Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    <<< RE: Enterübung


    Sabaco hatte inzwischen herausgefunden, dass der Verunglückte den Namen Paullus Seppius Merenda trug. Genannt wurde er Seppi. Seppi ... das passte. Nach Dienstschluss suchte Sabaco die Unterkunft des verletzten Nauta auf. Die Verletzung war dem Hörensagen nach nicht so schlimm, wie sie auf den ersten Blick gewirkt hatte, aber er wollte selbst nach dem Kameraden sehen. Sabaco klopfte an die Tür, gab den dahinter wohnenden Nautae zwei Atemzüge lang Zeit, jene Dinge in Ordnung zu bringen, die er nicht sehen sollte, und trat ein.


    "Abend", grüßte er in saloppem Ton, damit sie bemerkten, dass er nicht dienstlich hier war. "Seppi?"

    Sabaco bemerkte noch, wie der Nauta erwachte und seine blutige Hand betrachtete, dann musste er seine Aufmerksamkeit wieder gänzlich den übrigen Männern widmen. Er fragte sich, ob sie am Ende doch zu dicht gestanden hatten während der Testudo für diese Aktion, das musste er im Anschluss mit einem der Offiziere auswerten. Wieder fiel einer runter, aber diesmal nur einer. Die übrigen Neun schafften es ohne Zwischenfälle an Bord.


    "Nicht warten, die nächsten Zehn", polterte Sabaco. "Auf die Planke! TESTUDO!" In dieser Manier ging es weiter, bis am Ende alle auf dem Schiff standen.


    Alle, bis auf einen.

    Der Nauta zeigte keine Regung. Es waren keine Capsarii anwesend und die Offiziere mischten sich nicht ein. Der Centurio verließ das Gelände. Sabaco konzentrierte sich also auf den Verletzten. Er nahm ihm den Gürtel und den Schwertgurt ab, legte ihm die Arme auf der Brust über Kreuz und zurrte sie mit dem Gürtel fest, damit der abgeknickte Finger nicht auch noch abgerissen wurde. Mit dem längeren Schwertgurt machte er den Verletzten über den Oberarmen am Schild fest, wobei er nicht mit Zugkraft geizte.


    "Ihr vier! Zwei vorne, zwei hinten."


    Er wählte Männer, die sich halbwegs gut angestellt hatten und welche die Trage schleppen sollten. Vier, weil die konvexe Form des Schildes ihn zum Tragen denkbar beschissen machte. Zwei weitere Milites mussten an den Seilen der Enterhaken zerren, um die Planke zu stabilisieren.


    Sie ließen den Verletzten unter den Argusaugen von Sabaco vorsichtig über die Reling die Schildrampe entlang hinabgleiten, wo ihn zwei der Träger empfingen und die anderen beiden von oben Halt gaben. Sabaco fürchtete, dass sie bei dem Geschaukel allesamt ins Gras stürzen würden. Verfluchte Kacke, wenn der Nauta den Finger verlor, musste er die Classis verlassen. Das musste natürlich während einer Übung von Sabaco passieren. Und natürlich widerfuhr es dem freundlichsten und harmlosesten Mann, so war das immer. Hinterher würde Sabaco die Übungseinheit zerpflücken, um herauszufinden, wo der Fehler lag und ob er es hätte verhindern können.


    Nach einigem Schwanken und Bangen war der Nauta wieder auf festem Grund und konnte ins Valetudinarium abtransportiert werden. Sabaco entspannte sich sichtlich. Der Rest erschien ihm nun einfach.


    "Die nächsten Zehn", brüllte er.

    Einen Mann, der in voller Montur umfiel, konnte man nicht mal eben auffangen. Aber Sabaco stellte ein Bein raus, sodass der Nauta nicht ungebremst auf den Boden krachte, sondern daran hinab rutschte. Sabaco bemerkte, dass er nicht wusste, wer von den Anwesenden die Capsarii waren und ob sie überhaupt welche für diese Übung dabei hatten. Für die Zukunft musste er solche Dinge vorher in Erfahrung bringen.


