Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Nachdem ich mein Anliegen offenbart hatte, entstand eine flüchtige Pause, die ihr Ende in einem amüsierten, aber keineswegs unsympathischen Lachen des Hausherrn fand. Auf diese Reaktion war ich keineswegs gefasst gewesen. Ich gab daher meine um eine Winzigkeit vorgebeugte Haltung auf und lehnte mich an. Erneut spürte ich eher Entspannung als Anspannung, die letztlich bewirkte, dass ich mich anstecken ließ und schmunzelte, und das, obwohl mir das Thema soeben noch gewaltiges Kopfzerbrechen bereitet hatte. Einem weiteren, diesmal verhaltenen Lachen Hungaricus’ und einem Schluck Wein wurde ich seiner kurzfristigen Musterung gewahr. Für ihn schienen Kümmernisse wie meines kein Grund zur Sorge zu sein. Es mochte daran liegen, dass er in Rechtsdingen derart bewandert war, dass er aus dem Stehgreif Handlungsmöglichkeiten sah. Möglicherweise lag es auch daran, weil er um ein Vielfaches an Erfahrung und Einfluss verfügte. Auf jeden Fall tippte er absolut richtig, als er die Lex Mercatus ansprach.


    Ich zeigte mich von seiner Sicherheit ausstrahlenden Wirkung durchaus beeindruckt, fehlte doch seit kurzem eine starke Führungsperson in meinem Leben. Bereitwillig erklärte ich daher, warum mir diese unerhebliche Geldstrafe durchaus Kummer bereitete.


    „Nun, ich bin der Meinung, dass die Annahme einer Strafe - und genau das würde ich tun, wenn ich die geforderte Summe entrichte - gleichzeitig ein Schuldeingeständnis ist“, sagte ich mit der größten Überzeugung, der ich fähig war. Ich schlug mein rechtes Bein über das andere und legte meine Hände übereinander in den Schoß, bevor ich weiter sprach. „Ich bin kein Mensch wie jeder andere, Vinicius Hungaricus. Manche mögen skrupellos sein, andere vielleicht gedankenlos, aber ich lege gesteigerten Wert auf eine absolut reine Weste, mag dieses Edict in den Augen vieler auch ein Kinkerlitzchen sein.“

    Irgendwo zwischen der Opferstelle, den Gängen und dem Tablinum fiel mir Cotta ins Auge. Da sich bisher keine Gelegenheit ergeben hatte, ihn zu begrüßen, nutzte ich die Gelegenheit und holte das Versäumte nach.


    „Salve, Cotta! Solche Abende hat diese Villa seit Ewigkeiten nicht geborgen, findest du nicht auch? Ich kann mich weder an Begebenheiten erinnern, die gleichermaßen viele Gäste hier versammelt hätten, noch an ein derart ausgefallenes Programm.“


    Die große Anzahl der Gäste stellte zudem die Ursache dar, dass ich nicht einmal die restliche ehemalige Verwandtschaft begrüßen konnte, geschweige denn andere Personen, die mir sehr gut bekannt waren, wie die Senatoren Hungaricus, Macer oder Gracchus. Soweit es ging, lächelte ich ihnen wenigstens aus der Ferne zu, um meinen jeweiligen Gesprächspartner nicht unhöflicher Weise zu unterbrechen oder gar stehenzulassen. Lupus und Ursus wurden von mir auf selbe Weise bedacht.


    Der Weg bis ins Tablinum war schnell zurückgelegt. Mein Blick streifte zunächst die Vorhänge der als Bühne fungierenden Konstruktion, bevor er über die noch freien Plätze schweifte. Ich wollte mir eine günstige Sichtposition verschaffen, die gleichzeitig aber nicht nach allen Seiten hin eingekeilt war. Meine Wahl fiel auf eine Sitzgelegenheit im hinteren Drittel, die zudem nicht direkt mittig positioniert war. Um nicht auf den günstigen Umstand hoffen zu müssen, dass der Zufall mir eine eher kleine Person vergönnte, die vor mir saß, wählte ich meinen Platz auch unter diesem Aspekt aus, indem ich mich bewusst hinter eine junge Frau setzte. Dem Angebot einer Sklavin, die Getränke und Knabbersachen auf einem Tablett trug, sprach ich gerne zu.


    „Trauben und ein Glas Wasser“, entschied ich kurzerhand, nahm die kleine Schale entgegen und setzte mich anschließend bequem zurecht. Zwei Reihen vor mir machte ich Vater aus, von Prisca fehlte allerdings jede Spur und Corvinus schien auch nicht anwesend zu sein. Ein Wackeln der Vorhänge band aber alsbald meine Aufmerksamkeit, möglicherweise find das Theaterstück jeden Moment an…

    Meine Augen, mit denen ich Prisca musterte, funkelten vor Freude, weil für mich auf diesem Fest nichts schöner war, als sie zu treffen und ihre warme Stimme zu hören. Noch während ihrer Begrüßungsgeste drehte ich die Hand, um meinerseits ihren Unterarm fassen zu können. Ich drückte sie herzlich, ehe ich auf ihre Frage antwortete.


    „Nein, ich wollte gerade die Opferung vornehmen, da habe ich dich gesehen.“


    Bei der Vorstellung des mir fremden jungen Mannes, wandte ich den Kopf, verinnerliche den Namen und lächelte zunächst, bevor ich einen Gruß entrichtete.


