Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Ich hörte aufmerksam zu und nickte. Dass man mir zutraute, ein Spitzel der Prätorianer zu sein, ahnte ich nicht. Andererseits würde ich auch nicht zögern, beim Verdacht von gefährlichen Tätigkeiten einer meiner beiden bei den Prätorianern beschäftigten Verwandten zu berichten. Aber das musste ja niemand wissen.


    "Mit der Legalität eurer Dienste habe ich selbstredend gerechnet. Alles andere wäre ja auch nicht wünschenswert."


    Dann kam mir etwas in den Sinn, das mir vielleicht bei meinem aktuellen Fall helfen würde.


    "Ihr kennt euch sicher ziemlich gut aus und bekommt auch einiges mit. Angenommen, ich suche einen Freund und benötige Hilfe dabei, ihn zu finden, könntet ihr mir dabei helfen? Und abgesehen vom können, würdet ihr das auch machen? Vorausgesetzt, dass euer Aufwand angemessen entschädigt würde."

    Ich nickte zufrieden. "Ich danke dir schon einmal im Namen meines Patrons. Sein Wohlwollen wird da sein. Was uns dann aber zum ungelösten Problem bringt: Einen römischen Vater für deine Braut."


    Ohne zu zögern, wendete ich mich direkt an Coira. "Du sprichst hervorragendes Latein. Also wird dir das jemand beigebracht haben, der sehr gut Latein spricht. Möglicherweise ein Römer? Wenn ja, wie sieht er aus? Wo könnte man ihn finden? Vor allem: Wie heißt er? Wir sollten dann eine Suche organisieren, falls du der Meinung bist, dass er bereit wäre, dich als Tochter zu verteidigen."


    Ich war gewillt, alles zu versuchen, um den Fall zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, sobald mein Patron Prätor wäre. Erstens, weil ich gerne Fälle gewann. Zweitens, weil ich die beiden irgendwie mochte.

    Auf jeden Fall fühlte ich mich nun besser beschützt als mancher Magistrat.


    "Wunderbar, dann freue ich mich über eure Begleitung und Ortskenntnis. Wenn ich eine Frage stellen dürfte: Kann man euch auch gezielt anfordern? Schließlich könnte ich hin und wieder einmal Begleitung gebrauchen, vor allem dort, wo ich mich nicht so gut auskenne."


    Mir kamen gerade ein paar Gedanken, die möglicherweise für meine Arbeit recht nützlich sein könnten.

    Ich war mir nicht sicher, welche Summe angemessen war. Also griff ich ohne hinzusehen in den Sinus meiner Toga und betrachtete die Münze, die ich in der Hand hielt. Es war ein Denar. Ich nahm das als göttliches Zeichen. Kurz zählte ich die Gruppe durch, dann holte ich einen Denar für jeden hervor und gab sie dem Mann.


    "Nun, genügt das für meine Zufriedenheit?"

    Ich war beruhigt, dass es nichts Ernstes war.


    "Nun, herausgefunden ist so eine Sache. Wusstest du, dass Flavia Domitilla Maior, die erste Ehefrau des Divus Titus Flavius Vespasianus, ebenfalls zunächst eine Sklavin war, bevor ihr römischer Vater gefunden wurde, der sie als seine Tochter erklärte? Damit war der Sklavenstatus hinfällig und sie konnte den späteren Kaiser Vespasianus heiraten. Domitilla Maior war übrigens nicht patrizisch, sondern plebejisch. Ein solcher Präzedenzfall ist ziemlich wertvoll und lässt sich hervorragend vor einem Prätor verwenden."


    Ich machte eine kurze Pause, um das Gesagt sacken zu lassen.


    "Wobei mich das Thema Prätor gleich zu einer zweiten Sache bringt. Mein Patron, Lucius Annaeus Florus Minor, gedenkt für die Prätur zu kandidieren. Es wäre sicher recht nützlich, wenn mein Patron als Prätor zuständig wäre, wenn wir vor Gericht ziehen, um unzweifelhaft zu beweisen, dass deine Braut eine freie römische Bürgerin ist. Deshalb würde ich dich gerne um Unterstützung bitten. Du bist Patrizier und hast die nötigen Kontakte zu anderen Patriziern. Auch bin ich mir sicher, dass deine Unterstützung meinem Patron sehr positiv im Gedächtnis bleiben würde. Vielleicht könntest du ja etwas Hilfe im Wahlkampf leisten? Vielleicht eine Cena, zu der du andere Patrizier und meinen Patron einladen könntest? Mir ist bewusst, dass ich recht viel für meinen Patron erbitte, aber eine noch bessere Möglichkeit, den Fall in deinem Sinne zu entscheiden, werden wir auf absehbare Zeit nicht erhalten. Mit meinem Patron als Prätor wird der Fall recht sicher gewonnen, solange wir nur einen Römer finden, der die Vaterschaft bezeugt."

