Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    "Ich lebe wie du - meine Wohnung ist natürlich bei der Classis! Da müssen wir nach dem Umtrunk naturgemäß nicht mehr an der Torwache vorbei."


    Amüsiert beobachtete Sabaco, wie Nero sich schon wieder anzog. So schnell konnte es gehen. Sie waren nicht ein einziges Mal im Wasser gewesen, aber immerhin hatten sie sich die Sonne auf den nicht vorhandenen Pelz brennen lassen. Als auch Sabaco seine Tunika übergezogen hatte und seine Füße wieder in Caligae steckten, faltete er die Doppeldecke, um sie fest und platzsparend einzurollen. Die herumliegenden Habseligkeiten verstaute er wieder im Beutel.


    "So, wir können! Was zu trinken haben wir noch ... haben wir überhaupt nur einen Schluck getrunken? Na ja, so bleibt mehr für später."

    Sabaco grinste, weil Nero so rau lachte. Mit Kollegen arbeitete man, Kameraden half man und mit Freunden lachte man.


    "Weil man besoffen so gut Spaß haben kann", antwortete Sabaco auch entprechend. "Es tut einfach gut, gemeinsam einen über den Durst zu trinken und vielleicht noch einen wegzustecken. Für ein paar Stunden ist die Welt in Ordnung und der Kater ist es allemal wert. Niemand wird uns am Tor aufhalten oder uns verpfeifen - weil wir gar nicht besoffen an den Torwachen vorbeiwanken werden. Zu dir oder zu mir?"

    Der Patrouille kam Sabacos Motivationsschub zugute. Wohlwollend ruhte sein Blick auf der Mannschaft, was die Männer nicht sahen, da sie ihm den Rücken zukehrten, während sie die Keto auf Reisegeschwindigkeit beschleunigten. Nachdem klar war, dass die Ruderer ihren Rhythmus gefunden hatten, betrachtete Sabaco die Strömung, die verborgene Hindernisse unter Wasser verraten konnte, und den Ufersaum. Die Soldaten ließ er während der Fahrt miteinander plaudern. Aus eigener Erfahrung wusste er, wie langweilig die täglichen Übungsmärsche sein konnten und das galt natürlich auch für die zu Wasser. Für ihn aber barg diese Fahrt noch den Reiz des Unbekannten. Falls die Puste knapp wurde, würden die Marini von selbst ruhiger werden. Er selbst plauderte auch.


    "Vielleicht sehen wir unterwegs die Ala. Musst mal schauen, ob sie gerade Patrouille reiten." Die Wege, die sie zu Land schützten, verliefen parallel zum Fluss. Sabacos Arm wies in die Richtung, wo die Castra der Ala II Numidia sich als dunkler Schemen im Morgennebel abzeichnete. Von der Sache her kein erwähnenswerter Umstand, doch Nero wusste, warum Sabaco sich dafür interessierte.


    Die Fahrt pegelte sich ein und Sabaco wechselte zwischendurch einige Worte mit Nero, der wirkte, als sei er mit dem Betreten des Schiffes von den Toten auferstanden. Der Gubernator durfte sich von einem sehr stolzen Suboptio alle technischen Details zum Schiff anhören ... 18 Meter Länge, 2,80 Meter Breite, fünf Tonnen Gewicht, mehr als 4000 von der Classis geschmiedete Nägel in kochendes Leinöl getaucht, hervorragendes Eichenholz aus der Umgebung, entrindet und gefällt von der Classis selbst (mit den besten Äxten, natürlich auch von der Classis geschmiedet). Nach Sabacos Ausführungen konnte man glauben, die Navis lusoria stelle den Höhepunkt der römischen Zivilisation dar, mit der das Imperium aufstieg und ohne sie fiel. Der erfahrene Gubernator wusste all diese Dinge vermutlich besser als Sabaco, doch der schwärmte weiter, während sie sich in Richtung Südosten voarbeiteten. Bei Borbetomagus gab es eine Stelle, an welcher der Rhenus besonders breit und tief war. Diese war ihr Ziel. Dort wollte Sabaco mit den Männern eine Übung durchführen.