    „Salve, Flavius! Es freut mich ebenfalls, dich kennen zu lernen. Ich habe bereits von dir gehört…, nur Gutes.“ Was absolut der Wahrheit entsprach, denn Corvi wäre wohl nie ein böses Wort über seinen Freund herausgerutscht, sofern es überhaupt etwas gab, was ihn störte. Ich betrachtete Aquillius interessiert, wenn auch nicht aufdringlich, sondern immer einmal von einem aufkommenden Lächeln durchbrochen, während er mich begrüßte und Priscas Einladung bekräftigte, gemeinsam mit ihnen opfern zu gehen. „Ja, sehr gerne. Nichts ist an einem solchen Abend schöner als nette Gesellschaft“, sagte ich voller Überzeugung, wandte mich noch einmal meiner Freundin zu und raunte ihr nochmals ins Ohr, wenngleich nicht unhörbar für Umstehende. „Du siehst wunderschön aus, Prisca.“ Ein Nicken unterstrich meine Feststellung.


    In diesem Moment gewahrte ich Helena, die bislang von jemand verdeckt wurde. Ich registrierte ihr Lächeln und erwiderte es. „Salve Helena“, entrichtete ich höflich den Gruß, verstummte aber danach, weil ich nun mit der Opferung an der Reihe war, nachdem Prisca zur Seite getreten war. mit Bedacht ließ ich die rote Flüssigkeit nach dem Überreichen der Amphore in die Schale laufen. Eine Reihe an Wünschen begleitete sie.

    Sim-Off:

    Grade Zeitsalat, aber egal. :)


    Recht bald nach dem Opfer ertönte ein Signal, das die Aufmerksamkeit der Gäste auf die anstehende Theateraufführung richtete. Nach und nach strömten die Gäste dem Tablinum zu. Ich ließ mich mit dem Strom treiben, ohne mich sonderlich zu beeilen und hoffte auf einen günstigen Platz.

    Mit einem Strahlen nahm ich die überraschend positive Antwort meines Vaters auf. In der Öffentlichkeit war es nicht angebracht, jemanden zu umarmen, aber ich bewerkstelligte die Dankbarkeitsbekundung mittels Blick, Kopfneigung und angedeutetem Luftküsschen. Etwas Positives hatte dieser Abend also schon erbracht, daher sah ich meinem Vater ohne Bedauern nach, als er sich von uns abwandte. Die Aussicht, Minna zugesprochen zu bekommen, entschädigte für alles, und obwohl ich keineswegs schadenfroh veranlagt war, konnte ich mir ein winziges, triumphierendes Lächeln nicht verkneifen, als ich mich meiner Adoptivmutter und Callista zuwandte.


    „Ich möchte nicht stören, nur einen schönen Abend wünschen“, sagte ich lächelnd zu Callista und betrachtete für Momente interessiert die von ihr gewählte Aufmachung, ließ sie wirken, mich inspirieren – ganz ohne jeden Anflug von Konkurrenzdenken. Ich sah im Grunde nie in anderen Frauen Konkurrenz, dafür stand es zu gut um mein Selbstbewusstsein, aber ich schaute höchst gerne auf Frisurvariationen, Schminkideen und natürlich die Kleiderwahl. Nach der Entrichtung und Erwiderung des Grußes wandte ich mich daher von den beiden Verwandten ab – nicht aber ohne vorher noch einmal freundlich zu lächeln.


    Ich musste nicht lange überlegen, wie oder besser mit wem ich die nächsten Augenblicke zusammentreffen wollte. In der gegenüberliegenden Ecke des Raumes hatte ich vorhin Prisca ausgemacht und genau dort zog es mich hin. Oh ja, ich richtete mich streng nach der eigenen Vorgabe, mich heute ausschließlich mit angenehmen Dingen zu befassen. Das verdrängte die Sorgen, die mich natürlich noch immer wegen Corvi belasteten. Es verdrängte sie derartig gut, dass mein Lächeln leicht fiel und daher ehrlich erfreut wirkte, als ich auf Prisca zutrat.


    „Hallo, meine Liebe“, hauchte ich ihr zu, weil sie noch immer in ein Gespräch verwickelt war, das ich nicht unhöflich unterbrechen wollte. Interessiert blickte ich auf ihren Gesprächspartner, den ich nicht so recht einsortieren konnte.

    Nach und nach stellte ich meinem Vater all jene ehemaligen Familienmitglieder vor, die auf dem Fest weilten und nicht zufällig in ein Gespräch verwickelt waren. Bei den darauf folgenden Wortwechseln hielt ich mich im Hintergrund, es wurden ohnehin überwiegend Männerthemen aufgegriffen, die mich nur begrenzt interessierten. Währendessen schweifte mein Blick umher, aber keineswegs, um nach Corvi zu schauen, denn zum einen fand ich es angebracht, mich nach Ostia eher zurückhaltend zu geben, und zum anderen, um weitere Gäste auszumachen, die ich eventuell begrüßen konnte. Plötzlich jedoch fiel mir Minna ins Auge. Ich mochte die blonde Naturschönheit, die sich in vielem von meinen anderen Sklavinnen unterschied. Sie besaß keinerlei Aufsässigkeit, war stets zur Stelle, ihr Charakter erschien mir aufrichtig und ihre Art eher sanft. Gerade bemühte sie sich unaufgefordert um ein Getränk, sicherlich für Menecrates, dachte ich bei mir. Nicht viele Sklavinnen waren derart freundlich und fleißig, mir fiel eigentlich nur noch Kassandra ein.


