Beiträge von Aulus Umbrenus Cinna

    "Stilo hat sich von allen verabschiedet, darum weiß ich, dass er abgereist ist. Ich hoffe, er kommt bald zurück, seine Centuria hatte gerade angefangen, sich an ihn zu gewöhnen. Aber die Reise ist wichtig für ihn. Er war oft traurig, wenn du einen Brief an mich geschrieben oder von mir erhalten hast. Er hätte immer gern einen Sohn gehabt. Nun besitzt er bald einen oder gar zwei und konnte sie sich sogar aussuchen."


    Adoptionen waren eine praktische Sache. Ein anderer hatte den Ärger im Kinderalter und wenn die Kinder erwachsen und vernünftig waren, gliederte man die Besten davon bequem in die eigene Familie ein. Das sparte die Futterkosten für all die Jahre, den Nervenkrieg während der Pubertät, sparte sich Enttäuschungen, sollte das Kind missraten sein, und man riskierte nicht das Leben seiner Frau im Kindbett.


    Mit Zmertorix hingegen hatte Cinna noch nicht viel zu tun gehabt. Er wusste nur, dass Stilo einen Narren an dem Möchtegern-Gallus gefressen und ihn wie ein kunterbuntes Gepäckstück quer durchs Imperium mitgeschleppt hatte.


    "Solche auffälligen Leute wie Zmertorix fehlen einem schneller als die grauen Mäuse, bei denen man nicht mal merkt, wenn sie unterwegs beim Spaziergang in ein Gulliloch fallen. Eine der ersten Lektionen in der Legio für mich war, dass man das Contubernium immer durchzählt! Man glaubt immer, man könne bei so wenigen Leuten doch nicht übersehen, wenn einer fehlt, aber doch, das geht. Und es ist passiert."


    Leider nicht mit Pansa. Dem hätte Cinna gegönnt, von Nomaden ausgeplündert und nackt hinter einem Kamel her geschleift zu werden.


    "Natürlich möchte ich meine Zeit mit dir verbringen! Der Goldene Gockel ist ein guter Ort! Gehen wir?"

    Cinna hob alles auf, was die neuen Speculatores in den Staub warfen, und verstaute es am eigenen Körper. Pandus und Rufinus waren zwar nicht Pansa und Dexter, aber falls durch einen dummen Zufall einem von letzteren beiden die überzähligen Gegenstände aufgebürdet wurden, während Cinna daneben stand, würde das nur wieder Ärger geben. Da schleppte er lieber ein wenig mehr. Er war jung und gesund. Noch voller beladen als zuvor stand er bald wieder stramm und wartete auf den Befehl.

    "Salve, Papa. Du musst ihnen Feuer unter ihren flachgesessenen Hintern machen, um ihr inneres Feuer wieder zu wecken. Oder so ähnlich. Aber frag mich nicht, wie man so etwas anstellt. Mir geht es bestens!"


    Er verbarg seine Lüge hinter einem Lächeln. Dass sein Vater nun hier war, trug jedoch in der Tat dazu bei, dass es ihm schon ein Stück weit besser ging.

    Sein Vater hatte gesehen, dass er hier war und Zeit für ihn hatte. Sobald Cimbers Schicht zu Ende war, konnte er seinen Sohn aufsuchen, wenn ihm danach war. In der Zwischenzeit würde Cinna den muffigen Wollmantel von Pansa flicken und hoffen, dass er heute ansonsten ungeschoren davonkam, wenn er den Lappen, den Pansa als gutes Stück bezeichnete, vor dem Müll rettete. Cinna machte sich auf den Weg in die Baracke.

    Mit verschränkten Armen und ein breites Lächeln im Gesicht lehnte Cinna an einer Säule des Vordachs, während er seinen Vater bei der Arbeit beobachtete. Wenn dieser kurz Luft hatte, wollte er ihm wenigstens kurz Salve sagen, denn sie hatten sich lange nicht gesehen. Cinna hatte während seiner ersten Jahre in der Legio den Vater mehr vermisst als jeden anderen Menschen. Sein Vater war am anderen Ende des Imperiums stationiert gewesen, sodass nicht einmal während des Heimatsurlaubs damit zu rechnen gewesen war, dass sie beide sich trafen. Nun war Cinna kein Tiro mehr, sondern Legionarius und sein Vater nicht mehr Eques, sondern Duplicarius. Es würde viel zu erzählen geben, wenn sie endlich die Zeit dafür fanden.

    Aufmerksam blickte Cinna dem Centurio entgegen, während der Schweiß in seinem Haar kitzelte. Bald würde Staub hinzukommen. Im Gegensatz zur üblichen Routine waren die Männer heute keineswegs gelangweilt, denn die neuen Offiziere wollten begutachtet und kritisch beäugt werden.


