Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Ich hatte mir alles angehört. Secundus war recht aufbrausend, was ihm irgendwann einmal zum Verhängnis werden würde. Für die aktuelle Übung war das aber irrelevant.


    "Die Anklage stützt sich auf zwei Punkte. Einerseits die Herkunft des Leichnams, und andererseits einen Leichenfrevel. Die Verteidigung verneint eine Rechtsgrundlage zur Klage. Was die Ermittlung der Herkunft der Leiche anbetrifft, so ist ein Gericht noch nicht zuständig. Dieses bedarf weitergehender Ermittlungen, welche in der Kompetenz der verantwortlichen Offiziere liegen. Die Anweisung, Lucius und seine Kameraden zu arrestieren, wird noch von der Befehlsgewalt eines direkt vorgesetzten Offiziers gedeckt. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dies sei der Fall. Der Arrest während der Untersuchung erscheint somit gerechtfertigt. Eine Unterbrechung des Prozesses wäre nicht gerechtfertigt, vielmehr wäre bei einer Herkunft der Leiche aus einer Straftat erneut Klage mit konkreter Benennung der Straftat einzureichen. Für den ersten Punkt ist die Abweisung der Klage somit erfolgreich, weil der Sachverhalt noch nicht klagereif ist."


    Nachdem ich so beiden im ersten Punkt Recht geben musste, ging es um den zweiten Punkt.


    "Allerdings lässt sich die Klage für den zweiten Punkt nicht abweisen. Zweifelsfrei wurde eine Leiche im Contubernium des Lucius über einen längeren Zeitraum aufbewahrt. Hier ließe sich eine Analogie zu Tabula X, Lex XII Tabularum, herstellen. Das Verbot, einen Toten innerhalb der Stadt zu begraben, ist in diesem Fall weit auszulegen, da auch die Aufbewahrung im Contubernium als Begräbnis zu werten ist und das Feldlager durchaus als einer Stadt gleich zu betrachten ist. Allerdings wurde keine Klage auf Grund eines Verstoßes gegen Tabula X, Lex XII Tabularum, erhoben. Dies führt aber nicht zu einer Abweisung der Klage, da als Klagegrund ein Leichenfrevel genannt wurde. Dieser findet sich im Pontifikalrecht, aber auch im Mos Maiorum. Eine ordnungsgemäße Bestattung hat außerhalb des Pomeriums oder anderer sakraler Grenzen, zu denen auch die Grenzen eines Feldlagers gehören, nach angemessener Zeit nach Eintritt des Todes zu erfolgen. Wenn man sich also mehr als sieben Tage Zeit lässt und auch offenkundig plant, sich länger Zeit zu lassen, so begeht man einen Verstoß, der zur Gefährdung der Pax Deorum führt. Hiermit gefährdet man fahrlässig die Sicherheit der Einheit, vielleicht sogar des Imperium Romanum. Ein Vergehen gegen die Pax Deorum ist entsprechend der üblichen Rituale zu sühnen. Die Sühne soll geeignet sein, die Götter zu besänftigen. Daher soll Lucius dazu verurteilt sein, die Bestattung der Leiche vollumfänglich zu finanzieren. Außerdem soll Lucius den Göttern der Unterwelt auf eigene Kosten einen schwarzen Stier opfern. Durch die Mitwisserschaft des Contuberniums haben sich diese Kameraden ebenfalls schuldig gemacht. Daher wird der Rest des Contuberniums dazu verurteilt, kollektiv einen schwarzen Stier zur Besänftigung der Götter der Unterwelt auf eigene Kosten zu opfern."


    Ich sah beide an.


    "Fragen zu dem Urteil?"

    Der Codex Militaris war definitiv nicht meine Stärke. Aber das musste er auch nicht sein. Allerdings kam mir gerade eine Idee.


    "Nutzen wir das Ganze doch für eine praktische Übung. Aemilius, formuliere eine Klage gegen den Soldaten, der die Leiche gebunkert hat. Die Klage soll auf dem Codex Militaris basieren. Nennen wir den Soldaten einfach mal Lucius, damit wir auch einen Namen haben. Bedenke dabei, dass du die Klage begründen musst. Bedenke auch, dass du ein Strafmaß fordern und begründen musst. Matinius, du kannst dann eine Verteidigung für Lucius formulieren. Dein Vorteil ist, dass du auf die Formulierung der Klage reagieren kannst."


    Nachdem diese Form von Klageerhebung und Erwiderung klar formuliert wurde, blieb mir nur noch eins.


    "Aemilius, als Kläger hast du das Wort."

    Ich freute mich, dass meine Schüler auch untereinander eifrig diskutierten.


