Beiträge von Iunia Proxima

    Ich nippte an meinem Wasser und lauschte wenig interessiert den Ausführungen des Furius. "Mein Bruder und ich besitzen diese taberna gemeinsam. Nunja, um diese Uhrzeit arbeiten die meisten noch und kommen erst später abends hierher."


    Ich ließ eine kurze Pause verstreichen. Was gab es da zu klären? Ich hatte einen Sklaven gekauft und dieser gehörte nun mir. "Wir können ja gerne zusammen auf ihn warten. Ich werde auf jeden Fall etwas essen jetzt...möchtest du auch etwas, Furius?"

    Nachdem ich mir den Becher eingeschenkt hatte, setzte ich mich wieder. Erkundigen? Wohl eher Tiberios mitnehmen...was mich sehr traurig machen würde. Aber ich durfte nun keine Schwäche zeigen, also lächelte ich tapfer wenn auch eher geschäftsmäßig als freundlich.


    "Was möchtest du denn gerne wissen, Furius?" fragte ich den etwas zerzausten Soldaten.

    Man konnte richtig sehen, wie mir direkt das Lächeln aus dem Gesicht fiel. Die Anwesenheit des Furius war bestimmt kein Zufall und seine Beschreibung konnte nur Tiberios entsprechen. Nach zwei, drei Sekunden Unschlüssigkeit hatte ich mich aber gefasst und rief meinem Sklaven ein wenig barsch auf Griechisch zu, dass er henqet, Wasser und Wein bringen sollte Demetrios kam nach einigen Momenten mit dem Gewünschten und stellte es auf den Tisch in der Ecke, den ich als Arbeitstisch benutzte.


    "Ich nehme an, du suchst nach Tiberios. In diesem Fall sollten wir uns setzen. Bitte bedien dich, Furius." Ich drückte Demetrios die Wachstafeln, Griffel und den Abacus in die Hand, der sie nach oben brachte. Ich selbst nahm mir einen Becher Wasser. "Tiberios ist noch unterwegs auf dem Markt, aber er sollte bald zurück sein."

    " Salve zusammen. Ich benötige Auskunft."

    Es war kurz vor Mittag und die taberna war leer bis auf die zwei, drei üblichen Verdächtigen, die das bisschen Geld, das sie besaßen, direkt wieder versoffen. Ich saß mit einem Abacus und zwei Wachstafeln bewaffnet in einer Ecke des Schankraumes und führte Krieg gegen die Zahlen. Ich war nicht allzu schlecht in simpler Mathematik, aber es war eine unliebsame und langwierige Aufgabe für mich.


    Demetrios mahlte das Korn und kümmerte sich um die Säufer, während Tiberios einkaufen war. Ich hatte endlich eine Reihe Zahlen so weit, dass alles passte, als plötzlich ein Römer zur Tür herein stürmte. Natürlich war es ein Soldat...so viele Römer verschlug es nicht hierher und meistens waren sie nur auf der Durchreise nach Satala. Ich erhob mich also, glättete meine Kleider und trat dem Soldaten entgegen.


    "Salve, mein Name ist Iunia Proxima. Wie kann ich dir helfen? Suchst du nach Speis und Trank oder einem Obdach für die Nacht?"

    Ich hatte Mehl im Haar und sah ein wenig zerrupft aus, nachdem es in der Küche dampfte und die Arbeit anstrengend gewesen war, aber es war der tägliche Trott und keine ungewohnte Anstrengung. Ich lächelte nur warm bei den Dankesworten, da sie kaum notwendig waren. Immerhin war ich dafür verantwortlich, dass mein Sklave Kleidung, Essen und Obdach hatte. Aber Hilfe beim Aufräumen klang gerade richtig gut, denn dann konnte ich mich auch kurz frisch machen vor dem Abendgeschäft.


    "Küche aufräumen wäre toll, dann kann ich mich frisch machen. Wenn ihr Hunger habt, dann könnt ihr euch schon etwas Brot nebenbei machen. Demetrios kann dir zeigen wie es geht, falls du es nicht weißt. Die Ziegen und die Hühner bräuchten auch noch frisches Wasser und Futter. Ich komme in etwa einer Stunde wieder runter und löse dich ab, Tiberios. Du bist bestimmt hundemüde nach dem Sklavenmarkt und der Therme also keine Widerrede!" setzte ich noch schmunzelnd nach um Widerworte gleich zu unterbinden. "Morgen können wir uns dann vormittags einmal zusammen setzen und über die Zukunft sprechen."

