Beiträge von Caius Furius Merula

    Er stellte sich bequem und atmete erleichtert aus. "Ich könnte sofort in den Protokollen nachsehen, was darüber zu finden ist", bot Merula an, wartete auf den Befehl zum Wegtreten und flitzte anschließend davon. Er musste nicht weit laufen, denn es gab ein Officium am Eingang zu den Carcerzellen. Thematisch sortiert und übersichtlich abgelegt fand er die gesuchten Berichte und entschied, sie mitzunehmen anstatt sie im Officium zu studieren. Dann würde der Praefectus nicht lange warten müssen.

    Zurück vor Ort übernahm er das Sichten und reichte diejenigen Dokumente weiter, auf denen die Asservate und anderweitige Beweisstücke der einzelnen Personen aufgelistet standen. Ein Blick auf der Suche nach dem Stichwort Fisch versetzte ihn in die Lage, gleichzeitig zu kommentieren.

    "Wie es aussieht, trugen alle diesen ominösen Fischanhänger."

    Merula fuhr der Schreck in die Glieder, als der Praefectus Urbi unerwartet vor ihm stand, denn bisher hatte er ihn, wenn überhaupt, nur von weitem gesehen. Er vergaß die Reihenfolge und vollführte zuerst den Gruß mit dem Arm, bevor er sich kerzengerade hinstellte, während seine Augen etwas größer als sonst erschienen. Bevor er antworten konnte, räusperte er sich zweimal.

    "Salve Praefectus Claudius! Das, das ist richtig. Hier und daneben sitzt jeweils ein Inhaftierter und zwar", er linste zur Tafel, weil ihm die Angaben entfallen waren, "aus der Razzia am Tiberufer, die beim Tempel Iovis Capitolini endete." Zumindest das wusste er auswendig, weil sein ehemaliger Ausbilder auf einen Teil seiner Soldaten verzichtete, um den Tempelschänder festzunehmen.

    Merula konnte nicht einschätzen, ob er stehenbleiben, oder für weitere Details zu der Tafel gehen durfte, daher sagte er das, was er noch aus dem Gedächtnis kratzen konnte.

    "Kathus heißt dieser Insasse. Es heißt, er wäre der Anführer dieser aufgegriffenen Gruppe gewesen."

    Sein Wunsch nach einem ruhige Dienst erfüllte sich nicht, denn kaum hatte er den Posten bezogen, wurde er angepöbelt. Der sonst schweigsame Insasse musste Merulas Unerfahrenheit bemerkt haben, anders konnte sich der junge Miles den Sinneswandel nicht erklären, der ihn vor ein Problem stellte. Die Ausbildung brachte ihm zwar Sicherheit, aber Erfahrungen musste er noch viele sammeln, bis ihn nichts mehr aus der Ruhe bringen konnte, und niemand hatte ihn darauf vorbereitet, wie er sich in solchen Situationen verhalten sollte.

    Merula beschloss, als Römer zu reagieren, denn damit kannte er sich umfänglich aus, während er als Miles keine gesicherten Behauptungen abgeben konnte, denn dafür besaß er keine Befugnis.

    "Du scheinst nicht zu wissen, was richtig ist. Deinesgleichen hat unsere Heiligtümer beschädigt und beschmutzt, was den Zorn unserer Götter auf sich gezogen hat. Er wird auch dich treffen, warte nur ab." Irgendeinen der Gefangenen hatte es bereits dahingerafft, aber Merula wusste nicht, ob der zur Christengruppe gehörte.

    Seit Optio Furius Cerretanus den Gefangenen Kathus im Carcer der Castra Praetoria abgeliefert hatte, floss einiges an Wasser den Tiber hinab. Wie die Verhöre liefen, entzuog sich Merulas' Kenntnis, aber es ging die Kunde um, dass jener Gefangener als verstockt galt und sich wenig gesprächig zeigte. Am heutigen Tag bezog Merula Posten vor dem Zellentrakt, weil der Dienstplan ihn dafür auswies. Er hoffte auf einen ruhigen Dienst.

