Es war ein schöner Frühlingstag und obwohl die Sonne scheinte, so ging doch noch ab und an ein kühler Wind. Sie hatte sich daher wieder ihre dicke Palla aus Wolle angezogen und sich von den Sklaven zwei Korbstühle und ein kleines Tischlein ins Peristylium bringen lassen. Sie drehte zuerst ein paar Runden um die Bewegung und frische Luft zu genießen, ehe sie sich mit ihrer Dienerin Mella auf die herbeigeschafften Stühle sinken ließ und sie sich mit Obst und Quellwasser stärkten.
Wie fast jeden Tag war das Atrium mit der Salutatio belegt, weswegen sie sich hierher zurückzog um das Licht und die frische Luft zu genießen. Manchmal hatte sie Heimweh nach Misenum, wo sie fast den ganzen Tag draußen war. Wenn das Wetter es zuließ, hatten ihre Mutter und sie barfuß auf der Wiese vor dem Haus genäht, gewaschen oder Wolle gefärbt. Sie erinnerte sich an das Gefühl von weichem, saftig grünen Gras an den bloßen Füßen. Alles war einfacher und naturnaher in Misenum gewesen, aber am meisten vermisste sie ihre Mutter.
Sie war schon eine Weile in Rom nun, aber viele Freunde hatte sie noch nicht gefunden. Sie hatte Iulia Stella einen Brief geschrieben und hoffte, dass diese Zeit für Veneralia hatte, das morgen stattfinden würde. Sie wusste, dass die Iulierin sehr beschäftigt war, aber sie hatte sie direkt ins Herz geschlossen und mochte ihre freundliche Art. Auch das gemeinsame Opfer zu Ehren von Mars hatte gezeigt, dass Stella schon ein fester Bestandteil ihrer kleinen Familie war.
"Mella, stelle bitte sicher, dass wir morgen früh genügend frische Myrte und Rosen haben für Kränze und Blumenschmuck. Ich werde auf jeden Fall in den Venustempel gehen." Die honigblonde Frau Ende dreißig nickte und versprach, dass sie sich darum kümmern würde. Mella war bereits ihre Amme und Kinderfrau gewesen und hatte sie ihr ganzes Leben begleitet. Sie wollte die ursprünglich in Germania geborene Dienerin nicht missen. Sie würde für Liebesglück beten und vielleicht würde Venus ihr ja einen Wink geben, wer ihr Ehemann werden sollte. Sie konnte jede Gunst der Göttin gebrauchen. Vielleicht konnte sie irgendwann mit einem Ehemann und ihren Kindern in die Villa Rustica zurückkehren.