Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Die Manen der Nacht

    Intro


    Ein Sturm zog auf. Sabaco hatte am Nachmittag mit seinen Männern die Schiffe gesichert und den kurzen Feierabend drinnen verbracht. Der Wind rüttelte an den Fensterläden, fauchte von oben durch den Kamin, stürzte sich in den kleinen Ofen und die Glut flammte knisternd auf. Das Horn dröhnte in der Ferne zum Wachwechsel, jemand bellte ein Kommando. Die Kameraden, die nun ihren Wachdienst auf dem Wall antreten mussten, taten Sabaco nicht leid - er beneidete sie. Schritte nahten vor dem Fenster, die sich wieder entfernen. Während Sabaco mit offenen Augen im Bett lag und in die Nacht starrte, sah er sich selbst. Die Dunkelheit war Teil von ihm und keineswegs der Beste. Sabaco ließ den Kopf zur Seite sinken und blickt an die gegenüberliegende Wand, wo kein Etagenbett stand, wo niemand schlief.


    Im Grunde ist jeder Mensch ein Einzelgänger.


    War es Ocella, der ihm das gesagt hatte? Vermutlich. Sein Bruder war es auch gewesen, der ihm diese großzügige Offiziersunterkunft verschafft hatte. Seine Äußerung klang nach einer simplen Wahrheit, doch je länger Sabaco darüber nachdachte, desto komplizierter erschien sie ihm. Er konnte allein überleben, sicher. Und doch fühlte er sich gerade, als würde er langsam sterben. Sein Blick strich über die kahle Wand. Die meisten Kameraden hätten ihn beneidet für seine geräumige Unterkunft, doch er hätte sie sofort gegen die schäbigste Hundehütte getauscht, wenn er darin nur nicht hätte allein schlafen müssen.


    War er der Einzige, dem es so ging? War er weich? Oder war er nur der einzige, der zugab, jemanden zu brauchen?


    Regentropfen prasselten gegen die Fensterläden, doch sie störten ihn nicht. Seine Gedanken waren es, die verhinderten, dass er einschlief. In der Dunkelheit lauerten seine Manen. Sie trugen Sabacos vergangenen Tage auf schwarzen Schwingen zu ihm zurück, wiederholten längst verklungene Worte unablässig in seinem Hirn und erinnerten ihn an alles, was gewesen war und von dem er das meiste lieber vergessen hätte.


    Vielleicht war er geisteskrank.

    <<< RE: Unterkünfte der Nautae (Matrosen) und Marini (Marinesoldaten)


    Sabaco schloss hinter sich die Tür. Meist stand sie tags wie nachts sperrangelweit offen, damit er die Stimmen und Geräusche seiner Kameraden hörte und sie vorbeilaufen sah. Er warf die kleine Papyrusrolle, auf die er die Anordnung zusätzlicher Fleischrationen für Seppi aufgeschrieben hatte, in den Ofen. Wenn Seppi sich bereits wegen seiner freundlichen Nachfrage fast einschiss, wäre er bei der kleinen Gefälligkeit vermutlich kreischend aus der Tunika gesprungen. Das Papyrus flammte kurz auf und schrumpelte knisternd in sich zusammen.


    Sabaco setzte sich an seinen Arbeitstisch und starrte durch das offene Fenster hinaus zu den Schiffen. Es schneite, dabei hatten vor einigen Tagen noch frühlingshafte Temperaturen geherrscht. Nun war nachts wieder Frost und das dunkle Holz glänzte nass. Er zog einen Stapel Tabulae zu sich heran, die ihm jemand hingelegt hatte, und nahm seinen Griffel zur Hand, um die aktuelle Stärkemeldung für den Nauarchen aufzustellen.

    Dass der Seppi ... dass der Nauta Seppius schlucken musste, entging Sabaco nicht. Stumm musterte er sein Gesicht eine Weile. Hier standen sie nun, waren beide des Lateins mächtig und sprachen trotzdem unterschiedliche Sprachen. Seppius verstand nicht, warum Sabaco ihn fragte und Sabaco verstand nicht, warum Seppius damit ein Problem zu haben schien. Das ergab sich nicht erst aus dem Rang, sondern war vertrautes Terrain, in das Sabaco sich seit der Beförderung noch tiefer bewegte. Die Kluft zum Rest der Menschheit wurde so tief, finster und unüberwindbar wie der Orcus.


    "Dann ist ja alles in Ordnung, wegtreten", maulte er und fühlte sich wie ein Idiot.