    So blieb ihm nur übrig ins Blaue hinein "CAPSARII!" zu brüllen und zu hoffen, dass welche anwesend waren. Er befahl seinen Leuten, sich mit dem Rücken um den Bewusstlosen zu stellen, die Waffen nach außen, um ihn zu sichern, bis er abtransportiert wurde.


    Sabaco versuchte anschließend, Blickkontakt mit dem Gubernator aufzunehmen und er schaute, was der Optio spei jetzt machte, ob der irgendein Kommando gab, oder ob Sabaco weiterhin allein alles koordinieren sollte. Im Ernstfall würde das alles parallel laufen müssen, der Bewusstlose musste fortgeschafft werden, während die übrigen Männer weiterhin das Schiff stürmten. Sabaco war überfordert, eigentlich musste er sich weiter um das Entern kümmern, aber der Nauta war genau bei ihm umgefallen.


    Da dies eine Übung war und kein Feindessturm abzuwehren war, kniete er sich im Schutz der sichernden Kameraden beim Bewusstlosen nieder.


    Sabaco öffnete die Lederbänder und zog dem Nauta den Helm vom Kopf, wobei er bemerkte, dass das scheiß Ding viel zu groß war für diesen Schädel. Der Nauta atmete und hatte nicht gekotzt, was erstmal gut war, aber sein Finger sah verletzt aus, ragte sonstwohin und blutete wie Sau. Scheinbar war er davon bewusstlos geworden, entweder weil er einen Schock erlitten hatte oder weil er kein Blut sehen konnte. Dann müssten sie schauen, ob sie ihn dagegen abhärten konnten. Aber erstmal musste der Mann ins Valetudinarium gelangen. Sabaco fädelte vorsichtig die verletzte Hand des Nauta aus dem Haltegriff heraus und wälzte den Mann auf dessen eigenen Schild, sodass man gleich eine Trage hatte.


    "He, Mann, wach mal auf", brummelte Sabaco und patschte seine Wange.


    Dann schaute er wieder nach den anderen.

    Sabaco ging die ganzen verdammten Regale durch. Er gab sich Mühe und machte die Arbeit ordentlich. Ein paar Sachen mussten zur Reparatur, doch er fand nichts, was er weggeworfen hätte. Das Lager war in einem guten Zustand. Nur kam er zu dem Schluss, dass die Tunicae zu dünn waren. Er würde einen dickeren Stoff bevorzugen, da es hier oben sehr kalt werden konnte. Die Qualität der Tunicae, die Ocella ihm geschenkt hatte, war erstklassig. So was stellte er sich für die Classis vor. Er würde seinen Bruder fragen, wo er die her hatte. Vielleicht konnte man mit dem Lieferanten einen guten Vertrag aushandeln - oder den bisherigen dazu bringen, gleiche Qualität zu liefern.


    "Wie heißt eigentlich der Gubernator?", brummte Sabaco am Ende.


    "Das ist Titus Vorenus Nero", erklärte der Scriba eifrig.


    Der sah schon aus wie so ein Nero. Alle Eltern, die ihre Kinder hassten, nannten sie so, damit man sich bei ihrem Anblick an den unglückseligen Kaiser erinnerte, dessen Affinität zu Großbränden Sabaco vollumfänglich teilte. "Und war der mal bei den Prätorianern oder so?"


    "Aber nein. Der war schon immer hier bei der Classis. Wieso?"


    "Hab ihn in einer Taberna mit einem Trupp Schwarzkutten getroffen. Ich dachte, er wäre auch eine."


    "Vielleicht sind sie befreundet oder hängen einfach so zusammen rum."


    "Das Letzte wird es wohl sein. Saufkumpanen." Eine Arschkrampe wie Vorenus Nero hatte keine Freunde.


    Nach der Pause verabschiedete Sabaco sich und verschwand samt Tabula, um Nero Meldung zu machen.