    "Ob die Dezimierung eine angemessene Strafe gewesen wäre, müsste nach den Umständen des Einzelfalles bemessen werden. Ganz unzweifelhaft ist aber Mitwisserschaft als Mittäterschaft zu werten. Wer einen Verstoß nicht meldet, macht sich mitschuldig. Und zum Schluss ist noch anzumerken, dass die Einschränkung des Beschwerderechts für Soldaten natürlich der Disziplin der Truppen dient. Der Kaiser muss der Ernennung eines jeden Offiziers zustimmen. Die Männer sind also persönlich vom Kaiser ernannt. Wenn man nun den Soldaten erlauben würde, die Führungskompetenz der Offiziere durch Beschwerden beim Kaiser zu hinterfragen, dann würde man ja faktisch behaupten, dass der Kaiser eine schlechte Auswahl treffen würde. Diese Vorstellung ist aber absurd! Also, ganz einfach, Offiziere führen die unteren Ränge und die unteren Ränge können sich bei ihren Offizieren beschweren, aber nicht beim Kaiser. Außerdem muss eine Armee vor allem eins: Funktionieren. Den einfachen Soldaten das Recht der Appellatio einzuräumen, würde die Effizienz der Führung verringern."

    Ich nickte.


    "Grundsätzlich ja, aber natürlich kann es auch sein, dass der Kaiser einen Fall wegen seiner Sachlage für so wichtig hält, dass er ihn selbst verhandeln möchte. Und die Appellatio steht im Prinzip jedem Bürger offen. Allerdings muss uns klar sein, dass sich der Kaiser nicht um jede Appellatio kümmern kann. Deshalb landen die Fälle zuerst in der kaiserlichen Kanzlei, werden dort von den zuständigen Beamten nach Bedeutung geordnet und mit Empfehlungen zur Ablehnung oder Annahme versehen an den Kaiser weitergeleitet. Man muss sich das so vorstellen, dass die Beamten die Vielzahl der Fälle prüfen und danach in Zusammenfassung dem Kaiser vorlegen. Dass ein Beamter dabei auch auf die Bedeutung der Person achtet, sollte logisch sein. Allerdings können durchaus auch Fälle von großem Interesse vorliegen, obwohl die beteiligten Personen völlig unbedeutend sind. Man muss sich aber im Klaren darüber sein, dass so etwas vielleicht bei einem Fall aus einer Million vorkommt, während Fälle mit bedeutenden Personen sehr oft auch von großem Interesse sind. Erstens, weil die Personen selbst von Interesse sind, und zweitens, weil bedeutende Personen auch mehr Schaden anrichten können, als unbedeutende Personen."


    Nun hatte ich recht viel gesagt, obwohl eine einfache Zustimmung auch gereicht hätte.


    "Betrachte meine etwas längere Antwort bitte als Vertiefung deiner Anmerkung. Wie gesagt, im Grundsatz richtig."


    Secundus würde bei seinem Verständnis der Juristerei sicher einmal einen guten Praetor abgeben. Natürlich vorausgesetzt, dass er sich dann noch an das Gelernte erinnerte.


    "Vielleicht noch ein wichtiger Hinweis für deine eigene Laufbahn: Je höher die Ämter, desto wichtiger sind gute Berater. Denn genau das sind auch die kaiserlichen Beamten: Berater, die dem Kaiser Detailarbeit abnehmen, damit er sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren kann."

    "Gut, dann werden wir uns jetzt noch der letzten, höchsten und wichtigsten Instanz der Rechtsprechung widmen. Dem Imperator Caesar Augustus."


    Das war meiner Meinung nach die beste Zusammenfassung des kaiserlichen Gerichts.


    "Sehen wir uns an, was dem Kaiser diese besondere Stellung gibt. Naturgemäß lohnt sich hierzu ein Blick in die Gesetze und rein intuitiv würde man zuerst in die Lex Aquilia de Imperio schauen. Schließlich ist es das Stammgesetz für alle Rechte des Kaisers. Und hier werden wir auch fündig, nämlich in Artikel VIII. Ich zitiere: 'Er erhält das Recht, kraft seiner Cognitio Extraordinaria jeden Prozess eines Iudicium Privatum oder Publicum an sich zu ziehen, Richter nach seinem Dafürhalten einzusetzen. Urteile dieser Gerichte kann nur der Imperator Caesar Aquilius Augustus aufheben.' Sehen wir uns hierzu den ersten Satz an. Das Iudicium Privatum ist nach § 19 Absatz 1 Codex Iuridicialis für Verbrechen und Schwerverbrechen zuständig. Das Iudicium Privatum ist nach § 19 Absatz 2 Codex Iuridicialis für alle anderen Rechtsstreite zuständig, mit den Ausnahmen des § 19 Absatz 4 Codex Iuridicialis, den wir soeben besprochen hatten. Zur Sicherheit wird in § 19 Absatz 3 Codex Iuridicialis noch einmal das Recht des Kaisers aus Artikel VIII Lex Aquilia de Imperio wiederholt. Das bedeutet, vereinfacht gesagt, dass der Kaiser alle Prozesse der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die nicht unter das Senatsprivileg des § 19 Absatz 4 Codex Iuridicialis fallen, an sich ziehen kann und entweder selbst, oder durch von ihm ernannte Richter, verhandeln lassen kann. Der zweite Satz sorgt dafür, dass allein der Kaiser die Urteile dieser von ihm eingesetzten Gerichte aufheben kann. Logischerweise hat ein Kaiser besseres zu tun, als wahllos Prozesse an sich zu ziehen. Der Sinn dieses Gesetzes besteht deshalb vor allem darin, dass der Kaiser Fälle von besonderer Bedeutung abschließend entscheiden lassen kann. Das macht ihn in diesen Fällen zur letzten Instanz.