    Als seine Antwort gelobt wurde, stellte Merula fest, dass er sich während der Ausbildung erheblich verändert hatte. Er wusste mehr als früher, ließ sich nicht mehr von den Füßen hauen, besaß Selbstbewusstsein und Ausdauer. Dem Vortrag des Corni lauschte er trotz aller Gedanken, allerdings wusste er einiges bereits.

    Der Abschlusssatz ihres Ausbilders erzeugte ein breites Lächeln auf Merulas Gesicht. Er sah nach rechts und links, um sich zu vergewissern, ob er richtig schlussfolgerte. Die Reaktion der anderen ließ keinen Zweifel daran, dass sie am Ende der Ausbildungszeit angelangt waren, sodass ihm ein kleiner Jubelschrei entschlüpfte. Er hoffte, der Corni würde ihm das nicht übelnehmen. Um den Ernst wieder herzustellen, stand er stramm und sagte: "Danke, Cornicularius Octavius!" Anschließend drehte er sich weg und schritt Richtung Baracken, wobei er auf dem letzten Stück des Weges rannte.

    "Es ist geschafft!"

    Heute gab es eine Ansprache mit einer erfreulichen Mitteilung: Ein Fuß aller stand bereits im regulären Dienst als vollwertiges Mitglied der Cohorten. Während der nächsten Sätze hörte Merula nur halb zu, weil er sich fragte, warum der zweite wo anders stand und vor allem, wo. Als sein Name genannt wurde, fuhr er zusammen. Zu seinem Glück folgte die Frage der Anrede und wurde nicht seinem Namen vorangestellt, denn dann hätte er nachfragen müssen, was vielleicht zur Folge hatte, dass sein erster Fuß wieder zurückgestellt wurde.

    Den Wachdienst konnte er sich recht gut vorstellen, zumal er ja selbst einmal als Fremder durch das Wachtor gehen musste, und die Ausbildungsgruppe nach jedem Außendienst.

    "Die Castra zu verlassen, gestaltet sich einfach als sie zu betreten. Ich würde das genauso handhaben. Kommen unbekannte Personen, würde ich nach dem Namen und dem Begehr fragen. Danach entscheide ich, ob sie passieren dürfen oder abgeholt werden müssen. Alles wird in ein Wachbuch eingetragen. So würde ich das beim Haupttor der Castra machen. Das Stadttor in Rom dürfen weitaus mehr Personen passieren als das der Castra. Wir müssen sicherstellen, dass niemand Waffen in die Stadt einführt." Bestimmt gab es noch mehr zu kontrollieren, aber so genau wusste das Merula nicht und etwas Falsches wollte er nicht sagen.

    Die Übungsmärsche fand Merula öde. Als Stadtkind liebte er die Abwechslung, das Getümmel und die Herausforderung. Stundenlang einen Fuß vor den anderen zu setzen, stumpfte ab. Er lief schon deswegen zügig, um das Ganze schnellstmöglich hinter sich zu bringen, und selbst Iupitter zürnte. Irgendwann traf er mit den anderen in der heimischen Castra ein und vermerkte drei Kreuze bei sich.

    Sie bekamen wieder einen Tag frei, bevor der nächste Teilabschnitt begann. Antreten in der Mittagszeit hieß es, was Merula nicht nur neugierig machte, sondern auch verwunderte. Wie geheißen, ging er mit den anderen zum Exerzierplatz, reihte sich ein und stand stramm, als der Corni eintraf.

    Entweder konnte der Corni Gedanken lesen oder besaß einen siebten Sinn, denn er äußerte sich zu Merulas Bedenken. Die Erklärung leuchtete dem Furier ein und sie beruhigte ihn. Jetzt wäre er gewappnet, falls einmal Nachfragen oder Sprüche kämen und außerdem lief es sich ab diesem Moment wie von einer Last befreit leichter weiter.

