Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    "Ja, die Chatten. Inwieweit das für die anderen Stämme galt - da habe ich keine Ahnung. Es galt wohl nur für sie, da die Angriffe nie vollständig aufhörten. Nach Ablauf der Zeit nahmen sie allerdings wieder zu. Sprich, der momentane Druck geht wahrscheinlich von den Chatten aus. Hast du dazu Informationen vorliegen?"


    Scarpus schrieb keine Namen auf. Vermutlich durfte er keine nennen, um die Informanten zu schützen.


    "Uns fehlt bislang eine heiße Spur, sie kommen scheinbar aus allen Richtungen und ohne festen Anführer, doch das täuscht. Sie gehen taktisch klug vor und es ist ihnen gelungen, unsere Offiziere zu ermorden. Jemand plant und er weiß, was er tut. Diesen Jemand müssen wir finden und um die Last seines aufgeblasenen Hauptes erleichtern!

    Sabaco lehnte sich zurück und hörte aufmerksam zu. Die Angelegenheit wurde nicht einfacher, aber klarte auf.


    "Das sind wichtige Neuigkeiten, Decurio. Hört sich nach einer großen Angelegenheit an die da auf uns zurollt." Er schob Scarpus eine leere Tabula samt Griffel hinüber. "Wenn du kannst, schreib mir die Namen der germanischen Informanten auf und welchem Stamm sie angehören. Dann werde ich sie a) verschonen und b) werden sie uns in Zukunft weiter nützen dürfen."


    Ihm wurde bewusst, wie bedeutsam die Arbeit der Kundschafter in dieser undurchsichtigen Angelegenheit sein würde. Zwar hatte er entsprechende Vorkehrungen getroffen, doch er würde sie weiter ausbauen. Sein Blick streifte Nero. Wenn er jemandem die Verwaltung dieser sensiblen Informationen anvertrauen wollte, dann ihm. Nicht umsonst hatte er dafür gesorgt, dass er den Posten des Cornicularius bekam. Nero war eindeutig zu alt, um Sabaco an die Front zu begleiten. Stattdessen würde er sicher im gut beheizten heimischen Officium die eintrudelnden Informationen auswerten, damit Sabaco daraus seine Taktik weben konnte. Aber davon wusste Nero noch nichts.


    Sabaco schaute wieder zu Scarpus, ob der fertig war mit schreiben. "Weißt du, warum die Sueben nach Westen drängen und warum die Markomannen die Donau überschreiten wollen? Vor diesem vierjährigen Friedensvertrag, den der damalige Tribunus Laticlavius Flavius Gracchus Minor aushandelte, war es wohl Hunger. Missernten und so weiter."


    Sim-Off:

    Falls du dir noch keine Informanten ausgedacht hast, kannst du gern ein paar erfinden, auf die wir uns künftig beziehen können.

    "Erschüttert sind wir alle, Decurio. Die Legio ist natürlich bereits informiert worden. Wenn du dich aus persönlichen Gründen an der Bergung und am Abschied der Gefallenen beteiligen möchtest, wende dich am besten direkt an die Legio, ich kann dazu nichts sagen."


    Einige Augenblicke schwieg Sabaco. Froh, dass er nicht den Tod seines Bruders mitgeteilt bekam, frustriert, weil er auch sonst nichts über Ocellas Verblieb erfuhr. Dann fing er sich. Der einzige Weg war, diese Operation mit brutaler Effizienz durchzuziehen.


    "Momentan brodelt die Gerüchteküche. Es ist nicht einfach, Gerücht und Tatsache voneinander zu trennen. Ich denke, für uns alle sprechen zu können, wenn ich sage, dass wir froh darüber sind, dass wir uns in dem Fall geirrt haben und dass du und deine Männer wohlbehalten wieder heimgefunden habt."


    Am Wahrheitsgehalt der Worte von Atius Scarpus zweifelte er keinen Augenblick, auch ohne schriftliche Belege, die ihn ohnehin nichts angehen würden. Das bloße Wort eines guten Kameraden galt für ihn und war über jeden Zweifel erhaben.


    "Da es eine geheime Operation war, ist es nicht an mir, Informationen von dir zu erbitten, Decurio. Aber falls es etwas gibt, von dem du meinst, dass es für die Operation Sommergewitter hilfreich sein könnt, dann wende dich an die Stabsoffiziere. Das musst du ja ohnehin tun, um deine neuen Befehle abzuholen. Sie werden dann entscheiden, ob sie mich ebenfalls über die Dinge in Kenntnis setzen wollen, die du ihnen mitteilst.