    Zugleich ist der Kaiser aber auch die höchste Instanz. Das geht aus § 42 Absatz 3 Codex Universalis hervor. Ich zitiere: 'Gegen jedes Gericht oder sein Urteil kann vom Angeklagten oder Kläger an den Imperator Caesar Augustus appelliert werden. Dieser kann die Appellation abweisen, oder die laufende Verhandlung abwenden, oder beenden, oder ein bereits ergangenes Urteil aufheben und neu verhandeln lassen. Die Form der Neuverhandlung erfolgt dabei nach den kaiserlichen Bestimmungen.' Was bedeutet das konkret? Die Antwort ist recht einfach. Der Kaiser ist die Berufungsinstanz. Und weil eine Neuverhandlung automatisch nach den kaiserlichen Bestimmungen, also automatisch im Sinne des Artikel VIII Lex Aquilia de Imperio, abläuft, greift auch die abschließende Regelung aus Artikel VIII Lex Aquilia de Imperio. Der Sinn dieser Appellationsregel besteht darin, dass ungerechte Urteile korrigiert werden können und gerechte Urteile abschließend bestätigt werden können.


    Weil der Kaiser zugleich letzte und höchste Instanz der Rechtsprechung ist, ist er auch die wichtigste Instanz. Durch seine Urteile setzt er den Maßstab der Rechtsauslegung und ermöglicht so eine dauerhafte und in sich schlüssige Rechtsprechung. Praetores haben diese Möglichkeit nicht, weil sie erstens keine Berufungsinstanz sind und zweitens nur für ein Jahr amtieren, was eine Kontinuität unmöglich macht. Für die Schaffung von Rechtssicherheit ist es aber notwendig, dass ein lang amtierender und mit Weitsicht agierender Kaiser eine Kontinuität in die Rechtsprechung bringt. Noch eine Anmerkung zum Schluss. Als Oberkommandierender des Exercitus Romanus hat der Kaiser natürlich auch für die Soldaten die finale und höchste Rechtsprechungskompetenz. Gibt es Fragen zur kaiserlichen Rechtsprechung?"

    Wie man freiwillig die Gartenarbeit selbst erledigen konnte, anstatt sie nur zu dirigieren, war mir immer noch nicht ganz verständlich. Andererseits schien es Scato glücklich zu machen, so dass es zumindest für diesen eine nachvollziehbare Aktivität war. Der Tee roch gut, so dass ich mit einem Lächeln annahm.


    "Gerne, ich danke dir."


    Während ich mich setzte, überlegte ich, ob ich direkt mit der Tür ins Haus fallen sollte. Doch letztlich entschied ich mich, das Gespräch zwar kurz zu halten, aber den Gepflogenheiten der Höflichkeit zu entsprechen.

    Da meine Reisevorbereitungen weitgehend abgeschlossen waren, wollte ich mich schon einmal bei Scato verabschieden. Außerdem wollte ich ihn noch um Gefallen bitten. Da das Wetter gerade gut war, hoffte ich, ihn im Garten zu finden. Diese Hoffnung war berechtigt, wie ich schnell herausfand. Ich traf Scato an, während er im Garten arbeitete.


    "Salve, Scato, ich hatte gehofft, dich hier zu finden. Ich hoffe, dass ich dich nicht störe. Hast du einen Moment Zeit?"

    Da keine Fragen kamen, schien alles klar zu sein.


    "Dann wenden wir uns jetzt noch einem Sonderfall zu. Diesen finden wir in § 19 Absatz 4 Codex Iuridicialis. 'Wird ein Delikt gegen die Amtspflicht von einem durch den Senat gewählten oder eingesetzten Magistrat oder Promagistrat begangen, ist der Senat als Gericht sachlich zuständig. Ebenfalls können die Consuln Prozesse wegen Hochverrat, dem Zutrittsverbot für ausländische gesalbte Herrscher innerhalb des Pomeriums, Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot, Staatsfeindliche Verunglimpfung von Reichsorganen und Landesverrat vor dem Senat verhandeln lassen.' Wir erkennen hieran zwei grundsätzliche Zuständigen des Senats als Sondergericht. Zum einen ist er für die Verhandlung aller Delikte gegen die Amtspflichten der Magistrate und Promagistrate, die durch den Senat gewählt oder eingesetzt wurden, zuständig. Das betrifft insbesondere die Ämter des Cursus Honorum. Das heißt, wenn ein entsprechender Amtsträger einer Pflichtverletzung im Amt bezichtigt wird, so ist die Klage vor dem Senat einzubringen. Die entsprechenden Delikte finden sich vor allem in den §§ 112 bis 116 Codex Iuridicialis. Es können aber auch beliebige andere Delikte in Frage kommen, so lange sie in Verbindung mit einem der genannten Paragraphen stehen. Ein Beispiel wäre § 79 in Verbindung mit § 113 Codex Iuridicialis, wenn ein Gegner ohne Rechtsgrundlage von einem amtierenden Magistrat weggesperrt wird. Das könnte beispielsweise ein Praetor sein, der sich dieses Vergehens schuldig macht. Der Fantasie sind hier wenig Grenzen gesetzt."