    Der Schankraum war noch relativ leer und nur zwei ältere Männer saßen in einer Ecke zusammen und tranken ein wenig und plauderten leise. Bis auf die beiden älteren Männer war nichts los und alles ruhig. Proxima befand sich in der Küche und knetete gerade einen Brotteig, als Demetrios und Tiberios wieder in die taberna zurückkamen. Es würde noch ein oder zwei Stunden dauern bevor die meisten Tagelöhner und Handwerker ihre Arbeit für heute beendeten und dann nach Hause oder in die taberna ging.


    Da das Brot dünn ausgerollt und an den Seiten des Ofens gebacken wurde, brauchte es nicht sonderlich lange und die Iunia hatte keine große Eile. Selbst ohne die beiden Männer war nicht mehr viel zu tun, da der Eintopf fröhlich vor sich hin blubberte im Topf. Die Küche sah allerdings wie ein Schlachtfeld aus, da Proxima noch nichts aufgeräumt hatte. Überall lagen noch Reste vom Gemüse schnippeln und Korn mahlen herum und sie musste noch in den Keller eine neue große Amphore Wein heraufholen. Damit wären sie für den Abend gewappnet.

    Es dauerte einige Sekunden, bis Tiberios aus seinen Träumen erwachte und ihn ein wenig verwirrt ansah, bis er ganz wach war. Was der Bursche wohl geträumt hatte? Musste ja was tolles gewesen sein, dachte sich Demetrios und schmunzelte gut gelaunt.


    "Da gibt es doch nichts zu verzeihen...es war ein langer Tag für dich und wenn wir zurück bei der Taberna sind, kannst du dich auch direkt ins Bett werfen. Morgen ist ja auch noch ein Tag um Neues zu lernen. Und ja...Sibelos, der Masseur hier, ist ein Meister seines Faches. Ich kann dir nur raten, dass du ihn auch einmal in Anspruch nimmst. Die Leute hier im Umland und in der Stadt gehen gerne und oft zu ihm. Ich glaube kaum, dass er sein Rezept verrät, aber es riecht auf jeden Fall nach Kampfer und dergleichen."


    Nach diesem kleinen Plausch traten sie gemeinsam den Weg zum Ausgang an, nachdem sie in die frischen mitgebrachten Tuniken schlüpften und ihre Sachen und das Badebesteck eingesammelt hatten. Der direkte Weg zurück zur Taberna ging dann recht entspannt ohne Humpeln.

    Die Zeilen, die Tiberios aufsagte, erinnerten Demetrios an seinen Vater. Dieser liebte es ebenfalls zu rezitieren und tat dies auch sehr passioniert und inbrünstig, wenn ihm gefiel, was er rezitierte. Er wollte Tibi daher nicht unterbrechen und hielt nur inne mit dem Schrubben, während er lauschte. "Hab Dank für deine freundlichen Worte."


    Nachdem der Jüngling fertig war, zupfte er noch ein paar Härchen hier und dort aus und blickte noch einmal kritisch auf den krebsroten Rücken des Jungen, der nun viel sauberer und haarloser war. "So alles fertig hier, Tibi!" meinte Demetrios wieder ein wenig besser gelaunt.


    Sie waren bereits im Zentrum bei den sehr warmen Becken angekommen und der große Raum war voller Feuchtigkeit und Dampf und Wärme. Selbst die Steinbänke waren sehr warm, was angenehm war. "Naja ich kann dich ja nicht zu deinem Glück zwingen, aber weiter hinten gibt es einen kleinen Raum, wo du Maniküre und Pediküre in Anspruch nehmen kannst. Das würde dir bestimmt gut tun, wenn du nicht zu müde bist. Ich lasse mich auf jeden Fall jetzt durchwalken. Bis später dann, Tibi."


    Demetrios ging in das kleine Separee, wo die Massagen durchgeführt wurden und legte sich dort auf die warme Steinbank. Nachdem er dem Masseur das Holzplättchen als Pfand für die bezahlte Zusatzleistung reichte, holte dieser eines seiner Tiegelchen mit duftender Kräutersalbe. Der kräftige Hüne trug die Salbe auf den Rücken des Alten auf und begann dann mit gleichmäßigen Bewegungen diese in den Rücken einzumassieren.