    Sie trafen bei der Castra ein und erhielten eine neue Marschrichtung. Merula sah gen Norden und schon schritten Mettius und er auf der Via Flaminia entlang. Zu ihrer Linken floss der Tiber und am anderen Ufer erstreckte sich eine größere Anlage namens Horti Luculliani. Der Corni nannte als nächstes Ziel Alsium. Merula kannte Alsium nicht, wusste nicht wie weit es bis dorthin war, hatte sich auch bisher nicht mit den Etruskern beschäftigt, aber er merkte sich den Ort als Feriendomizil. Dann stutzte er. Sie liefen Richtung Norden, tendenziell - wenn auch nicht spürbar - bergauf und nicht bergab.

    "Cornicularius Octavius, die Mündung des Tiber kann unmöglich hier liegen. Hast du die Quelle gemeint?" Er blickte zu Mettius und verzog das Gesicht, weil er nicht einzuschätzen wusste, ob er wegen vorlauten Auftretens eine Strafe aufgebrummt bekam.

    Das Tempo zog an und er verkniff sich weitere Worte, bis sie den vorläufigen Endpunkt erreicht hatten und jeder zwei Äpfel in Empfang nahm. Anschließend ging es wieder zurück. Auf die Frage des Corni nickte Merula. "Das kommt darauf an, welche Schlenker wir auf dem Rückweg einlegen. In Form sind bestimmt alle."

    Weitere Abstecher blieben aus. Sie kehrten auf gleicher Strecke in die Castra zurück, wie sie diese vor Stunden verlassen hatten. Der zugesagte freie Tag löste allgemeine Freude aus, bevor sie zu den Quartieren gingen.

    Die Gruppe Tirones befand sich auf dem Weg zur Castra Urbana, als Merula in einem vom Corni unbeobachteten Moment Mettius in die Seite knuffte. "Wie fandest du das vorhin?" Er flüsterte, um nicht von anderen gehört zu werden. "Hat der Corni einen auf den Deckel bekommen, oder warum erklärt der uns, dass die Ausbildung eigentlich anders läuft?"

    Mettius zuckte mit den Schultern. "Bestimmt nur als Information, damit wir es wissen."

    Merula kräuselte skeptisch die Lippen. "Wozu sollen wir das wissen? Ist unsere Ausbildung denn jetzt überhaupt vollwertig?"

    "Warum nicht?" Mettius blickte erschrocken, obwohl er überzeugt klingen wollte. "Spielt doch keine Rolle, wann was abgeleistet wird." Er atmete tief durch und beruhigte sich damit selbst.

    Die nächsten Straßenzüge liefen sie schweigend. Der Marsch stellte keine sonderliche Herausforderung dar, obwohl sie zügig liefen und vom äußersten Osten bis weit über die Mitte Roms gelangen mussten, um den Boden der Castra Urbana betreten zu können. Die Fläche war noch unbebaut.

    Als die Ansprache zum ersten Mal mit der Anrede 'Jungs' begann, stutzte Merula. Zwar störte er sich seit Beginn, wenn er als Mädel bezeichnet wurde, aber der neuen Anrede stand er skeptisch gegenüber, weil sie ganz sicher im Zusammenahng mit noch etwas Unbekanntem stand. Aus heiterem Himmel änderte niemand seine Gewohnheiten. Die nachfolgende Erklärung überzeugte ihn nicht, denn angespornt hatte ihn die falsche Anrede nicht. Ob das bei den anderen der Fall war, musste er später herausfinden, denn die Ansprache ging überraschend weiter. Sie erfuhren, dass ihre Ausbildung eine von der Regel abweichende Reihenfolge hatte und auf Merula wirkte es so, als wollte der Corni vor ihnen Rechenschaft ablegen. Wäre ihnen das Rühren befohlen worden, hätte Merula in den Gesichtern der anderen nach Antworten gesucht, so aber harrte er samt seiner Fragezeichen im Kopf aus.