    RE: Officium Gubenator Titus Vorenus Nero >>>

    Auch Sabaco neuer Hass-Offizier war anwesend. Titus Vorenus Nero - inzwischen kannte er den Namen. Fast hätte Sabaco ihn mit dem Stab in die Reihe geschoben, weil er nur auf dessen schief stehende Caligae geschaut hatte, aber er bemerkte seinen Irrtum rechtzeitig und grüßte mit dem gebotenen Respekt. Dann ging es ans Eingemachte und die erfahrenen Marini demonstrierten die Übung unter dem Kommando des Optio spei. Sabaco beobachtete mit scharfem Blick, wie sie die Planke festzurrten, über die Reling sprangen und das Schiff einnahmen. Das alles geschah in hoher Geschwindigkeit. Es klappte perfekt, das sah nach jahrelanger Erfahrung aus. Es war nicht zu übersehen, dass der Optio spei stolz war auf die Truppe und das zu Recht.


    Natürlich war absehbar, dass es bei ihnen selbst bei weitem nicht so gut aussehen würde und irgendwer runterfiel, aber wie Stilo in seiner unendlichen Weisheit einst sagte: Das erste Mal ist immer Scheiße. Sabaco würde dafür sorgen, dass es nicht beschissener wurde als nötig.


    Einer der Nautae schlotterte. Das war der, der sich bis gerade eben gefreut hatte. Im Vorbeigehen legte Sabaco ihm kurz die Hand auf die Schulter, ohne ihn anzusehen.


    "MILITES", röhrte er, damit die Männer aufhörten, den Optio spei anzustarren und ihre Aufmerksamkeit stattdessen Sabaco zuwandten. "Die ersten neun von rechts - Planke besetzen! Macht langsam und konzentriert euch."


    Ihre Vorgänger waren auf die Planke gestürmt, doch das würde nicht funktionieren mit den Frischlingen. Die Hälfte würde stürzen oder gleich alle. Die Geschwindigkeit kam irgendwann von ganz allein. Jetzt galt es erst zunächst, eine saubere Ausführung zu gewährleisten. Er selbst postierte sich an der Stelle, wo die Planke begann. Erwartungsgemäß hatten die Männer große Probleme auf dem stark schwankenden Untergrund und fuchtelten um ihr Gleichgewicht.


    "Laaangsam und sauber", mahnte Sabaco. "Nicht mehr bewegen als nötig!"


    Das war leicht gesagt, aber je mehr sie fuchtelten, umso schlimmer würde die Planke schwanken. Die Mitte rechts sah nicht gut aus. Sabaco beobachtete von hinten, wer sich schon recht gut anstellte - diejenigen würde er bei der nächsten Übung als erste vor schicken. Als alle neun mehr oder weniger standen, nahm er selbst den zehnten Platz ein. Kaum stand er, schwankte die Planke plötzlich stark zur Seite und kam ins Schlingern. Nun musste er selbst um sein Gleichgewicht fuchteln. Rechts stürzte ein Mann und riss einen zweiten, der ihn festhalten wollte, gleich mit in die Tiefe.


    "Ihr wärt jetzt abgesoffen mit euren Rüstungen", brüllte Sabaco ihnen hinterher, während er um seinen sicheren Stand rang. "Lücke schließen! Milites auf den Planken - aufrutschen! Zwei rücken von hinten nach! Die Ersoffenen, zurück in die Reihe!"


    Nun waren sie wieder zu zehnt. Das Schlingern hatte sich etwas beruhigt, so dass Sabaco wagen konnte, den nächsten Befehl zu geben.


    "TESTUDO!" Sabaco hob mit den anderen gemeinsam die Schilde. Die Schildkröte kannten sie bereits vom Campus, so das wenigstens das funktionierte. "Zusammenrücken!" Überall waren Lücken, aber so machte eine Testudo wenig Sinn. "Noch dichter. Macht langsam, keiner stürzt mir ins Wasser!"


    Auch er selbst rutschte auf.


    "Enterhaken werfen!" Zwei Haken flogen in hohem Bogen durch die Luft. Als die Leinen sich spannten, verhakten sie sich in der Reling. Das klappte überraschend gut. "Und ranziehen! ZIEHT! RAN!"