    Nachdem ich einen Schluck Wasser nahm, fuhr ich mit meinen Ausführungen fort.


    "Die andere Zuständigkeit entsteht im Ermessen der Consules. Wenn diese der Meinung sind, dass ein Fall aus der aufgeführten Liste staatsgefährdender Delikte vor dem Senat verhandelt werden sollte, können sie den Fall vor dem Senat verhandeln lassen. Das wird aber eher selten geschehen. Den Grund dafür lernen wir in Kürze ebenfalls kennen. Fragen hierzu?"

    "Zum Ableiten von Handlungsanweisungen sind die Offiziere da. Diese müssen unter den Codex Militaris unter Würdigung der anderen Gesetze und des Mos Maiorum auslegen. Darauf basierend müssen dann Befehle ausgegeben werden. Was wir hierbei bedenken müssen, ist die Vielseitigkeit der Feinde des Imperiums. Deshalb ist der Codex Militaris sehr vage formuliert, um Freiräume zu schaffen, auf unerwartete Sachverhalte reagieren zu können."


    Das war zumindest meine Meinung zur geäußerten allgemeinen Kritik am Codex Militaris.


    "Was loyale Römer und loyale Peregrini anbetrifft, so muss man zunächst die allgemeine Hierarchie der Bürgerrechte beachten. Grundsätzlich ist römisches Recht als Ius Civile einzuordnen. Wie der Begriff sagt, handelt es sich um das Recht der Bürger. Es soll also zunächst alles regeln, was römische Bürger betrifft. Allerdings muss erwähnt werden, dass wir Römer aus dem Mos Maiorum und aus praktischen Erwägungen auch den bei uns lebenden Peregrini sehr viele unserer Rechte gewährt haben, so dass auch unsere Gesetze ebenfalls zu Gunsten und auch zu Ungunsten der Peregrini gelten, sofern es nicht so geregelt ist, dass nur Römer begünstigt sind. So dürfen beispielsweise nur Römer Equites oder Senatoren werden und nur Römer dürfen den Legionen beitreten. Auch innerhalb der römischen Bürgerschaft sind bestimmten Gruppen spezielle Privilegien vorbehalten. So dürfen nur Patrizier bestimmte Ämter antreten und nur Mitgliedern des Ordo Senatorius ist es erlaubt, den Cursus Honorum zu beschreiten. Gehen wir nun zurück zu deiner konkreten Frage. Grundsätzlich dürfen loyale Peregrini genauso wenig geschädigt werden, wie loyale Römer. Wenn aber eine Schädigung unvermeidbar ist, dann sollte eher der loyale Peregrinus geschädigt werden, als der loyale Römer. Weil es eben immer noch das Recht von uns Römern ist."


    Mit der finalen Auslegung musste ich Sabaco noch einmal die Auslegungsregeln näher bringen.


    "Was deine wörtliche Auslegung des Codex Militaris anbetrifft, hast du mit deinem Beispiel des unbewaffneten Wahnsinnigen recht. Wir erkennen aber deutlich, dass das Ergebnis widersinnig wäre. Folglich können wir in diesem Fall nicht an der wörtlichen Auslegung festhalten. Sie würde sich auch nicht in die bestehende Systematik unseres Rechtssystems einfügen. Ich verweise hier auf den § 50 Codex Iuridicialis. Wenn aber dieser jedem Römer die Notwehr, auch zum Schutz anderer, erlaubt, dann kann der Codex Militaris dahinter nicht zurückbleiben. Eine Lösung lässt sich hierbei in der Auslegung nach dem Zweck der Rechtsnorm finden. Der Zweck besteht nämlich in einer erweiterten Straffreiheit der unter Kriegsrecht handelnden Soldaten. Während der Codex Iuridicialis eine gegenwärtige oder unmittelbar drohende Tat verlangt, erlaubt der Codex Iuridicialis auch dann schon ein Handeln, wenn ein Feind lediglich anwesend ist, ohne konkret Straftaten zu verüben oder diese offensichtlich verüben will. Dann muss ein Soldat aber auch erst recht handeln können, wein ein zwar unbewaffneter Feind gegenwärtig oder unmittelbar drohend Straftaten begeht. Weil also der zweckmäßige Kern der zitierten Rechtsnorm des Codex Militaris eine erweiterte Straffreiheit unter Kriegsrecht ist, sind ohnehin durch das Gesetz für alle Einwohner des Imperiums straffrei gestellte Handlungen zwangsläufig erst recht unter Kriegsrecht für Soldaten straffrei. Soweit alles klar?"

    Die Frage nach dem wann hatte ich inzwischen für mich beantwortet. Sobald der Cursus Iuris abgeschlossen sein würde. Also sehr bald. Und das wie war auch klar. Erst einmal nach Rom, dann nach Antiochia und von dort immer weiter nach Osten. Nun musste ich nur noch ein paar Vorbereitungen treffen. Eine davon war es, eine Totenmaske von mir zu nehmen. Nur zur Sicherheit, falls ich nicht aus der Ferne zurückkehren sollte. Diese Maske dürfte Matidia sicher niemals sehen, doch Scato wollte ich sie anvertrauen.