    Einem Gedanken zufolge, reckte ich mich etwas, um an das Ohr meines Vaters zu gelangen, als er eine Gesprächspause einlegte.


    „Vater, ich habe bald Geburtstag und bereits eine Idee für ein Geschenk. Würdest du mir Minna übereignen? Bitte! Sie ist genau das, was ich schon seit langem gesucht habe. Epicharis besitzt auch so eine vortreffliche Sklavin.“


    Mit bittenden Augen blickte ich Menecrates an und hoffte inständig, er möge heute einen seiner guten Tage haben. Wie es schien, hatte ihn Ofella noch nicht aus der Ruhe gebracht, außerdem war sie im Moment ohnehin abgelenkt. Oder konnte sie meine Bitte am Ende hören? Ich lugte neugierig zu ihr hin, denn inzwischen war es selbst zu mir durchgedrungen, dass Minna ein Willkommensgeschenk meines Vaters an seine Gattin war. Allerdings passten die beiden zueinander wie Feuer und Wasser, vielleicht sahen das ja auch die anderen ein, hoffte ich jedenfalls.


    Ich wartete die erste Reaktion meiner Eltern ab, bevor ich mich einer wohlbekannten Stimme zuwandte, die um Aufmerksamkeit bat. Corvinus führte durch den Abend, das war zu erwarten gewesen und ich hatte mich längst darauf eingestellt. Meine Gefühle verbarg ich hinter einer freundlichen, aber undurchdringlichen Maske, denn es ging niemanden etwas an, wie es zwischen uns stand.
    Seine Ankündigung auf ein Theaterstück lenkte meine Gedanken in eine unerwartete Richtung. Ich hob erstaunt um eine Nuance die Brauen, denn es stellte nicht unbedingt eine Üblichkeit dar, auf einem Fest, wie diesem, eine Aufführung zu präsentieren. Meine Neugier war jedoch geweckt. Flüchtig schaute ich zu Prisca, die leider heute ständig umringt war, aber Aufschluss bot ihre Miene ebenfalls nicht, weswegen ich mich wieder den Vorgängen um Corvinus zuwandte, der bereits begonnen hatte, die anstehende Opferung vorzubereiten. Als erste Schwaden leichter Weihrauchdämpfe in meine Nase drangen, atmete ich unwillkürlich ein. Die rechte Hand suchte unwillkürlich die Stirn, bevor ich den Kopf senkte, die Augen für einen Moment schloss und ein stilles Gebet an die Götter sandte. Dies stellte meine persönliche Kontaktaufnahme dar, wohl wissend, dass die übliche Haltung beim Gebet eine andere war. Seit dem Besuch beim Orakel bedeutete Glauben für mich mehr als nur eine Notwendigkeit, um inneren Frieden und Wohlgefallen zu erlangen. Der Glaube spendete mir Kraft und eine gewisse Form von Glückseeligkeit. Mit einem sanften Lächeln um die Mundwinkel blickte ich wieder auf, ließ mir die für mich vorgesehene Amphore reichen und schloss mich dem Strom der Opferwilligen an.

    Sim-Off:

    Hallo Minna, klink dich ruhig weiter mit ein. :)

    Dem unglaublichsten Ereignis meines Lebens - Corvinus’ Auftritt in Ostia - folgten zwei Tagen vollkommener Zurückgezogenheit, bevor meine Lebensgeister wieder erwachten und ich beschloss, zumindest zeitweise zu meinen Verwandten zurückzukehren. Meine Adoptivmutter mied ich so gut es ging, indem ich gemeinsamen Mahlzeiten fernblieb und ein von ihrem Cubiculum abgelegenes Zimmer bezog. Epicharis’ Anwesenheit tröstete mich über diese missliche Lage hinweg, denn sie war Schwester und Freundin zugleich, und so bedauerte ich es zutiefst, dass sie wegen einer fiebrigen Erkrankung mich nicht auf das Fest im Hause meiner alten Familie begleiten konnte. Trotz allem Mut, den ich mir einredete, benötigte ich im Grunde ihre Anwesenheit, denn sie bot weit mehr als nur Ablenkung, die ich bitter nötig haben würde, so befürchtete ich. Aber welche Prüfungen die Götter mir noch auferlegen würden, ich würde sie erhobenen Hauptes meistern, das war gewiss, denn ich hatte mir nichts vorzuwerfen. Eine zeitweise Schwäche war kein verabscheuungswürdiger Charakterzug.


    Dem bewährten Rezept folgend, sich äußerlich Gutes zu tun, um das Innere zu päppeln, badete ich bestimmt doppelt so oft wie ansonsten üblich, gönnte mir Massagen in jedweder Ausführung, ließ mir die neuesten Stoffimporte zu ausgefallen eleganten Kleidern verarbeiten und bestellte mir regelmäßig den besten Tonsor ins Haus - einen Mann, mit sagenhaft angenehmen Händen, die vielmehr das Haar streichelten als es zweckmäßig streng zu legen. Die vorsichtige Arbeitsweise veranlasste mich regelmäßig dazu, die Augen zu schließen und die Gedanken treiben zu lassen. So auch an diesem Tag, an dem das Fest in der Villa Aurelia ausgerichtet wurde.