    Nach zwei Biegungen öffnete der Rhenus sich zu doppelter Breite. Der Fluss wirkte in die Ferne betrachtet still wie ein See, doch das täuschte, denn die Strömung war übel. Die Kronen untergegangener Weiden ragten rechter Hand aus dem Wasser. Aufgrund der starken Regenfälle standen die Bäume mitten im Wasser. "Mitte Fahrwasser steuern, das Hindernis großzügig umfahren." Die Ruder sollten sich nicht mit den Ästen verhaken, die noch unsichtbar unter der Wasseroberfläche lauerten, weshalb Sabaco wert darauf legte, ausreichend Sicherheitsabstand einzuhalten. Die Strömung in der Mitte war stärker, fordernder. Auch wenn man das bei der Breite des Flusses kaum wahrnahm, so spürten die Ruderer es an der Kraft, die sie einsetzen mussten. Die Sonne ließ den Fluss idyllisch glitzern, doch verrieten die schweren Wolken und der aufziehende Wind, dass der Himmel seine Drohung vom täglichen Regen auch heute wahrmachen würde.

    Seppi winkte, als sei die Welt in Ordnung. Dabei trug er die Schuld daran, dass Sabaco diese Mannschaft wie eine Strafkompanie behandelte. Sabaco fühlte sich von Seppis Fröhlichkeit provoziert, noch mehr von der Tatsache, dass er ihn heute nicht als Überborder ins Wasser schmeißen durfte. Es würde irgendwen anders treffen. Während einige Kameraden dem Winker gut gelaunt zugrinsten, tat Sabaco, als wäre Seppi Luft. Die Ignoranz verflog schlagartig, als der Gubernator Titus Umbrenus Nero im Eiltempo am Pier aufkreuzte und mit Armbewegungen signalisierte, dass er auch noch mitfahren wolle. Hatten die Götter einmal was richtig gemacht! Einige sanfte Ruderschläge ließen die Keto erneut anlegen. Sabaco salutierte.


    "Willkommen an Bord der Keto, Gubernator!", grüßte er nun kaum weniger fröhlich als Seppi. Zwar grinste er nicht, doch man hörte die gute Laune an seiner Stimme.


    Dass er das mal sagen würde. Sein Schiff, sein wunderbares Schiff, und seine Mannschaft, die er an den Rand der Perfektion geschliffen hatte. Der Stolz stand ihm ins Gesicht geschrieben. Unter seiner blauen Diensttunika trug er heute die von Ocella. Viel zu warm an einem Sommertag, doch er würde ja nicht rudern und so war sein kleine Bruder bei Sabacos erster Fahrt mit dem eigenen Schiff auf diese Weise dabei.


    Er ließ Nero den Vortritt, sich einen gemütlichen Platz zu suchen. Im Gegensatz zu größeren Schiffen gab es auf einer Navis lusoria keinen bequemen Aufbau für die Offiziere*. Nicht mal eine eigene Bank. Bestenfalls konnte man bei Mistwetter ein kleines Zelt hinten aufspannen, worauf Sabaco jedoch verzichtete. Erstens schien die Sonne und zweitens schränkte so ein Ding die Sicht ein. Die Offiziere konnten also entweder hinten auf der Reling sitzen oder auf dem schmalen Gang vor und zurück geistern. Als Nero seinen Platz gefunden hatte, machte auch Sabaco es sich am Heck bequem.


    Nach dem Befehl, abzufahren, erklärte Sabaco Nero die Rahmenbedingungen der heutigen Flusspatrouille, da er die Einweisung auf dem Exerzierplatz verpasst hatte. Die Marini kümmerten sich selbst darum, vernünftig abzulegen und in Fahrt zu kommen. Mehr als zu beobachten, brauchte er nicht tun. Sabaco für seinen Teil hatte auch kein Problem damit, wenn die Marini während des Ruderns plauderten.


    In den Bäumen zu beiden Seiten des Rhenus zwitscherten die Morgenvögel. Der Nebel lichtete sich und die aufsteigende Sonne leckte den Tau vom Holz des Schiffes. Getrommelt wurde auf einer Navis lusoria auch nicht - nach dem Befehl, die Ruder ins Wasser zu senken, fanden die Soldaten allein ihren Rhythmus. Gleichmäßig zogen sie die Ruder durchs Wasser. Der Herzschlag der Keto bestimmte die Fahrt.