    Das wäre dann alles. Danke, dass du dir es so kurz nach deiner Heimkehr einrichten konntest, hier zu erscheinen."


    Das war nicht selbstverständlich, denn diese Besprechung ging den anderen Decurio von der Sache her nichts an und er hätte ihm genau so gut die kalte Schulter zeigen und seinen eigenen Angelegenheiten nachgehen können. Sabaco griff nach dem Stapel mit den Befehlen für die Turma Secunda, ein Zeichen, dass sich Atius Scarpus nun entfernen durfte.

    "Damit sind wir vollzählig." Da Scarpus in weiser Voraussicht die Tür geschlossen hatte, brauchte Sabaco das nicht zu tun. "Meine Herren Offiziere und Unteroffiziere! Wir haben uns heute hier eingefunden, um die Operation Sommergewitter zu besprechen." Allein der Name sollte jedem klar machen, dass es sich dabei nicht um eine Friedensmission handelte. "Ich zähle euch die schwersten Angriffe auf das Exercitus Romanus der letzten Monate auf:

    Sabaco ließ eine Pause, damit jeder das Ausmaß der Überfälle innerlich erfassen konnte. Dieses schweren Verluste schmerzten jeden, der ein Herz besaß. Zudem sollte jeder begreifen, dass die Zeit für den bisherigen Kuschelkurs vorbei war.


    "Nicht eingerechnet sind die zahlreichen kleinen Scharmützel, mit denen sich unsere Patrouillen inzwischen beinahe wöchentlich rumplagen müssen. Die erfolgreichen Angriffe auf unsere führenden Köpfe spricht eine deutliche Sprache, hier ist ein planender Geist am Werk, der enthauptet werden muss. Männer. Die kontinuierlichen schweren Angriffe auf unsere Truppen dürfen nicht länger nur mit Selbstverteidigung beantwortet werden. Der Stab hat klare Vorstellungen, wie ab sofort mit dieser Situation umgegangen werden soll."


    Sabaco klopfte auf den Stapel Unterlagen.


    "Ich habe hier unsere Befehle für die kommenden Monate. Die Angelegenheit wurde ganz oben geplant und ich habe mich freiwillig gemeldet als der ausführende Arm. Wir werden nichts dem Zufall überlassen.


    Doch bevor ich zur Befehlsausgabe komme, übergebe ich das Wort an Decurio Atius Scarpus, Überlebender der Turma Prima. Bitte berichte uns, was du in Germania erlebtest und ob du Hinweise hast, was mit dem Rest der Turma geschehen ist."


    Damit ließ Sabaco sich auf einem Stuhl nieder. In der Hoffnung, dass der Mann in dieser Angelegenheit Licht ins Dunkel bringen konnte.

    Schwere Schritte im Gang ließen erahnen, das eine eindrucksvolle Gestalt nahte. Mit einem Stapel Unterlagen kam Sabaco in den Besprechungsraum. Er marschierte um den Tisch herum zum Stirnende, wo sich an der Wand die große Schiefertafel befand. Den Stapel ließ er auf den Tisch plauzen. Er blickte in die Runde, musterte reihum die Anwesenden und sah jedem einmal kurz in die Augen.


    Denjenigen, die ihn noch nicht so oft gesehen hatten, würde wohl als erstes Sabacos große Gestalt mit dem ausgeprägten V-Kreuz auffallen, dann die eisblauen Augen unter den dichten schwarzen Brauen. Eine frische Narbe teilte die linke Braue in zwei Hälften. Sobald Sabaco sprach, bemerkte man das Fehlen etlicher Zähne auf der linken Seite, überhaupt war sein Gebiss ramponiert. Sabaco war eine raue Erscheinung, die vor Männlichkeit nur so strotzte. Doch verrieten tiefe Augenringe, dass er wenig schlief.


