Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Sabaco verbeugte sich nicht. Er verbeugte sich niemals. Stattdessen murrte er ein "Salvete" und blickte sich um. Er war zwar als Privatmann hier, aber Sabaco war trotzdem kein Zivilist, weshalb er unter der Toga den klimpernden Militärgürtel und seinem Pugio trug. An seinen Füßen befanden sich Caligae, doch aufgrund der Witterung steckten seine Füße in Wollsocken. Während die Toga reinweiß war, zierte seine Tunika der schmale Purpursaum. Die Kombination verriet, dass Sabaco zwar ein Mitglied des Ordo Equester war, jedoch kein ritterliches Amt ausübte. Wie auch, wenn es an dem blöden Grundbesitz scheiterte.

    Neben der Ausbildung der neuen Rekruten versah Sabaco weiterhin seinen Dienst als Decurio der Turma Secunda. Noch war das Wetter extrem nass, die Nächte lang und finster und die Lage entsprechend ruhig. Die Reiter Roms zeigten Präsenz. Um die Germanen eingeschüchtert zu halten, kontrollierten sie heute jeden, den sie auf den Straßen trafen. Das waren nicht viele, meist Reisende auf Verwandtschaftsbesuch oder hartgesottene Händler. Von keinem ging eine Gefahr aus, doch darum ging es nicht. Rom schlief nie, das war die Botschaft. Die Classis tat das Gleiche zu Wasser und kontrollierte die Häfen und die Fischerboote.


    Und die Legio ...? Sabaco wusste es nicht. Eine neue Amtsperiode hatte begonnen und die senatorischen Tribunen und ein paar andere Streifenträger hatten mal wieder die Plätze getauscht. Man würde sehen, was sie diesmal für die Legio bereithielten.

    'Keine Sorge, junger Germanicus. Dich werde ich schon auch noch zum Weinen bringen', dachte Sabaco und er sagte ganz freundlich: "Wir sind alles, was die Barbaren daran hindert, hier einzufallen. Ihr werdet der zweite Limes sein, hart und unnachgiebig."


    Nein, es würde noch keinen Dienstschluss geben. Da ging noch mehr. Sie sollten am Abend, wenn sie im Bett lagen, nichts als ihre Erschöpfung fühlen und nur an ihren Schmerz denken. Für Heimweh und die Sehnsucht nach der Familie sollte kein Platz in ihrem Kopf mehr bleiben. 'Die wissen gar nicht, wie gut es ihnen noch geht', sinnierte Sabaco, während er sie bei ihren Übungen begleitete. 'Manche Dinge begreift man nur durch Schmerz.'


    Dann ging es an die nächste Waffengattung. "Das reicht, Waffen zurück in die Halterungen. In Linie antreten!" Während sie gehorchten, beobachtete er genau ihre Bewegungen nach Anzeichen von Schmerzen, Erschöpfung und möglicherweise Überlastung. Er empfand eine gewisse sadistische Zufriedenheit dabei, doch natürlich durften sie auch nicht völlig kaputtgespielt werden. "Was sagen eure Arme...?!"


    Im Hintergrund schleppten einige Helfer derweil eine feste Strohpuppe heran, die mit germanischer Kleidung, Helm, Schild und Speer ausgestattet war. Ein eingearbeitetes Grüst aus Holzstangen hielt sie aufrecht. Man sah der Ausrüstung an, dass sie Beutegut war und einst tatsächlich ein Mensch sie getragen hatte. Schild uns Speer waren schartig, an der Kleidung sah man braune Blutflecken.

    Eine raue Hand schloss sich fest um ihren Oberarm. Ein wenig Schwung und schon stand Iunia Matidia im Aufenthaltsraum der hier stationierten Soldaten. Sabaco freute sich, weil sie kein einziges Mal geklagt hatte, obwohl sie es sicher nicht gewohnt war, auf Leitern zu steigen. Matidia war zäher, als sie aussah, was Sabaco gefiel. Der Aufenthaltsraum war kalt, dunkel und spartanisch eingerichtet. Eine rußende Öllampe bildete die gesamte Beleuchtung. Fünf Betten, ein Tisch mit schmucklosen Holzstühlen und ein Regal für Kleinkram - der Rest des Raumes wurde von Rüstungs- und Waffenständern ausgefüllt.