    Das ausgedehnte Bad, bei dem ich beschlossen hatte, mich umgehend nach einem brauchbaren Sklaven als Ersatz für eine ganze Palette nicht erhaltener Zuwendungen umzusehen, lag hinter mir, als ich mit geschlossenen Augen den sanft streichenden Fingerkuppen des Tonsors folgte. Heute wollte ich nur Angenehmes an mich heranlassen, alles andere blendete ich aus. Die Sinne nahmen den angenehmen Duft der Badeessenzen, die streichelnden Hände des Barbiers, den anschmiegsamen Stoff des Kleides und die schmeichelnde Stimme einer Sklavin wahr, die mir wiederholt versicherte, dass die Kosmetik am heutigen Tage ganz besonders gut gelungen war.


    „Schönheit kommt von innen, Minna. Wie man sich bewegt, wie der Kopf schwenkt, wie man den Blick aufschlägt, das Lächeln erscheint, ein Glas anhebt, einen anderen Menschen berührt. Äußerlichkeiten sind eine Fassade, die leer wirken kann oder aber strahlt und lebt.“ Ich lächelte versonnen, denn ich wusste um meine Wirkung. Dennoch freute es mich, wenn die Äußerlichkeiten ebenfalls stimmten.


    Nichtsdestotrotz schlug das Herz schneller, als der Aufbruch nahte. Bis zur Ankunft wirkte ich angespannt, was sich in Schweigsamkeit bemerkbar machte. Als ich jedoch das Haus meiner Kindheit betrat, schob ich energisch all diese Empfindungen der Aufregung fort, denn schließlich musste ich kein schlechtes Gewissen haben. Ich hatte mich jederzeit anständig, gerecht und korrekt benommen. Mit erhobenem Haupt betrat ich an der Seite meines Vaters - Ofella ignorierte ich geflissentlich - den Raum, in dem das Opfer dargebracht werden sollte. Nichts wäre erdrückender gewesen, als bedürftig zu erscheinen, deswegen verbot ich mir, mehr als nötig den Blick schweifen zu lassen. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass dieses Verbot nicht nötig gewesen wäre, denn Menecrates begab sich zielstrebig zu Corvinus hin.


    Ich wartete die Begrüßung der Männer ab, bevor ich freundlich, aber gleichzeitig mit einer Spur nobler Distanz „Salve!“ zu meinem Verlobten sagte. Unsere Augen trafen sich für einen Augenblick und hielten sich fest, bevor er zur Seite blickte. Ebenfalls ruhig - wie er zumindest schien - betrachtete ich ihn weiter, bis er Anweisungen an einen Sklaven gab. Wegschauen verbot sich mir, denn mich beseelte weder ein schlechtes Gewissen, noch war ich nachtragend oder wollte würdelos erscheinen.
    Als er sich anderen Gästen zugewandt hatte, kam mir der Gedanke, dass mein Vater einen Teil der Gäste womöglich nicht kannte und zumindest bei meinen ehemaligen Familienangehörigen wollte ich die Vorstellung übernehmen.


    „Vater?“ Ofella ignorierte ich weiterhin. „Ich weiß nicht, ob du Ursus bereits kennst.“ Ich wies möglichst unauffällig in seine Richtung. „Er ist der Sohn des Maxentius.“

    Mein sanftes Lächeln erstarb, als er weiter sprach, während mein Blick auf seinem verschlossenen Gesicht ruhte - unfähig, es loszulassen. Auf Verärgerung hatte ich mich eingestellt, als er mich nicht wie erhofft in die Arme schloss, aber der Fall, den ich durchmachte, war tiefer als geahnt. Ausgehend von der Freude, ihn zu sehen, warf mich seine Abweisung zunächst auf den Boden der Realität zurück. Nachfolgende Vorwürfe erschütterten meinen Glauben an seine Gerechtigkeit, der Boden wankte, nichts gab mehr Halt, ich brach ein. Wieso konnte er rein gar nichts von dem, was mich betroffen machte, nachvollziehen? Warum verstand er nicht, dass einmal das Fass überläuft, wenn sich zu tiefer Trauer noch Intrigen, Missgunst und Einsamkeit gesellen, die ich seit Monaten klaglos ertragen hatte. Oder war genau das der Fehler? Hätte ich ihn mit meinen Sorgen belasten sollen? Ihm von der Boshaftigkeit seiner Leibsklavin erzählen sollen? Von der Wirkung, die Helenas nachhaltige Distanz auf mich hatte? Von dieser Adoptivmutter, die das Fluchtverhalten in mir ausgelöst hatte? Von meiner Unfähigkeit, tapfer den Verlust der Eltern wegzustecken? Hatte ich mich etwa unnötig alleine gequält? Ihn unnötig geschont? Wollte er etwa mit meinem Kummer belastet werden? Gerade klang es so, weil er verärgert anmerkte, ich habe ihm und meinem Vater unterstellt, sie würden sich nicht dieser Strafsache annehmen wollen. Doch das stimmte nicht. Ich wollte nichts weiter als tapfer sein, niemand Last aufbürden, der sich - meine Situation vor Augen - nicht von sich aus angeboten hatte. Warum konnte er mein Verhalten nicht auf diese Weise sehen? Oder wollte er das gar nicht? Suchte er nach einem Anlass, um sich mir gegenüber „begründet“ verärgert zeigen zu können? Er sprach von Enttäuschung.
    Unfähig mich zu rühren, verfolgte ich seine Bewegungen und lauschte seinen Worten. Längst hatte sich der Brustkorb schmerzhaft zusammengezogen und drückte auf mein Herz. Längst wurde die Luft knapp, kurze Atemzüge kündeten von der Furcht, die schleichend nach mir griff. Aber wovor hatte ich Angst? Davor, dass irgendetwas zerbrach? Oder gar vor einem weiteren Verlust, der mir drohte? Davor, dass ich nicht mehr im Stande sein würde, diesen sich häufenden Katastrophen in meinem Leben weiterhin begegnen zu können? Ich versuchte, die Gedanken zu sammeln so gut es ging.