    "Salvete, die Herren. Die Spatzen haben vermutlich schon von den Dächern gepfiffen, wer ab sofort die Turma Secunda kommandiert. Mein Name ist Publius Matinius Sabaco aus Tarraco. Ich habe meine Grundausbildung bei der Legio IX Hispania absolviert, die später nach Niedergermanien versetzt wurde. Dort sammelte ich Fronterfahrung mit endlosen Scharmützeln und Gefechten. Nach einer Umstrukturierung habe ich als Optio in der Classis gedient, meine Schwerpunkte waren dort Ausbildungsbetrieb, Versorgung der Truppen und Grenzssicherung durch Patrouillenfahren. Dieses Jahr sollte ich zunächst als Ausbildungsoptio die Legio XXII Primigenia verstärken, wurde jedoch im Zuge der Ereignisse aufgrund meiner inzwischen recht umfangreichen Erfahrung von der Legio wieder abkommandiert und als Decurio hierher versetzt."


    Er gab den Männern Gelegenheit, die Information sacken zu lassen. Vor allem nahm er sich bewusst Zeit mit der Einleitung, da er noch auf das Erscheinen von Paullus Atius Scarpus hoffte.

    Sabaco presste die Lippen zusammen, bis sie blutleer waren. Die schwarzen Stoppeln um seinen vernarbten Mund richteten sich auf. Dann fing er sich wieder.


    "Du sollst deine Informationen bekommen. Zufällig ist für morgen früh eine Besprechung zu diesem Thema anberaumt. Wenn du dich erholt hast, finde dich mit im Besprechungsraum der Offiziere ein. Dort wirst du Antworten erhalten und uns hoffentlich auch ein paar geben können. Eine schlammige Porta ist nicht der richtige Ort dafür. Wenn du noch etwas brauchst, wende dich an Eques Seius Iunianus Fango und er wird es dir organisieren. Ich habe hier noch einen Wall zu bewachen. Vale, Decurio."


    Damit ging Sabaco um die Ecke. Man hörte noch seine schweren Schritte, als er, viel langsamer als auf dem Hinweg, die Treppe hinaufstapfte und über den Wehrgang nach Norden ging, um weiter hinaus auf den Wald zu starren.


    Für Decurio Atius Scarpus sollte inzwischen seine Stube fertig vorbereitet sein.

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    Sabaco ließ für Scarpus ein gutes Essen und heißen Würzwein zum Durchwärmen vorbereiten, außerdem legte ihm jemand heiße Steine ins Bett, damit es vorgewärmt wurde, lüftete noch einmal kräftig und heizte seine Stube an. Wenn Scarpus in seine Stube kam, würde es dort wohnlich für ihn sein und nach frischem, schweren Essen und heißem Würzwein duften.

    Von den harmlosen Ereignissen ahnte hier niemand etwas.


    Die Gerüchte, die sich um die Ereignisse um die Turma Prima rankten, waren entgegen der Bemühungen der Offiziere zu Monstrositäten gewuchert. Inzwischen war jeder sicher, dass Germanicus Varro samt seiner Männer und samt dem Goldenen Adler in die Hände rachsüchtiger Germanen gefallen war. Wer hätte je gedacht, dass ausgerechnet Varro so enden würde? Mit dem Verlust des wie ein Halbgott verehrten Subpraefectus assoziierten manche Equites den Untergang des Imperiums. An der Grenze würde es beginnen, wie eine Nekrose fraß der Untergang sich in Richtung seines Herzens, in Richtung Roma.


    Sabaco stand allein auf der Seite des Walls, die Germania zugewandt war. Seine Gedanken galten jemanden, dessen Namen bereits langsam unter de Soldaten verblasste. Keiner der namhaften Großen, die zu Ikonen stilisiert wurden. Einer von denen, welche vom Lauf der Zeit vergessen werden würden. Vor der Mauer zog Braun der Rhenus, breit und reißend von der Schneeschmelze. Er blickte über den kahlen Winterwald am anderen Ufer, der sich braun und dunkelgrün von Horizont zu Horziont erstreckte. Irgendwo in dieser endlosen Wildnis befand sich Ocella, tot oder lebendig.


    Die Meldung des hibbeligen kleinen Eques riss ihn aus seinen schwarzen Gedanken. Die Meldung hatte es in sich.


    Sabacos schwere Schritte polterten über den Wehrgang, dann die Treppe hinunter, vor zur Porta. Der Anblick, den er am Tor vorfand, erschütterte ihn bis ins Mark. War das alles, was von der Turma Prima übrig war? War der Rest ...


    Er würgte den Gedanken ab, gab Anweisungen.


