Auch Sabaco neuer Hass-Offizier war anwesend. Titus Vorenus Nero - inzwischen kannte er den Namen. Fast hätte Sabaco ihn mit dem Stab in die Reihe geschoben, weil er nur auf dessen schief stehende Caligae geschaut hatte, aber er bemerkte seinen Irrtum rechtzeitig und grüßte mit dem gebotenen Respekt. Dann ging es ans Eingemachte und die erfahrenen Marini demonstrierten die Übung unter dem Kommando des Optio spei. Sabaco beobachtete mit scharfem Blick, wie sie die Planke festzurrten, über die Reling sprangen und das Schiff einnahmen. Das alles geschah in hoher Geschwindigkeit. Es klappte perfekt, das sah nach jahrelanger Erfahrung aus. Es war nicht zu übersehen, dass der Optio spei stolz war auf die Truppe und das zu Recht.
Natürlich war absehbar, dass es bei ihnen selbst bei weitem nicht so gut aussehen würde und irgendwer runterfiel, aber wie Stilo in seiner unendlichen Weisheit einst sagte: Das erste Mal ist immer Scheiße. Sabaco würde dafür sorgen, dass es nicht beschissener wurde als nötig.
Einer der Nautae schlotterte. Das war der, der sich bis gerade eben gefreut hatte. Im Vorbeigehen legte Sabaco ihm kurz die Hand auf die Schulter, ohne ihn anzusehen.
"MILITES", röhrte er, damit die Männer aufhörten, den Optio spei anzustarren und ihre Aufmerksamkeit stattdessen Sabaco zuwandten. "Die ersten neun von rechts - Planke besetzen! Macht langsam und konzentriert euch."
Ihre Vorgänger waren auf die Planke gestürmt, doch das würde nicht funktionieren mit den Frischlingen. Die Hälfte würde stürzen oder gleich alle. Die Geschwindigkeit kam irgendwann von ganz allein. Jetzt galt es erst zunächst, eine saubere Ausführung zu gewährleisten. Er selbst postierte sich an der Stelle, wo die Planke begann. Erwartungsgemäß hatten die Männer große Probleme auf dem stark schwankenden Untergrund und fuchtelten um ihr Gleichgewicht.
"Laaangsam und sauber", mahnte Sabaco. "Nicht mehr bewegen als nötig!"
Das war leicht gesagt, aber je mehr sie fuchtelten, umso schlimmer würde die Planke schwanken. Die Mitte rechts sah nicht gut aus. Sabaco beobachtete von hinten, wer sich schon recht gut anstellte - diejenigen würde er bei der nächsten Übung als erste vor schicken. Als alle neun mehr oder weniger standen, nahm er selbst den zehnten Platz ein. Kaum stand er, schwankte die Planke plötzlich stark zur Seite und kam ins Schlingern. Nun musste er selbst um sein Gleichgewicht fuchteln. Rechts stürzte ein Mann und riss einen zweiten, der ihn festhalten wollte, gleich mit in die Tiefe.
"Ihr wärt jetzt abgesoffen mit euren Rüstungen", brüllte Sabaco ihnen hinterher, während er um seinen sicheren Stand rang. "Lücke schließen! Milites auf den Planken - aufrutschen! Zwei rücken von hinten nach! Die Ersoffenen, zurück in die Reihe!"
Nun waren sie wieder zu zehnt. Das Schlingern hatte sich etwas beruhigt, so dass Sabaco wagen konnte, den nächsten Befehl zu geben.
"TESTUDO!" Sabaco hob mit den anderen gemeinsam die Schilde. Die Schildkröte kannten sie bereits vom Campus, so das wenigstens das funktionierte. "Zusammenrücken!" Überall waren Lücken, aber so machte eine Testudo wenig Sinn. "Noch dichter. Macht langsam, keiner stürzt mir ins Wasser!"
Auch er selbst rutschte auf.
"Enterhaken werfen!" Zwei Haken flogen in hohem Bogen durch die Luft. Als die Leinen sich spannten, verhakten sie sich in der Reling. Das klappte überraschend gut. "Und ranziehen! ZIEHT! RAN!"
Gemeinsam zerrten die Milites, bis die Planke die Bordwand erreichte. Die Planke war nun, da sie durch die Haken fixiert war, stabiler. Trotzdem stürzte noch einer. Erneut rückten die Milites auf und schlossen die Lücke. Der Gestürzte trottete geknickt zurück "an Land".
"Die vordersten beiden, Schilde als Rampe aufstellen. Die zwei dahinter halten ihre Schilde zum Schutz über sie."
Noch kamen ja keine Geschosse geflogen oder wütende Feindeshorden. Trotzdem musste das alles schon jetzt geübt werden. Als auch das geschafft war, folgte das letzte Signal.
"SCHIFF ENTERN! Wehe, es klatscht noch einer ins Wasser! Konzentration, Männer!"
Einer nach dem andern sprangen sie mithilfe der aufgestützten Schilde über die Reling. Sabaco sprang als Letzter an Bord. Ein urtümlicher Winkel seines Denkens bedauerte für einen Moment, dass sie heute keine Feinde erwarteten, die sie ihrem wohlverdienten Schicksal zuführen konnten.