    Als er nach etwas mehr als einer halben Stunde wieder aus dem Separee zurückkam fühlte er sich zehn Jahre jünger und konnte wieder ordentlich aufrecht gehen ohne Humpeln. Als er nach Tiberios suchte, musste er gar nicht lange gehen, da dieser auf einer Steinbank direkt um die Ecke anscheinend eingeschlafen war. Am liebsten hätte er den Jüngling noch eine Weile schlafen lassen, aber sie mussten sich bald auf den Rückweg machen, sonst wären sie bis zum Abend nicht zu Hause. Also stupste er Tiberios sanft an und sprach: "Es ist Zeit nach Hause zu gehen, Tibi...komm..."

    Der alte Sklave musste schmunzeln bei den abenteuerlichen Worten von Tiberios, auch wenn dieser das vielleicht nicht sah, da er ja hinter ihm stand. Er zählte die gleichen Gründe auf, warum es auch Demetrios' liebste Geschichte war und er hatte sie schon unzählige Male in seinem Leben gehört und gelesen. "Ich fand vor allem die Monster faszinierend - die Harpyien und Giganten und dergleichen. Für Medea hatte ich immer ehrlich gesagt recht wenig übrig, auch wenn sie Teil der Geschichte ist." Auch er hatte als Kind und Jüngling von Abenteuern, spannenden Kämpfen, bösen Monstern und schönen Frauen geträumt.


    "Ich habe Attika nie gesehen, aber meine Eltern haben mir oft davon erzählt, als wir noch im selben Haushalt lebten. Bisher bin ich an Griechenland leider nur vorbei gesegelt, aber habe nie einen Fuß auf griechischen Boden gesetzt. Ich hatte aber auch in meinem Alter nicht mehr damit gerechnet hier im fernen Cappadocia zu landen, also sollte man wohl niemals nie sagen." Sein Rücken war nun endlich fertig und er tauschte mit Tiberios Platz und fing an zu schrubben. "Doryphora ist einem Fieber zum Opfer gefallen...das ist bereits zehn Jahre her. Auch Dominus Varus - Proximas und Verax' Vater - fiel diesem Fieber zum Opfer." Eine leichte Wehmut schwang in der Stimme mit, aber es war eine verheilte Wunde auf der Seele des alten Sklaven. Krankheit und Tod waren ständige Konstanten im Leben eines Sklaven.


    Demetrios runzelte kurz die Stirn und erwiderte dann: "Schwitzbad gibt es keines, aber ich gehe gerne hier zur Massage. Die Masseure hier sind wundervoll und kneten dir die Müdigkeit aus den Gliedern mit herrlich angenehmer Rückensalbe. Der Dienst kostet zwar ein wenig extra, aber die Domina hat nichts dagegen. Danach ist mein Rücken wieder für eine ganze Weile fit und mit dem Knie hilft das auch, da ich nicht wegen dem Rücken schief gehe und es dann nicht so sehr belaste. Wenn du auch eine Massage brauchst, dann kannst du ruhig mitkommen, sobald wir mit dem Baden fertig sind. Und mach dir keine Sorgen - ich habe die Zeit im Blick. Wir müssen uns noch nicht zu sehr hetzen."

    Auch der alte Grieche ließ sich genüsslich im kühlen Wasser treiben und nach einigen Minuten begann auch die Müdigkeit aus den Gliedern zu weichen und das Pulsieren im Knöchel und Rücken wurde besser. Auch Tibi schien das Wasser sehr zu genießen, da er bestimmt schon lange nicht mehr baden war. Nachdem Tiberios ihm angeboten hatte den Rücken zu schrubben und enthaaren, nahm er das Angebot gerne dankend an.


