Beiträge von Servius Annaeus Vindex

    "Wenn du jemanden an der Hand hast, frag gerne nach. Crispina, hast du schon Opfern beigewohnt?"


    Ich hatte mich in der Zwischenzeit wieder aufgesetzt und stützte jetzt die Hände auf meinen Knien ab, den Kopf nachdenklich zur Decke gerichtet. Ein groß zelebriertes Opfer als gewissermaßen erste Amtshandlung als Aedituus, es könnte schlechter anfangen.

    Ich lasse mir mit der Antwort ein wenig Zeit, signalisiere aber, dass ich gleich etwas sagen werde. Einige Überlegungen müssen hierzu angestellt werden, von den exakten Planungen einmal abgesehen.


    "Ja, das klingt tatsächlich nach einer guten Maßnahme. Ich denke ein Stieropfer wäre sowohl dem Rächer als auch den Umständen angemessen. Und zuvor ein wenig Wein und... noch etwas. Sollten wir das Opfer bekanntgeben, damit die Bewohner auch wahrnehmen, wer für sie sorgt?"

    "Es war sicher nicht leicht für dich, das kann ich verstehen. Aber das hier ist Rom, hier wird sich auf jeden Fall ein herzensguter und wohlwollender Gatte für dich finden."


    Ich nehme mir einige Trauben und lehne mich auf der Kline zurück. Mein Blick geht zur stuckbesetzten Zimmerdecke, ignoriert aber die Kunst, die darin steckt.


    "Ich wüsste auch gerne, was meine Familie derzeit treibt. Ich weiß, dass mein Bruder mittlerweile verheiratet ist, aber ich kenne seine Gemahlin nicht. Und ich weiß auch nicht, ob sie schon einen Stammhalter haben, während ich durch die Lande gezogen bin auf der Suche nach Wissen und Möglichkeiten." Ich seufze. "Ich verstehe dich durchaus."

    "Das stimmt, mein Kaiser. Auch deswegen habe ich diese langen Reisen auf mich genommen: ich wollte die Welt und das Reich in so vielen Facetten wie möglich kennenlernen und die Erfahrungen aus den verschiedenen Winkeln mitnehmen und letztlich zum Wohle aller anwenden." Ich zögere kurz, fahre dann aber fort. "Mit dem Wohle aller, das muss ich zugeben, meine ich in erster Linie meine Heimat. Aber ich bin noch jung und kann hoffentlich dereinst viel mehr bewirken."

    Ich betrachte Gracchus einen Moment lang und denke über den Vorschlag nach. Es scheint nicht nur vernünftig zu klingen, sondern auch zu sein, denn schließlich kenne ich hier in Rom bisher nur wenige Menschen und sollte daher vielleicht keine voreiligen Entscheidungen treffen, wenn sich Wahlmöglichkeiten bieten.


    "Ich... denke, dass ist ein mehr als akzeptabler Vorschlag. Für alle Beteiligten. Ich wollte dich keineswegs unter Druck setzen, aber du hast natürlich vollkommen Recht, dass es viele geeignete Patrone gibt, die ich aber allesamt noch nicht kennengelernt habe. Ich werde mich daher umhören." Nach einer kurzen Pause fahre ich fort. "Und für die Aufnahme in den cultus deorum werde ich mich bei dir und den Göttern bedanken und niemanden enttäuschen. Ich bin sicher, dass ich den Tempel zu einem neuen Höhepunkt führen kann."

    Ich war Florus schweigend gefolgt, was er offenbar respektierte, denn auf dem gesamten Weg sprachen wir kein Wort. Es war aber nicht unangenehm und ich konnte mich wappnen für das Unbekannte.


    Bei der Palastwache hielten wir kurz an, um die Anmeldung hinter uns zu bringen und damit sich die Wachen vergewissern konnten, dass keiner von uns etwas mit sich führte, mit dem er dem Kaiser nach dem Laben trachten könnte. Aber wer sollte sowas schon wollen?!


    Entsprechend fanden die Wachen auch nichts und ließen uns passieren. Ich folge Florus erneut, der die Wege noch auswendig kennt.

    "Ja, ich habe euer, nein, dein Reich bereist bis ich dann vor einigen Wochen hierher nach Rom kam. Achaea, Aegyptus, Gallia, Germania. Und natürlich Asia."


    Meine Nervosität war mir hoffentlich nicht anzusehen, wusste ich doch, dass sie sich immer an meinen Händen zeigt.

    Ich folgte Florus einfach, denn er kannte ja alle Wege. Ohne ihn wäre ich hier sicherlich auch vollkommen aufgeschmissen gewesen.

    Nun stehen wir in einem Raum, der äußerst geschäftig wirkt, dabei aber gleichzeitig auf eine interessante Art gemütlich. Es vergeht einige Zeit, in der sich Florus mit den Beamten austauscht, als sich Schritte nähern. Der Kaiser!


    "Ja, mein Kaiser. Es ist mir eine Ehre, dich... ich meine EUCH kennenzulernen", sage ich und versuche verzweifelt zu entscheiden, wie ich mich verhalte. Letztlich entscheide ich mich dafür, meine Arme hinter meinem Rücken zu verschränken, damit sie nicht ohne Zweck an meiner Seite herabhängen.

    "Ich nehme dann vermutlich korrekt an, wenn ich deine Worte richtig deute, dass du mich als potenziellen Klienten ansiehst. Die Zukunft möchte ich allerdings gestalten, doch niemals ohne nicht auch die Vergangenheit und die regionalen Eigenarten zu bedenken. Ich bin einen weiten Weg gegangen, bis ich letztlich hier ankam. Meine Heimat in Asia habe ich dabei bereitwillig hinter mir gelassen, um gestärkt zurückzukehren. Mein Ziel, das mich auf meiner Reise angetrieben hat, ist es die Provinz dort neu zu ordnen und den alten Glanz wiederherzustellen. Das geht in keinem Fall natürlich ohne den Einfluss und die Stellung hier in Rom."