    Gemeinsam zerrten die Milites, bis die Planke die Bordwand erreichte. Die Planke war nun, da sie durch die Haken fixiert war, stabiler. Trotzdem stürzte noch einer. Erneut rückten die Milites auf und schlossen die Lücke. Der Gestürzte trottete geknickt zurück "an Land".


    "Die vordersten beiden, Schilde als Rampe aufstellen. Die zwei dahinter halten ihre Schilde zum Schutz über sie."


    Noch kamen ja keine Geschosse geflogen oder wütende Feindeshorden. Trotzdem musste das alles schon jetzt geübt werden. Als auch das geschafft war, folgte das letzte Signal.


    "SCHIFF ENTERN! Wehe, es klatscht noch einer ins Wasser! Konzentration, Männer!"


    Einer nach dem andern sprangen sie mithilfe der aufgestützten Schilde über die Reling. Sabaco sprang als Letzter an Bord. Ein urtümlicher Winkel seines Denkens bedauerte für einen Moment, dass sie heute keine Feinde erwarteten, die sie ihrem wohlverdienten Schicksal zuführen konnten.

    <<< RE: Einarbeiten und so


    "Mahlzeit", grunzte Sabaco, als er das Armamentarium betrat. "Ich nehme euch ein Stück Arbeit ab. Unser Gubernator", der ein Arschloch war und ihn hasste, "hat mir die Anweisung gegeben, die Ausrüstung in der Ausgabestelle zu kontrollieren, dazu eine Liste anzulegen und das Fehlende ersetzen zu lassen. Einen Schreiber brauche ich."


    Irgendeinen Eierkopf, der zu sonst nichts taugte, der sich aber trotzdem irgendwie durch die Musterung gemogelt hatte. Sabaco konnte gerade niemanden leiden, bemühte sich aber, sich seine Laune nicht anmerken zu lassen.


    "Der Rest kann irgendwas anderes machen."

    Der frischgebackene Gubernator musste natürlich noch einen draufsetzen, um ihn zu demütigen. Schmerz jagte durch Sabacos frisch operierten Kiefer, weil er die Zähne aufeinander biss. Vielleicht sollte er den Wichtigtuer daran erinnern, wie weh Sabacos Fäuste taten. Nur verbal, freilich. Und daran, dass der Gubernator es gewesen war, der am Ende vor Sabaco auf den Knien herumgekrochen war, genau in Lutschhöhe. Seiner Karriere würde Sabaco damit allerdings keinen Gefallen erweisen und das für einen kurzen Moment des Triumphs? Nein. Genau dazu wollte der Gubernator ihn verleiten, damit er ihn anscheißen, bestrafen und loswerden konnte. Ja, darum disste er ihn hier vor den neugierigen Augen und Ohren der Umstehenden. Aber Sabaco tat, als wären die höhnischen Worte bloße Arbeitsanweisungen für ihn. Als würde sein gekränkter Stolz nicht in ihm nagen wie ein Hund an einem blutigen Knochen.


    "Zu Befehl, Gubernator", sagte er und räumte das Feld, um einer Aufgabe nachzugehen, die überhaupt nicht in seinen Bereich fiel. Seine Gangart war allerdings nicht die eines entspannten Mannes. Jeder stampfende Schritt war ein Tritt in die Nüsse des Gubernators, als Sabaco in Richtung Armamentarium abzog.


    Der beschissene Sinnlosbefehl >>>

    Einer der Nautae freute sich offenbar dermaßen auf die Enterübung, dass er vor sich hin lächelte. Wenn sich die Leute darauf freuten, was hier veranstaltet wurde, war das ein Kompliment und das wiederum war Sabaco Ansporn, auch wenn es noch schwerlich ihm gelten konnte. Mit motivierten Leuten machte es mehr Spaß als mit einem Haufen lahmarschiger Tranfunzeln. Da manche Ausbildungseinheiten und Übungen für Nautae und Marini gemeinsam verliefen, so wie heute, fühlte Sabaco sich auch für den vergnügten Kameraden verantwortlich. Prüfend ließ er den Blick über dessen Ausrüstung gleiten, nickte zufrieden und ging weiter. Wäre dumm gewesen, hätte der nächsthöhere Offizier was zu Meckern gefunden und dem fröhlichen Nauta die gute Laune gleich wieder verdorben. Auch Sabaco war gespannt. Für ihn war es die erste Enterübung.