    "So leben Soldaten", sagte Sabaco und wies auf die nächste Leiter, die nach ganz oben führte. Obwohl Matidia gestrauchelt war, ging er erneut vor, denn die schwierigste Stelle war nicht unten, sondern der Ausstieg. Dabei lag Matidias Tuch um seinen Hals, das nicht nur duftete, sondern sich auch flauschig und warm anfühlte. Schade, dass es solche üppigen Tücher nur für Damen gab. Von oben hielt er wieder die Leiter fest und schaute nach Matidia.

    "Schwierig", antwortete Sabaco. "Deine Freizeit beträgt nur eine Stunde. In der musst du deine Ausrüstung putzen, dich selber waschen und rasieren, danach musst du kochen, essen und die Küche wieder in Ordnung bringen. Wobei ich empfehle, dass ihr euch mit dem Küchendienst absprecht, anstatt dass jeder sein eigenes Korn mahlt und seine eigene Puls kocht, dann spart ihr Zeit."


    Es war allerdings möglich, dass ein Rekrut einen Dienst tauschte, um Dinge zu üben, die er unterirdisch schlecht beherrschte, aber außerhalb des Dienstes fehlte ihm schlichtweg die Zeit. Und, wie er bald merken würde, wahrscheinlich früher oder später auch die Kraft, denn die Grundausbildung war äußerst fordernd.


    "Ich selber schwimme in meiner Freizeit." Das ganze Jahr, Sommer wie Winter. Falls Pilius sich gefragt hatte, warum Sabaco so bullig gebaut war, wusste er es nun. "Manche machen Liegestütze in der Stube oder Rumpfbeugen im Bett und andere Übungen, die schnell und mit wenig Zeitaufwand zu bewerkstelligen sind ... niemand will unter Soldaten ein Lauch oder Pummel bleiben, und das wird auch niemand. Dafür wird schon gesorgt. Aber manche brauchen mehr Forderung. Wo siehst du Nachholbedarf?"

    Drei Stockwerke ragte der Wachturm in die Dunkelheit hinauf. Zivilisten war das Betreten militärischer Anlagen untersagt, doch mit den richtigen Kontakten und dem nötigen Kleingeld konnten in manchen Bereichen Ausnahmen gemacht werden. So durfte Matidia nun mit Sabaco das eiskalte Innere eines römischen Wachturms betreten. Das untere Stockwerk diente als Vorratskammer für die Mannschaft. Der mit Stein gepflasterte Boden war voller Amphoren. In den Wandregalen drängten sich zahllose Tonkrüge. In einer Ecke stapelte sich Brennholz. Ein schmales Fenster, zu eng für einen Menschen, war die einzige Frischluftzufuhr, nachdem der zuständige Centurio die Tür hinter ihnen verschlossen hatte. Sabaco hörte, wie er etwas zu den Männern auf dem Wehrgang hinauf rief und eine kurze Antwort erhielt.


    "Ich hoffe, du bist schwindelfrei", schnurrte Sabaco und wies auf die steile Holzleiter, die ins nächste Stockwerk führte. Das war sicherer als Treppen, denn eine Leiter konnte man bei Gefahr bequem hochziehen.


    Wahrscheinlich wäre es sicherer, wenn Matidia als erste hinaufstieg und er unten wartete, bereit, sie aufzufangen, doch er stellte sich vor, dass es für sie noch unheimlicher wäre, oben ihren Kopf mitten in den Aufenthaltsraum fremder Soldaten zu stecken. Also kletterte er als erstes voran. "Salvete, Männer", grüßte er. Die Soldaten wussten, dass er heute hier erscheinen würde, und grüßten korrekt zurück. Sabaco wechselte aus Höflichkeit ein paar Worte mit ihnen, dann widmete er sich wieder seiner Begleiterin. Falls sie sich allein nicht traute, würde er doch noch mal heruntersteigen, doch mal sehen ...