    "Ich wurde als Sklave im Hause von Proximas Großmutter Domina Paxaea geboren. Meine Eltern waren beide griechische Sklaven aus Aigosthena, die von Domina Paxaea erworben wurden. Ich muss etwa zehn oder zwölf Jahre alt gewesen sein, als Domina Philoxena geboren wurde und habe sie als Teil ihres Besitzes ins Haus ihres Gatten begleitet zusammen mit meiner Schwester Doryphora, als sie geheiratet hatte. Wenn mich mein alter Kopf nicht ganz im Stich lässt, dann müsste ich mittlerweile 54 Jahre zählen und Medicus brauche ich keinen...ich bin einfach nur alt und verbraucht." Wieder war die Stimme des Alten ein wenig melancholisch während er mit dem Rücken zu Tiberios erzählte, die Jahre schienen auf seinem Gemüt zu lasten.


    Als sein Rücken fertig war, bot er auch dem jüngeren Griechen an ihm den gleichen Dienst zu erweisen. Es würde ihnen Zeit für ein wenig mehr Plauderei geben, bevor sie ins nächste Becken weiterziehen konnten. "Mein Vater war auch Scriba und später Tutor, aber ich habe nie viel Begeisterung oder Talent für Wissenschaften und dergleichen gezeigt. Ich beherrsche nur Grundlagen und interessiere mich eher für Literatur als Unterhaltung. Natürlich kannst du gerne die Schriftrollen ausleihen. Die beiden Schriftrollen gehören zusammen und ergeben das Epos Argonautika." Demetrios war sichtlich stolz auf diesen Besitz.

    Nachdem sie einen kleinen Zwischenstopp in der Taberna eingelegt hatten, damit auch Demetrios sich eine frische Tunika und die Badesachen holen konnte, war der Alte schon recht außer Atem. Aber es waren nur noch einige Schritte, ehe er sich in das herrliche Wasser gleiten lassen konnte. Verglichen mit Alexandria und Roma wirkte die Therme hier noch ein wenig kahl was das übliche Zierwerk anging, da es nur wenige Statuen gab und auch nicht alle Wände oder Decken schön verziert waren. Vor allem die kleineren Räume hatten nur geweißte Wände ohne Bemalung oder dergleichen.


    "Ach mach dir keine Sorgen um meinen Fuß. Ich hab nur alte Knochen und die tun weh, wenn ich zu lange herumlaufe. So ist das mit alten Leuten...man fällt mit der Zeit einfach auseinander." Die Worte des Griechen waren gutmütig, aber den Schmerz konnten sie nicht ganz übertünchen. An Badebesteck hatte er jetzt gar nicht gedacht...das musste er beim nächsten Haushaltsgeld einrechnen, dass Tiberios das auch noch brauchte.


    "Natürlich kannst du meine Sachen nutzen...sie sind schon ein wenig altmodisch, aber noch funktional und sauber." Demetrios reichte Tiberios freigiebig seinen Ring mit Badebesteck und das Stück Bimsstein an einer Kordel, das er am liebsten benutzte statt weicheren Schwämmen. Nachdem er sich ausgezogen hatte und seine Sachen verstaut waren, ging es ins erste kalte Becken, dass an diesem heißen Sommertag vor allem sehr erfrischend war. Vor allem die Schwerelosigkeit im Wasser waren wie Balsam für seine alten Knochen, die keine Lust mehr hatten, das Gewicht des Körpers zu tragen.

    "Die Krebse? Wie eine Nuss! Mit dem Hammer an der richtigen Stelle auf den Panzer draufhauen und dann bricht er auf wie eine Nussschale." Der alte Grieche verdeutlichte das anschaulich mit Handgesten und einem Knackgeräusch, gespielt übertrieben als Witz. Bei der spontanen Parodie von Tiberios, der anscheinend viel von Literatur und Dichtung verstand, musste Demetrios schmunzeln. "Versuche es ruhig, auch wenn ich nicht sicher bin, ob sich hinter unserer Medusa einmal eine schöne Frau verbarg. Und ja...das können wir in der Therme ohne Probleme lösen."


    Dankbar ließ er sich die Einkäufe abnehmen und schlug den Weg zurück über den Markt Richtung Taberna ein. "Wir bringen am besten die Sachen fix in die Taberna und ich hole das Badezeug und meine andere Tunika. Es liegt ohnehin auf dem Weg Richtung Therme. Aber sag Tiberios, warst du früher ein Tutor? Du sagtest ja, dass du Vilicus warst, aber du scheinst auch von Literatur und Wissenschaften viel Ahnung zu haben." Der Alte war schon ein wenig neugierig, wie so ein gut gebildeter Sklave in einer relativ einfachen Gastwirtschaft gelandet war.