    "Verurteilen? Was denn?" Die Frage war nicht rhetorisch. Er wusste tatsächlich nicht, was Nero meinen könnte. "Dass du mich besoffen in Mogontiacum aufgesammelt und mir zu einer Heimkehr ohne Disziplinarverfahren ermöglicht hast? Dass ich in deinem Bett pennen durfte, damit niemand meinen Zustand bemerkt? Dass du der Erste von der Classis bist, der mit mir seine Freizeit verbringen will? Ich weiß nicht, an was für Leute du früher geraten bist, dass sie nicht bemerken, was für ein feiner Kerl du bist. Es gibt nichts zu verurteilen, Nero."


    Sabaco rutschte mit dem Hintern auf seiner Decke herum, machte sich flach und kratzte die verdammten juckenden Stellen, wo man ihn enthaart hatte und die von dem Gekratze inzwischen ziemlich rot waren.


    "Wenn ich getrunken habe, rede ich meistens zu viel. Ich tue auch zu viel ... Dinge, die ich sonst unterdrücke. Ich bin nicht sicher, ob ... was ich wirklich will, Nero. Außer, dass ich dich gern mal so richtig besoffen sehen möchte."

    Sabaco nickte. "Ich kenne das. Manches muss raus, sonst gährt es in einem. Wenn Worte nicht möglich sind, bricht es sich anders seine Bahn. Man kann nicht ewig alles in sich hineinfressen und es bricht irgendwann aus einem heraus. Meist in ungünstigen Momenten, und oft trifft es die falschen Leute. Da ist es gut, wenn man einen Weg kennt, kontrolliert Dampf abzulassen."


    Diese Worte klangen aus dem Mund von Sabaco heuchlerisch. Er wusste, dass er keinerlei Kontrolle über seine marodierte Gefühlswelt hatte. Doch er wusste auch, wie es eigentlich sein sollte und das quatschte er nun nach, ohne es für sich selbst zu fühlen.


    "Das Reden scheint dir gutzutun. Wenn du willst, leihe ich dir wieder mein Ohr, wenn du mal reden willst. Es bleibt alles unter uns."


    Auch er selbst hätte viel zu sagen, mehr, als er bisher ausgesprochen hatte, doch er konnte nicht. Er konnte es nicht. Schnaufend lag er auf seiner Decke und starrte vor sich hin. Trotz der ernsten Themen, trotz seines eigenen inneren Zustandes, fühlte er sich gerade sehr wohl in seiner Haut.


    "Du magst das Stadtleben nicht, kann das sein?"

    << RE: Antreten zur Flusspatrouille


    Sabacos Truppe kam in loser Formation vom Campus marschiert, wo die Marini sich getroffen hatten. Nach der kurzen Einweisung durch ihren Suboptio navalorum konnte es nun losgehen. Sabaco schaute, dass alles seinen Gang lief, musste aber nichts weiter tun. Die Männer kannten ihre Plätze an den Ruderbänken und die Abläufe. Das Segel blieb heute eingerollt.


    Einen Moment lang geisterten die beiden Tirones Adalrich und Tiro durch seine Gedanken, die kurz nach der Musterung verschwunden waren. Die Meinung der Marini besagte, dass sie sich abgesetzt hätten. Heute wäre die erste Patrouillenfahrt der beiden mit der Keto gewesen und bei ihrem ersten Feindkontakt hätten sie Kuchen ausgeben müssen, so wie es Brauch war. Sabaco dachte jedoch nur kurz an sie, denn zu ändern war an ihrem Verschwinden nichts. Dann äugte er nach seinem Rivalen Terentius Ruga, was der an seinem Schiff so trieb.


    Dann galt Konzentration ganz der Mission, als er den Befehl gab, den Anker einzuholen und in See zu stechen. Die Rivalität zu Ruga wich einer gelassenen Gleichgültigkeit.

    Die Navis lusoria "Keto"

    Flusskriegsschiff der Classis Germania

    sectioni Mogontiacum


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    "Tänzelndes Schiff" bedeutete ihr Name aufgrund ihrer Wendigkeit. Sie war nur 3 m schmal, dabei 20 m lang, so dass auch seichte und unübersichtliche Flussbereiche befahren werden konnten. Damit gehörte sie zur Kategorie der kleinen, schnellen Militärschiffe. Die Bordhöhe betrug nicht mal einen Meter. Diese leichte Bauweise ließ sie durch die Wellen gleiten wie ein heißes Messer durch Mutter, bei größtmöglicher Wendigkeit. Allerdings machte es sie auch anspruchsvoll zu manövrieren. Ihr Name lautete Keto*, wie das Meeresungeheuer, welches die Mutter aller Gorgonen war. Ein sympathisches Schiff.


