Beiträge von Lucius Aelius Quarto

    “Nun denn.“, Quarto raffte seine Tunika: “Ich bitte euch meine Rastlosigkeit zu entschuldigen, doch für mich wird es nun Zeit. Es gibt Angelegenheiten, die ihrer Erledigung harren.
    Lucius Tiberius Vibullius, es war mir eine Freude deine Bekanntschaft gemacht zu haben. Ich wünsche Dir auf deinem weiteren Weg viel Glück, mögen die Götter dir gewogen sein.
    Lysias, ich hoffe doch, dich bald in Rom wieder zu sehen. Es wäre mir eine große Freude.“


    Quarto ließ noch einige Abschiedsfloskeln folgen, bevor ein Haussklave ihn nach Draußen begleitete. Zum Glück war von dem riesenhaften Wachhund nichts zu sehen.

    “Ahja, der Wind…
    Also Lysias ist ein weiser Mann von höchster Bildung und größtem Renommee. Unter den lebenden Philosophen würde ich ihn zu den Großen zählen. Er könnte Eurer Sklavin in Handumdrehen nicht nur Lesen und Schreiben lehren, sie würde dich mit dem Rezitieren der klassischen Literatur erfreuen können und wäre geschult in Logik und dem Verständnis der Natur.“

    Quarto musste kurz lachen.
    “Aber ich warne dich, für eine Sklavin wäre sie nach Lysias’ Unterricht vielleicht auch schon ein bisschen zu schlau.“

    Von einem Nebenraum war ein lauter Streit zu vernehmen. Quarto war einen Moment lang irritiert, bevor er antwortete:
    “Oh! Ein Poet bist du auch!
    Also, ich hoffe doch sehr, dass du dich nicht entmutigen lässt. Es war ein höchst unterhaltsamer Wahlkampf, dem ich da als Zuhörer beiwohnen durfte.


    Mich trieb mein alter Lehrer Lysias, den ich viele, gar zu viele Jahre nicht gesehen habe, in Euer Haus.“
    Er schielte erneut in die Richtung, aus dem der heftige Wortwechsel kam.
    “Ähm… Vielleicht wäre es besser, wenn ich mich jetzt wieder auf den Weg mache.“

    Quarto wandte sich dem Neuankömmling zu:
    “Ich grüße Dich! Du bist Lucius Tiberius Vibullius?
    Mein Name ist Lucius Aelius Quarto.
    Vielleicht verwundert Dich, dass ich Deinen Namen kenne, doch ich sah Dich kürzlich auf der Rostra in Rom sprechen.
    Wenn Du mir dieses Urteil erlaubst: Du bist sehr redegewandt, Deine Zunge ist scharf und in der Wahl Deiner Gegner bist Du nicht zimperlich.
    Jedoch hörte ich, dass Dir leider nicht gelang ein Amt zu erringen. Doch, wenn Du mir gestattest das zu sagen, eine Wahlniederlage alleine hat noch keine Laufbahn beendet. Ich hoffe dereinst noch mehr von Dir zu hören.“


    Dann fiel Quarto noch etwas ein und er begann in den Falten seiner Tunika zu wühlen. Schließlich brachte er ein Schriftstück zutage.
    “Aah, wo habe ich nur meinen Kopf? Schau, Lysias, worüber ich auf dem Weg hierher gestolpert bin. Eine vornehme Familie sucht einen griechischen Hauslehrer. Dumm nur, dass die Anstellung im fernen Hispania wäre“


    Er reichte das Fundstück dem Griechen.


    Hauslehrer gesucht!



    Die Gens Decima mit Wohnort in Tarraco / Hispania
    sucht einen griechischen Hauslehrer
    zur Ausbildung des Sohnes und Erben
    des Maximus Decimus Meridius
    in den septem artes liberales.


    Interessenten melden sich bitte in der Casa Decima.
    Bezahlung nach Vereinbarung!


    Maximus Decimus Meridius
    Pater Gens Decima

    “Ich kann Dir wirklich noch nicht viel sagen, zumal der Senat von Rom seit einiger Zeit eine neue Hürde für mittellose Männer wie mich gesetzt hat. Es werden 500 Sesterzen verlangt, wenn man ein Recht einzuklagen gedenkt. Das ist für einen Senator vielleicht eine kleine Summe, für mich jedoch ein Vermögen.“

    Quarto schaute seinen alten Lehrer etwas verwirrt an. Doch dann sagte er sich, dass er von einem Griechen kaum erwarten konnte das Selbstverständnis einer alten römischen Familie aus der plebejischen Aristokratie zu verstehen.
    “Den Beruf meines Vater? Mein Vater hat zeitlebens die Landgüter der Familie verwaltet. Diese gingen jedoch mit dem Exil verloren. Was Du als seinen Beruf interpretiert hast, war weniger das Gewerbe eines Bankiers, sondern mehr der verzweifelte Versuch aus dem geretteten Vermögen Profit zu schlagen. Doch damit scheiterte er schließlich kläglich, denn aus einem Mann, dessen Vorväter Konsuln und Senatoren gestellt haben, wird niemals ein richtiger Händler werden.
    Aus mir ist bis heute, dass muss ich bekennen, kaum mehr als ein zielloser Wanderer geworden. Ich lebe bisweilen davon, dass ich Unterricht in griechischer Philosophie gebe und die Menschen in Logik und den Erkenntnissen über die Welt unterrichte. Das habe ich das tun kann, dass habe ich Dir zu verdanken.
    Doch momentan zehre ich vom Geld eines Gönners, der es mir ermöglicht hat, mich neu einzukleiden und mir hin und wieder einen Becher ordentlichen Wein zu gönnen.


