Ich hörte Matidia zu und sah sie dabei an. Mit halbem Ohr lauschte ich aber auch dem Gespräch zwischen Stilo und Scato, doch wurde meine diesbezügliche Aufmerksamkeit immer geringer, schien Stilo doch gut und kompetent beraten zu werden. So hatte Matidia recht bald wieder meien volle Aufmerksamkeit.
"Nun ja, der Augustus war es nicht direkt. Ich hatte den Auftrag von einem Procurator. Andererseits wissen wir, dass ein Procurator seine Anweisungen nur von einer Person erhalten kann."
Ich lächelte dabei kurz wissend, sprach dann aber weiter.
"Wobei ich auch schon eine Audienz beim Augustus hatte, allerdings nicht für mich, sondern für einen Mandanten. Für den habe ich einen vollen Erfolg verzeichnet."
Ich genoss es, dass meine Schwester neben mir saß. Tatsächlich musste ich zugeben, dass ich sie vermisst hatte. Sie und meine Eltern. Briefe waren einfach kein Ersatz für Präsenz, auch wenn wir uns recht oft geschrieben hatten. Vermutlich war sogar die große Mehrheit der in Alexandria erhaltenen Briefe von Matidia gewesen. Aber bemerkte man nicht erst dann, dass etwas wichtig war, wenn man es nicht mehr hatte?
"Du wirst mir Mogontiacum zeigen müssen. Das hilft mir dann auch, mich hier zurechtzufinden."
Dieser Satz implizierte natürlich, dass ich länger hier bleiben wollte. Sonst wäre es nicht nötig, sich hier zurechtfinden zu wollen. Ich sprach das nicht aus, weil es so sehr in meiner Denkweise verankert war, dass jedes Wort eine Bedeutung hatte, dass ich mich immer wieder wunderte, wenn jemand diese logischen Schlussfolgerungen nicht haben würde.
Als sie über den Zustand unserer Mutter sprach, zeigte ich Interesse, aber keine Emotion. Natürlich machte ich mir Sorgen. Ich zeigte es aber nicht, schon um Matidia nicht zu verunsichern. Meine philosophische Ausbildung sagte mir natürlich, dass das Leben eines jeden Menschen ganz zwangsläufig mit dem Tod enden musste, doch wollte ich das jetzt lieber nicht äußern. Auch die Frage, ob es einen passenden Zeitpunkt für den Tod gab, wollte ich nicht erörtern. Statt dessen lächelte ich und drückte Matidias Hand ebenso sanft, wie sie meine Hand gedrückt hatte.
"Ich werde später noch nach Mutter sehen. Vielleicht geht es ihr dann ja besser und sie wird wieder gesund."
Das war zwar eher nicht zu vermuten, aber vielleicht half es Matidia, besser mit der Situation klarzukommen. Wie viel Hoffnung bestand, wollte ich für mich entscheiden, wenn ich unsere Mutter gesehen haben würde und mit Scato gesprochen haben würde.