    Das Holz des Wellentänzers wirkte noch recht neu, das Schiff stammte vom letzten Jahr. Die Keto bestand ganz aus Eichenholz. Die Bäume waren dazu fünf Jahre vor dem Fällen entrindet worden, so dass sie abstarben, und hatten durch Wind und Sonne trocknen können, bis sie gefällt und verwertet worden waren. Die Schiffsnägel bestanden aus Reineisen und waren nach dem Erhitzen in warmes Leinöl getaucht worden, um ihre Oberfläche maximal zu glätten. So wurden sie ziemlich resistent gegen die Gerbsäure in den Eichenholzplanken.


    Die übliche Besatzung bestand aus 30 gut ausgebildeten und ebenso gut bewaffneten Soldaten, 15 auf jeder Seite, die sowohl ruderten als auch Kampfeinsätze bestritten. Weitere 5 Soldaten schleuderten Geschosse in die Reihen der Angreifer. Diese Besatzung hatte keine Mühe, ihre Einsätze auch über 12 Stunden ununterbrochen zu fahren, wobei sie ein Vielfaches der Strecke zurücklegten, die ein Reiter schaffen würde.** Mit nur 6 verbliebenen Ruderern war es aufgrund der Leichtbauweise immer noch möglich, das Schiff gegen die Strömung zu rudern.


    Der Mast konnte getakelt werden, jedoch galt das Segeln von Lusoriae aufrund der flachen Rumpfform als äußerst anspruchsvoll.


    Nautae gehörten nicht zur Besatzung der Keto. Flusspatrouillenboote wurden ausschließlich von Marini gerudert, und mit der Navigation auf dem Fluss waren diese auch nicht überfordert. Nautische Offiziere waren daher nicht nötig, auch wenn sie trotzdem manchmal an Bord waren. Für die heutige Patrouille würde das nautische Personal daheim im Castellum bleiben.


    Alles in allem war die Keto in einem tadellosen Zustand und der Abfahrt stand nichts im Weg.


    Sim-Off:

    ** ca. 100 km / Tag

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    Porta


    Rekrutierung


    Bei Fragen und Problemen


    Wichtige Orte innerhalb des Castellums


    Wichtige Orte außerhalb des Castellums

    Sabaco spürte, dass sich etwas verändert hatte. Aus dem bissigen Gubernator Nero, der in Mordfantasien schwelgte, war ein zu Tode verwundeter Mensch geworden. Nero lag nicht länger, er saß nun, bereit zu fliehen. Sabaco aber blieb liegen, blinzelte und klopfte erneut auf die Decke.


    "Und ich dachte schon, du könntest meine Gedanken wirklich lesen. Ich habe dich auf diese Decke eingeladen. Erinnerst du dich? Ich wollte, dass du hier mit mir auf dieser Decke liegst. Andernfalls hätte ich keine Doppeldecke mitzubringen brauchen. Ich bin ein Dichter, Nero, kein sehr guter, aber ein Dichter. Alles, was ich sage und tue, hat eine Bedeutung. Die Decke, die Muschel, alles. Und was ich nicht sage, auch."


    Sabaco musste einen Moment mit sich ringen, bevor er weitersprach. Doch er konnte den sichtlich verwundeten Nero jetzt nicht sich selbst überlassen. Er kannte seinen Schmerz, sie teilten ihn, auch wenn er für jeden einen anderen Namen trug. "Es tut mir leid. Wegen Thalatio." Er schob seine Hand hinüber auf die andere Hälfte der Decke und hielt für einen Moment Neros Unterarm umschlossen.

    "Als ob es dir anders gehen würde. Du lebst bloß noch für deine Rache, falls du überhaupt noch lebst. Sobald Zambascha tot ist, wirst du Thalatio auf die andere Seite folgen. Ich soll dir helfen, den Weg zu ebnen, damit du endlich sterben kannst. Was du an mich heranträgst, ist der letzte Wunsch eines sterbenden Mannes. Du willst mir alles beibringen, wir werden gemeinsam Feinde jagen, trinken und viel Spaß haben, wir werden die beste Zeit unseres Lebens genießen. Und dann werde ich aufwachen und dein Abschiedsbrief liegt auf meinem Tisch."