    Das lief doch ganz gut. Vulcanus erhielt seinen Tribut, doch die Menschen würden nicht alles verlieren. Nur so viel, dass dieses vermaledeite Dorf für die nächste Zeit keinen Ärger bereiten würde. Warum sollten sie auch? Die Römer halfen, wo sie konnten, sogar bei dem Brand, den sie selbst gelegt hatten ...


    Sabaco bereitete sich innerlich auf den Abzug vor. Fango sprach noch mit dem Alten, der ein Würdenträger zu sein schien. So lange wollte Sabaco noch warten. Vielleicht machte der Kleine sich gerade nützlicher, als er ahnte.

    Die eisige Nachtluft durchdrang Sabacos Lunge. Gemeinsam mit Matidia ritt er entlang des Schutzwalls, der sich gegen die barbarischen Horden erhob. Der Limes erzählte eine Geschichte von grenzenlosem Mut und unerbittlichem Widerstand. Die kalten Steinmauern schienen die Geschichten der vergangenen Schlachten zu flüstern, die hier geschlagen wurden. Sabaco verspürte einen Hauch von Unbesiegbarkeit. Die Winternacht war still, doch die Ruhe war trügerisch, das wusste er. Matidias Atem legte sich warm auf seinen Nacken. Der Limes wurde zum Zeugen ihres unerschütterlichen Willens, gegen alle Widrigkeiten anzutreten.


    Es war gut, dass er diesen Ort gewählt hatte ... diese Nacht würde sehr wichtig sein.


    Sie näherten sich einem Wachturm und Sabaco stieg ab. Ein Miles der Legio hielt derweil die Zügel des Pferdes, damit Matidia nichts geschah. Sabaco besprach sich derweil mit dem Centurio, der heute für diesen Abschnitt verantwortlich war, meldete sich bei ihm an und steckte ihm den versprochenen Lohn zu. Alles war im Vorfeld besprochen worden. Keine Unwägbarkeiten, alles musste perfekt sein für diesen Augenblick.


    Mit unergründlichem Blick kehrte er zu Matidia zurück und hielt ihr die Hand hin, um ihr beim Absteigen zu helfen.

    Als Matidia die Arme um ihn schlang und ihm sanfte Worte ins Ohr sagte, schloss er für einen Moment die Augen. Sie konnte es nicht wissen, doch es war äußerst selten, dass der zutiefst misstrauische und ständig wachsame Sabaco sich dermaßen entspannte. Ihm hatte schon sehr lange niemand mehr gesagt, dass er sich über Sabacos Anwesenheit freuen würde. Die meisten waren froh, wenn er aus ihrem Blickfeld entschwand. Er lehnte ihr den Kopf so weit entgegen, dass ihre Lippen kurz sein Ohr streiften. Dann drehte er den Kopf noch weiter und küsste ihre Schläfe, schmeckte ihr Haar, das sich in seinem Mund verfing. "Gleiches gilt für dich ... diese Nacht gehört uns. Ich zeige dir etwas und dann liegt die Entscheidung bei dir."


    Bei dieser mysteriösen Andeutung beließ er es. Es dauerte nicht lange, da erreichten sie den Limes ...

    Sabaco nahm wohlwollend zur Kenntnis, wie Germanicus Pilius sich ins Zeug legte. So was fiel ihm als Ausbilder natürlich auf. Nun kam es nur noch darauf an, dass der ehrgeizige Rekrut das auch langfristig durchhielt. "Es ist weder Technik noch Kraft allein: Du brauchst beides. Kraft nützt nichts, wenn du sie wegen schlechter Technik ineffektiv einsetzt - und die beste Technik nützt nichts ohne den nötigen Wumms dahinter. Aber das Wichtigste ist Routine ..."