    Auch Demetrios war nicht entgangen, wie gelöst Tibi aussah. Das Leben als Sklave konnte grausam sein und viele Sklavenherzen waren gebrochen oder zu Staub zermahlen und jeder Funke Leben aus den Augen verschwunden. Diese Seelen waren hoffnungslos verloren, aber der junge Tiberios schien ein aufgeweckter, wissbegieriger und kluger Geist zu sein, der noch Feuer in den Augen hatte. Vielleicht war das, was Domina Proxima in dem Jüngling gesehen hatte - eine Seele, die noch nicht gebrochen und verbraucht war. "Keine Bange, das lernst du alles im Handumdrehen. Auch das mit den Krebsen zeige ich dir...es sind nur kleine Flusskrebse und keine großen aus dem Meer. Wenn sie dich einmal zwicken, dann ist das ganz harmlos. Man muss nur die Panzer wie eine große Nuss knacken, um an das leckere Fleisch zu kommen. Die Beinchen sind das beste! Außen knackig und innen zartes, weißes Fleisch!"


    Kurz hielt der alte Sklave an, um zu verschnaufen. Nach ein, zwei Minuten ging es aber wieder weiter. "Da kann man gar nichts schön reden. Wenn Athenais dich lange genug anstiert, dann verwandelt sie dich vielleicht auch in Stein wie die Medusa." schwatzte der alte Grieche und ließ einen meckernden Lacher los.


    Tiberios war nur kurz weg gewesen zwischen dem Kauf der Tuniken und Schuhe und dem kleinen Schwätzchen mit Aretas. Nachdem die Bezahlung für die Kleider und Schuhe geregelt war und das neueste Geschwätz ausgetauscht war, wendete sich Demetrios wieder Tiberios zu. "Ah da bist du ja. Gut, dass alles passt und es so schnell ging. Wir haben auf jeden Fall noch Zeit. Folge mir und ich führe dich dahin. Es ist ein strammer Fußmarsch an den Stadtrand, aber es lohnt sich."


    >>Therme

    Die große öffentliche Therme der Stadt Caesarea befand sich am Rande der Stadt und für die umliegenden einfachen Häuser und Hütten war es ein absolut monumentales Bauwerk. Es wurde erst vor einigen Jahren fertiggestellt und hier und da waren noch leere Flecken, die in der Zukunft für Statuen und Zierwerk aller Art frei gelassen wurden. Am Eingang der Therme befanden sich zwei große Büsten von Römern mit einer Inschrift, die diese als Lucius Antistius Rusticus und Titus Pomponius Bassus bezeugten. Beide Männer waren anscheinend Statthalter gewesen, während die große Therme fertig gestellt wurde vor knapp einer Generation.


    Demetrios humpelte schon ein wenig, als er endlich mit Tiberios im Schlepptau dort ankam. Er bezahlte den Eintritt für sie beide und freute sich schon auf eine Massage durch einen der Thermensklaven. Der Obolus für die Massage mit Rückensalbe war nur sehr gering und Domina Proxima hatte nichts gegen diesen Zusatzaufwand. Als er sich Tiberios so ansah, dann sollte er ihn wohl auch zur Maniküre und Pediküre schicken, damit er einmal richtig sauber und gepflegt aussah nach der Tortur des Sklavenmarktes. Haare und Gesicht konnten auch leicht zu Hause erledigt werden. "Nicht so riesig wie in der Heimat - aber noch sehr neu und voller moderner Annehmlichkeiten."

    Ich konnte sehen, dass es im Gesicht des Persers arbeitete und er wahrscheinlich nicht erfreut über meine kleine List war. Ein wenig Spaß machte mir das ja auch, nachdem er so gut an mir verdient hatte an diesem Tag. Nicht dass ich Steuern so sehr liebte - aber ich gönnte dem Perser auch nichts, nachdem ich so viel für den Sklaven bezahlt hatte. Nachdem ich den Vertrag noch einmal überflogen hatte und alles in Ordnung aussah mit der korrekten Summe und dem korrekten Datum gut lesbar eingetragen, übergab ich das Geld und setzte meine Unterschrift unter den Vertrag. Damit war Tiberios nun offiziell mein Besitz und ich musste den schmierigen Perser hoffentlich so bald nicht mehr sehen.