    Sabacos Schweigen und sein düsterer Blick dauerten eine Weile an.


    "Natürlich gibt es Dinge, die ich gern hätte", gab er dann widerwillig zu, "aber alles, was ich mir wünsche, hatte ich schon mal. Ich besaß mal eine kleine Familie und als ich sie verlor, zog mich Stilo aus dem Feuer." Er klopfte auf die große Brandnarbe an seiner Flanke, wo die brennende Tunika sich in seine Haut gefressen hatte. "Doch Stilo ist nun auch fort. Außer Ocella gibt es keinen weiteren Grund, den ganzen Mist noch auf mich zu nehmen."


    Sabaco drehte sich wieder auf den Bauch und bettete das Kinn auf die Hände, den Blick auf die Grashalme gerichtet, die sich aus dem Sand ins Licht schoben. Er drehte den Kopf und sah Nero an.


    "Diese Decke ist nicht für mich allein so groß. Siehst du, dass ich dafür zwei Decken aneinander genäht habe? Die Hälfte, auf der du liegst, das ist die Stranddecke von Stilo. Als er schwimmen war, habe ich sie an meine genäht, damit er künftig nicht mehr allein zum Strand geht. Er hat gelacht und fand die Idee lustig. Nichts daran ist lustig, Nero, es war mir nie ernster. Als es hieß, er wird nach Cappadocia versetzt, hatte ich vor, ihm einen Finger abzuhacken, damit er dienstuntauglich wird. Wir hätten ihm eine Wohnung vor der Castra suchen können und im Ort gibt es genügend Arbeit. Aber er hat sich vom Acker gemacht, ohne auch nur darüber nachzudenken. Ich bin ihm weniger Wert als ein Finger, bei den Göttern, ich hätte mir die Beine abgehackt für ihn, mir das Herz mit bloßen Händen aus der Brust gerissen und ihm vor die Füße gelegt!"

    "Wie hast du dir denn dein Zubrot verdient?", hakte Sabaco neugierig nach. "Als Mietklinge?"


    Dann stutzte er. Er hatte eine Menge eier- und zahnloser Freunde im Leben gehabt.


    "Was ich mit eier- und zahnlosen Luschen will? Mit ihnen trinken. Was soll ich sonst mit denen wollen? Was willst du von ihnen? Ich habe keine Erwartungen an irgendwen. Und auch keine Pläne. Ich lebe für den Tag und versuche, nicht an die Vergangenheit zu denken. Mein Bruder hat mir den Posten bei der Classis verschafft. Wenn ich Scheiße baue, fällt das auf ihn zurück, drum muss alles funktionieren."


    Das war alles, was Sabaco im Moment zu irgendetwas motivierte. Sabaco schnaubte voll Verachtung für die Welt.


    "Ich sagte es dir doch schon, Nero: Ich habe keine Träume. Von denen abgesehen, die man unter der Bettdecke benötigt. Aber wenn du mich brauchst, werde ich da sein."

    Davon, dass seine Marini handfeste Mordfantasien gegen ihn hegten, ahnte Sabaco nichts. Im Gegenteil - er war zufrieden mit dem Erscheinungsbild seiner Einheit und klopfte sich gedanklich selbst auf die Schulter, wie gut er sie mit seinen Methoden hinbekommen hatte. Zu Feier des Tages sparte er sich sein übliches In Aciem dirigite1, da es bei dieser Reihe nichts auszurichten gab. Mit viel Fantasie konnte man das Schweigen an dieser Stelle als Wohlwollen werten, ehe Sabaco zum Wesentlichen kam.


    "Milites! Ich gebe euch jetzt die Einweisung für die Flusspatrouille, auf die wir uns in der letzten Zeit vorbereitet haben. Wir haben wegen des Starkregens in den letzten Wochen überdurchschnittlich hohen Wasserstand für diese Jahreszeit. Eine entsprechend starke Strömung erwartet uns, dafür haben wir ausreichend Platz, um das eine oder andere Manöver zu üben."


    Während er seine Ansprache hielt, ergötzte er sich an der menschlichen Perfektion, die er geschaffen hatte.