    Und eine Prise Sadismus, wenn es darum ging, seinen Feind vernichten zu wollen. Kalte Professionalität überließ Sabaco anderen. Seiner Meinung nach durfte der Hass nicht fehlen, sonst wurde es schwer, einem Menschen das Leben zu nehmen ... man musste sich vor Augen halten, was er getan hatte, was er mit den eigenen Leuten anrichtete, wenn man ihn jetzt nicht bis zur letzten Konsequenz aufhielt. Doch diese Dinge würde Pilius später lernen. Noch durfte er die Unbeschwertheit des Campus genießen, wo man Holzpfähle penetrierte und keine Körper.


    Er grinste etwas. "Ja ... Routine. Deine Muskulatur sieht schon ganz gut aus und die Technik wird langsam. Übung brauchst du, das ist alles. Weitermachen, Tiro." Der Rest kam von ganz allein. Zufrieden beobachtete er, wie seine Tirones sich quälten, und er ließ sie leiden bis den ersten die Muskeln versagten.

    "Alles richtig. Ich bin zufrieden, Tiro Germanicus Pilius. Wir sind keine Infanterieeinheit, darum ist das Pilum für uns nutzlos. Ausrüsten mit der Hasta." Er wartete, bis alle so weit waren. "Betrachtet euch mal die Spitze. Die ist größer, als die meisten sie sich vorstellen, lang und dick wie ein Pugio, und noch schwerer, weil der Schaft dranhängt. Man kann damit eine schöne Stoßkraft entwickeln, besonders, wenn der Schwung zu Pferd noch hinzu kommt. Aber bis es so weit ist und wir zu Pferd üben, dauert es noch."


    Er hob die Hasta über den Kopf und demonstrierte einen kräftigen Stoß in Richtung eines Holzfpahls. "Seht ihr? Meist rammt man sie von oben in den Gegner. Das geht gut im lockeren Galopp oder beim stehenden Pferd ... in welchen Situationen sollte euer Pferd im Schlachtgetümmel stehen...? Ich beantworte es euch: Gar nicht! Denn dann verliert ihr alle Vorteile, die wir als Reiter haben und die Gegner haben leichtes Spiel mit euch. Wir bleiben im Einsatz immer in Bewegung. Können wir das nicht mehr gewährleisten, ziehen wir uns zurück. Das ist die Art, wie die Ala im Gefecht eingesetzt wird, als Stoßtrupp ... als Schockeinheit ... das könnt ihr jetzt selbst testen."


    Die Rekruten verteilten sich mit ihrer Hasta an den Pfählen. Sabaco dozierte, während die Rekruten übten: "Taktisch gesehen ist die Ala eine reine Angriffswaffe und, geschickt eingesetzt, in der Lage den Feind dramatisch zu demoralisieren und, unter Umständen, eine rasche Entscheidung herbeizuführen. Das Überraschungsmoment ist hierbei der Ala bester Freund. Die Vorteile der Ala liegen ohne Zweifel in der Schnelligkeit, Beweglichkeit, Standvermögen und im psychischen und physischen Einsatz der Pferde gegen den Feind."


    Sie machten sich ganz gut. Er blieb bei seinem neuen Lieblingsrekruten stehen, während er fortfuhr: "Mit der Lage am Limes hat die Ala die Aufgabe von Patroulliendiensten, polizeiliche Aufgaben und im Kriegsfalle Vorposten- und Kleinkrieg. In Verbindung mit einer, oder mehreren Legionen, steht die Ala den Fußtruppen ergänzend zur Seite. Ihre Aufgaben sind sowohol taktischer, als auch operativer Natur. Das ist für jene interessant, die irgendwann mit einer Karriere als Offizier liebäugeln."


    Schon mal ein paar Zuckerwürfelchen streuen ... den Ehrgeizigen zeigen, dass es durchaus Möglichkeiten zur Karriere gab. Andere waren als Mannschaftssoldat zufrieden und scheuten die Verantwortung. Noch immer mussten die angehenden Soldaten mit der Hasta üben. Wahrscheinlich tat ihnen inzwischen alles weh und bei dem Gedanken unterdrückte Sabaco ein Grinsen, denn das war erst der Anfang. Mit Schmerz umzugehen und mit Befehlen, gegen die der Körper eigentlich streikte und deren Sinn der Geist nicht erfasste, war eine der wichtigsten charakterbildenden Maßnahmen ...