    Der Corni richtete eine Frage an die Tirones, aber zum Antworten kam keiner, denn die Ansprache endete plötzlich, wobei am Ende das Schlagwort 'Prüfungen' stand. Merulas Augen weiteten sich, bis er darauf kam, dass die Märsche damit gemeint waren.

    Sein Kamerad Mettius und er wurden an die Spitze der Gruppe beordert und im Gleichschritt ging es los. Das Ziel hieß Castra Urbana. Als Richtung schlug Merula Westen ein, denn er einnerte sich noch gut an den Bauplatz.

    Es stand mehrere Tage das Übliche auf dem Tagesprogramm, aber zuweilen gab es etwas Neues, so auch heute, wobei die Neuerung Merula nicht sonderlich gefiel. Zwar konnte er sie besser als die Mehrheit der Tirones ausführen, aber er fand sie nicht nur beschwerlich, sondern sie belastete seine Knie: Das Einbeinhüpfen. Rechts ging es noch halbwegs, links lag ihm nicht. Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, bis eine halbe Runde geschafft war, der Beinwechsel anstand und das Rundenziel näher rückte. In der Theorie dürfte nur noch wenig Zeit für Schwerttraining und Marschieren übrig bleiben, aber der Corni schien einen Pakt mit dem Tageslicht geschlossen zu haben, denn das trübte sich erst dann ein, wenn alle Aufgaben absolviert wurden.

    Merula hörte zwar die abschließende Anweisung, verbot sich aber, darüber nachzudenken, denn er wollte sorgenfrei einschlafen können. Die Nacht verlief entsprechend gut und er wachte weitgehend ausgeruht auf. Die Ampulla füllte er mit Wasser auf und als Proviant wählte er Fladen, den er frisch am Morgen zubereitete und nicht bereits am Vorabend.

    Als die Truppe am Exerzierplatz ankam, reihten sie sich ordnungsgemäß auf und grüßten.

    "Salve, Cornicularius Octavius!" Nun wollte auch Merula wissen, was der Tag für sie bereithalten würde.

    Ein Hochgefühl erfasste Merula, als er zusammen mit den anderen die gegnerische Linie durchbrach. Es spielte keine Rolle, dass diese Linie aus nur zwei Mann bestand, die keine Chance gegen eine einigermaßen funktionierende Keilformation besaß, und gewiss gab es noch viel Bedarf, die Ausführung zu verfeinern, aber das schmälerte ihr Erfolgserlebnis nicht. Aufgeputscht wie er war, sprang er nach dem seitlichen Rettungssprung der Offiziere mit hochgerissenen Armen herum und brach damit aus der Formation aus. Das Scutum fühlte sich nie leichter an als in diesem Moment.

    Schnell wurde er zur Ordnung gerufen und als der Corni zu Erklärungen anhob, stand Merula still und hörte zu. Er merkte sich, dass der Gleichschritt wichtig wie sonst selten war, wenn eine Formation funktionieren sollte, und achtete bei der nächsten Aufgabe gewissenhaft darauf. Er ließ sich von den erfahrenen Milites einweisen, hob das Scutum über den Kopf und bildete einen Teil des Daches ihrer Schildkröte. Anfangs fiel ihm das nicht schwer, sodass er sich auf den Gleichschritt konzentrieren konnte, den Optio Verulanus anzählte, der aber nach kurzem von allen selbstständig gehalten werden musste. Mit zunehmender Armmüdigkeit schlichen sich Stolperer ein, die zum Glück zu keinem Chaos führten, weil jeweils kurz darauf ein Positionswechsel vorgenommen wurde. Mal stand Merula im Kreis der Milites, mal bildete er mit anderen eine Außenwand. Jeder Durchgang brachte eine neue Erfahrung, aber das Grundprinzip hatten alle schnell verstanden.

    Nach einem abschließenden Lob des Corni durften sie abtreten und Merula verbuchte diesen Tag als einen der besten seiner Ausbildung.