    Was - bei allem Verständnis für die aufgekommene Sorge um mich - war derart schlimm daran, wenn eine Frau, der das Schicksal große Lasten auferlegt hatte, wegen anhaltender Überforderung letztlich in Panik verfiel? Niemand sah bisher meine Not und nicht einmal jetzt hörte irgendjemand meinen Hilferuf. Freilich als Mann wäre mein Handeln ein Eingeständnis für Unfähigkeit, aber ich hatte kein Amt inne. Weder das Ansehen meiner noch seiner Gens stand auf dem Spiel.
    Der Kopf schmerzte bereits, als ich weitere vernichtende Worte verarbeiten musste. Liebte nach seiner Ansicht nur derjenige, der sich in Stresssituationen standesgemäß verhielt? Meinte er, wenn er von Liebe gesprochen hatte, womöglich etwas gänzlich anderes als ich? War sie für ihn ein bloßes Produkt, basierend auf rationalem Denken? Für mich stellte Liebe ein Gefühl dar, die Fähigkeit, dem anderen zu verzeihen und ungeteilt sein Herz, die Seele und den Körper zu verschenken. Das musste er doch wissen, er kannte mich doch! Für einen Moment zogen sich meine Brauen zusammen, aber nicht aus Ärger, sondern aus Schmerz. Dann jedoch wurde mir in Windeseile bewusst, dass ich ihn genauso intensiv kannte wie er mich. Was also war los mit ihm? Mir blieb kaum Zeit, mir klar zu machen, dass er seit jeher wenig Vermögen besaß, mit meinen Verletzungen umzugehen. Vielleicht fehlte ihm dann Liebe und Anerkennung, vielleicht zweifelte er auch an sich selbst. Aber er war doch sonst so verstandsorientiert. Es lag in seiner Macht, sich selbst zu bestätigen, dass weiterhin Liebe und Anerkennung vorhanden war, wenngleich auch nicht unmittelbar spürbar. Warum also steigerte er sich in diese Enttäuschung hinein? Waren das wirklich seine ureigensten Gedanken? Oder tröpfelten schon wieder aus irgendeiner Quelle boshafte Worte wie Gift in unsere Beziehung hinein? Bestand meine Umgebung, träfe dies zu, denn nur aus Missgunst, falscher Freundschaft und Neid? Nein! Mir fiel Prisca ein. Für einen Moment weitete sich das Herz, bis eine weitere verbale Ohrfeige mich aus dem Gedanken riss. Ich zuckte bei der Frage, wie er mir nun noch vertrauen könne, sichtlich zusammen. ‚Bei den Göttern! Vertrauen war für mich das Gegenteil von Verrat!’ DAS wollte er mir doch hoffentlich nicht damit sagen. Die Antwort gab ich mir selbst: Nein, das wollte er nicht, denn etwas anderes schlug im nächsten Moment wie ein Felsbrocken bei mir ein. Er wollte die Verlobung lösen!


    Mein Blick, den ich bislang nicht von ihm abwenden konnte, derart überrascht, ja bestürzt, war ich über seine Sicht der Dinge und sein Verhalten, sank langsam an ihm hinab, ruhte kurzfristig auf dem Boden und glitt zu der Sitzecke. Vermutlich deswegen, weil ich spürte, wie die Kraft aus dem ohnehin von Kummer ausgezehrtem Körper wich. Es fiel mir so schwer, aufrecht stehenzubleiben, wollten die Schultern doch als Folge der Resignation nach vorn fallen. Tränen jedoch erschienen nicht. Sie lösten sich nur, wenn die Seele nicht krampfte, aber genau das tat sie jetzt. Genau wie damals, als die Todesnachricht kam. Ob er wohl wusste, wie scharf seine Waffen waren? Wie tief mir seine Worte ins Fleisch schnitten? Ich fürchtete seine versteinerte Miene, die nicht die Winzigkeit einer positiven Gefühlsregung erahnen ließ, und die Unbarmherzigkeit, mit der er selbst nachvollziehbare Erklärungen abschmetterte oder aufrichtige Worte anzweifelte. Ich schloss für zwei Lidschläge die Augen, um mich zu vergewissern, dass all dies wirklich geschah und ich keinem Traum erlegen war.


    Als ich sie wieder öffnete, hatte er sich bereits abgewendet und strebte dem Ausgang zu. Ich legte meine Hand auf das Dekolleté, als wäre es nur mit dieser Unterstützung möglich, einen weiteren Atemzug zu machen.


    „Mögen die Götter stets schützend ihre Hände über dich halten“, murmelte ich erstickt, ob er es gehört hatte, wusste ich nicht. Ihm zu folgen, verbot nicht nur die Würde, sondern verhinderte gleichzeitig auch die fehlende Kraft.