    Sabaco wiegte nachdenklich den Kopf. Eigentlich brauchte er so einen Kurs nicht. Schule ... Theorie ... all das hatte er gehasst. Selbst in der Ala gingen ihm die regelmäßigen Schulungen für die Offiziere auf den Keks.


    Andererseits konnte es auch nicht schaden, sich mal wieder mit dem Zivilrecht zu befassen. Er wurde nicht jünger und wenn die Götter es so wollten, gab es irgendwann auch eine Zeit nach der Ala. Und was dann? Vielleicht würde ihm der Kurs helfen, sich als amtierender Eques zu empfehlen ... wer wusste das schon. Und der Dozent war ein Iunier.


    So vermerke Sabaco in seinem Notizbuch zwischen finsteren Gedanken und nicht minder düsteren Gedichten auch den Termin zum Cursus Iuris.

    "Gut, das reicht. Die Schwerter zurück in die Halterungen. Die Ovalschilde behaltet ihr." Sabaco war sehr zufrieden mit diesen Rekruten, was man ihm wohl ansah und in seiner Stimmlage hörte, auch wenn er nicht lächelte. "Weiter geht es mit der Hasta. Aurüsten." Er wartete, bis die Rekruten so weit waren. "Die Hasta ist eine Waffe, die wir im Einsatz noch häufiger verwenden als die Spatha. Das Pilum hingegen, das die Legio verwendet, brauchen wir überhaupt nicht. Warum?"


    Seine Augen ruhten - mal wieder - auf Germanicus Pilius. Die Frage war simpel, doch Sabaco ließ seine Rekruten gern mitarbeiten, das hielt ihren Geist wach. Wenn sie so weitermachten, konnten sie heute die Grundlagen im Umgang mit den gängigsten Waffen schon abschließen. Beim künftigen Drill würden sie die Bewegungsabläufe bis zum Erbrechen üben, doch jetzt ging es erstmal darum, alle Waffen schon einmal in der Hand gehalten und die Grundlagen zu kennen.

    Das Aufsteigen auf Gymir war wahrscheinlich das Uneleganteste, was Sabaco und Matidia bisher zustandegebracht hatten, doch es sah niemand und die beiden hatten ihren Spaß, jeder auf seine Weise. Fast schon spielerisch kamen sie einander näher. Was sonst in Sabacos Geist seine finsteren Bahnen zog, war fort. Die einzige Anspannung, die er noch spürte, rührte von der Sorge her, Matidia oder ihren zuständigen Verwandten am Ende doch nicht von sich überzeugen zu können. Umso mehr genoss er die Momente, die ihm sicher waren. Nach einigen Verrenkungen war es geschafft und Matidia saß auf der gefalteten Decke, die anstelle des Hörnchensattels über den Rücken des Grauschimmels gebunden war. Er hatte sie im vornehmen Damensitz platziert, da ihr das Gewand sonst bis über die Knie hinauf gerutscht wäre.


    "Wild könnte es durchaus werden. Aber nicht beim ersten Ritt", schnurrte Sabaco mit der gleichen Doppeldeutigkeit, die er aus Matidias Worten heraushörte. Dann schwang er sich vor Matidia aufs Pferd. Hinter ihr zu sitzen, hätte gegen jede noch so großzügig ausgelegte Etikette verstoßen. "Du kannst dich an mir festhalten. Es ist nicht weit, aber es besteht kein Grund zur Eile." Sabaco war in Kuschelstimmung und würde das Pferd so langsam gehen lassen, wie es nur ging.


    Leicht gab er Gymir die Fersen. Der muskulöse Körper des Hengstes kam unter ihnen in Bewegung und das dumpfe Klopfen seiner Hufe hallte durch die Dunkelheit.