    Furius Cerretanus, sein neuer Optio, war Cinna sympathisch. Er schien ein Mann zu sein, der sich um gute Stimmung und ein harmonisches Funktionieren der Truppe bemühte. Nun würde sich zeigen, wie der Furius sich machte, wenn sie im Feld waren. Dessen Gegenstück Stilo kannte Cinna schon, wenn auch nur als Freund seines Vaters und nicht als Kamerad. Er vermutete aber, dass Stilo trotz seiner Unerfahrenheit eine solide Arbeit liefern würde, da er von Natur aus eine in sich ruhende und selbstbewusste Persönlichkeit war.


    Bellatus als Centurio trat anders auf als seine beiden Optiones, er musste natürlich deutlichere Töne anschlagen, das war Cinna so bewusst wie jedem anderen. Doch als anfangs vor lauter Unzufriedenheit lauter geworden war, hatten einige nervös mit dem Kiefer zu mahlen begonnen. Die Erinnerung an Coriolanus, der sie grün und blau und blutig geprügelt hatte, haftete noch sehr deutlich in ihrem Gedächtnis. Auch Cinna musste tief durchatmen und sich ins Gedächtnis rufen, dass Bellatus nicht Coriolanus war und zumindest die Möglichkeit bestand, dass er andere Methoden vorzog. Inzwischen schien er sich beruhigt zu haben - oder die Truppe stand inzwischen deutlich besser in Formation als zuvor - und verzichtete auf unnötiges Gebrüll.

    Der Blick des Optios kündete von Skepsis, doch Cinna blieb bei seiner Lüge. Er hatte keine Lust, seine Ausrüstung ein weiteres Mal aus der Latrine zu fischen. Die Schelte oder Strafe eines Optios war im Zweifelsfalls das geringere Übel, denn sie war in aller Regel fair und das Ausmaß lag im überschaubaren Rahmen, im Gegensatz zu dem von Pansas Schikanen. Die Centuria folgte Cerretanus im Marschschritt zum Treffpunkt, trafen unterwegs auf Centuria II - und musste etwas Unschönes feststellen.


    RE: [Baracke] Cohors IV · Centuria II >>

    STRESS!


    Cinna begann sich in Windeseile anzuziehen, während Pansa dreinblickte, als hätte er auf ein Steinchen gebissen und sich dann in seelenruhe seinem Krempel widmete. Es hatte seinen Grund, warum Cinna so hetzte - denn kaum war er fertig, half er Pansa in dessen Ausrüstung und packte ihm sein Marschgepäck zusammen. Anschließend kontrollierte er ihn noch mal durch und zupfte die Tunika zurecht. Cinna musste deswegen doppelt so schnell sein wie alle anderen, was Mangel bei seiner eigenen Ausrüstung zur Folge hatte. Als der Faulpelz versorgt war, half er noch schnell Dexter, der kaum fleißiger war als sein Kumpel. Am Ende trat das Contubernium zusammen mit den anderen vollbeladen vor. Sie waren noch nicht mal losgegangen und Cinnas Haar klebte schon schweißnass am Kopf.

    Cinna schaute noch kurz, was die zwei Optiones da besprachen, verstand aber wegen des üblichen Lagerlärms nichts, so dass er den anderen folgte, um sich marschbereit zu machen. Er hoffte, dass Pansa bei der Ausrüstung mogeln würde, um zu sehen, wie er von den neuen Offizieren dafür rundgemacht wurde wie eine Kasserolle.

    Das Gesicht kannte er. Stilo, gemeinsam mit Cimber aufgewachsen im Gestüt Umbrena, war fast so was wie ein großer Bruder. Vertraulichkeiten waren zwar im Dienst fehl am Platz, doch Cinna gestattete sich ein Lächeln, als er salutierte.


    "Willkommen zurück in der Heimat, Optio! Wenn ich eine Empfehlung machen darf: Optio Furius Cerretanus ist ebenfalls neu eingetroffen. Wünsche einen angenehmen Aufenthalt!"


    Dass er die Empfehlung machte, weil er Cerretanus nett fand, sprach er nicht aus.

    Was momentan los war, dass schon wieder ein neuer Centurio vor ihnen stand, konnte ein kleiner Legionarius bestenfalls erahnen, doch wer wusste schon, was die da oben sich bei ihren Entscheidungen dachten? Was auch immer die Gründe für die häufigen Versetzungen (wenn es denn welche waren) gewesen waren - zumindest der Moral der 1. Centuria der 4. Kohorte hatte dieser ständige Wechsel der Offiziere geschadet.


    Pünktlich waren die Milites zwar alle angetreten, doch der Zustand der Einheit war durchwachsen. Cinna erwartete als einer der wenigen im sauberen Zustand den Appell, was später dazu führen sollte, dass man ihn und jeden anderen, der es "übertrieben" hatte, als Arschkriecher der Offiziere verspotten würde. Cinna kannte die sozialen Gesetzmäßigkeiten seiner Einheit leider zur Genüge.