    Ich nickte zustimmend, als Secundus die Frage Sabacos beantwortete. Mir gefiel es, wie sich Secundus entwickelt hatte. Seine Argumentation war zweckmäßig und zeugte von Ausgewogenheit. Er würde sicher einmal einen guten, wenngleich etwas eigenwilligen, Praetor abgeben.


    "Das Wesentliche hat Aemilius bereits beantwortet. Dem muss man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Aber wir können natürlich auch noch einmal in den Codex Militaris schauen. Dort steht 'Unter Kriegsrecht wird nicht bestraft, wer bewaffnete Feinde des Reiches oder deren aktive Helfer festnimmt, schädigt oder tötet.' Mehr findet man dort nicht als Rechtsfolgen. Heißt, dass bewaffnete Feinde und deren Helfer natürlich geschädigt werden dürfen. Heißt im Gegenzug natürlich auch, dass loyale Römer nicht geschädigt werden dürfen. Streng genommen dürfte also noch nicht einmal Getreide beschlagnahmt werden. Andererseits hat die Kampfkraft der Armee Vorrang vor persönlichen Profiten. Zwischen beidem ist ein Ausgleich herzustellen, den Aemilius bereits trefflich formuliert hat. Noch Fragen?"

    Auch das war eine gute Frage.


    "Nun, sehen wir uns doch einmal an, was der Codex Militaris dazu sagt."


    Damit überspielte ich, dass ich es nicht wusste. Alles konnte man nicht wissen. Aber immerhin wusste ich, wo es steht. Ich ging zum Regal und holte eine Rolle mit dem Codex Militaris heraus, die ich entrollte.


    "Nun, hier steht es: 'Es wird für namentlich benannte Provinzen durch den Imperator Caesar Augustus ausgerufen und gilt für alle auf dem Gebiet dieser Provinzen befindlichen Mitglieder des Exercitus Romanus. Bei akuter Gefahr für das Imperium Romanum kann es auch von einem Statthalter ausgerufen werden.' Das sollte deine Frage beantworten, wer festlegt, wann und wo Frieden herrscht. Natürlich könnte der Kaiser auch festlegen, dass das ganze Imperium im Krieg ist. Aber das ist bisher nur sehr selten geschehen."


    Ob allerdings in Germanien Kriegsrecht herrschte, war eine Frage, die ich nicht beantworten konnte.


    "Typischerweise geschieht die Erklärung des Kriegsrecht mindestens per Bekanntmachung. Allerdings wüsste ich jetzt nicht, ob es eine entsprechende Bekanntmachung für Germania Superior gibt. Allerdings haben Soldaten auch unabhängig vom Kriegsrecht die Pflicht, erkannte Feinde zu bekämpfen, denn..." Ich überflog den Codex Militaris noch einmal. "Ah ja, hier, 'Sie haben... immer und überall das Reich und den Imperator Caesar Augustus tapfer gegen jedweden Feind zu verteidigen'. Das macht natürlich noch kein Kriegsrecht aus, sollte aber meiner Meinung nach eine Behandlung der Soldaten in Analogie zum Kriegsrecht ermöglichen, wenn sie an einer Grenze stationiert sind. Vor allem dann, wenn die Grenze zu solchen aggressiven Barbaren, wie den Germanen, verläuft. Beantwortet das deine Fragen?"


    Ich hoffte es, denn der Codex Militaris war nicht unbedingt meine Stärke.

    "Üblicherweise klagt der Pöbel grundsätzlich nicht, weil er zwar gerne vor Gericht geht, aber als Publikum und nicht als Kläger. Damit bleiben für so etwas, wie du richtig erkannt hast, nur Zivilisten höherer Stellung. Oft geht es dabei um die Schädigung von Rechten an Grund und Boden. Wenn zum Beispiel die Legion eine Straße baut und dabei das Grundstück eines Zivilisten ohne vorherige Enteignung oder Entschädigung zerteilt. Oder wenn der vereinbarte Preis für eine große Menge Getreide nicht bezahlt wird. Da reden wir dann nicht von ein paar Sesterzen, sondern eher von einigen Hundert Aurei. Also, um die Frage zu beantworten: Eine Klage gegen einen Soldaten findet man, wenn überhaupt, nur in Provinzen und dort auch nur dann, wenn jemand von Einfluss es überhaupt wagen kann, vor dem Statthalter Klage einzureichen und ihn so möglicherweise gegen sich aufzubringen. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass jeder Statthalter, der etwas auf sich hält, die Klage in eine Beschwerde umwandeln wird und das Ganze nach dem normalen Militärrecht behandelt. Denn seien wir ernsthaft, wer will schon die Büchse der Pandora öffnen und Klagen gegen Soldaten Tür und Tor öffnen?"

    Das war scheinbar nicht der Fall.