    "Ja." Der Germanicus trug seinen großen Namen nicht zu Unrecht, wie es schien. Sabaco wanderte langsam hin und her, seine Rekruten nicht aus den Augen lassend. Er ergänzte dabei noch ein paar Worte zur Spatha: "Euer Speer - zu Pferd aufgrund seiner Reichweite oft die erste Wahl - kann brechen oder irgendwo stecken bleiben. Die Spatha kann dies nicht. Sie ist immer an eurer Seite. Zu Pferd ist die größere Länge im Vergleich zum Gladius tatsächlich das erste Argument für ihren Einsatz. Doch ihr seid ja nicht immer zu Pferd."


    Er sah die Tirones ernst an. "Die Germanen versuchen oft, anstelle der Reiter erstmal die Pferde zu Fall zu bringen. Dann wärt ihr ohne eure Spatha aufgeschmissen. In vereinzelten Zweikämpfen ist das Gladius eine denkbar schlechte Wahl. Es entfaltet seine Stärke in engen Formationen. Die Spatha aber ist dann effektiv, wenn man Platz hat. Das ist für uns die wahrscheinlichere Variante. Die Spatha hat für unseren Zweck also nur Vorteile."


    Er blieb in der Nähe der Übungspfähle stehen. "Noch eine Runde Kampfübung, diesmal mit dem Ovalschild der Kavallerie und der Spatha! Die Bewegungsabläufe sind zunächst wie beim Gladius, also stechend, aber ohne das Drehen beim Herausziehen. Ausrüsten." Heute Abend würden die Tirones wünschen, dass ihnen die schmerzenden Arme einfach abfielen, doch so war das eben.

    Sabaco packte selbst nicht mit an, er war mit Organisieren beschäftigt, während er die Situation im Auge behielt. Menschen reagierten manchmal paradox, wenn sie unter Stress standen, doch die Germanen verhielten sich vernünftig und koorperierten mit ihren Rettern. Sabaco fiel ein alter Mann mit Rauschebart auf, der das Sagen zu haben schien. Ein Weiterer kümmerte sich um den Transport der Verletzten mittels Fuhrwerken. Außerdem war da eine Germanin, die den Ton angab. Keinen der drei kannte er, doch vielleicht würden sie für ihn noch interessant sein.


    Immer wieder sah Sabaco hinüber zu dem lodernden Inferno, das an Danwarts Dorf fraß, und er liebte es. Die Löschversuche waren gut gemeint, aber mehr auch nicht. Ein solches Feuer brannte sehr viele Tage ...


    Er ritt zu der Frau, die den Ton angab. Einer seiner germanischsprachigen Männer übersetzte: "Wenn ich einen Rat geben darf ... verschwendet nicht eure Zeit mit Eimern. Das wird nichts, das Wasser verdunstet einfach bei der Hitze, und sie kommen sowieso nicht nah genug ran. Die Männer und kräftigen Frauen und älteren Kinder sollen Hacken nehmen und eine Schneise in den Boden schlagen. Vegetation weg, Holzreste weg, Gerümpel weg. Eine Sperre aus blankem Erdreich, frei von jeglichem brennbaren Material, damit die Flammen nicht übergreifen. Da ist die Energie sinnvoller eingesetzt."

    "Das ist alles richtig. Außerdem hat ein Gladius keine Hohlkehle. Das Herausziehen aus dem Körper des Gegners ist darum schwierig, wenn es im Verlauf des Schnittkanals erfolgen soll. Beim Drehen kommt Luft an die Klinge und es wird leichter. Das Problem habt ihr allerdings mit einer Spatha nicht. Waffen wechseln!"


    Er wartete bis die Tirones die Gladii und Schilde zurück in die Halterungen gelegt hatten und nun ihre hölzerne Übungsspatha und den ovalen Kavallerieschild trugen. Dabei ging er herum, erklärte und korrigierte. "Den Gladius hattet ihr an der rechten Körperseite, damit er nicht mit dem großen Schild der Legio kollidiert. Die Spatha aber tragt ihr an der linken Körperseite."