    Er war längst gegangen, als ich immer noch unbeweglich im Atrium stand …

    Die Gedanken allein auf das Anliegen meines Besuches zu richten, erleichterte mir die Kontrolle über die unerwartet aufgekommenen Sehnsüchte. Trotzdem kehrte die innere Sicherheit nicht mit der Schnelligkeit zurück, wie ich sie benötigt hätte und wie es auch wünschenswert gewesen wäre. Die knappe Erwiderung meines Gegenübers wirkte dabei auch nicht gerade förderlich. Sie schwebte noch im Raum, als ich den Blick von ihm abwendete und mir mit der Handaußenseite, oder vielmehr nur mit den Fingerspitzen, in einer müden Geste über Stirn und Schläfe strich. Der Kopf neigte sich sachte der Berührung entgegen, ohne dass ich dies bewusst gesteuert hätte. Fast schien es, als erlag er dem Trugschluss, die körpereigenen Berührungen als Ausgleich für den Mangel an empfangenen Zärtlichkeiten betrachten zu können. Eine ratlose Geste, die mir nicht nur Zeit verschaffte, sondern auch viel von der Haltlosigkeit offenbarte, die mich derzeit im Griff hatte. Die Hand sank anschließend in den Schoß. Leider wurde mir der Eindruck, den ich bieten musste, zu spät klar, weswegen ich mich zu einer Erklärung veranlasst sah: „In meinem Leben läuft derzeit einiges aus dem Ruder.“ Mein Blick verfing sich an einer Säulenverzierung, die halbschräg einige Doppelschritt von der Sitzgruppe entfernt stand. „Ich habe ein Anliegen, Vinicius Hungaricus, das nur einen gewissen Teil davon ausmacht, aber immerhin besteht die Aussicht, wenigstens dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Mich trägt die Hoffnung, du könntest mir dabei eine Hilfe sein.“ Bei diesem Satz suchte ich wieder den Blickkontakt und versuchte mich an einem Lächeln, was jedoch nur ungenügend gelang.


    „Mich hat ein Edict erreicht, das mir neben einer Strafe wegen der Führung eines für Patrizier ungeeigneten Betriebes weiterhin nahelegt, mich von selbigem zu trennen.“ Zunächst suchte ich in Hungis Gesichtsausdruck zu lesen, wie er die Auskunft aufnahm, aber noch bevor er zu einer Erwiderung ansetzte, reichte ich eine Erklärung nach.
    „Grundsätzlich habe ich nichts gegen die Veräußerung dieses Unternehmens, auch wenn es besser als meine anderen läuft. Um den Verkauf würden sich ohne weiteres die in den Teilbetrieben eingestellten Verwalter kümmern können. Wohingegen ich bei der Abwendung der Strafe kompetente Hilfe benötige und auch unbedingt in Anspruch nehmen möchte.“ Ich senkte flüchtig den Blick, bevor ich weitersprach. „Bitte versteh mich nicht falsch, es geht mir nicht um das Geld, denn ich habe das Vielfache der Strafsumme zur Verfügung. Mir geht es darum, dass mein Name unbefleckt bleibt.“

    Irgendwann ebbten die Gesänge und die Rufe ab. Stille trat ein, in die ich begierig lauschte. Während meine Augen über die Wände der Grotte streiften, ohne jedoch etwas Besonderes wahrzunehmen, konzentrierte ich mich vollkommen auf das Gehör, das mir erst einige Augenblicke später sachte Schritte auf steinernen Boden vermeldete. Die Gestalt der Priesterin wurde in lockerem Wechsel mal in wärmendes Licht und dann wieder in annähernde Dunkelheit gehüllt, als sie den langen Gang durchschritt, der in den Opferraum mündet. Wie gebannt hingen meine Augen an ihr. Minnas Anwesenheit hingegen hatte ich vollkommen vergessen, zumal sie auch auf meine letzte Bemerkung hin nichts erwidert hatte.


    Mein Herz schlug, als die Priesterin vor mich trat und mir eine Tafel überreichte. Bange Ungewissheit sorgte dafür, dass sich meine Zähne zunächst in die Unterlippe gruben, ehe ich zugriff. Das Pochen im Brustkorb verstärkte sich, als ich zwar den Träger der Botschaft spürte, ihn sogar mehrfach in den Händen drehte, aber nicht traute, auf den eingeritzten Götterrat zu blicken.


    „Die Götter irren nie, richtig?“, fragte ich mit piepsiger Stimme, während ich noch immer die Priesterin fixierte. Aus Sorge, die Botschaft könnte eine niederschmetternde sein, fingen meine Hände an zu zittern. ‚Einmal’, so sagte ich mir, ‚atme ich noch tief durch. Dann sehe ich mir die Weissagung an.’ Allerdings atmete ich bewusst weniger tief, um meiner Vorgabe nicht sofort nachkommen zu müssen. Letztlich nutzte alles zaudern nicht, ich wollte ja den Rat, also sollte ich ihn mir auch anschauen. Der Blick senkte sich langsam ab – bereit, jederzeit wieder nach oben zu schwenken. Als er jedoch auf die Tafel traf, siegte die Neugier über die Furcht.