    "Gut, dann bewegen wir uns einmal weg aus Italien und sehen uns die Provinzen an. Was das Militär anbetrifft, so haben wir keine Änderungen gegenüber dem Gesagten. Allerdings sieht es mit der Gerichtsbarkeit im Zivilen etwas anders aus. Es wäre sicher unpraktisch, wenn die Praetores und Aediles sich auch um die Rechtsprechung in den Provinzen kümmern müssten. Deshalb sind dort die Statthalter zuständig. In den Provinciae Populi Romani sind das die Proconsules, in den übrigen Provinzen außer Ägypten die Legati Augusti pro Praetore, und in Ägypten der Praefectus Aegypti. Abgesehen vom anderen Amt gilt das Gleiche, das auch für die Praetores und Aediles gesagt wurde. Allerdings gibt es noch eine Kleinigkeit, die hinzu kommt. Die meisten Statthalter haben auch den Oberbefehl über die Truppen in ihrer Provinz. Das bedeutet auch, dass man sich als Zivilist, der von einem Soldaten geschädigt wurde, in den Provinzen direkt an den jeweiligen Statthalter wenden kann. Da er zivile und militärische Gerichtsbarkeit in sich vereint, kann er den Fall auch entsprechend verhandeln oder verhandeln lassen. Gibt es Fragen zur Gerichtsbarkeit in den Provinzen?"

    Der Dank des Aemiliers machte mich ein wenig verlegen. Ich war es nicht gewohnt, dass man mir so sehr dankte.


    "Ich danke für dein Lob, Aemilius. Ich muss aber auch sagen, dass es mir bei guten Schülern leicht fällt, selber gut zu unterrichten. Und in diesem Cursus habe ich besondere Freude am unterrichten."


    Ich lächelte kurz.


    "So, nun aber wieder zurück zum Thema. Zuständigkeiten. Im Militär sind die Zuständigkeiten etwas anders verteilt. Hier sind die Offiziere für die Einhaltung der Gesetze verantwortlich. Dabei gilt für Soldaten grundsätzlich der Codex Militaris - und zwar ausschließlich. Das heißt, dass ein Soldat nicht vor der zivilen Gerichtsbarkeit verklagt werden kann. Zivilisten können lediglich an die Offiziere der Einheiten appellieren, um ihre Rechte einzuklagen. Offiziere wiederum können nur vor dem Kaiser verklagt werden. Die Offiziere oder im Fall von straffälligen Offizieren der Kaiser haben eine weite Entscheidungskompetenz bei der Festlegung von Strafen. Hierbei müssen sie einerseits dafür sorgen, dass die Strafe abschreckend wirkt, aber andererseits müssen sie auch beachten, dass die Einheiten einsatzfähig bleiben und die Disziplin erhalten bleibt. Prinzipiell können auch Todesstrafen verhängt werden, aber das darf nur der Kaiser.


    Für einen durch einen Soldaten geschädigten Zivilisten ist es also erforderlich, sich an den vorgesetzten Offizier der Einheit zu wenden. Normalerweise weiß man nicht, wer das ist, deshalb kann man sich auch an den Kommandeur der Einheit wenden. Wichtig ist, dass man genau darlegt, wie man geschädigt wurde. Typischerweise erhält man dann Schadensersatz. Auf die Bestrafung der Soldaten hat man keinen Einfluss, diese wird durch die zuständigen Offiziere oder den Kaiser festgelegt werden.


    Anders sieht es aus, wenn man als Zivilist einen Soldaten angreift. Dann gilt prinzipiell das Kriegsrecht und der Soldat darf sich mit Waffengewalt verteidigen. Schädigt man die Truppen hingegen im Frieden lediglich finanziell, zum Beispiel durch Diebstahl oder Betrug, so sind die zivilen Gerichte zuständig, vor denen die Truppen Klage einreichen müssen. Im Krieg hingegen fällt das unter Kriegsrecht und die Offiziere können direkt entscheiden. Dabei müssen sie aber beachten, dass die Strafen gesellschaftlich akzeptabel sind und gleichzeitig abschreckend wirken. Die Cohortes Praetoriae und die Cohortes Urbanae stehen übrigens immer unter Kriegsrecht, das ist bei diesen Einheiten stets zu beachten.


    Fazit zur Armee: Grundsätzlich sind die Offiziere für die Rechtsprechung zuständig, nur über Offiziere darf allein der Kaiser richten. Todesurteile darf allein der Kaiser aussprechen. Die Strafen gegen Soldaten und Offiziere sollen abschreckend sein, aber gleichzeitig die Schlagkraft der Truppe nicht dauerhaft schädigen. Außerdem muss die Disziplin aufrecht erhalten werden. Wenn Zivilisten involviert sind, muss beachtet werden, ob man sich im Kriegsrecht oder im Frieden befindet. Klagen gegen Angehörige des Exercitus Romanus sind immer bei den zuständigen Offizieren oder dem Kaiser einzureichen, Klagen gegen Zivilisten sind im Frieden vor den Zivilgerichten zu verhandeln und im Krieg vor dem zuständigen Kriegsgericht.


    Gibt es Fragen zu den Grundzügen des Militärrechts?"