    Dass dies nicht seine Handschrift war, sondern die des Scriba, behielt Sabaco für sich. Seine eigene wäre schlimmer ausgefallen. Neros Ärger über den "Limes aus Lettern" war zu Sabacos gehässiger Freude offensichtlich, jedoch reagierte der Mann anschließend professionell. Er ließ sich sogar zu einem Lob herab, was Sabaco seinerseits fast ein schlechtes Gewissen gemacht hätte. Aber nur fast.


    "Ich werde an meiner Handschrift arbeiten, Gubernator. Mein Bruder hat mir ein paar Tuniken aus sehr gutem Gewebe zukommen lassen. Dick, stabil, weich und warm." Flauschige Kuscheltuniken, die Sabaco in seiner Freizeit trug, da sie für den Dienst die falsche Farbe hatten - Braun statt Blau. Auch zum Schlafen nahm er sie gern. "Ich könnte eine holen, damit du dich davon überzeugen kannst. Wo mein Bruder sie gekauft hat, weiß ich nicht, aber das kann man in Erfahrung bringen."

    Sabaco seinerseits hatte in den letzten Sekunden geschlussfolgert, dass er schon ab der kleinsten Stufe der Karriereleiter nicht mehr normal mit den Leuten reden sollte. Es verstörte sie. Also würde er das nicht mehr tun. Niemand benötigte verstörte Soldaten und noch weniger einen Unteroffizier, der sie in diesen Zustand versetzte.


    "Rühren", sagte er also anstelle eines liebevollen Zieh mal den Besen aus dem Arsch. Und anstatt Wie geht`s deinem Finger fragte er: "Dein Gesundheitszustand?"


    Und fühlte sich dabei scheiße. Aber so musste es wohl sein.

    Sabaco hatte sich vorgenommen, Nero die bis zu allen Rändern in winziger Schrift beschriebene Riesentabula auf den Schreibtisch zu legen, doch jetzt stand dort strategisch geschickt dessen Essen. Warum aß der Gubernator allein? Sabaco kam zu einem traurigen Schluss. Aber weil Vorenus Nero ein Arsch war, hielt sich sein Mitleid in Grenzen. Dass Nero der keine Freunde hatte, nicht mal Kameraden, die mit ihm essen wollten, hatte er sich selbst zuzuschreiben. Geschah ihm recht. Sollte er versauern.


    Sabaco schlug sich mit der Faust kraftvoll auf die Brust. "Gubernator Vorenus Nero! Suboptio Navalorum Matinius Sabaco. Ich habe den gewünschten Bericht über die Inventur im Armamentarium."


    Er hielt ihm die gigantische Tabula über den Tisch hinweg hin. Die Rückseite war genau so winzig und genau so ausfüllend beschriftet wie die Vorderseite.


    "Und ich finde, die Tuniken sind zu dünn!"

    Sabaco registrierte die Irritation. Er hatte angenommen, als Suboptio - er war ja nicht mal Optio, er war das zweitkleinste aller kleinen Lichter - wäre ein etwas salopperes Auftreten in Ordnung, wenn er einen Krankenbesuch abstattete. Nun war er selbst einen Moment verstört, weil er überlegte, ob er sich zum Affen machte. Vielleicht hätte er Seppi nicht in der Stube aufsuchen, sondern irgendwo abfangen sollen. Egal, jetzt war er hier und würde das durchziehen.


    "Na dann ... weitermachen", antwortete er Wulfgar. "Seppi, komm kurz mit vor die Tür."


    Vermutlich konnte seit seiner Beförderung niemand mehr seine Freizeit gestalten, wenn Sabaco mitten im Raum stand und einen der Kameraden vollquatschte.

    Ich hochauflösend in aller Pracht: https://64.media.tumblr.com/0a…JHqG1rqqedro2_r1_1280.jpg

    "Gladiator in Repose" (1789) von Francois Xavier Fabre.

    Irgendein Gemälde von einem passenden Schiffstyp oder vom Meer tut es sonst auch.


    Meinen letzten Satz kann man stutzen:


    Vorher:


    Schlägt dein Herz für den Dienst zu Wasser und bist du aus besonderem Holz geschnitzt, melde dich bei uns im Rekrutierungsbüro.


    Nachher:


    Hältst du dich für geeignet, melde dich bei uns im Rekrutierungsbüro.

    Bist du aus besonderem Holz geschnitzt, melde dich bei uns im Rekrutierungsbüro.