    Als alle so weit waren, ließ er sie wieder antreten. "Das ist in Zukunft eure Primärwaffe", verkündete er mit dem ihm eigenen Pathos. "Kann einer sagen, warum sie für uns besser geeignet ist als der Gladius - von der Länge abgesehen?" Die Frage war kniffelig. Mal sehen, ob einer seiner neuen Tirones die Antwort zusammenbekam. Den Tirones gaben die kurzen Gespräche zwischendurch die Möglichkeit, zu verschnaufen.

    "Das ist gut." Sabaco fand tatsächlich ein Lob. "Die meisten fuchteln mit dem Gladius erstmal rum. Aber ein Gladius ist keine Fechtwaffe, sondern dient ausschließlich zum Stechen. Das ist schließlich kein germanischer Sax. Zur Abwehr nutzt ihr nicht die Klinge, sondern den Schild. Das Wechselspiel muss euch in Fleisch und Blut übergehen. Aber alles nacheinander."


    Sabaco nahm Pilius Schwert und Schild ab und demonstrierte noch einmal den korrekten Einsatz von beidem. Dabei konnten sie nicht nur sehen, dass das die Spitze blitzartig nach vorn gerammt wurde, sondern auch, dass Sabaco beim Herausziehen die Klinge drehte. Wenn man sich vorstellte, dass sie dabei in einem Körper steckte, tat das schon vom Hinsehen weh. Die Bewegung erfolgte unwahrscheinlich schnell. Da Sabaco die längste Zeit seines Soldatenlebens in der Legio gedient hatte, beherrschte er die Bewegung immer noch hervorragend. Die Rekruten mussten die Bewegung nun einige Male gemäß seiner Anleitung durchführen, erst in die Luft und dann gegen einen der Übungspfähle. Sabaco beobachtete sie, korrigierte hier und da und freute sich, wenn sie vor Muskelschmerzen ächzten, doch im Grunde war er zufrieden.


    "Das reicht, kurze Pause! Alle zuhören." Da Pilius das Pech hatte, gerade bei Sabaco zu stehen, wurde er weiterhin malträtiert. "Zwei Fragen an dich, Tiro Germanicus Pilius: Erstens, warum dreht man das Gladius beim Herausziehen? Zweitens, was ist der Unterschied zwischen einem Gladius und einer Spatha?"

    Als Sabaco Meldung erhielt, musste er sich das Grinsen verkneifen. Wann immer ein großes Feuer loderte, erfüllte ihn der Segen des Vulcanus. Er spürte es in jeder Faser seines Körpers. Sein Herz schlug schnell, das Blut rauschte ihm in den Ohren, als er seine Männer immer näher an die Brunst heranführte.


    "Wir reiten um das Dorf herum und nähern uns von der windabgewandten Seite", informierte er seinen Unteroffizier. "Wir helfen den Bewohnern bei der Evakuierung und sehen, was sich von ihrem Hab und Gut noch retten lässt. Bleibt außerhalb der Rauchgrenze. Keine Löscharbeiten!"


    Sabaco schloss für einen Moment die Augen, um die Wärme auf seiner Haut zu genießen. Vulcanus war einer der ältesten römischen Urgötter. Im Gegensatz zu seinem griechischen Pendant Hephaistos war er nicht nur der Gott der Schmiede und Handwerker, sondern auch der Gott des zerstörerischen, unkontrollierbaren Feuers. Er war die Gottheit eines destruktiven Elements. Daher waren seine Tempel stets außerhalb der Städte gelegen. Während der Vulcanalia wurden ihm Opfer dargebracht, um ihn zu besänftigen und so die Gefahr vor Feuer zu lindern. Sabaco aber hatte seine eigene Methode entwickelt, denn niemand bändigte diesen Gott mit ein paar Fischen, die man in die Feuerschalen warf. Allein der Gedanke war lächerlich. Sabaco opferte Volcanus in ganz anderen Dimensionen, machte sich zum Komplizen seiner zerstörerischen Seite, so lange niemand ahnte, wer der Brandstifter war, der hinter den seltenen, aber regelmäßigen Großbränden steckte.