Ich hatte mir alles angehört. Secundus war recht aufbrausend, was ihm irgendwann einmal zum Verhängnis werden würde. Für die aktuelle Übung war das aber irrelevant.
"Die Anklage stützt sich auf zwei Punkte. Einerseits die Herkunft des Leichnams, und andererseits einen Leichenfrevel. Die Verteidigung verneint eine Rechtsgrundlage zur Klage. Was die Ermittlung der Herkunft der Leiche anbetrifft, so ist ein Gericht noch nicht zuständig. Dieses bedarf weitergehender Ermittlungen, welche in der Kompetenz der verantwortlichen Offiziere liegen. Die Anweisung, Lucius und seine Kameraden zu arrestieren, wird noch von der Befehlsgewalt eines direkt vorgesetzten Offiziers gedeckt. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dies sei der Fall. Der Arrest während der Untersuchung erscheint somit gerechtfertigt. Eine Unterbrechung des Prozesses wäre nicht gerechtfertigt, vielmehr wäre bei einer Herkunft der Leiche aus einer Straftat erneut Klage mit konkreter Benennung der Straftat einzureichen. Für den ersten Punkt ist die Abweisung der Klage somit erfolgreich, weil der Sachverhalt noch nicht klagereif ist."
Nachdem ich so beiden im ersten Punkt Recht geben musste, ging es um den zweiten Punkt.
"Allerdings lässt sich die Klage für den zweiten Punkt nicht abweisen. Zweifelsfrei wurde eine Leiche im Contubernium des Lucius über einen längeren Zeitraum aufbewahrt. Hier ließe sich eine Analogie zu Tabula X, Lex XII Tabularum, herstellen. Das Verbot, einen Toten innerhalb der Stadt zu begraben, ist in diesem Fall weit auszulegen, da auch die Aufbewahrung im Contubernium als Begräbnis zu werten ist und das Feldlager durchaus als einer Stadt gleich zu betrachten ist. Allerdings wurde keine Klage auf Grund eines Verstoßes gegen Tabula X, Lex XII Tabularum, erhoben. Dies führt aber nicht zu einer Abweisung der Klage, da als Klagegrund ein Leichenfrevel genannt wurde. Dieser findet sich im Pontifikalrecht, aber auch im Mos Maiorum. Eine ordnungsgemäße Bestattung hat außerhalb des Pomeriums oder anderer sakraler Grenzen, zu denen auch die Grenzen eines Feldlagers gehören, nach angemessener Zeit nach Eintritt des Todes zu erfolgen. Wenn man sich also mehr als sieben Tage Zeit lässt und auch offenkundig plant, sich länger Zeit zu lassen, so begeht man einen Verstoß, der zur Gefährdung der Pax Deorum führt. Hiermit gefährdet man fahrlässig die Sicherheit der Einheit, vielleicht sogar des Imperium Romanum. Ein Vergehen gegen die Pax Deorum ist entsprechend der üblichen Rituale zu sühnen. Die Sühne soll geeignet sein, die Götter zu besänftigen. Daher soll Lucius dazu verurteilt sein, die Bestattung der Leiche vollumfänglich zu finanzieren. Außerdem soll Lucius den Göttern der Unterwelt auf eigene Kosten einen schwarzen Stier opfern. Durch die Mitwisserschaft des Contuberniums haben sich diese Kameraden ebenfalls schuldig gemacht. Daher wird der Rest des Contuberniums dazu verurteilt, kollektiv einen schwarzen Stier zur Besänftigung der Götter der Unterwelt auf eigene Kosten zu opfern."
Ich sah beide an.
"Fragen zu dem Urteil?"