    Das war auf jeden Fall eine klare Drohung. Aber damit konnte ich umgehen. Woher wussten die eigentlich, dass ich vom Domus Annaea kam? Sie hatten mich wohl beobachtet.


    "Also gehe ich davon aus, dass wir ins Geschäft kommen. Und wer weiß, vielleicht habe ich in Zukunft ja auch Bedarf an Begleitung. Vorausgesetzt natürlich, dass ich mit der Dienstleistung zufrieden bin."


    Angst zeigte ich grundsätzlich keine.

    Ich betrachtete den Trupp, insbesondere den Mann, der mich ansprach, kurz. Konnte ich ihm trauen? Schwer zu sagen, aber wenn er mich überfallen wollte, hätte er das ohne Probleme sofort machen können. Da er das noch nicht getan hatte, beschloss ich, dass es einen Versuch wert war. Ich erinnerte mich auch noch an Geschichten, die mir mein Vater über eine verzweigte Gruppe erzählte, die einem Schutz anboten. Was hatte er nochmal gesagt? Man können ihnen trauen, auch wenn man ihr Angebot annehmen sollte? Irgend so etwas. Ich hoffte, es mit dieser Gruppierung zu tun zu haben.


    "Danke, sehr gerne. Ich habe meinen neuen Patron besucht, kenne aber den Mons Esquilinus nicht wirklich gut. Du könntest mich nicht rein zufällig sicher bis zum Collis Quirinalis geleiten? Es soll auch nicht dein Schaden sein."

    Nach meinem Gespräch mit Annaeus Florus machte ich mich auf den weg zurück nach Hause. Es war inzwischen dunkel und ich musste zugeben, dass ich mich auf dem Mons Esquilinus nicht auskannte. Wenn ich den Weg zur Via Flaminia finden würde, wäre alles Weitere kein Problem. Doch sah in der Dunkelheit alles so anders aus. So stand ich etwas verloren zwei Straßen vom Domus Annaea entfernt und versuchte, mich zu orientieren. Ohne es zu wissen, hatte ich mich sogar noch weiter vom Quirinal entfernt.

    Es waren nun bereits ein paar Wochen seit meinem letzten Besuch bei meinem Mandanten verstrichen und inzwischen hatte ich einen Patron, der sich anschickte, Prätor zu werden. Diesem hatte ich Unterstützung in seinem Wahlkampf versprochen. Das wäre natürlich auch meinem Mandanten nützlich, so dass ich mich zu einem Besuch entschlossen hatte.


    Ich klopfte laut vernehmlich gegen die Tür. Wie üblich, besuchte ich meinen Mandanten in Toga. Es gab kaum ein anderes Kleidungsstück, welches den offiziellen Charakter meiner Besuche unterstrich.

    "Natürlich kann ich das. Es ist eigentlich ganz einfach. Die Polis hat ein Gesetz, das die Gefährdung des öffentlichen Friedens mit Verbannung aus der Polis bestraft. Die Dauer der Verbannung wurde nie festgeschrieben. Was nicht im Gesetz festgelegt ist, kann durch das Gericht wenigstens für den Einzelfall festgelegt werden. Die Voraussetzungen für eine Gefährdung des öffentlichen Friedens ist im Recht der Polis auch sehr schwammig formuliert. Wenn eine Mehrheit des Magistrates der Polis aber der Auffassung ist, dass eine Gefährdung vorliegt, genügt das. Natürlich hätte der Augustus oder sein Praefectus ein Veto-Recht gehabt, aber das wurde nicht genutzt. So einfach kann es sein."


    Ich nahm einen Schluck Wein und ließ Stilo einen Moment Zeit zum Nachdenken, bevor ich weitersprach.


    "Im Gegensatz dazu verlangt der Codex Iuridicialis klare Beweise für die Schuld und ein verwirklichtes Verbrechen. Hier greift der Grundsatz 'Im Zweifel für den Angeklagten'. Entsprechend war das Verfahrens nach alexandrinischem Recht sehr viel einfacher, wenn auch weniger ausgeglichen. Ehrlicherweise gebe ich unserem römischen Recht den Vorzug. Ich muss aber zugeben, dass das alexandrinische Recht besser zur Gefahrenabwehr geeignet ist. Man könnte es auch so ausdrücken, dass römisches Recht den einzelnen Bürger schützt, während alexandrinisches Recht die Bürger als Gesamtheit schützt. Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied."

    "Ein interessantes Gesellschaftsmodell. Ideal auf militärische Belange ausgelegt. Und, wenn ich das richtig deute, liegt hierin auch die Schwäche. Durch eine vernichtende Niederlage, so wie sie Sparta, wenn auch gegen eine Übermacht, erleiden musste, kann es zu einer Destabilisierung der Gesellschaft kommen. Die neue Ordnung führt dann zwangsläufig zu einem Niedergang der alten Ordnung. Ich fürchte, dass du deshalb richtig liegst und der Geist Spartas stirbt. Das ist durchaus bedauerlich, weil es wohl äußerst selten ist, dass sich ein Staat so vollständig einem Ziel verschrieben hat. Mir ist zumindest kein anderes Beispiel bekannt. Selbst Athens streben nach Wissen und Kunst war nicht in dieser Konsequenz. Ich danke dir für deine Erörterungen."