    Ich schwieg, während der Perser das Geld zählte. Nicht dass er sich noch verzählte und wieder von vorne anfangen musste. So viel Gesellschaft ertrug ich nun auch nicht. Also hielt ich mich zurück und starrte nicht und bewahrte ein neutrales Gesicht um ihn nicht zu reizen, bis das Zählen vorbei war. "Ja, mein Bruder ist in der Tat immer sehr beschäftigt. Bleib gerne noch hier und genehmige dir noch einen zweiten Becher henqet auf meine Kosten. Es hat mich gefreut Geschäfte mit dir zu machen, ehrenwerter Shahan Gomidas." Eine weitere Lüge, die charmant dargebracht wurde. Ich erhob mich allerdings nach Übergabe des Geldes und Unterzeichnung des Vertrages um zu signalisieren, dass die Angelegenheit damit für mich erledigt war. Ich hatte schließlich auch noch anderes zu tun.

    Ich lächelte zustimmend bei dem "Witz" des Sklavenhändlers, aber ich musste eben meine Rolle spielen. Sollte er ruhig von mir denken, dass ich jeden Tag meine Sklaven prügelte oder was auch immer er von mir denken mochte. "So ist es - da hast du so Recht, werter Shahan Gomidas. Irgendwas stellen diese Nichtsnutze ja ständig an sobald man ihnen den Rücken zukehrt." Ich nippte auch noch einmal an meinem henqet und schenkte dem Perser ein breites Lächeln für das Kompliment an meine Kochkünste.


    "Mein Bruder ist tagsüber außer Haus. Er ist Praefectus Vehicolorum und daher sehr beschäftigt. Wenn du ihn einmal antreffen möchtest, dann geht dies leichter abends." Wahrscheinlich wollte der Perser nur ausloten, ob irgendwo ein starker Mann lauerte, der die Schwindelei erschweren würde. "Es war eine Zwei...ich hole dir auch noch schnell etwas Tinte."


    Ich eilte fix nach oben, wo das Geld aufbewahrt wurde und holte die Summe von 240 Denaren. Es dauerte diese Summe abzuzählen und der verbleibende Rest in unserer Geldtruhe war nicht besonders hoch, aber es würde noch für eine Weile reichen. Aber größere Anschaffungen waren wohl nicht möglich in der nächsten Zeit. Ich holte auch noch die Tinte und den Calamus aus meinem Zimmer und brachte dies alles nach unten. Das Geld hatte ich in ein kleines Säckchen gesteckt für den leichteren Transport.


    Als ich wieder nach unten kam, schien der Perser fast fertig mit Essen und Trinken. Ich reichte ihm Calamus und Tinte für die Korrektur der Summe und wartete, bis er den Vertrag ausgebessert hatte. Danach reichte ich ihm das Geld, damit er es zählen konnte, während ich den Vertrag noch einmal überflog.

    Er lauschte kurz dem Gedicht, das Tiberios vortrug, während sie sich auf den Weg machten die Taberna zu verlassen. Es war ein wunderschönes Gedicht und er drückte die ihm dargebotene Hand mit einem seligen Lächeln. Demetrios war zwar nicht in Alexandria geboren, aber er hatte Jahrzehnte seines Lebens dort verbracht und hatte erwartet in Alexandria zu sterben. Es war eine merkwürdige Laune des Schicksals, die ihn in seinem Alter noch einmal verpflanzt hatte. "Wir werden eines Tages über sie sprechen, das verspreche ich dir." sprach Demetrios mit belegter und gerührter Stimme. Danach verließen sie das Zimmer um auf den Markt zu gehen.

    Demetrios ging langsam mit Tiberios durch die Reihen und ging auf die Fragen des jungen Sklaven ein. "Das Gemüse, das Domina Proxima für die Suppe verwendet, zeige ich dir morgen früh. Das lässt sich leichter zeigen als mit Worten beschreiben - auch worauf du beim Kauf achten musst, damit du frische und gute Qualität hast. Es gibt auch noch einige Stände der Flussfischer - die sind aber auf der anderen Seite des Marktes bei den Sklaven. Dort kaufen wir Fisch und vor allem die kleinen hier beliebten und heimischen Flusskrebse. Die schmecken vorzüglich in Eintopf und Suppe."