    Schlägt dein Herz für den Dienst zu Wasser, melde dich bei uns im Rekrutierungsbüro.

    Man munkelt, ihr braucht Werbetexte. Hier einer für die Classis. Ich hoffe, der ist abschreckend genug, dass nicht wieder Prinzesschen wie Adalrich und Tiro anrücken, die schon abspringen, weil der Doc ihnen zur Musterung ins Ärschlein schaute:


    Mein Name ist Publius Matinius Sabaco. Ich bin Ausbilder bei der römischen Marine. Ich schleife Rekruten bis sie heulen, um aus ihnen brauchbares Soldatenmaterial zu formen. Mit denen, welche die harte Grundausbildung durchhalten, befahre ich den Rhein an der germanischen Grenze, wo uns die Barbaren schon lange auf den Sack gehen. Bei der Classis Germania ist kein Platz für Memmen, wir sind an der Front stationiert. Unsere Flotte kümmert sich neben dem Wachdienst auf dem Fluss auch um die Gewinnung und den Transport von Baumaterial. Wenn du der römischen Marine beitreten willst, verlangen wir Leidensbereitschaft und Disziplin. Dafür erwarten dich die treusten Kameraden, die man im Imperium finden kann. Schlägt dein Herz für den Dienst zu Wasser und bist du aus besonderem Holz geschnitzt, melde dich bei uns im Rekrutierungsbüro.

    <<< RE: Enterübung


    Sabaco hatte inzwischen herausgefunden, dass der Verunglückte den Namen Paullus Seppius Merenda trug. Genannt wurde er Seppi. Seppi ... das passte. Nach Dienstschluss suchte Sabaco die Unterkunft des verletzten Nauta auf. Die Verletzung war dem Hörensagen nach nicht so schlimm, wie sie auf den ersten Blick gewirkt hatte, aber er wollte selbst nach dem Kameraden sehen. Sabaco klopfte an die Tür, gab den dahinter wohnenden Nautae zwei Atemzüge lang Zeit, jene Dinge in Ordnung zu bringen, die er nicht sehen sollte, und trat ein.


    "Abend", grüßte er in saloppem Ton, damit sie bemerkten, dass er nicht dienstlich hier war. "Seppi?"

    Sabaco bemerkte noch, wie der Nauta erwachte und seine blutige Hand betrachtete, dann musste er seine Aufmerksamkeit wieder gänzlich den übrigen Männern widmen. Er fragte sich, ob sie am Ende doch zu dicht gestanden hatten während der Testudo für diese Aktion, das musste er im Anschluss mit einem der Offiziere auswerten. Wieder fiel einer runter, aber diesmal nur einer. Die übrigen Neun schafften es ohne Zwischenfälle an Bord.


    "Nicht warten, die nächsten Zehn", polterte Sabaco. "Auf die Planke! TESTUDO!" In dieser Manier ging es weiter, bis am Ende alle auf dem Schiff standen.


    Alle, bis auf einen.

    Der Nauta zeigte keine Regung. Es waren keine Capsarii anwesend und die Offiziere mischten sich nicht ein. Der Centurio verließ das Gelände. Sabaco konzentrierte sich also auf den Verletzten. Er nahm ihm den Gürtel und den Schwertgurt ab, legte ihm die Arme auf der Brust über Kreuz und zurrte sie mit dem Gürtel fest, damit der abgeknickte Finger nicht auch noch abgerissen wurde. Mit dem längeren Schwertgurt machte er den Verletzten über den Oberarmen am Schild fest, wobei er nicht mit Zugkraft geizte.


    "Ihr vier! Zwei vorne, zwei hinten."


    Er wählte Männer, die sich halbwegs gut angestellt hatten und welche die Trage schleppen sollten. Vier, weil die konvexe Form des Schildes ihn zum Tragen denkbar beschissen machte. Zwei weitere Milites mussten an den Seilen der Enterhaken zerren, um die Planke zu stabilisieren.


    Sie ließen den Verletzten unter den Argusaugen von Sabaco vorsichtig über die Reling die Schildrampe entlang hinabgleiten, wo ihn zwei der Träger empfingen und die anderen beiden von oben Halt gaben. Sabaco fürchtete, dass sie bei dem Geschaukel allesamt ins Gras stürzen würden. Verfluchte Kacke, wenn der Nauta den Finger verlor, musste er die Classis verlassen. Das musste natürlich während einer Übung von Sabaco passieren. Und natürlich widerfuhr es dem freundlichsten und harmlosesten Mann, so war das immer. Hinterher würde Sabaco die Übungseinheit zerpflücken, um herauszufinden, wo der Fehler lag und ob er es hätte verhindern können.