    Vielleicht war es ja Roms Stärke, genau diese 'schnöde Außenpolitik' so zur Perfektion zu bringen, wie Sparta das Kriegerwesen zur Perfektion gebracht hatte? Dann kam mir aber noch ein Gedanke.


    "Vielleicht hat Sparta aber auch schlichtweg den Zeitpunkt verpasst, seinen Geist nach seinen Regeln zu verändern?"

    Ich nickte.


    "Dann werde ich mein Bestes geben, Patrone. Hast du noch Fragen oder Wünsche?"


    Es war schon ein wenig erstaunlich, wie leicht es mir fiel, Annaeus Florus als Patron anzusprechen. Mein Vater wäre sicher enttäuscht, doch war ich nicht mein Vater. Ich musste meinen eigenen Weg gehen, nicht den meines Vaters. Und wenn mir mein Patron ein Wegweiser und Begleiter sein würde, dann würde ich meinen Weg auch finden. Was auch immer der göttliche Logos für mich vorgesehen hatte, ich war mir sicher, dass ich mich mit der Hilfe meines Patrons nicht auf dem Weg meines Lebens verlaufen würde.

    "Für die Unterstützung werde ich sorgen wissen. Deine Wahl käme mir in einem Fall auch sehr gelegen. Meinst du, dass es dir nützen könnte, wenn ich vielleicht einen Mandanten von mir davon überzeugen könnte, eine Cena für dich auszurichten und ein paar Patrizier und andere hochgestellte Gäste einzuladen?"

    Ich hörte aufmerksam zu. Meine Frage wurde zu meiner Zufriedenheit beantwortet.


    "Danke für die Antwort, Senator. Die Wasserversorgung ist etwas, das mich noch aus meinen früheren Studienjahren interessiert. Und erloschen ist das Interesse bis heute nicht. Vielleicht ergibt sich ja irgendwann ein Posten in der Wasserverwaltung für mich. Wenn ich mir einen Namen als Jurist gemacht habe vielleicht. Meine Bildung ist recht umfassend, was man nach zehn Jahren am Museion aber auch erwarten können sollte."


    Das ich zu den besten Studenten gehörte, erwähnte ich nicht. Das würde Annaeus Florus Minor auch selbst herausfinden, wenn es ihn interessierte.


    "Ich habe noch viele Fragen und wenig Antworten, doch schulde ich dir zunächst eine Antwort auf eine Frage, die bei meinem Besuch auch im Raum steht, ja von vornherein im Raum stand. Du hast bereits angeboten, mich als Klienten zu akzeptieren. Und nach unseren Gesprächen des heutigen Abends denke ich, dass du der richtige Patron für mich sein könntest. Sofern du deine Meinung nicht geändert hast, würde ich mich, geehrt fühlen, wenn ich mich zu deinen Klienten zählen dürfte."

    Welches Verbrechen er wohl begangen hatte? Ich würde ihn das irgendwann fragen, aber noch nicht jetzt. Andere Dinge interessierten mich mehr, zumal er ja ein zuverlässiger Sklave zu sein schien.


    "Was mich an Sparta interessiert, ist vor allem die Gesellschaftsstruktur. Ich habe nie so richtig verstanden, in welche Klassen die Menschen in Sparta eingeteilt sind und welche Rechte und Pflichten damit einhergehen. Auch würde mich interessieren, wie wir Römer dort eingeordnet werden. In Alexandreia sind wir ja besipielsweise als Proxenoi den Polites gleichgestellt. Und die Gesetze Spartas interessieren mich ebenfalls. Sind sie schriftlich niedergelegt? Wer beschließt sie? Wer sitzt zu Gericht? Gibt es spezialisierte oder gewählte Richter?"

    "Wenn ich mich nicht irre, bist du für den Bau eines neuen Aquädukts verantwortlich. Das ist eine gute Sache, weil es das Leben vieler Römer verbessern wird. Allerdings gibt es eine Sache, die ich mich frage."


    Ich ließ eine kurze rhetorische Pause.


    "Nun ist es ja so, dass für jede Amphore Wasser, die in die Stadt hineinkommt, auch eine Amphore wieder heraus muss. Allerdings ist mir nichts bekannt geworden, dass die Kanalisation auch ausgebaut wird. Lediglich die Baustellen des Aquädukts sind in aller Munde. Daher würde mich interessieren, ob die Kapazität der Kanalisation vorab geprüft wurde. Oder soll das noch geschehen? Oder wurde es vergessen?"