    Calones wurden gerufen, Trossknechte, welche die Pferde in Empfang nahmen, um sie für die Soldaten in die Ställe zu bringen und zu versorgen. Wer ins Valetudinarium musste, wurde dorthin geleitet. Zudem organisierte Sabaco ein paar zum Lager gehörende Sklaven, welche sich um die ramponierten Soldaten kümmern würden. Wer wollte, bekam in den Thermen Hilfe, wurde massiert, geölt und gestriegelt und vor allem rasiert, frisiert und bekam die Nägel gestutzt. Auch die Zahnpflege würde übernommen werden. Außerdem würden die Sklaven sich um die dreckigen Kleider und die verlotterte Ausrüstung kümmern.


    Es dürfte selten sein, dass eine Einheit mit solcher Fürsorge empfangen wurde, doch wenn jemand sich das verdient hatte, dann die zum Rumpf verstümmelte Turma Prima. Für Scarpus als Decurio ließ Sabaco ein gutes Essen und heißen Würzwein zum Durchwärmen vorbereiten, außerdem legte ihm jemand heiße Steine ins Bett, damit es vorgewärmt wurde, lüftete noch einmal kräftig und heizte seine Stube an. Wenn Scarpus in seine Stube kam, würde es dort wohnlich für ihn sein und nach frischem, schweren Essen und heißem Würzwein duften.


    Nachdem das alles organisiert war, was trotz des Umfangs nur wenige Sekunden dauerte - wozu konnte man delegieren - stellte Sabaco sich vor.


    "Decurio Atius Scarpus! Decurio Publius Matinius Sabaco, Turma Secunda." Er musste sich einen Moment sammeln, während hinter ihm alles in Bewegung war, was anpacken und helfen konnte, um den traurigen Rest der stolzen Turma Prima zu empfangen. Dann konnte er sich die Frage nicht länger verkneifen: "Wo ist Vexillarius Matinius Ocella? Wo ist mein Bruder?"

    Besprechungsraum der Offiziere


    Das Herzstück des gut bezeizten Raumes bildet ein rechteckiger Tisch mit vielen Stühlen. Die hölzerne Tischplatte ist groß genug, um jedem anwesenden Offizier genug Platz zum Ausbreiten seiner Unterlagen zu bieten. An der Wand hängt eine große Schiefertafel, auf der mit Kreide Pläne veranschaulicht werden können. Öllampen sorgen während der in Germania oft herrschenden Dunkelheit für Licht. In den Ecken des Raumes frisst die Feuchtigkeit an der roten Wandfarbe, der Boden ist nicht mit Mosaik, sondern mit Natursteinen gefliest - ein deutliches Zeichen, dass man sich hier im Castellum einer Hilfstruppe in der Provinz und nicht bei der Legio befindet.

    Früher als jeder andere war Sabaco sicher, dass etwas nicht stimmte.


    Ocella war vom Winterwald verschluckt worden. Lebend oder nur noch die kalten Gebeine? Das war keine militärische Operation! Etwas stimmte nicht. Ocella wusste, wie Sabaco an ihm hing, und hätte ihm Bescheid gegeben, wäre seine längerfristige Abwesenheit geplant gewesen. Germania hatte seinen Bruder in den kalten Klauen und gab ihn nicht mehr frei.


    Auch Sabacos Körper reagierte auf die Sorge. Kaum in der Legio angekommen, musste er schon das Valetudinarium aufsuchen. Ein schwerer Infekt fesselte ihn für Tage dienstunfähig ans Bett. Sobald er wieder gehen konnte, ohne dass der Schwindel ihn gegen Türrahmen lenkte, nahm er das Geld, was für den Kopfgeldjäger geplant gewesen war, und zog damit von Officium zu Officium.


    Wofür er sich bewarb, war nichts geringeres als der Posten eines Decurio. Und natürlich würde Nero ihn begleiten, der gar nichts von seinem Glück wusste. Sabaco brauchte ihn an seiner Seite, als Mensch und als Offizier. Er brauchte ihn mehr denn je.


    Sabaco konnte sich vor seinen Vorgesetzten gut präsentieren, wenn er wollte, wusste um die Gesetze des Miteinanders, fand die Balance zwischen Selbstbewusstsein und Höflichkeit, zwischen Druck und Anbiederung. In Hispania spielte die Gens Matinia noch immer in den oberen Riegen der Gesellschaft und er gehörte dem Ordo Equester an, auch wenn ihm zur Amtsausübung der notwendige Grundbesitz fehlte. Er berief sich auf prominente Verwandte, machte Versprechungen, ließ bare Münze rollen. Es war wohl eine der wenigen Gelegenheiten, da seine Ahnen stolz auf ihn hinabblickten.