    Nachdem sie den Stand von Athenais passiert hatten und er der alten Vettel charmant zugelächelt hatte und sie außer Hörweite waren, sprach er weiter. "Athenais mag sich selbst nicht einmal...ich glaube Schmeicheleien kannst du dir da sparen. Sie weiß, dass ihre Ware vorzüglich ist und lässt sich das nicht schlecht reden. Wenn ihr Tagespreis zu hoch ist, dann gehen wir zum Nubier. Er hat die zweitbeste Qualität zu einem niedrigeren Preis. Das ist einfacher als das steinerne Herz von Athenais zu erweichen." Demetrios zwinkerte dem jungen Tiberios dabei verschwörerisch zu.


    Als sie die Seidenstände passiert hatten und das Gesicht einiger Standbesitzer schon rot vor Ärger über die lustigen Schmähworte waren, musste Demetrios herzlich lachen. "Wenn das hier in Caesarea nichts für dich wird, so gibt es angeblich in Satala ein Theater. Und du kannst jetzt schnell rüber flitzen und ich kümmere mich um den Einkauf der Kleidung. Beeile dich aber, sonst haben wir nicht genug Zeit für die Therme. Ich kümmere mich hier schon um alles."


    Damit wandte sich Demetrios von Tiberios ab und begann ein kurzes, freundliches Gespräch mit Aretas aus Nabatea. Er vertraute Tibi, dass dieser seine Besorgung schnell erledigen würde, damit ausreichend Zeit für die Therme war. Der alte Sklave zeigte routiniert auf zwei leichte Tuniken aus Leinen sowie eine etwas längere und dickere Tunika aus Wolle und ein paar neuer Sandalen. Die Sachen waren schmucklos und aus ungefärbtem Stoff, aber nicht kratzig und gut gewebt und vernäht. Er feilschte noch eine Weile mit dem Araber und plauderte dann noch ein bisschen, bis Tiberios mit seiner Erledigung fertig war.

    Demetrios winkte ein wenig traurig lächelnd ab bei der Erinnerung an Domina Philoxena. "Das muss dir nicht leid tun. Jeder muss an das glauben, was einen tröstet und was für einen Sinn ergibt. Ich wünschte, dass Domina Philoxena als guter Geist über uns wachen könnte, aber ich weiß, dass sie in ihrer Heimat verwurzelt war und nicht hier bei uns ist. Aber hättest du sie gekannt, dann hättest du sie geliebt. Familia war nicht bloß nur ein Wort für diese Frau und sie hatte ein hartes Schicksal, das sie nicht verdient hatte." Fast schon bedauerte Demetrios wie viel er erzählt hatte. Er schüttelte demonstrativ den Kopf um sich von diesen Gedanken zu befreien.


    Bei den lauten Gedanken zum Thema Anbau für die taberna wurde er aber hellhörig. Ob Tiberios wohl eine Ausbildung in Architektur, Mathematik oder dergleichen genossen hatte? Er würde ihn bei Gelegenheit fragen - vielleicht in der Therme. "Geh dich ruhig waschen und dann gehen wir aber wirklich los, sonst läuft uns die Zeit davon."


    Als Tiberios davon flitzte um sich notdürftig im Zuber zu säubern, nutzte Demetrios die Zeit um ein wenig Platz für Tiberios' Sachen zu machen. Das kleine offene Schränkchen enthielt einige kleinere Glücksbringer, einige hübsche Steine sowie zwei Schriftrollen mit griechischen Heldensagen, die Demetrios' stolzester Besitz waren. Er ordnete die Sachen und schob seine gesammelten Quarze und bunten Kiesel ein wenig zur Seite. Das kleine Tischlein mit der Waschschüssel stellte er zwischen die beiden Betten, damit es für sie beide leicht erreichbar war und er faltete nochmal seine anderen Kleider, damit dann auch Platz für Tibis Klamotten wäre. Sollte es nicht genug Platz sein, konnten er immer noch Proxima um eine zweite Kleidertruhe bitten.


