Die Tage zogen sich endlos dahin, die Nächte waren kurz und von der ständigen Sorge geprägt, am falschen Ort zur falschen Zeit zu sein. Irgendein anständiges Auskommen war nicht zu finden, zumindest nicht wenn man noch etwas Würde hatte, und der Hunger trieb Adalrich mitunter zu Diebstahl und anderen wenig ehrhaften Dingen. Doch als sich der junge Mann bereits mit seinem Schicksal abzufinden begonnen hatte, meinten es die Götter gut mit ihm. Eines Abends als Adalrich die Gunst der Stunde nutzen und einen älteren, sichtlich gut genährten Mann in einer stillen Seitengasse um ein paar Münzen erleichtern wollte, sollte sich sein weiterer Werdegang schlagartig in eine andere Richtung gelenkt werden.
Wie Adalrich schmerzhaft erfahren musste, handelte es sich bei seinem ausgewählten Opfer nicht nur um einen Stammesgenossen, sondern auch um einen Veteranen der seine Zeit in der römischen Armee abgeleistet hatte. Zwar war der Jüngling dem Alten an Größe und Kraft deutlich überlegen, doch das jahrelange, harte Training und die Kampferfahrung machten diesen Nachteil mehr als wett. Und so fand sich der angehende Berufskriminelle nach ein paar gezielten Faustschlägen auf dem Boden liegend und in das feist grinsende Gesicht von Gnaeus Germanius Priscus.
"Was für eine armselige Vorstellung war das denn?", wirkte der Mann auf Adalrich nun deutlich bedrohlicher als zuvor. "Hast wohl gedacht du könntest hier schnell zu Reichtum kommen."
Der Mann reichte Adalrich zu dessen Überraschung die Hand entgegen und half ihm auf die Beine.
"Kannst du eigentlich auch sprechen, oder habe ich mehr kaputt geschlagen als ich eigentlich wollte?", feixte Gnaeus.
"Natürlich kann ich sprechen.", rieb sich Adalrich den schmerzenden Unterkiefer. "Und jetzt wirst du mich melden und dir eine Belohnung abholen, was?"
Der Mann lachte lauthals los, hielt sich den nach vorne gewölbten Bauch und blickte den Jungen sichtlich erheitert an.
"Für dich drittklassigen Strauchdieb würde sich der Aufwand doch gar nicht lohnen. Außerdem hast du deine Strafe ohnehin schon erhalten.", tat der Mann die Aussage seines Gegenübers ab.
"Also kann ich gehen?", wollte sich Adalrich versichern.
"Sicher. Allerdings würde ich dir raten beim nächsten Mal etwas durchdachter zu Werke zu gehen. Sonst ist es schneller aus mit dir als dir lieb sein kann.", winkte der Mann dem Jungen zu verschwinden.
Doch gerade als sich Adalrich umdrehen und in der Anonymität der Schatten verschwinden wollte rief ihm Gnaeus nach.
"Warte mal. Wie heißt du eigentlich?"
"Adalrich.", erwiderte der junge Germane.
"Verstehe.", sprach der Alte mehr zu sich selbst gewandt. "Wie wäre es mit einem kleinen Schluck? Ich lade dich ein."