    Da sich niemand meldete, ging ich die Liste der Zuständigkeiten weiter durch.


    "Eine weitere Zuständigkeit findet sich bei den Aediles. Das mag jetzt überraschen, aber in der Praeambel der Lex Mercatus findet sich der Satz 'Klagen wegen Verstoßes gegen die Lex Mercatus können vor dem Aedil erhoben werden.' Das ist zum einen eine Einschränkung. Nur das, was in der Lex Mercatus geregelt ist, kann vor dem Aedil verhandelt werden. Damit sind die Klagen auf Verträge und auf den Betrieb von Gewerbe beschränkt. Zum anderen ist der Wortlaut wichtig. Hier steht 'kann'. Das bedeutet, dass die Klage vor dem Aedil als Alternative zur Klage vor dem Praetor möglich ist. Zwingend ist es aber nicht. Es liegt damit auch im Ermessen des Aedils, Klagen anzunehmen, abzulehnen oder auf den Praetor zu verweisen. Grundsätzlich steht der Praetor als im Cursus Honorum höheres Amt als Berufungsinstanz zur Verfügung. Das ist zwar nicht gesetzlich geregelt, aber nach Mos Maiorum."


    Ich wandte mich nun direkt an Aemilius Secundus.


    "Wenn ich mir einen Tipp für deine Laufbahn erlauben kann: Wenn du Aedil bist, solltest du entsprechende Fälle annehmen und verhandeln. Das gibt dir die Möglichkeit, dich bereits als Richter zu profilieren und sollte es dir leichter machen, zum Praetor gewählt zu werden."


    Natürlich half es nur dann, wenn die Urteile auch gesetzeskonform und gerecht waren, aber das brauchte ich nicht erwähnen. An beide Schüler gewandt sagte ich "Gibt es Fragen zur Zuständigkeit der Aediles?"

    Mein Cubiculum war, schon auf meinen eigenen Wunsch hin, nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Das bedeutete, dass es ein Bett gab, eine Kiste für meine Sachen und - ganz wichtig und zwingend notwendig - ein Regal für meine Bücher. Diesem Regal fügte ich die heute auf dem Forum erworbenen Bücher hinzu.


    Die Karte, die sich in einem der Bücher befunden hatte, studierte ich nun genau. Sie zeigte Alexandria in Ägypten, Ephesus, Tharsus, Antiochia am Oronthes, aber auch weiter östlich gelegene Städte. Dura Europos, Babylon, die Städte Persiens, Antiochia in Parthien, Marakanda, und Alexandria Eschate. Gewässer waren eingezeichnet, aber auch Straßen und Wege, wobei genau festgehalten wurde, welche Beschaffenheit die Wege hatten. Flüsse, Gebirge, Sümpfe und Wüsten waren auch angedeutet. Es war keine maßstäbliche Karte, sondern eine Reisekarte. Sie zeigte Distanzen und Verbindungen. Die Distanz war auf das jeweils übliche Verkehrsmittel ausgelegt. Auf Gewässern waren es Tagesreisen per Schiff, auf Straßen Tagesreisen per Kamel. Hinzu kamen noch allerlei Bemerkungen über Waren, die sich gut handeln oder erwerben ließen. Ganz im Osten, hinter Alexandria Eschate, wurde ein Gebirge angedeutet. Dort stand nur der Vermerk, dass es schwierig zu überwinden sei und weiter im Osten die Heimat der Seide liegen müsse.


    Diese Karte war ein Schatz, ganz ohne Zweifel. Wenn man dem Weg der Seide folgen wollte, würde sie gute Dienste leisten. Wenn man ihm folgen wollte. Wenn ich ihm folgen wollte? Wollte ich? Der alexandrinische Gelehrte schlug durch. Ich war neugierig und ungebunden. Warum eigentlich nicht? Noch war ich jung und konnte es wagen.


    Ich grübelte dennoch eine Weile darüber, ob ich eine solche Reise wagen sollte. Was wäre mit meiner Mutter? Und mit meiner Schwester? Matidia freute sich so, dass ich hier war. Wenn ich ihr erzählen würde, dass ich eine solche Reise in Erwägung zog, die gefährlich war und jahrelang dauern könnte, wäre sie nicht begeistert. Aber ich war ich. Und ich hatte nun ja so etwas wie einen Reiseführer. Zugegeben, einen sehr rudimentären Reiseführer, dessen Nutzen fraglich war. Aber dennoch. Allein die Aussicht, mit neuem Wissen über das Land der Serer nach Alexandria zu kommen und dem Museion dieses Wissen zu schenken, würde meinen Namen unvergesslich machen. Wenn ich alles sauber aufschreiben würde, wäre eine Sammlung mit meinem Namen in der Bibliothek des Museions. Vielleicht würde man mich sogar zum Priester des Apollon und der Musen berufen.


    Je mehr ich nachdachte, umso sicherer war ich mir. Auch, nachdem ich einige Nächte hierüber geschlafen hatte, war mein Entschluss unverändert gefasst. Ich musste es wagen. Die Frage war nur, wann und wie?