    Enterübung


    <<< RE: Edictiones - Aushang


    Wahrscheinlich hielt ihn eh wieder jemand für einen Holzkopf. Doch Sabaco hatte keine Ahnung, was unter "schiffsüblicher Ausrüstung" zu verstehen war. Vermutlich das volle Programm. Also erschien er in voller Rüstung, trug flauschige Beinlinge und hatte neben Gladius und Dolch auch den Ovalschild der Auxiliareinheiten am Mann. Vermutlich, weil hier auch Peregrini dienten, aber ihn störte der Ovalschild nicht. Und natürlich durfte der Rebstock nicht fehlen, mit dem er die Männer rumschieben konnte, ohne sie antatschen zu müssen und sich dabei den Finger irgendwo im Panzer einzuklemmen. Als Knüppel hatte er den Rebstock bisher nicht einsetzen müssen. Trotz einiger Rindviecher war die Truppe im Großen und Ganzen passabel.


    "MILITES", grölte Sabaco, der das Brüllen schon von der Ausbildung seiner Tirones gewöhnt war. Nun standen die Contubernia eins bis fünf vor ihm - vierzig Mann, wenn sie vollzählig waren. "IN ANCIEM VENITE!"*


    Die sollten ein ordentliches Bild abgeben, wenn ihr Kommandant aufkreuzte und so bereitete Sabaco schon mal alles vor. Als die Reihe angetreten und ausgerichtet war, kontrollierte er Sitz und Vollständigkeit der Ausrüstung, damit sie keinen Ärger auf sich zogen und damit ihr Vorgesetzter schnell zur Sache kommen konnte, sobald er eintraf, und nicht mehr allzu viel zu mäkeln hatte.


    Sim-Off:

    *In Linie antreten.

    Der Gubernator rückte nach. Da sie wieder Bauch an Bauch standen, blieb Sabaco nichts übrig, als nun doch das Kinn zu senken, um zu deeskalieren. Er fühlte sich ertappt, als ob der andere wusste, dass sein früherer Centurio ihn auf dem Kieker gehabt hatte, bereit dazu, dessen Zerstörungswerk fortzusetzen. Was, wenn sein alter Peiniger und der Gubernator sich kannten? Was, wenn der ihn indoktriniert hatte, wie mit Sabaco zu verfahren sei?!


    Dass der Kerl wieder auf Abstand ging, nachdem er ihm was ins Ohr gezischt hatte, konnte Sabaco nicht mehr beruhigen. Bleich und mit gesträubten Nackenhaaren stand er da. "Jawohl, Gubernator", bestätigte er mechanisch. "Danach erstatte ich Bericht."


    Er wollte nur noch weg. Auf seinem Ohr spürte er immer noch den Atem seines Vorgesetzten.

    Stille senkte sich auf die beiden Männer. Man hörte nur die Geräusche in weiterer Ferne, Marschieren, Rufen, Hämmern. Um sie herum aber hatte sich eine Blase der Stille gebildet. Wer in der Nähe stand, hielt inne, um zu sehen, was geschah. Sie standen Brust an Brust und das nicht, weil sie sich so sehr mochten. Die Zeit schien stillzustehen, während sich in Sabaco das schiere Entsetzen ausbreitete. Der Kerl ... den er neulich verdroschen hatte ... war sein Vorgesetzter. Als das in seinem Hirn angekommen war, trat Sabaco einen Schritt zurück und senkte den Blick, aber nicht den Kopf. Seine Haltung blieb aufrecht.


    "Bitte um Verzeihung, Gubernator. Ich hab das nicht gewusst."


    Einen Scherz schloss er aus. Niemand, der bei Verstand war, gab sich als ranghöher aus, als er war.


    "Ausrüstung in der Ausgabestelle kontrollieren. Liste führen. Fehlendes ersetzen lassen", bestätigte Sabaco.