    Unter all dem vorbildlich römisch-korrupten Gehabe merkte man ihm an, dass es ihm eine Herzensangelegenheit war. Der fiebrige Glanz in seinen Augen, wann immer von der verschollenen Turma Prima die Rede war, mochte nicht allein den Nachwirkungen des Infekts geschuldet sein.

    Sabaco hätte Nero gern die Sorge genommen, doch dieser verhinderte eine Antwort.


    So musste Nero weiter in dem Glauben bleiben, Sabaco würde den geliebten kleinen Bruder aus Verzweiflung vom Antlitz des Imperiums tilgen wollen. Wäre er nicht pleite, würde er ihm vielmehr ein Denkmal errichten lassen, ein Heroon, ein leeres Haus, einem Tempel gleich, in dem die Hellenen ihre Halbgötter verehrten. Und wie ein Halbgott war Ocella auch, kühl und fern, mit einem Gesicht wie aus Stein. Wie viele Opfergaben Sabaco ihm auch darbrachte, er würde nicht zu ihm hinabsteigen. Denn Ocella strebte nach noch weiter entfernten Göttern ... Germanicus Varro, noch unerreichbarer, noch kälter. Und Ocella würde nicht ruhen, bis er nicht an Varros Seite ganz zu Stein geworden war. Armer kleiner Bruder. Doch Sabaco war ja da und würde die Sache wieder in Ordnung bringen. Nicht jetzt, nicht heute, nicht dieses Jahr. Langsam und stetig.


    Nero aber lag warm in Sabacos Armen. Er lag hier, bei ihm, und Sabaco konnte seinen Herzschlag spüren. Er drückte ihn auf den Rücken und legte ihm fühlend die Hand auf die Brust, schloss die Augen und spürte, wie es klopfte.


    "Die Welt, die du fürchtest, wird gar nichts tun", sprach er ruhig. "Sie kann uns nichts. Denn ich weiß, wie man ihr alles entreißt, was man zum Überleben braucht. Sie hat mir vieles schon entrissen und ich habe mir alles zurückgeholt. Du willst mich beschützen - dann schütze dich selbst, damit ich keine Dummheiten tun muss."


    Damit kroch er zwischen Neros Beine und sank auf ihn hinab. Der Boden des Bootes rieb hart unter ihnen, die Kälte kroch über ihre Haut, doch zwischen ihnen loderten unsichtbare Flammen, die den Winter und die Dunkelheit vergessen ließen.

    Sabaco vermochte nicht zu antworten, weil sein Mund anderweitig beschäftigt wurde. Seine Küsse waren wenig zärtlich, hatten eher etwas von dem Gefühl, gleich aufgefressen zu werden. Seine Zunge schien sich bis in Neros Magen bohren zu wollen und seine Zähne zogen erregt an Neros Lippen.


    "Ich bin in einem Mond wahrscheinlich pleite, Nero", raunte er schließlich. "Jemand muss sterben und ich habe mein ganzes Vermögen dafür in den Topf geworfen. Und du bist wahrscheinlich auch pleite nach dem Kauf des Hausbootes. Also nein, wir können kein Haus erwerben. Aber wir haben uns und unser Boot, notfalls auch mal ein Zimmer. So teuer ist es nicht, wird nur halt irgendwann auffällig. Mir ist das egal, dir nicht. Du musst dich entscheiden. Komm her."


    Er zog ihn nun ganz an sich heran.

    Es kehrte Ruhe ein und Sabaco merkte den Alkohol im Kopf. Er verabschiedete sich und ließ an geeigneter Stelle ein Häuflein Münzen zurück, damit die finanzielle Last nicht allein bei den Gastgebern lag. Er stellte sicher, dass Nero ihm nicht abhandenkam. Es kam nicht infrage, dass der hier allein zurückblieb oder sich vorher verdrückte.


    Mit einem beiläufigen "Kommst du" sammelte er ihn ein, damit sie gemeinsam zurück zur Castra Classis gehen konnten, nicht ohne unterwegs einen Abstecher in eine ruhige Ecke zu machen.

    Es war Zeit, nach vorn zu blicken. Mit seinem vollgepackten Schwarzbraunen, der von Sabacos beträchtlichem Gewicht im Laufe der Jahre im Rücken und den Gelenken ziemlich verbogen worden war, erreichte er die Porta.


