Nach einem weiteren Becher begann Sabaco den Wein endlich vernünftig zu merken. So taute er ein wenig auf.
"Ich brauche dir nichts mehr zu berichten, Nero. Wenn ich rede und dir nur einen Splitter erzähle, ergänzt du ihn zu einem Ganzen. Du liest mich wie ein Buch. Nur mich, oder alle Menschen? Reden wir trotzdem, der Gemütlichkeit wegen. Ja, ich vermisse die Sommer am Strand von Tarraco. Wir machten Feuer, wir grillten, badeten, tranken. Ocella war damals noch dabei. Die Hunde tollten um uns herum, wir spielten mit Lederbällen, Stöcken, versuchten irgendwas zu bauen, meist eine Angel, ein Floß oder ein Haus, oder wir balgten. Aber ist es wirklich Tarraco, was mir fehlt? Oder ist es die Zeit meiner Jugend? Die Menschen? Dann bin ich verloren, so wie du."
Trauer für Nero, Neid für den Toten. Sabaco fragte sich, was ihm selbst fehlte, dass ihn niemals wer so ins Herz schloss. Er schob die Teller, Becher und Amphoren auf dem Tisch beiseite und kuschelte sich auf die Unterarme. In dieser Haltung goss er sich nach.
"Ich gehe meist in die Stadt, unter die Menschen, um mich aufzumuntern. Kurzzeitig funktioniert das. Aber wie sollen Saufkumpanen, die man irgendwo aufgabelt, Freunde ersetzen, oder eine Prügelei die Zeit mit den Jungs auf der Straße, oder ein schneller Fick die verflossene Liebe. Das funktioniert nicht. Man will mehr davon, weil es besser als nichts ist, immer mehr, aber es ist nie genug, Nero, niemals genug. Verstehst du?"
Das erste Mal gab er zu, dass ihm die Kontrolle über diese Dinge längst entglitten war. Für einen Offizier ein drohender Genickbruch. Doch Sabaco musste trinken, er musste sich schlagen und das innere Feuer und den Schmerz umarmen. Er musste herumhuren ohne Wahl und ohne Maß, nur um einen Menschen in seinen Armen zu spüren, aß aus purer Gier Dinge, die ihm nicht schmeckten, genau wissend, was ihn all das kostete, und war doch unfähig, damit aufzuhören, denn etwas anderes hatte er nicht. Wenn all das nicht mehr half, um sich noch lebendig zu fühlen, dann rief er das Feuer. Auch die Strafe für Brandstifter war ihm bewusst. Sie schreckte ihn nicht.
"Kommst du mit in die Stadt? Der Abend ist noch jung und ich war lange nicht draußen. Ich lade dich ein. Und unterwegs erzählst du mir, was du an den Tagen tust, an denen du dich heimatlos fühlst."