    Das war überhaupt nicht seine Aufgabe, das machten die immunes, die dort zugeteilt waren! Dies musste die Rache der Schwarzkutte für Sabacos Schläge sein und wenn Sabaco in so ansah mit seinem herausfordernden Grinsen, ahnte er, dass es nicht bei dieser einen bleiben würde. Ihn erwarteten bittere Zeiten. Die hatte er schonmal gehabt ... in Scheiß Germania inferior. Nur gab es diesmal keinen Stilo, der seine Kontakte zum Papa spielen ließ, um Sabaco den Arsch zu retten. Diesmal musste er allein da durch.

    Sabacos Nackenhaare sträubten sich, als er diese Stimme direkt hinter sich vernahm. Ihr Besitzer sollte nicht hier sein, er hatte ihm überhaupt nie wieder begegnen sollen! Was machte der hier bei der Classis, wieso war der noch nicht nach Rom zurückgekehrt?! Wie von selbst ballten Sabacos Hände sich zu Fäusten. Die Narbe über seiner linken Braue entsandte eine schmerzhafte Erinnerung an die Schlägerei, als sein Blutdruck alarmiert durch die Decke schoss.


    Ruhig bleiben. Keine Blöße geben, solange sie sich in der Castra befanden. Sabaco war nun Suboptio. Er war diszipliniert und vor allem war er neu hier, weil Ocella ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte. Er konnte sich keinen Fehltritt leisten.


    Langsam drehte Sabaco sich um, während der heiße Atem seines Gegners über seinen Hals strich. Ihre Nasen berührten sich fast. Seine Vermutung wurde bestätigt. Die Schwarzkutte aus der abgefackelten Taberna Silva Nigra. Und er blickte verdammt wichtig drein, während er seine Kommentare herunterrasselte.


    "Prätorianer haben keine Befehlsgewalt über die Classis. Zisch ab, Schwarzkutte", knurrte er und sah ihm unverwandt in die Augen.

    Nicht allein sein zu können hatte auch Vorteile. Da Sabaco es vermied, sich in seiner Unterkunft aufzuhalten, machte er einen engagierten und geschäftigen Eindruck. In seiner Freizeit schlenderte er herum, sah sich alles an und durchkämmte die gesamte Classis systematisch nach brauchbaren Kumpanen, mit denen sich trinken ließ. Das gab ihm auch die Gelegenheit, die Arbeitsabläufe in der Classis von verschiedenen Seiten kennenzulernen, aber auch seine Truppe zu analysieren, denn im nahen Umfeld suchte er naturgemäß am gründlichsten.


    Momentan gab es keine Vorkommnisse, die letzte war das Waffendepot gewesen und seither war es am Rhenus ruhig. Für den frischgebackenen Suboptio waren das hervorragende Voraussetzungen, er konnte seine Leute ohne Druck kennenlernen und sie sich umgekehrt daran gewöhnen, dass er sie fortan herumscheuchte.


    Es waren neben guten Männern und potenziellem Offiziersmaterial ein paar schräge Gestalten darunter, für welche die Classis die letzte Chance darstellte, noch die Kurve zu kriegen. Sabaco würde alles daran setzen, sie durch die Ausbildung zu schleifen, da er einst an einem ganz ähnlichen Punkt gewesen war. Vom kriminellen Landstreicher hatte die Legio ihn zu einem brauchbaren Römer geformt. Was Sabaco an destruktiver Energie besaß, bekam nun nicht mehr Rom, sondern Roms Feinde zu schmecken. Von einigen Ausnahmen abgesehen, die es nicht anders verdienten.

    Sabaco hoffte für die zwei Schnarchnasen, dass sie eine gute Begründung für ihre Unpünktlichkeit hatten. Er wartete, bis sich die Linie halbwegs formiert hatte, was erwartungsgemäß grauenvoll aussah, und kam zur Sache.