    "Salve", schnarrte er. "Optio Publius Matinius Sabaco." Optio ohne Sub. Er mochte seinen neuen Titel nicht, auch wenn der erhabener klang. Vielleicht genau deswegen. "Hab einen Marschbefehl." Er hielt dem Mann den Wisch unter die Nase:


    MARSCHBEFEHL


    Mit Wirkung zum

    ANTE DIEM XIII KAL IAN DCCCLXXI A.U.C. (20.12.2021/118 n.Chr.)


    wird


    Suboptio

    Publius Matinius Sabaco

    zur Legio XXII Primigenia versetzt.


    Der

    Optio

    hat sich am


    ANTE DIEM XIII KAL IAN DCCCLXXI A.U.C. (20.12.2021/118 n.Chr.)

    im Castellum der Legio in Mogontiacum zu melden.



    Gezeichnet

    Memmius Turius Catienus

    clger-nauarchus.png


    Sim-Off:

    Bei Copy&Paste war dem Marschbefehl das M abhanden gekommen. Sah lustig aus.

    In der Taberna war heute kein Platz für sie. Ein eisiger Wind riss an ihren Wollmänteln. Ihre Caligae schmatzten bei jedem Schritt und schlürfte beim Herausziehen im Schlamm. Wenigstens hatte es für einen Moment aufgehört, zu regnen. Dieser Winter war so regnerisch wie kein anderer. Und doch zog es ihn hinaus in die Witterung, fort von der Taberna, wo heute hundert Augenpaare beobachten würen, wenn der Suboptio mit dem Gubernator gemeinsam die Treppe zu den Zimmern hinaufstieg. Gegen das Gerede war er immun und griff sich ohne die geringste Scham auch Jünglinge oder Männer, wenn ihm danach war, aber Nero hielt sich lieber bedeckt und dabei unterstütze er ihn. So blieb ihnen nur die Kälte ihres Hausboots, das sie sich als Versteck eingerichtet hatten. Sabaco wartete, bis Nero bei ihm war.


    Einen Moment betrachtete er ihn, als sei ein Geist vor ihm erschienen, als könne er Neros Gegenwart nicht glauben und noch weniger begreifen. In seinem Leben hatte Sabaco sehr viel Beischlaf gehabt und alles Mögliche ausprobiert. Er sah gut aus, war selbstbewusst, er hatte Geld. Seit geraumer Zeit trug er auch noch eine Uniform, was seine Anziehungskraft noch gesteigert hatte. Wozu sich moralischen Grenzen unterwerfen? Rom nützten sie nichts, noch weniger ihm selbst, also tat er, wonach sein Körper verlangte. Danach war das Verhältnis seiner Begegnungen verdorben, eine Freundschaft ruiniert oder unmöglich und man ging seiner Wege. Man sah einander nicht mehr in die Augen, grüßte nicht mehr oder bestenfalls kühl. Irgendetwas zerbrach durch den Beischlaf und wenn es noch so harmonisch gelaufen war. Nero war der Zweite, der wiederkam. Und der Erste, der bleiben wollte.


    Sabaco legte ihm eine Hand auf die Schulter, sah ihm tief in die Augen, zog ihn näher. Die zweite Hand legte sich auf Neros Hüfte, ohne dass der Blickkontakt abriss. Es war kalt draußen, doch Neros Wärme spürte er durch dessen Kleider. Seine Hände ruhten fest auf seinem Körper. "Ich wünschte, wir hätten ein Haus."

    Mit einer letzten Verabschiedung trennten sich die Kameraden der Classis von ihrem Sub. Und der Sub streifte seinen alten Titel ab, um irgendetwas anderes zu werden. Die Soldaten würden nicht viele Gedanken an ihn verschwenden, wenn sie diesen Winter in ihren warmen Stuben schliefen, beheizt mit der Holzkohle, die er für sie organisiert hatten, oder zu Dienstbeginn die dicke wollene Tunika überstreiften, die sie ihm verdankten. Für sie war es zur Selbstverständlichkeit geworden, dass ihr Sub sich um ihr Wohlergehen sorgte, sie nahmen es ohne Dank und würden bei seinem Nachfolger wohl ein böses Erwachen erleben, da kaum ein Offizier derart viel Zeit und Energie für solche Dinge aufwenden würde. Der Standard war also kaum zu halten. Der Drill hingegen würde ihnen wie ein Verwöhnprogramm erscheinen, da Sabaco sie mit Gewalt geschliffen und geformt hatte. Sein Werk musste unvollendet bleiben, doch sein Nachfolger würde eine gute Basis vorfinden und die Soldaten davon profitieren.