    Trotz allem war er entschlossen, seinen Pflichten gewissenhaft nachzugehen. Das hatte ihm immerhin schon den Posten des Cacula eingebracht, des Offiziersburschen - und noch mehr Hohn von Pansa und seinen Freunden. Dagegen anzukommen war schwierig. Pansa war jemand, der oberflächlich ganz jovial wirkte, aber ausgesprochen unangenehm werden konnte und genügend Freunde hatte, die ihn nach Kräften dabei unterstützten. Aber er war kein Schläger und stiftete auch keine Gewalttaten an, so dass es wenig brachte, sich bei irgendwem über ihn zu beschweren. Die Wunden, die er schlug, waren unsichtbar und reichten tief. Wenn jemand seine Habseligkeiten aus der Latrine fischen musste, war das eine Botschaft, die nicht nur Arbeit machte, sondern auch weh tat.


    Inzwischen war Cinna nicht nur der Bursche des Offiziers, sondern auch der von Pansa. Seither ließ dieser ihn weitestgehend in Ruhe. Und so kam es, dass auch der faule Pansa vor den Offizieren heute das Musterbild eines Soldaten mimen konnte, besonders im Kontrast zum neben ihm stehenden Dexter und seiner rostigen Rüstung. Ein unausgesprochener Waffenstillstand zwischen Pansa und seinem Lieblingsopfer.

    ... noch anwesend war und versuchte, seine Leute mit Blicken zu warnen, dass hier ein Offizier stand, doch Gillo, der halb liegend auf dem Bett fläzte und sich die Nägel machte, verstand nicht, was Cinna ihm mitzuteilen versuchte. Auch die anderen, so weit anwesend, gingen weiterhin ihren Beschäftigungen nach, wobei sie allerdings neugierig schauten.


    "Salve", grüßte Gillo arglos. "Hast du die Kekse?"


    Offenbar erwartete er eine entsprechende Lieferung und sah das Gepäck des Neuen nicht. Den Anwesenden war klar, dass es sich nicht um ordinäre Kekse handelte, doch Cerretanus wusste hoffentlich noch nichts von dieser in der Legio XV recht verbreiteten Sünde. Cinna hob das Handgepäck von Cerretanus auf und trug es zum freien Bett, das sauber und ordentlich aussah. Die Strohmatratze war erst frisch gewechselt worden. Die großen Sachen blieben im Vorraum, wo es Regale gab und auch die Waffen und Rüstungen bereitstanden.


    "Brauchst du noch was?", fragte Cinna. "Fehlt irgendwas oder ist kaputt?"

    <<< Porta Praetoria


    "Hier sind wir. Ein Sklave wird dich gleich empfangen."


    Am besten, er wartete gleich vor der Tür, dann erfuhr er vielleicht als Erster, wohin der Mann gesteckt worden war. Und ob die erste Centurie der vierten Kohorte ab heute einen neuen Optio hatte oder wieder leer ausging. Pansa hatte sich selbst empfohlen, aber auf sonderliche Gegenliebe ihres Centurios war das nicht gestoßen.


    Cinna war so frei, für den Optio anzuklopfen.

    Cinna verkniff sich ein Schmunzeln ob des Ausrufs "Sapperlot". Der war dem tiefsten Herzen des Optio entsprungen. Die beiden eher bequem herumlümmelnden Milites nahmen Haltung an.


    "Verzeihung, Optio", blaffte Pansa und Dexter nickte.


    Hier war normalerweise nichts los, was irgendwelchen Stress rechtfertigte, von ein paar pöbelnden Nomaden abgesehen, die eher lästig als bedrohlich waren. Der frische Wind, den Optio Furius Cerretanus ins Castellum brachte, würde die eingestaubten Gewohnheiten erfrischend wegpusten. Zumindest fand Cinna sie erfrischend. Der Stubenälteste Pansa hatte dazu wohl seine eigene Meinung. Cinna gab nun den Weg vor.


    "Wenn du mich bitte begleiten würdest, Optio. Ich bringe dich zum diensthabenden Tribun. Sein Name lautet Titus Tuccius Tychicus."

    Immerhin sollte der Furier auch wissen, wie er den Kerl ansprechen musste.


    Casa des Tribuns >>>

    Das war ein erfreuliches Schreiben und sogar mit Auszeichnung! Die Legio wurde um einen Profi aus Rom erweitert. Leute mit einem Händchen für Ermittlungsarbeiten konnten sie gut gebrauchen, denn der Feind war leider nicht so offensichtlich, wie Cinna es gern hätte. Er gab dem Offizier das Schreiben zurück.


    "Optio, ich bin Miles Aulus Umbrenus Cinna, erste Centuria, vierten Kohorte! Ich werde dich zum diensthabenden Tribun führen. Zudem war ich der Bursche unseres alten Centurios Tiberius Coriolanus, der vorübergehend beurlaubt ist. Jetzt bin ich der Bursche des Neuen."


    Der noch keinen Optio hatte. Womöglich hatte sich das am heutigen Tag geändert.