    Da es keine Fragen zu geben schien, machte ich mit dem letzten Punkt für heute weiter: Zuständigkeiten. Das konnte durchaus verwirrend sein.


    "Nun gut, nachdem wir jetzt wissen, wie man juristisch argumentiert, geht es nun darum, bei der richtigen Stelle eine Klage einzureichen.


    Grundsätzlich sind die Praetores zuständig, was sich aus § 52 Absatz 1 Satz 1 Codex Universalis ergibt. Für Streitigkeiten zwischen Römern ist der Praetor Urbanus zuständig und für Streitigkeiten zwischen Römern und Peregrini oder zwischen Peregrini ist der Praetor Peregrinus zuständig. Allerdings verweist § 52 Absatz 1 Satz 2 Codex Universalis auf den Codex Iuridicialis für eine detaillierte Regelung. Diese findet sich zunächst in Pars Prima, Subpars Prima des Codex Iuridicialis.


    Betrachten wir die Zuständigkeit des Praetor Urbanus. Dieser ist aus § 52 Absatz 1 Satz 1 und 2 Codex Universalis in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Satz 1 Codex Iuridicialis und entweder § 2 Absatz 2 Satz 1 Codex Iuridicialis oder § 3 Absatz 3 Satz 1 Codex Iuridicialis für alle Fälle zuständig, die ausschließlich Römer betreffen und in Rom oder Italia verhandelt werden. Dabei ist es unerheblich, ob die verhandelten Sachverhalte innerhalb oder außerhalb des Imperium Romanum belegen sind. Wichtig ist, dass keine Peregrini als Kläger oder Beklagte betroffen sein dürfen.


    Als nächstes betrachten wir die Zuständigkeit des Praetor Peregrinus. Dieser ist aus § 52 Absatz 1 Satz 1 und 2 Codex Universalis in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Satz 2 Codex Iuridicialis und entweder § 2 Absatz 2 Satz 1 Codex Iuridicialis oder § 3 Absatz 3 Satz 1 Codex Iuridicialis für alle Fälle zuständig, die entweder Römer und Peregrini betreffen oder nur Peregrini und in Rom oder Italia verhandelt werden. Hier ist wichtig, dass die verhandelten Sachverhalte auf dem Gebiet des Imperium Romanum belegen sind.


    Zusammengefasst sind also beide Praetoren für alle Fälle zuständig, die in Rom oder Italia verhandelt werden. Der Praetor Urbanus ist dabei für solche Fälle zuständig, die ausschließlich Römer betreffen, ganz egal, wo auf der Welt der Fall entstanden ist. Der Praetor Peregrinus ist für solche Fälle verantwortlich, die Römer und Peregrini betreffen, aber nur dann, wenn diese Fälle auf dem Gebiet des Imperium Romanum belegen sind.


    Noch ein allgemeiner Hinweis: So lange man keine anderen Vereinbarungen hat und es für beide Seiten zumutbar ist, kann der Ort des Gerichts frei gewählt werden. Man kann also einen Streit über einen Kaufvertrag, der in Germanie Superior geschlossen wurde, auch in Rom verhandeln lassen.


    Gibt es Fragen zur Zuständigkeit der Praetores?"

    Da meine Schüler hier zu rätseln schienen, gab ich die Antwort.


    "Nun, natürlich hat Aulus Agerius eine Möglichkeit, auch ohne Strafbarkeit des Numerius von diesem Schadensersatz zu verlangen. Der Pfluig ist irreparabel unbenutzbar. Das kommt einer Zerstörung gleich. Daraus folgt, dass Aulus eine Klage auf Schadensersatz nach § 3 Absatz 2 Satz 2 Lex Mercatus einreichen kann. Da die Klage nach der Lex Mercatus eingereicht wird, sind wir aus dem Strafrecht heraus, folglich greift auch § 46 Cudex Iuridicialis nicht mehr. Somit haftet Numerius Negidius grundsätzlich verschuldensunabhängig. Mehr noch, seine Fahrlässigkeit ist ein Verschulden. Schließlich hat er nicht aufgepasst, was seine Pflicht als Besitzer gegenüber dem Eigentümer gewesen wäre. Gibt es hierzu Fragen?"

    So etwas in der Art hatte ich mir gedacht, wenngleich ich die Wortwahl so nicht unbedingt gutheißen konnte. Das war aber ein anderes Thema.


    "Danke. Zu deiner Antwort. Du hast richtig erkannt, dass aus § 85 Codex Iuridicialis in Verbindung mit § 46 Iuridicialis nur vorsätzliches Handeln zu einer Strafbarkeit führt. Insofern ist eine Strafbarkeit nicht gegeben, § 85 Absätze 1 und 2 Codex Iuridicialis sind nicht einschlägig. Ohne entsprechende Verurteilung ist auch § 85 Absatz 3 Codex Iuridicialis nicht einschlägig. Genau so würde eine Verteidigung aussehen. Mangeln Strafbarkeit ist die Klage abzuweisen. Hätte Aulus Agerius eine Möglichkeit, den Schaden dennoch von Numerius Negidius ersetzt zu bekommen?"


    Nun war ich gespannt.