    "Wir rudern für den Hinweg flussaufwärts gegen die Strömung bis nach Borbetomagus. Auf dem Rückweg, wenn wir langsam ermüden, werden wir schneller sein und weniger Anstrengung benötigen. Die Wegstrecke bis nach Borbetomagus beträgt 40 Meilen2. Dann erwartet uns noch der Rückweg, macht also zusammen 80 Meilen, die wir heute bewältigen."


    Er rechnete das vor, da nicht jeder seiner Milites des Rechnens mächtig war.


    "70 Meilen3 schaffen wir normalerweise an einem Tag - 10 Meilen mehr müssen wir heute bewältigen, um zurück ins Castellum zu gelangen, bevor es dunkel wird. Wir sollten uns also beeilen."


    Die Milites würden so was von Abkotzen und dann würden sie auch noch in einen Regenguss kommen, denn zur Zeit schüttete es jeden Tag. Doch so, wie sie beim Marschieren mit ihrem Marschgepäck über unmenschliche Distanzen gequält wurden, musste das auch zu Wasser sein, wenn die Classis den hohen Ausbildungsstandard, der für das Exercitus Romanus maßgeblich war, aufrechterhalten wollte.


    "Fragen?!"


    Sim-Off:

    1 "Ausrichten!"

    Sim-Off:

    2 60 km

    Sim-Off:

    3 100 km

    Danke. Einige Bitten um Korrektur muss ich anbringen:


    Kann es sein, dass du meinen kleinen Bruder Ocella im Stammbaum unterschlagen hast? Ich habe zwei lebende und im Spiel aktive Brüder: den älteren Publius Matinius Avianus und den kleinen Servius Matinius Ocella (müssten beide also rot unterlegt sein).


    Zudem sind zumindest Ocella und ich im Ordo Equester (vom toten Vater geerbt, damals ging das noch).

    "Seeschlangen gehören zu den giftigsten Schlangen überhaupt. War deine Schlange eine Seeschlange?", erkundigte Sabaco sich. Wohl kaum ... denn sonst wären die beiden nicht in der kappadokischen Steppe geblieben, sondern hätten was Anständiges getan und wären zur See gefahren. Dann wäre Thalatio wahrscheinlich noch am Leben. Oder es war genau das, was ihn umbrachte - dass er nicht in seinem Element hatte jagen können.


    "Hrm. Wenn Zambascha einen intriganten Tuccius erlegen kann und einen Umbrenus aus der Provinz zu jagen vermag, ist er entweder noch gerissener oder noch entschlossener als ihr. Oder er hat mehr Geld, so dass er sich passende Freunde kaufen konnte. Ich habe bislang keinen Tuccius persönlich kennengelernt, aber Stilo und sein Kumpel Cimber haben manchmal über sie gesprochen. Sie haben ein Nest von denen in der Nachbarschaft und sind darüber wenig erfreut. Was mich zu der Frage bringt, was eure verfeindeten Gentes denn von deiner und Thalatios ... Freundschaft?! ... gehalten haben.


    Dass du die Einladung annimmst, freut mich. Wir gewöhnen dich langsam wieder an die Sonne, du kannst nicht für den Rest deines Lebens in deinem dunklen Officium versauern und der Vergangenheit nachtrauern. Dafür hast du nicht überlebt. Lass uns den Feierabend zusammen verbringen, das hält uns beide von dummen Gedanken ab.


    Und noch was."
    Sabaco sah Nero listig von der Seite an. "Glaub nicht, dass mir nicht auffallen würde, wenn du die eine oder andere Frage nicht beantwortest."

    Der Caesar interessierte Sabaco so wenig wie der Kaiser oder sonst ein Sesselfurzer. Davon, dass der Caesar hier vielleicht antanzen würde, hatte er nichts gehört und verschwendete folglich keinen Gedanken daran. Sein Augenmerk galt der Flusspatrouille - der ersten unter seiner Führung. Ohne zwei Flaschen Wein hätte er nicht schlafen können, doch am Morgen merkte man ihm davon nichts mehr an.


    Mit ausdruckslosem Gesicht beobachtete er, wie sie auf dem Campus eintrudelten.