    Flink huschte der Blick über die geritzten Zeichen, nahm die Botschaft auf und verinnerlichte sie. Als mir die Bedeutung des Götterrates klar wurde, huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Ich übersetzte sie mit meinen Worten:


    ‚Mach die Augen auf, dann siehst du all das Schöne. Freue dich daran und genieße es.’


    Ein weiterer Atemzug, der Ruhe in den Herzschlag brachte, hob meine Brust. Ich erkannte die Chance, die vor mir lag; die für jeden, so auch für mich, vorhanden war. Das Schicksal konnten wir Menschen wohl nicht beeinflussen, wohl aber lag es an uns, welchen Umgang wir damit finden. Es lag in unserer Entscheidung, ob wir an Tiefschlägen zerbrechen oder sie aushalten, ob wir uns von Boshaftigkeiten niederdrücken lassen oder in eigener Stärke dagegenhalten, ob wir Demütigungen hinnehmen oder Konsequenzen ziehen, ob wir im Selbstmitleid zerfließen oder uns aufraffen, um das Positive im Negativen zu suchen, und letztlich auch zu finden.
    Ich blickte von den Zeilen auf, streifte flüchtig die Gestalt der Priesterin und verweilte mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht.


    „Die Götter sind weise“, flüsterte ich. „Sie mögen stets mit dir und dem Orakel sein, damit noch vielen Ratsuchenden geholfen werden kann. Vale.“


    Ich drückte die Tafel an meine Brust, hielt sie mit übereinander geschlagenen Händen fest und verließ den geweihten Ort. Ohne bewusst die Schritte zu lenken, weil der Kopf voller Gedanken war, strebte ich dem Hause Hungaricus’ zu.

    Wie ein erster Regentropfen von einem ausgedörrten Acker aufgesogen wurde, traf Hungis Freundlichkeit auf mein nach Aufmerksamkeit und Zuwendung dürstendes Gemüt. Wie anfällig ich inzwischen für jede Form von Nettigkeit war, offenbarte die Intensität, mit der ich Worte, Handlungen und Gesten begierig aufsog. Das Ausmaß der wohltuenden Wirkung erschreckte mich geradezu. Zwar lag mein Herz derzeit hinter einer mehrschichtigen Rüstung, behütet und geschützt vor Kaltherzigkeit und Liebesentzug, und dorthin drangen seine Worte auch nicht vor, aber sie streichelten meine Seele, die sich ihm dankbar zuwandte - geradezu beängstigend zuwandte. Lange Momente folgten, in denen ich den Gastgeber wortlos anblickte, ehe ich mich erhob, um durch fortstrebende Schritte wieder die Kontrolle über diese sehnsuchtsvollen Empfindungen zu bekommen.


    ‚Reiß dich zusammen’, schalt ich mich. ‚Es ist geradezu lächerlich, bereits auf bloße Höflichkeiten derart überzogen zu reagieren.’ Mir wurde in diesem Moment klar, was für eine leichte Beute ich derzeit war.
    So zerbrechlich ich aktuell in meinem Wesen war, so fragil erschien ich seit einiger Zeit auch optisch. Der gewichtsmäßige Abwärtstrend ließ sich nicht einmal durch fortlaufend ungesunde Ernährung stoppen, die ich zuletzt geradezu exzessiv praktizierte. Ich seufzte leise, kehrte an meinen Platz zurück und lächelte Hungi entschuldigend an, während ich mich setzte. Vermutlich wunderte er sich über mein Verhalten, daher empfand ich es als angebracht, nunmehr auf mein eigentliches Anliegen zu kommen, um seine Skepsis, sofern sie aufgekommen war, darauf zu richten. Das von mir selbst angeschnittene Thema bezüglich der Freizeitgestaltung kam mir nun mehr als gelegen, obwohl das ursprünglich gar nicht beabsichtigt war. Ich hätte mich tatsächlich für Vorlieben oder erquicklichen Zeitvertreib interessiert, aber wie es klang, gab es dafür wenig Raum.


    „Dürfte ich dich dennoch um einen Teil deiner bislang noch freien Zeit bitten?“, fragte ich hoffnungsvoll, jedoch nicht mehr ausschließlich mit dem Gedanken an die Gerichtsverhandlung, mit dem ich Hungi eigentlich aufgesucht hatte, sondern auch im Hinblick auf den sich daraus ergebenden Umgang mit ihm, der mir offensichtlich gut tat – gefährlich gut, aber diese Gefahr wollte ich jetzt nicht sehen.

    Ich habe auch zunächst gedacht, das Kälbchen wird kaum Überlebenschancen nach dieser Tortur haben, aber wenn man es mal genauer betrachtet … soo schlecht sieht es gar nicht aus. Da Löwen vornehmlich in die Nüstern beißen, das Kälbchen aber nach dieser langen Zeit noch nicht erstickt war und offensichtlich auch die Halsschlagader nicht eröffnet gewesen war, habe ich in Bezug auf den Löwenangriff durchaus Hoffnung. Krokodile ziehen zumeist ihr Opfer unter Wasser und ertränken es. Ihre Zähne halten nur fest, Knochenbrücke sind eher selten am noch lebenden Opfer und laufen konnte das Kleine ja auch noch.
    Bleiben die ganzen mehr oder minder schweren, aber nicht lebensgefährlichen Verletzungen … Ein Problem bei Pflanzenfressern ist die Infektion mit Tetanus. Sollte das Kleine da drum herum kommen, hat es ne Chance. :)


    Und ja, die Geschlossenheit und der Mut der Wasserbüffel haben mich auch fasziniert! :dafuer: Wie gesagt, ich hab den Bildschirm annähernd hypnotisiert beim Anschauen. (Für mich war das seit Tagen das interessanteste IR-Thema. :D) Vor allem hat mich beeindruckt, dass der Angriff auf die Löwen durch die Muttertiere geführt wurde und nicht durch den Leitstier: Selbst Beutetiere und dann so viel Mut. Erst gegen Ende haben sich Bullen beteiligt.