    Nach einigem Schwanken und Bangen war der Nauta wieder auf festem Grund und konnte ins Valetudinarium abtransportiert werden. Sabaco entspannte sich sichtlich. Der Rest erschien ihm nun einfach.


    "Die nächsten Zehn", brüllte er.

    Einen Mann, der in voller Montur umfiel, konnte man nicht mal eben auffangen. Aber Sabaco stellte ein Bein raus, sodass der Nauta nicht ungebremst auf den Boden krachte, sondern daran hinab rutschte. Sabaco bemerkte, dass er nicht wusste, wer von den Anwesenden die Capsarii waren und ob sie überhaupt welche für diese Übung dabei hatten. Für die Zukunft musste er solche Dinge vorher in Erfahrung bringen.


    So blieb ihm nur übrig ins Blaue hinein "CAPSARII!" zu brüllen und zu hoffen, dass welche anwesend waren. Er befahl seinen Leuten, sich mit dem Rücken um den Bewusstlosen zu stellen, die Waffen nach außen, um ihn zu sichern, bis er abtransportiert wurde.


    Sabaco versuchte anschließend, Blickkontakt mit dem Gubernator aufzunehmen und er schaute, was der Optio spei jetzt machte, ob der irgendein Kommando gab, oder ob Sabaco weiterhin allein alles koordinieren sollte. Im Ernstfall würde das alles parallel laufen müssen, der Bewusstlose musste fortgeschafft werden, während die übrigen Männer weiterhin das Schiff stürmten. Sabaco war überfordert, eigentlich musste er sich weiter um das Entern kümmern, aber der Nauta war genau bei ihm umgefallen.


    Da dies eine Übung war und kein Feindessturm abzuwehren war, kniete er sich im Schutz der sichernden Kameraden beim Bewusstlosen nieder.


    Sabaco öffnete die Lederbänder und zog dem Nauta den Helm vom Kopf, wobei er bemerkte, dass das scheiß Ding viel zu groß war für diesen Schädel. Der Nauta atmete und hatte nicht gekotzt, was erstmal gut war, aber sein Finger sah verletzt aus, ragte sonstwohin und blutete wie Sau. Scheinbar war er davon bewusstlos geworden, entweder weil er einen Schock erlitten hatte oder weil er kein Blut sehen konnte. Dann müssten sie schauen, ob sie ihn dagegen abhärten konnten. Aber erstmal musste der Mann ins Valetudinarium gelangen. Sabaco fädelte vorsichtig die verletzte Hand des Nauta aus dem Haltegriff heraus und wälzte den Mann auf dessen eigenen Schild, sodass man gleich eine Trage hatte.


    "He, Mann, wach mal auf", brummelte Sabaco und patschte seine Wange.


    Dann schaute er wieder nach den anderen.

    Sabaco ging die ganzen verdammten Regale durch. Er gab sich Mühe und machte die Arbeit ordentlich. Ein paar Sachen mussten zur Reparatur, doch er fand nichts, was er weggeworfen hätte. Das Lager war in einem guten Zustand. Nur kam er zu dem Schluss, dass die Tunicae zu dünn waren. Er würde einen dickeren Stoff bevorzugen, da es hier oben sehr kalt werden konnte. Die Qualität der Tunicae, die Ocella ihm geschenkt hatte, war erstklassig. So was stellte er sich für die Classis vor. Er würde seinen Bruder fragen, wo er die her hatte. Vielleicht konnte man mit dem Lieferanten einen guten Vertrag aushandeln - oder den bisherigen dazu bringen, gleiche Qualität zu liefern.


    "Wie heißt eigentlich der Gubernator?", brummte Sabaco am Ende.


    "Das ist Titus Vorenus Nero", erklärte der Scriba eifrig.


    Der sah schon aus wie so ein Nero. Alle Eltern, die ihre Kinder hassten, nannten sie so, damit man sich bei ihrem Anblick an den unglückseligen Kaiser erinnerte, dessen Affinität zu Großbränden Sabaco vollumfänglich teilte. "Und war der mal bei den Prätorianern oder so?"


    "Aber nein. Der war schon immer hier bei der Classis. Wieso?"


    "Hab ihn in einer Taberna mit einem Trupp Schwarzkutten getroffen. Ich dachte, er wäre auch eine."