    Doch in Kürze, dass verrate ich Dir im Vertrauen, nicht mehr lang, da werde ich vor Gericht ziehen und meine Klage öffentlich Kund tun.“

    “Nein, für meine Studien blieb schon lange Zeit kaum Muße. Ich bin nach Rom gekommen, weil ich, wie gesagt, erreichen will, dass der Name meiner Familie rein gewaschen wird. Und ich will das zurückholen, was einst mein Geburtsrecht war: Das römische Bürgerrecht.
    Ich bin in Rom geboren und nun gelte ich als Ausländer. Für Dich als Griechen mag dies zweitrangig sein, doch mir, als einem Sohn des Mars, ist es zuwider die Toga nicht tragen zu können.“

    Quarto nestelte an seiner, immerhin neuen, Tunika herum, die er sich vor einigen Tagen auf den Trajansmärkten gekauft hatte.

    “Ach, viel Zeit ist vergangen. Ich bin schon lange kein Jüngling mehr und auch mein Haar wird langsam schütter. Aber Du hast Recht, es ist wirklich fast 20 Jahre her. Es muss DCCCXXXVI gewesen sein, als wir uns kennen lernten.
    Du erinnerst Dich sicher, mein Onkel Lucius Aelius Lamia war von Domitian und seinen Schergen in die Verbannung getrieben worden. Auch mein Vater musste Rom verlassen. Es war das erste, bittere Jahr unseres Exils. Doch die Zeiten, in denen wir uns damals begegneten, waren noch die besseren. Mein Vater hatte einen Teil seines Vermögens retten können, ja, wir hatten sogar noch Klienten und Haussklaven. Damals…
    Doch mit der Zeit schwanden Geld und Anhänger. Wir gingen ins südliche Gallien, zuerst nach Narbo Martius, später nach Burdigala. Mein Vater starb schließlich als Verbannter, verbittert und verarmt. Er hinterließ mir so gut wie nichts, nur den Willen, den Namen meiner Familie rein zu waschen.
    Ich blieb auch während des letzten Bürgerkriegs in Gallien und hielt mich bedeckt. Zwar war die Verbannung nach dem Tod Domitians aufgehoben worden, doch es wäre töricht gewesen, in diesen Zeiten der Wirrnis den Namen Aelius laut auszusprechen. Aber nun, nachdem Iulianus sich durchgesetzt und seine Macht gefestigt hat, nun scheint es mir an der Zeit zu handeln. Denn wie Du siehst, steht es mir noch immer nicht an die Toga eines römischen Bürgers zu tragen.
    Deshalb kam ich nach Rom, um dieses Unrecht zu korrigieren.
    Auf dem Forum hörte ich nun von einem weisen Griechen, der als Gast der Familie Tiberia in Ostia weilen solle. Ich fragte nach dem Namen und man sagte mir, er würde Lysias genannt. Da ahnte ich, dass ich Dich hier treffen würde. So ließ ich mich mit einem flussabwärts fahrenden Lastkahn hierher mitnehmen und diese Casa aufsuchen. Und siehe da, Du bist es tatsächlich.“

    “Ehrwürdiger Lysias! Wie damals wage ich Dir nicht zu widersprechen. Es ist wahrlich lange her, ich war noch fast ein Kind und Du hattest noch Haar auf dem Schädel.“
    Quarto ergriff die Hand des Griechen und begrüßte ihn freundschaftlich.
    Dann wandte er sich zu dem zweiten Mann um:
    “Verzeih mir meine Unhöflichkeit, es ist Wiedersehensfreude, die mich achtlos werden ließ.
    Du musst der Herr dieses stolzen Hauses sein. Mein Name ist Lucius Aelius Quarto und ich danke Dir für Deine Gastfreundschaft.“

    Vor dem großen Anwesen blieb Quarto stehen. Die von außen sichtbaren Mauern und Dächer strahlten Macht und Ansehen aus und für eine Villa innerhalb der Stadtmauern war die ganze Anlage geradezu opulent. Sie verkündete unmissverständlich, dass dies die Heimstatt einer der einflussreichsten Gentes des römischen Reiches war.


    Er ging zum Tor und hämmerte erwartungsvoll an die dicken Bohlen. Dann erst erblickte er die Kordel, die neben dem Eingang hing. Er zog daran, woraufhin irgendwo im Inneren ein gedämpftes, metallisches Geräusch zu hören war.
    Mit leicht erstaunter Mine erwartete er das Erscheinen eines Janitors.