    Mit Lob wurde Merula während seiner Ausbildung nicht überhäuft, aber wenn, dann vorwiegend in letzter Zeit. Sein Start als Tiro sah dagegen durchschnittlich aus. Da die Tendenz positiv ausfiel, sah er seine Zukunft rosig, soweit ein Sodatenleben generell erfreulich sein konnte. Er war sich dessen bewusst, als Urbaner viel Unerquickliches erleben zu müssen und Geschenke verteilte sicherlich niemand an ihn, aber er sah inzwischen seiner gewählten Karriere mit Zuversicht entgegen.

    Im Laufschritt folgten sie dem Corni, Mettius an seiner Seite, ein Paar vor ihnen, eins danach. Bei Optio Verulanus ankommen, stoppten sie. Die Offiziere klärten das weitere Vorgehen und wenig später fanden sich Merula und Mettius zwischen ausgebildeten Urbanern wieder, Obsidius an der Spitze. Die Soldaten gaben unter sich und den Tirones Anweisungen, sodass die Keilformation im Handumdrehen stand.

    "Gleichschritt!", schie ein Miles. Dass mit Links angefangen wurde, setzte er voraus. Obsidius an der Spitze fühlte sich in seinem Element. Er gab das Schrittempo vor, dass anfang moderat und wenig später Fahrt aufnahm, weil einer der Miles rief: "Mit Schwung und nicht zimperlich. Das Ganze funktioniert nur mit Durchschlagskraft."

    Obsidius peilte für seinen Vorstoß die Stelle zwischen dem Corni und dem Optio an. Er stellte seinen Schild leicht schräg und beide Männer hinter ihm ebenfalls, nur gegensetzt. Als Draufgänger bekannt, stieß er einen Kampfschrei aus, als er auf die beiden Offiziere traf. Da ein Keil normalerweise gegen eine gesamte Feindesfront prallte, boten zwei einzelne Männer keinen ernstzunehmenden Widerstand.

    Nach dem Antreten erfuhren sie sofort, dass der Wissenstest von gestern von allen bestanden wurde. Zwar hegte Merula keine Zweifel, aber etwas als erledigt abzuhaken, fand er gut. So konnte er sich unbelastet auf das Nachfolgende konzentrieren. Dass Obsidius schwimmen gelernt hatte, registrierte er nebenbei. Thematisch drehte sich alles um Formationen. Ein spannendes Gebiet, wobei sie gleichzeitig hörten, dass ihr Einsatz bei den Stadttruppen gering ausfiel. Bei jeder Frage, die an die Tirones gerichtet wurde, erwartete Merula seinen Namen, was daran lag, dass die allererste Frage innerhalb dieser Ausbildung an ihn gerichtet war und ihn damals gänzlich unvorbereitet traf. Der Schreck wirkte offensichtlich noch immer nach, wobei sich Merula viel selbstbewusster fühlte und sich kaum noch schüchtern gab.

    Dieses Mal kam er erst am Ende dran. Die Testudo kannte beinahe jeder Junge in Rom, der sich für das Militär interessierte. Teil einer solchen Formation war Merula noch nie, aber er kannte Zeichnungen und Erzählungen.

    "Tja, also." Merula wedelte einmal mit den Armen durch die Luft, weil das Beschreiben einer Sache viel komplizierter als das Zeigen war. Er hoffte, dass alle schon einmal die Formation irgendwo und irgendwie gesehen hatten. "Bei einer Testudo bilden die Männer einen Schildwall, der rundherum und über sie hinweg reicht." Er kratzte sich am Kopf, während er nach besseren Worten suchte. "Also die äußeren Männer halten ihren Schild so wie sie gerade stehen: Die vorderen Männer halten ihn vor sich und die seitlichen an ihre Außenseite rechts oder links. Diejenigen, die in der Mitte der Formation stehen, halten den Schild über sich. Die Schilder sollen überlappen und halten somit Geschosshagel recht gut ab. Man kann in der Formation verharren, kann den Rückzug antreten und in Angriff gehen, allerdings müssen in der Bewegung die Männer auch synchron laufen, weil sich sonst Lücken im Panzer ergeben. Das soll nicht leicht sein, habe ich gehört. Wir sind jedenfalls zu wenige, um eine brauchbare Testudo zu bilden." Er grinste, weil ihm noch etwas einfiel. "Die Schilde sind eckig und jetzt wissen wir, warum."