    "Vielleicht sind sie befreundet oder hängen einfach so zusammen rum."


    "Das Letzte wird es wohl sein. Saufkumpanen." Eine Arschkrampe wie Vorenus Nero hatte keine Freunde.


    Nach der Pause verabschiedete Sabaco sich und verschwand samt Tabula, um Nero Meldung zu machen.



    RE: Officium Gubenator Titus Vorenus Nero >>>

    Auch Sabaco neuer Hass-Offizier war anwesend. Titus Vorenus Nero - inzwischen kannte er den Namen. Fast hätte Sabaco ihn mit dem Stab in die Reihe geschoben, weil er nur auf dessen schief stehende Caligae geschaut hatte, aber er bemerkte seinen Irrtum rechtzeitig und grüßte mit dem gebotenen Respekt. Dann ging es ans Eingemachte und die erfahrenen Marini demonstrierten die Übung unter dem Kommando des Optio spei. Sabaco beobachtete mit scharfem Blick, wie sie die Planke festzurrten, über die Reling sprangen und das Schiff einnahmen. Das alles geschah in hoher Geschwindigkeit. Es klappte perfekt, das sah nach jahrelanger Erfahrung aus. Es war nicht zu übersehen, dass der Optio spei stolz war auf die Truppe und das zu Recht.


    Natürlich war absehbar, dass es bei ihnen selbst bei weitem nicht so gut aussehen würde und irgendwer runterfiel, aber wie Stilo in seiner unendlichen Weisheit einst sagte: Das erste Mal ist immer Scheiße. Sabaco würde dafür sorgen, dass es nicht beschissener wurde als nötig.


    Einer der Nautae schlotterte. Das war der, der sich bis gerade eben gefreut hatte. Im Vorbeigehen legte Sabaco ihm kurz die Hand auf die Schulter, ohne ihn anzusehen.


    "MILITES", röhrte er, damit die Männer aufhörten, den Optio spei anzustarren und ihre Aufmerksamkeit stattdessen Sabaco zuwandten. "Die ersten neun von rechts - Planke besetzen! Macht langsam und konzentriert euch."


    Ihre Vorgänger waren auf die Planke gestürmt, doch das würde nicht funktionieren mit den Frischlingen. Die Hälfte würde stürzen oder gleich alle. Die Geschwindigkeit kam irgendwann von ganz allein. Jetzt galt es erst zunächst, eine saubere Ausführung zu gewährleisten. Er selbst postierte sich an der Stelle, wo die Planke begann. Erwartungsgemäß hatten die Männer große Probleme auf dem stark schwankenden Untergrund und fuchtelten um ihr Gleichgewicht.


    "Laaangsam und sauber", mahnte Sabaco. "Nicht mehr bewegen als nötig!"


    Das war leicht gesagt, aber je mehr sie fuchtelten, umso schlimmer würde die Planke schwanken. Die Mitte rechts sah nicht gut aus. Sabaco beobachtete von hinten, wer sich schon recht gut anstellte - diejenigen würde er bei der nächsten Übung als erste vor schicken. Als alle neun mehr oder weniger standen, nahm er selbst den zehnten Platz ein. Kaum stand er, schwankte die Planke plötzlich stark zur Seite und kam ins Schlingern. Nun musste er selbst um sein Gleichgewicht fuchteln. Rechts stürzte ein Mann und riss einen zweiten, der ihn festhalten wollte, gleich mit in die Tiefe.


    "Ihr wärt jetzt abgesoffen mit euren Rüstungen", brüllte Sabaco ihnen hinterher, während er um seinen sicheren Stand rang. "Lücke schließen! Milites auf den Planken - aufrutschen! Zwei rücken von hinten nach! Die Ersoffenen, zurück in die Reihe!"


    Nun waren sie wieder zu zehnt. Das Schlingern hatte sich etwas beruhigt, so dass Sabaco wagen konnte, den nächsten Befehl zu geben.


    "TESTUDO!" Sabaco hob mit den anderen gemeinsam die Schilde. Die Schildkröte kannten sie bereits vom Campus, so das wenigstens das funktionierte. "Zusammenrücken!" Überall waren Lücken, aber so machte eine Testudo wenig Sinn. "Noch dichter. Macht langsam, keiner stürzt mir ins Wasser!"


    Auch er selbst rutschte auf.


    "Enterhaken werfen!" Zwei Haken flogen in hohem Bogen durch die Luft. Als die Leinen sich spannten, verhakten sie sich in der Reling. Das klappte überraschend gut. "Und ranziehen! ZIEHT! RAN!"