    "Movemini.* Ich bin Suboptio Publius Matinius Sabaco", sprach er laut und deutlich. Er blickte langsam von einem Ende der Reihe zum anderen. Jedem Einzelnen sah er irgendwann kurz in die Augen. "Suboptio Matinius genügt."


    Für die Römer war die Anrede mit dem Gensnamen eine Selbstverständlichkeit, den Peregrini jedoch war sie womöglich nicht geläufig.


    "Ich bin euer Ausbilder bei der Classis Germanica. Marini und Nautae gehen zunächst gemeinsam durch die Grundausbildung, so wie ihr später auch gemeinsam an Bord eines Kriegsschiffes für die Sicherheit des Imperiums sorgen werdet. Ich werde euch während der kommenden Monate an eure körperlichen und seelischen Grenzen bringen und euch nicht schonen, denn der Feind tut es auch nicht. Ihr werdet leiden, ihr werdet meinen Namen verfluchen und ihr werdet mich hassen. Wie der Schmied mit dem Hammer aus einem Eisenklumpen in der Feuersbrunst ein tödliches Schwert schlägt, so werde auch ich euch zu einem neuen, besseren Selbst formen. Am Ende werdet ihr sehen, dass es gut war. Am Ende seid ihr nicht mehr der bedeutungslose Haufen von heute, sondern ihr seid Soldaten des Kaisers, der bewaffnete Arm des Imperiums, das Schwert der zivilisierten Welt. Am Ende seid ihr Männer."


    Bei so viel Pathos musste er aufpassen, dass er keinen Ständer bekam. Während er sprach, wartete er darauf, dass die zwei fehlenden Tirones auftauchten.


    Sim-Off:

    * Rührt euch.


    Grundausbildung


    Adalrich

    &

    Lucius Annaeanus Tiro


    Das erste Mal seit Wochen kroch der Balken des Thermometers wieder über den Gefrierpunkt. Da der Boden jedoch kälter war, machte der Schnee keine Anstalten, zu tauen. Einige Stellen auf dem Campus waren vereist, die hatte Sabaco vor dem Beginn der Stunde untersucht und streuen lassen, damit niemand auf die Fresse flog. Nun standen sie da und wussten gar nicht, wie geradezu liebevoll sie betüdelt wurden. Das brauchten sie auch nicht zu wissen. Sabaco schaute sich die Reihe der neuen Tirones an, die auf dem Campus angetreten waren. Seine Tirones, seine ersten. Manch einer fror, doch das würde sich gleich ändern. Er zeigte sein reißzahnstarrrendes Grinsen.


    "TIRONES", brüllte er im schönsten Drill-Bariton. "IN ANCIEM VENITE!"*



    Sim-Off:

    *In Linie antreten!


    Sim-Off:

    Es scheint im Armamentarium noch etwas zu dauern. Damit ihr loslegen könnt, beginnen wir parallel die Grundausbildung. Dies ist der nächste Morgen. Wir gehen davon aus, dass ihr bereits eure Ausrüstung erhalten und euer Contubernium zugewiesen bekommen habt.

    Sabaco fiel es schwer, untätig allein in seiner Wohnung zu bleiben. Zu tun gab es allerdings noch nichts und er kannte auch noch niemanden, den er einladen oder in seiner Stube besuchen konnte, um gemeinsam abzuhängen. Also vergeudete Sabaco seine Zeit damit, herumzuschlendern und systematisch die Gemeinschaft abzuklopfen im Hinblick auf Gesprächswilligkeit und Stimmung. Beim Armamentarium war man hilfsbereit gewesen, jetzt wollte er die Plauderstimmung der Kameraden hier antesten. Zu seiner Verärgerung standen da schon zwei Tirones und warteten auf ihre Ausrüstung.


    Tirones ... in seinem Hirn drehte sich knirschend ein Zahnrad um einen Zahn weiter. Für die war er doch künftig verantwortlich! Sein Plan machte eine Kehrwendung und das Augenmerk richtete sich auf die Küken.


    "Salve", brummelte er unverbindlich, um auf sich aufmerksam zu machen. Nichts an seiner Kleidung ließ seinen Rang erkennen und das war ihm im Moment ganz recht.