    Merula musste sich eingestehen, dass er wieder einmal überrascht wurde. Er konnte den Corni mit seinen Ausbildungsmethoden noch immer nicht einschätzen. Er glaubte, die Grundzüge der Ausbildung saßen bei ihm und seinen Kameraden, während zuletzt der Feinschliff vorgenommen wurde, wozu er die heutige Kopfarbeit zählte. Er nahm an, dass gleichzeitig Schreiben und Lesen getestet wurde. Die Tafeln wurden verteilt und um ungestört zu sein, ging Merula in den nördlichen Teil der Castra, wo der Marstempel stand. Er setzte sich auf die Stufen, nahm die Tabula zur Hand und ritzte die Bedeutung der Befehle ein.



    scuta sursum! Schild auf!

    oculos ad prosam! Augen gerade aus!

    nihil novi! Keine Vorkommnisse!

    Convenite! Sammeln!

    aciem dirigite! Ausrichten!

    corpora premite! Glieder schließen!

    regredde! Regredite ?? Es könnte Eintreten heißen "regredere!"

    genua flectite! Niederknien!

    sarcinas sumite! Gepäck aufnehmen!

    ad arma! Zu den Waffen!

    in tabernacula! In die Zelte!

    tabernacula statuite! Zelte aufschlagen!

    extinguite lumina! Licht aus!

    parate vos ad iter! Marschbereitschaft herstellen!

    ad impetum! Angriff! Attacke!

    Accelerate! Beschleunigt!


    Caius Furius Merula


    Nach dem Ausfüllen brachte Merula die Tafel in das Officium des Corni, weil er ihn nicht in der Therme stören wollte. Er wollte auch nicht riskieren, am Ende doch noch eine Trainingseinheit wie Obsidius aufgebrummt zu bekommen. Der freie Tag kam wie gerufen, um die Rüstung zu polieren, sich etwas Gutes zu kochen und anschließend auszuruhen.

    Am nächsten Morgen stand Merula mit seinen Kameraden empfangsbereit da.

    Heute stand wieder eine Patrouille im Maximalformat auf dem Tagesplan, bei der sich Merula aber nicht die Abfolge der Teilziele merken musste, weil der Corni die Richtung vorgab. Der erwähnte die Castra Urbana, die als neuer Standort dienen sollte. Ob der Corni wirklich die Tirones meinte oder die Urbaner im Allgemeinen, blieb für Merula ungeklärt, aber interessiert zeigte er sich trotzdem. Sie bildeten wieder eine Zweierreihe, zu der er sich wieder zu Mettius gesellte, und los ging es im Marschschritt.

    Bei der Castra Urbana angekommen, streifte Merulas Blick suchend umher, bis er verstand, dass die Castra erst erbaut werden musste. Sie standen vor dem Bauplatz, dessen Standort er sich einprägte, bevor sie auf die Via Flaminia einbogen. Er merkte bereits das zusätzliche Gewicht der Ausrüstung. Es belastete ihn nicht, zumindest noch nicht, aber es lief sich nur in Tunika deutlich leichtfüßiger.