    Gemeinsam zerrten die Milites, bis die Planke die Bordwand erreichte. Die Planke war nun, da sie durch die Haken fixiert war, stabiler. Trotzdem stürzte noch einer. Erneut rückten die Milites auf und schlossen die Lücke. Der Gestürzte trottete geknickt zurück "an Land".


    "Die vordersten beiden, Schilde als Rampe aufstellen. Die zwei dahinter halten ihre Schilde zum Schutz über sie."


    Noch kamen ja keine Geschosse geflogen oder wütende Feindeshorden. Trotzdem musste das alles schon jetzt geübt werden. Als auch das geschafft war, folgte das letzte Signal.


    "SCHIFF ENTERN! Wehe, es klatscht noch einer ins Wasser! Konzentration, Männer!"


    Einer nach dem andern sprangen sie mithilfe der aufgestützten Schilde über die Reling. Sabaco sprang als Letzter an Bord. Ein urtümlicher Winkel seines Denkens bedauerte für einen Moment, dass sie heute keine Feinde erwarteten, die sie ihrem wohlverdienten Schicksal zuführen konnten.

    <<< RE: Einarbeiten und so


    "Mahlzeit", grunzte Sabaco, als er das Armamentarium betrat. "Ich nehme euch ein Stück Arbeit ab. Unser Gubernator", der ein Arschloch war und ihn hasste, "hat mir die Anweisung gegeben, die Ausrüstung in der Ausgabestelle zu kontrollieren, dazu eine Liste anzulegen und das Fehlende ersetzen zu lassen. Einen Schreiber brauche ich."


    Irgendeinen Eierkopf, der zu sonst nichts taugte, der sich aber trotzdem irgendwie durch die Musterung gemogelt hatte. Sabaco konnte gerade niemanden leiden, bemühte sich aber, sich seine Laune nicht anmerken zu lassen.


    "Der Rest kann irgendwas anderes machen."

    Der frischgebackene Gubernator musste natürlich noch einen draufsetzen, um ihn zu demütigen. Schmerz jagte durch Sabacos frisch operierten Kiefer, weil er die Zähne aufeinander biss. Vielleicht sollte er den Wichtigtuer daran erinnern, wie weh Sabacos Fäuste taten. Nur verbal, freilich. Und daran, dass der Gubernator es gewesen war, der am Ende vor Sabaco auf den Knien herumgekrochen war, genau in Lutschhöhe. Seiner Karriere würde Sabaco damit allerdings keinen Gefallen erweisen und das für einen kurzen Moment des Triumphs? Nein. Genau dazu wollte der Gubernator ihn verleiten, damit er ihn anscheißen, bestrafen und loswerden konnte. Ja, darum disste er ihn hier vor den neugierigen Augen und Ohren der Umstehenden. Aber Sabaco tat, als wären die höhnischen Worte bloße Arbeitsanweisungen für ihn. Als würde sein gekränkter Stolz nicht in ihm nagen wie ein Hund an einem blutigen Knochen.


    "Zu Befehl, Gubernator", sagte er und räumte das Feld, um einer Aufgabe nachzugehen, die überhaupt nicht in seinen Bereich fiel. Seine Gangart war allerdings nicht die eines entspannten Mannes. Jeder stampfende Schritt war ein Tritt in die Nüsse des Gubernators, als Sabaco in Richtung Armamentarium abzog.


    Der beschissene Sinnlosbefehl >>>

    Einer der Nautae freute sich offenbar dermaßen auf die Enterübung, dass er vor sich hin lächelte. Wenn sich die Leute darauf freuten, was hier veranstaltet wurde, war das ein Kompliment und das wiederum war Sabaco Ansporn, auch wenn es noch schwerlich ihm gelten konnte. Mit motivierten Leuten machte es mehr Spaß als mit einem Haufen lahmarschiger Tranfunzeln. Da manche Ausbildungseinheiten und Übungen für Nautae und Marini gemeinsam verliefen, so wie heute, fühlte Sabaco sich auch für den vergnügten Kameraden verantwortlich. Prüfend ließ er den Blick über dessen Ausrüstung gleiten, nickte zufrieden und ging weiter. Wäre dumm gewesen, hätte der nächsthöhere Offizier was zu Meckern gefunden und dem fröhlichen Nauta die gute Laune gleich wieder verdorben. Auch Sabaco war gespannt. Für ihn war es die erste Enterübung.