    Trotz allen Wehmuts, den er empfand, sah er ihnen nun nicht nach. Seine Blicke galten nur noch Nero. "Ich wüsste da ein Schiff, von dem mich niemand fernhalten kann, auch wenn ich die Classis verlassen muss. Oder hast du den alten Triton vergessen, der an geheimer Stelle beim Gehörnten Rhenus ruht? Komm."

    Sabaco beobachtete, wie der Kerl in der Dunkelheit verschwand. So sicher, wie er sich durch die Finsternis bewegte, handelte es sich vielleicht um einen Nachtmensch, so wie er selbst einer war, der erst vernünftig schlafen konnte, wenn das erste Morgenlicht durchs Fenster schien. Er war gespannt, ob der Kerl in einem Mond tatsächlich wieder aufkreuzen würde oder ob er kalte Füße bekam und mit dem Säcklein verschwand. Das wäre nicht schön, aber für Sabaco auch kein Drama. Freilich gab es da noch die Möglichkeit, dass der Andere ihn verpfiff, die Sabaco gelassen sah. Das Wort eines Römers stand vor Gericht praktisch immer über dem eines Peregrinus.


    Das Einzige, worum er sich sorgte, war die Erfüllung des Auftrags zum Schutze von Ocella. Wenn der kleine Bruder nur wüsste, was Sabaco alles für ihn tat. Aber er würde es ohnehin wieder nicht verstehen. Er würde nur bemerken, dass auf er einmal einen schweren Fleischklotz, den er selbst sich an den Fuß gekettet hatte, los war, und gar nicht verstehen, dass der kurze Trennungsschmerz ein Befreiungsschmerz war und es ihm bald besser ginge als je zuvor. Aber Sabaco passte auf ihn auf. Immer.


    Sabaco ging zurück in die Taberna, wo er äußerst gut gelaunt abschiednehmend die Runde machte. Am Ende blieb er vor Nero stehen und sah ihm tief in die Augen. Eis traf auf Wasser. "Ich glaube, wir beide haben den selben Heimweg." Nur mühsam unterdrückte er ein anzügliches Grinsen. "Oder willst du noch bleiben?"

    Nach dem Namen des anderen fragte er nicht. Bei so einem Auftrag war es besser, keine Namen zu kennen und der andere hätte ihm ohnehin einen falschen genannt. Auch er selbst hätte sich nicht mit seinem bürgerlichen Namen vorgestellt, sondern mit jenem, den er auf der Straße erhalten hatte und an dem sehr viel Schmutz klebte. Phoca, der lange geruht hatte, doch dessen Erwachen er wieder zuließ, da ein anständiges Leben ihm die Liebe seines Bruders nicht zurückgebracht hatte. Schlimmer noch, Ocella war ihm ferner als je zuvor. Sabaco fühlte sich betrogen.


    Aber es war ihm auch eine Lehre gewesen, dass er schon immer recht gehabt hatte. Man kam Liebe nicht geschenkt. Man musste sich holen, was einem zustand. Sobald man sich zurücklehnte und die Dinge ihren Lauf nehmen ließ, entglitten einem die Menschen. Sabaco hatte nicht vor, das zuzulassen. Notfalls würde er die Welt in Stücke schlagen, jeden Rivalen vernichten und jede fremde Heimstatt niederbrennen.


    Sabaco spuckte sich ebenfalls in die Hand und reichte sie dem Burschen zur feuchten Besiegelung ihres Paktes. Seine Finger schlossen sich kraftvoll, aber nicht brutal um die Hand des anderen. "In einem Mond zur selben Stunde an dieser Stelle", bestätigte er. "Ich wünsche uns beiden, dass du erfolgreich bist."


    Er zog einen ledernen Geldsack hervor, zählte noch einmal nach, holte die überzähligen Münzen hinaus und reichte ihn dann dem anderen. Es war ein Teil des Geldes, was er dabei hatte, um seine Kameraden durchzufüttern. Er hatte für den Abschiedsabend großzügig kalkuliert, das kam ihm nun zugute.