    Wie vorausgesagt, passierten sie etliche bekannte Bauwerke und Plätze, wie das Forum Romanum. Sämtliche Tempel, die Thermen, das Colloseum, der Circus Maximus und unzählige Straßen besuchten oder nutzten sie. Für jemand, der Rom nicht kannte, musste die Stadtführung erschlagend sein, aber auch für alle Kenner der Stadt gab es ausreichend Erfahrung, denn die Länge der Route grenzte an einen Marathon mit jeder Menge Strapazen. Einer Steigung nach oben folgte ein Abmarsch ins Tal, um bald darauf wieder bergauf gehen zu müssen. Vor allem der letzte Abschnitt der Monstrumstreife bestand aus einer Steigung, da sie der außerhalb der Stadt liegenden Castra Praetoria zustrebten.

    Merula fühlte sich ordentlich geschafft, als sie in der Castra eintrafen, aber er stellte für sich auch fest, dass er mittlerweile viel verkraftete. Ob er noch kämpfen konnte, wollte er nicht ausprobieren, aber er rechnete fest damit.

    Ausschlafen und ein ausgiebiges Frühstück waren der Lohn für die Plackerei. Zufrieden trat Merula mit den anderen ab, suchte die Baracke auf und setzte sich erst einmal. Nach kurzer Zeit des Ausruhens stand er auf, bereitete ein Abendbrot, nahm es ein und legte sich erst dann Schlafen, als er seine Ausrüstung inspiziert und für gut gepflegt befunden hatte. Nach der Nacht und einem gemütlichen Frühstück stand er erneut vor dem Corni.

    "Salve, Cornicularius Octavius!"

    Die vielen Informationen in schneller Folge konnte Merula kaum sortieren. Wenn er nicht ganz falsch lag, gehörte er nicht zu jenen, die führen mussten, also dürfte es auch nicht schlimm sein, wenn er nur den Anfang der Zielnennung wusste. Ab der Mitte der Aufzählung stellte sein Gehirn die Aufnahme ein, weil es sich nicht mehr merken konnte. Zwar dachte er, es sei bestimmt nicht schlimm und die einzelnen Teiletappen wurden während des Marsches noch einmal erwähnt, aber er genoß die Erleichterung, weil er zumindest anfangs nicht führen musste. Für ihn stellte jede Anforderung eine Art Prüfungssituation dar, die er zwar im Verlauf der Ausbildung immer besser meisterte, ohne in Panik zu geraten, aber gänzlich kühl ließen ihn diese Situationen nicht. Bestimmt würde er in zwei oder drei Jahren über sich selbst lachen, wenn er zurückblickte, aber als einer der Jüngsten fehlte ihm aktuell noch das Selbstbewusstsein.

    Auf das Marschieren musste Merula nicht mehr achten, weil der Rhythmus inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen war. Er verhaspelte sich auch nicht, musste nur zuweilen größere und dann wieder kleinere Schritte machen, wenn sie eine Biegung liefen. Die meiste Zeit ging es aber bergauf und bergab. Sie grasten nach und nach die gesamte Stadt ab und nur ein Römer konnte nachempfinden, wie sehr diese Tour anstrengte. Ein oder zwei Hügel hätten auch zur Erschöpfung beigetragen, aber Rom bestand aus einer ganzen Reihe von Hügeln, ganz gleich, wohin das Auge blickte, einer verdeckte immer die Sicht.

    Merula spürte die vollbrachte Leistung in seinen Beinen, als sie an der Castra eintrafen. Gleichzeitig fand er die Aufgabe leichter, als er sie sich anfangs vorgestellt hatte. Er schloss auf einen Zuwachs an Muskeln, Ausdauer und körperlicher Leistungsfähigkeit, die ihn durchaus stolz machte. Fast fühlte er sich wie ein vollwertiger Urbaner. Er fand, er konnte bereits sehr viel.

    Am nächsten Tag wurde die Schwierigkeit erhöht, weil sie im Normalfall auch mit Ausrüstung patroulieren würden. Da Merula am Ende des heutigen Tages noch Kapazität besaß, sah er dem Folgetag entspannt entgegen. Zufrieden mit sich, seiner Leistung und seinem Leben im Allgemeinen trat er nach dem Befehl hin ab und suchte die Baracken auf.