ziel besteht darin, die mir verbliebene Amtszeit zur allgemeinen Zufriedenheit zu bewältigen, auch wenn ich lange Wochen aufgrund meines Wetterleiden indisponiert verbringen musste. Die Götter lassen sich nicht allzeit von den Sterblichen milde stimmen."


    Im Hintergrund vernahm man das rasche Kratzen, welches der Schreibprozess von Anaxis induzierte, der alles Notwendige protokollierte.


    "Die Beförderung zum Centurio erachte ich bei einem Mann deiner Fähigkeiten und deines Feuers als nur für eine Frage der Zeit", fuhr Ravilla fort. "Hehre Absichten, Cornicularius. Was den Ritterstand betrifft, so vermag dein Patron dir möglicherweise zu helfen. Mein eigenes Fürbitten, so fürchte ich, würde beim Imperator Augustus kein Gehör finden. Sei es, wie es sei. Wir müssen die Dinge nehmen, wie sie kommen, nicht wahr? Wo wäre Rom ohne die geheiligte Bürokratie. Wenn du bereit bist, können wir aufbrechen."

    "Ah, besten Dank, Cornicularius, das ist sehr freundlich von dir, aber ich bin in der Sänfte mit warmem, gut gewürztem Apfelsaft versorgt worden. Ein Rezept, das ich guten Gewissens empfehlen kann, besonders, wenn reichlich Zimt involviert ist. Die Akten zu den Christen sind also Verschlussache." Die Feststellung wiederholte der Seius langsam, während er seine Notizen konsultierte und ein wenig vor und zurückblätterte. Die Gründe erschlossen sich ihm nicht auf Anhieb, würden jedoch zweifelsohne vorhanden sein. Er setzte einen entsprechenden Vermerk unter diesen Punkt.


    "Möchtest du mich zu den Fortschritten bezüglich der Krähenbande informieren, ehe wir den Praefectus Urbi konsultieren? Gibt es weitere dienstliche Anmerkungen, mit welchen du an mich herantreten möchtest?"

    "Herzlichen Dank, Cornicularius." Ravilla nahm Platz, wobei er feststellte, dass Anaxis, der hinter den Herren wandelte, durch die Türschließung des Purgitiers ausgesperrt worden war. "Wärst du so freundlich, meinen Sklaven hereinzulassen? Er trägt meine Unterlagen." Ein amüsierter Zug um Ravillas Mund lockerte die Atmosphäre ein wenig, die üblicherweise zu Eis gefror, sobald ein Magistrat in Toga einen Raum betrat. Da Lurco trotz des heute dienstlichen Anliegens zu des Seius´ Freundeskreis gehörte, gönnte er ihnen beiden diese kleine Geste.


    Um Zeit zu sparen, begann Ravilla sogleich mit der Verlautbarung seines Anliegens. "Zum einen erbitte ich eine Zusammenfassung des Ermittlungsstandes, was die Situation um die fanatisch-christlichen Randgruppen anbelangt, welche ehrbare Römer um den wohlverdienten Schlaf bringen. Wie weit sind die Fortschritte gediehen, um diesbezüglich ein akzeptables Maß gesellschaftlicher Ordnung wieder herzustellen?


    Zum anderen möchte ich heute gern die Carcer der Cohortes Urbanae inspizieren, anschließend jene der Cohortes Praetoriae. Dass ich meinen Besuch nicht angemeldet habe, dient dem Umstand, dass ich mir ein möglichst authentisches Bild von den Zuständen unserer Gefängnisse machen möchte. Da der Carcer eigentlich nicht in deinen Aufgabenbereich fällt, darfst du die Führung freilich auch an den Optio carceris delegieren."

    "Die Prüfung der Carcer sowohl der Cohortes Urbanae als auch der Cohortes Praetoriae wird gewissenhaft erfolgen. Wünschst du eine persönliche Kenntnisnahme der Ergebnisse oder darf ich sie vielleicht an deine Kanzlei weiterleiten?"


    Freilich gab es fest definierte Anlaufstellen außerhalb des Palasts. Primär geruhte der Augustus sich wohl mit gewichtigeren Problemen zu befassen, doch da der Kaiser der Thematik genügend Bedeutsamkeit beimaß, um sie im Gespräch mit dem Tresvir capitalis zu erwähnen, hielt Ravilla es für ratsam, dem hohen Herrn zumindest die Einsichtnahme in die Ergebnisse auf direktem Wege anzubieten, ohne den formellen Umweg über die Magistrate gehen zu müssen, um an die Daten zu gelangen.


    Sim-Off:

    Das ist überhaupt kein Problem. Ich bin wohl der Letzte, aus dessen Mund eine Beschwerde darob eine Daseinsberechtigung hätte. ;)

    Zwar war Ravilla, zumal in Toga, nicht so zügig zu Fuß wie ein sich täglich körperlich ertüchtigender Soldat des Imperiums, doch schritt er auch nicht übermäßig langsam einher, so dass sie den Bestimmungsort bald erreichen würden.


    "Hat man dir als Cornicularius keinen Platz in einem Officium zugebilligt?" Ravilla zeigte sich aufrichtig schockiert. Womöglich schlussfolgerte er falsch, dann würde der Purgitier seinen Eindruck sicher korrigieren. "Ist die Frage gestattet, in welcher Form du die anfallenden Schriftstücke bearbeitest?"

    Der Sklave des Ravilla gab sich die Ehre, in Prunk nur wenig seinem Herrn nachstehend. "Salvete", hallte den Milites melodisch der Gruß eines heute wie stets südländisch gekleideten und exotisch geschminkten Anaxis entegegen. "Ich bin hier, meinen Herrn anzumelden, den edlen Tresvir capitalis Galeo Seius Ravilla, amtierender Vigintivir, Sohn des Volusus Seius Victor und der Domna, Nachfahrin des ehrwüdigen Lycomedes von Komana, welcher der zweite Mann nach dem König von Cappadocia war!"


    "Herrje", stieß Ravilla leise in seiner Sänfte hervor, denn jene inhaltlich korrekte, jedoch quantitativ die Geduld strapazierende Ankündigung mutete selbst ihm, welcher die Dramatik kultivierte, in Anbetracht des banalen Anlasses ein wenig zu viel des Guten an.


    Anaxis fuhr fort, die Aufmerksamkeit den Soldaten zugewandt: "Mein Herr wünscht Cornicularius Purgitius zu sprechen!"