    Er ruhte sich noch einmal kurz aus, damit er für den Ausflug auf den Markt fit war und wartete auf dem Bett sitzend auf Tiberios. Dieser kam einige Minuten später besser gelaunt und auch besser riechend mit noch nassen Haaren zurück. Als dieser sich wie ein Hund schüttelte, musste Demetrios auch wieder lachen und die Trübsal war wie weggeblasen. "Na dann lass uns losgehen, damit wir dir was Anständiges zum Anziehen besorgen und danach in die Therme."


    >> Marktplatz

    Der alte griechische Sklave Demetrios verließ die Taberna seiner Domina Iunia Proxima mit ihrem Neuerwerb Tiberios um den nahe gelegenen Marktplatz Caesareas aufzusuchen. Die Taberna befand sich am Rande des Marktplatzes, weswegen der Weg auch nicht allzu weit war. Die meisten der Händler kannten ihn bereits und er winkte hier und dort einem Händler zu, der ihm die heutigen Preise für Lebensmittel zurief oder ihn ermutigen wollte etwas zu kaufen. Der Auftrag für heute war allerdings Kleidung und Schuhe für den neuen Sklaven des Hauses zu erwerben, also lächelte er und rief dem ein oder anderen einen knappen Gruß und eine Versicherung zu, dass er morgen wieder kommen würde.


    Sie gingen an einer Reihe von Ständen mit Gemüse vorbei und Demetrios zeigte auf zwei der Stände im Vorbeigehen. Der eine Stand wurde von einem dunkelhäutigen Mann geführt und der zweite Stand von einer älteren Frau mediterranen Ursprungs. "Das sind die beiden Stände, wo man gutes Wurzelgemüse für die Suppe bekommt. Je nach Tagespreis kaufe ich bei dem einen oder dem anderen. Die anderen Stände hier kannst du ignorieren, da diese beiden am besten sind. Merke sie dir gut, denn es kann gut sein, dass auch du bald einkaufen gehen wirst. Der Nubier Taharqa ist eisern fair und wird nicht versuchen dich zu übervorteilen, aber die alte Vettel - Athenais - wird alles daran setzen, dich über den Tisch zu ziehen. Sie hat aber das beste Gemüse weit und breit und es verdient in der Regel seinen Preis."


    Die anderen Stände hatten alle ähnliche Ware - Gemüse und Obst zum größten Teil. Ein Stand hatte Datteln und Pflaumen, auch Honig, Gewürze und Nüsse fand man ein Stück weiter. Am Ende dieser Reihe von Lebensmittelständen fand sich auch noch ein Stand, wo es Fleisch gab. Aber es war größtenteils Hammel und Ziege, was Domina Proxima nicht schmeckte und deshalb auch nie kaufte. Um diesen Stand machte Demetrios einen großen Bogen. Als sie zur nächsten Reihe von Ständen kamen, fand man dort größtenteils kleinere Haushaltsgegenstände aus Holz und Ton wie Geschirr und Besteck oder geflochtene Körbe und vereinzelte Metallgegenstände wie Messer, Nägel und dergleichen. Auch aus dieser Reihe brauchten sie heute nichts und Demetrios zeigte nur vereinzelt auf Stände, wo man preiswerte Holzbecher und Schalen bekam. Diese musste ab und an ersetzt werden in der taberna.


    Im Zentrum des Marktplatzes waren sie endlich angekommen, wo sie hinwollten. Stand um Stand mit Wolle, Leinen und auch vereinzelt Seide in allen Phasen der Produktion von Vlies bis fertig gewebtem und gefärbtem Stoff und fertig geschneiderten Kleidungsstücken fand sich hier. An den etwas extravaganteren Ständen ging Demetrios vorbei. Das konnte sich seine Domina momentan wahrscheinlich nicht mal für sich selbst leisten und schon gar nicht für die Sklaven. Die meisten der Händler, die Demetrios und Tiberios als Sklaven identifizierten, versuchten auch gar nicht ihm etwas zu verkaufen und einige Betreiber der etwas exklusiveren Stände blickten unverhohlen auf die beiden Sklaven herab, aber das berührte den alten Griechen nicht. Hinter den Händlern mit bunten Tüchern war ein kleinerer Stand mit Kleidungsstücken aus ungefärbtem Leinen. "Das ist der Stand von Aretas aus Nabatea. Er ist freundlich und wenn du Arabisch sprichst, macht er dir einen ganz guten Preis. Ich spreche leider kein Arabisch, aber er ist trotzdem ein ganz netter Herr."