    Quarto hatte sich einige Reden auf der Rostra angehört, wo momentan der aktuelle Wahlkampf mit heftig geführten Wortgefechten ausgetragen wurde. Vor allem ein Patrizier Namens Lucius Tiberius Vibullius tat sich hervor. Er griff fast jeden Kandidaten heftig und wortreich an, wobei Quarto nicht immer den Sinn hinter den Worten des Vibullius zu erfassen imstande war.
    Still in sich hinein lächelnd kehrte er der ehrwürdigen Rostra wieder den Rücken und ging zum Tempel der Venus Cloacina zurück. Er nahm seinen alten Platz wieder ein und beobachtet das Geschehen aus der Ferne.

    Publius Aelius Hadrianus Afer? Ein interessanter und hübscher Name, vor allem dar Familienname. :)
    Sollten wir irgendwie miteinander verwand sein?


    Auf jeden Fall heiße auch ich, der schlichte Peregrinus, dich im Imperium Romanum herzlich willkommen. Möge Dein Antrag bald bearbeitet werden. Viel Spaß.

    Zitat

    Original von Cicero Octavius Anton


    Die kaiserliche Bank gibt unbürokratische Kredite!


    “Das hört man gern, Senator. Nun, man wird sehen, ob dies auch für ärmliche Peregrini gelten wird und was passiert, wenn der unterlegene Prozessgegner die vom Senat festgelegten Gerichtskosten nicht zahlen kann oder will.“

    Eigentlich hätte sich Quarto aus den Streitigkeiten des Wahlkampfes heraushalten sollen. Doch ihn ihm brannte die Leidenschaft für den Streit auf der Rostra, die wohl jedem angeboren war, der im Schatten des Palatin geboren war.
    Also bestaunte er eine Weile schweigend die Rededuelle auf der alterwürdigen Bühne römischer Politik und lauschte aufmerksam den Worten. Schließlich stand er auf, schlenderte an den Rand unterhalb der Rostra und rief:
    “Und was ist mit Männern wie mir, die weder Patron, noch Pater familias haben? Die aufgrund ihres Standes keiner Factio angehören können und die dennoch eines Tages in den Genuss des berühmten römischen Rechtssystems kommen wollen und Klage beim Praetor peregrinus einzureichen wünschen? Haben die Herren Senatoren auch an uns gedacht, als sie dieses Gesetz erließen? Und hat der ehrenwerte Kandidat auch unsereins gemeint, als er es im Namen der Ärmsten anprangerte? Nein, ich denke kaum. Weder das eine, noch das andere.“, endete er missmutig.

    Er atmete hörbar durch. Hier stand er nun wirklich im Herzen der Welt! Auf dem Forum Romanum liefen alle Bahnen, alle Sehnen und Adern des Imperiums zusammen. Hier war das Ziel aller Gerüchte, hier erfuhr man mehr über die Dinge in der Welt, als sonst an irgendeinem Ort. Hier war der Rhythmus des Reiches spürbar.
    An der Südseite der Basilica Aemilia, ungefähr auf halber Höhe des Platzes, stand der Tempel der Venus Cloacina. Es war, gemessen an den großen, beeindruckenden Bauwerken, die viele Generationen hier errichtet hatten, ein winzig kleines Gebäude. Kreisrund und fast unscheinbar, war dies der Ort, an dem einst die Römer und die Sabiner eine rituelle Reinigungszeremonie vollzogen, nachdem sie den Zwist, der nach dem Raub der Sabinerinnen entbrannt war, beigelegt hatten. Er umrundete den kleinen Tempel und erinnerte sich an eine weitere Begebenheit aus alten Tagen. Denn hier, fiel ihm ein, war auch der Ort, an dem die Jungfrau Virginia von ihrem Vater getötet wurde, um sie nicht an einen unwürdigen Ehemann und damit der Schande ausliefern zu müssen. Wie hatte der Widersacher noch geheißen? Quarto wollte der Name beim besten willen nicht mehr einfallen.
    Nachdem er einmal herum gegangen war, nahm er sein Bündel von den Schultern, setzte sich, den Rücken an die Außenmauer des Tempels gelehnt, und begann in seinen Habseligkeiten zu kramen.

    Nachdem er seine Einkäufe in den Trajansmärkten beendete hatte, begab sich Quarto erneut auf seine Wanderung durch die Stadt. In eine neue Tunika gekleidet und sein Bündel mit Proviant gefüllt, schlug er einen südwestlichen Weg ein und tauchte in das Gewirr der Gassen und schmalen Straßen ein. Für einen, der so lange nicht mehr in der Stadt gewesen war, kam dies einem Marsch durch das Labyrinth des Minos gleich, denn Rom war nicht wie Alexandria oder eine kampanische Stadt nach einem festgelegten Plan errichtet, sondern war wild und scheinbar planlos erbaut worden. Außerdem veränderte die Stadt ständig ihr Gesicht und Quarto musste ein ums andere mal nach dem Weg fragen, um sein Ziel nicht zu verfehlen. Schließlich erreichte er den Fuß des Kapitolshügels und es eröffnete sich ihm der Blick auf das Forum Romanum.