    Die Mannschaft war pünktlich, nichts anderes hätte Sabaco ihnen geraten. Wer trödelte, wurde geschliffen, bis er blutete. Seinen eigenen Ausbilder, der ein Menschenschinder gewesen war und jemanden, der vor Erschöpfung zusammenbrach, auch schon mal auf der Müllhalde ablegen ließ, konnte Sabaco nun verstehen. Von positiven Erziehungsmaßnahmen hielt auch er nichts mehr. Seit Seppi ihn hatte abblitzen lassen, hatte Sabaco kein nettes Wort mehr zu irgendwem verloren und als Verantwortlicher für die Dienstpläne keinen Urlaub gewährt, der nicht durch im Vorfeld durch selbstzerstörerische Dienstbeflissenheit redlich verdient worden war. Die Mannschaft bekam, was sie wollte und Sabaco war es recht. Das Resultat war nach den ersten Monaten der Ausbildung eine Mannschaft, die Sabaco nur als Sadisten erlebt hatte, aber bestens gehorchte und selten nervte.


    "MILITES VENITE! MILITES STATE*", röhrte Sabaco.


    Sim-Off:

    *Soldaten, antreten! Soldaten, stillgestanden!

    Sabaco ließ etwas Vorlaufzeit, falls irgendjemand noch Fragen hatte oder ein Vorgesetzter meinte, an seinem ausgearbeiteten Ablauf herumnörgeln zu müssen:



    Flusspatrouille


    Die Besatzung der Keto hat sich am


    PRIDIE NON AUG DCCCLXXI A.U.C.

    (4.8.2021/118 n.Chr.)


    marschfertig auf dem Campus zum Appell einzufinden.


    Ausrüstung:

    Schweres Gepäck der Marineinfanterie.


    Gezeichnet

    Publius Matinius Sabaco

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    Für seine Strandbesuche hatte Sabaco zwei Decken zusammengenäht. Das Ergebnis war praktisch und groß; eine Hälfte der Decke lag im Schatten, die andere im Licht, so dass man beliebig wechseln konnte. Und sie war groß genug für zwei. Schwerfällig kroch Nero in das kühlere Dunkel. Dort brach er zusammen. Erstaunt folgte Sabaco ihm und ließ sich bei ihm nieder, nur um mit einem für ihn unverständlichen Wort angezischt zu werden. Sabaco meinte, der Gubernator hätte einen Fluch ausgestoßen. So ähnlich war es auch, denn Zambascha entpuppte sich als der Name des Mörders - der Fluch, der Neros altes Leben gekostet hatte.


    "Zambascha ist kein römischer Name. Den Sauhund auszulöschen, sollte kein Problem sein. Hast du schon eine Liste mit seinen Freunden, Verwandten und Bekannten angefertigt, wenn du sie auch mit auslöschen willst? Peregriner Abschaum ... kappadokisches Geschmeiß."


    Die Frage war rhetorisch, denn was sollte Nero hier aus der Ferne tun? Sabaco wollte ihm vor allem Raum geben, auszusprechen, was in ihm tobte. Lange genug hatte Nero geschwiegen. Doch das, was Nero danach sagte und scheinbar selbst kurz verunsicherte, ließ Sabaco grinsen. Er ruckelte sich auf dem Rücken zurecht, um den Sand unter der Decke zu einer bequemen Liegemulde zu formen. Eine Hand schob er als Kissen unter seinen Hinterkopf.


    "Schlangen sonnen sich und Seehunde tun es auch. Letztere sind nur nicht so dünn und kalt und sie fressen gern Fisch. Wenn dich das nicht abschreckt, bist du eingeladen, wenn es mit unseren Dienstzeiten passt. Meine Decke ist groß genug für zwei und ich bin täglich am Strand."


    Das war besser, als in der Stadt, wo die Versuchungen lauerten. So nahm Sabaco nie Geld mit aus der Castra, um sich zu zügeln. Der Ruf von Alkohol und Huren war stark, wenn man ihm oft genug gefolgt war, ein Selbstläufer, eine Gewohnheit, für die man am Ende zu viel bezahlte. Sabaco wusste, dass er sich damit nicht nur finanziell ruinierte. Die meiste Zeit war das ihm allerdings egal. Es gab solche und solche Phasen.


    Entspannt ließ Sabaco seinen Kopf niedersinken, drehte ihn in Neros Richtung und kratzte sich den enthaarten Bauch.


    "Ich bin schon erwachsen, Nero. Falls ich Ja sage - Ja dazu, einen an die Wand zu nageln und das Land zu erpressen ... Ja dazu, jemanden am Nasenring hinter mir herzuschleifen - was dann?"


    Vor allem war die Frage interessant, um wen es dabei gehen sollte.