    Sim-Off:

    =)


    Als Prisca mir die Einsicht, eine Närrin zu sein, ausredete und sogar davon sprach, dass sie Verständnis für mein Empfinden und mein Verhalten aufbrachte, schaute ich sie dankbar an. Aber es lag mehr als Dankbarkeit in meinem Blick: Verwunderung, Ungläubigkeit, ja fast schon Fassungslosigkeit darüber, dass es tatsächlich jemanden gab, der mich verstand. Die Handlungsweise dieser Sklavin und Helenas Auftreten, die fehlende Fürsprache von irgendjemand hatten mich inzwischen schon so weit gebracht, dass ich an mir selbst zweifelte, dass ich annahm, irgendwie nicht normal zu sein.


    „Fast glaube ich, die Götter haben dich geschickt, weil sie meine Not nicht mehr mit ansehen konnten“, flüsterte ich und gab zum ersten Mal nach Wochen dem Bedürfnis nach, schwach zu sein, die Fassade, die Haltung vorgaukelte, fallen zu lassen, Hilflosigkeit zuzulassen, auch wenn mir dieses Empfinden große Angst einjagten.
    Anschließend schwenkte Prisca zu sich selbst um. Ich hörte mit einem kleinen Schmunzeln, dass sie sich als Närrin in Bezug auf Männer bezeichnete, aber zu einem Umstieg auf dieses Thema war ich momentan nicht in der Lage. An einem anderen Tag oder vielleicht auch noch nachher würde ich es vielleicht wieder aufgreifen können, aber damit sich die soeben gemachte Feststellung nicht erst bei ihr festsetzte, schüttelte ich energisch den Kopf. „Du bist unschuldig und unerfahren, das ist etwas ganz anderes als ein Dummkopf zu sein“, erwiderte ich nachdrücklich, wenn auch mit leiser Stimme. Ich hoffte, Prisca würde Nachsicht mit mir haben, weil meine Gedanken wieder zurück zu Camryn und Mogontiacum wanderten. Dem war offensichtlich so, denn kurz darauf legte sie sogar neuen Balsam aus, indem sie nicht nur die berechtigte Frage stellte, wer schon in einer feindlichen Atmosphäre leben wollte, sondern weitere Nähe bot, indem sie mich sachte näher zog, was ich sehr gerne geschehen ließ. Mehr noch, ich legte einem spontanen Bedürfnis zufolge die Arme um sie und drückte sie sachte, währenddem ich meine Gedanken äußerte: „Meinst du wirklich, ich habe damals richtig gehandelt, als ich diese Sklavin geschlagen habe?“, fragte ich ungläubig, bevor ich mich wieder von ihr löste und sie unsicher anschaute. „Marcus war damals verärgert gewesen, weil ich mich von ihr habe provozieren lassen. Aber auch wenn du später noch zu der Erkenntnis gelangen solltest, es sei notwendig, über den Aussagen einer Sklavin zu stehen, hat mir dein gezeigtes Verständnis schon sehr geholfen. Manchmal weiß ich einfach nicht mehr, was ich denken soll. Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass ich alles richtig mache, aber so absolut falsch kann mein Empfinden doch auch nicht sein. Ich ertrage einfach Anfeindungen, Boshaft, Hinterhältigkeit und Intrigen nicht. Ich halte das nicht aus, Prisca, ich gehe daran kaputt.“ Meine Stärke, die ich zweifellos besaß, schmolz dahin, wenn ich mich im Zielfeuer neidvoller Menschen sah. Das Rüstzeug zum Schutz meiner Seele war dünn, das wusste ich. Ebenso klar vor Augen stand mir, dass ich nicht zu den Menschen gehörte, die melancholisch in sich versanken, sondern nach einer - zugegeben längeren - Zeit des Aushaltens schließlich handelte. Doch dieses Handeln war, weil es durch die Not ausgelöst wurde, selten rational geleitet, sondern zumeist von den verletzten Gefühlen getragen. Auch das wusste ich, und doch konnte ich nichts daran ändern.


    Noch immer standen Priscas letzte Fragen unbeantwortet. Es gab jeweils eine klare Antwort, ich musste da nicht einmal überlegen, und doch zögerte ich, denn bisher hatte ich mich noch nie einem Menschen anvertraut, wenn es um meine intimsten Empfindungen ging. Nicht nur wegen mir, sondern auch um Marcus zu schützen, sprach ich nie über ihn. Vor anderen verteidigte ich sogar oft sein Handeln noch, als dass ich es kritisierte. Es war eine dumme Eigenart von mir und war ein Teil meiner Loyalität. Aber hier stand Prisca vor mir und ich vertraute ihr. Zudem drückte mich so vieles ab, dessen ich mich eventuell hier entledigen konnte. Ich gab mir innerlich einen Ruck und begann stockend zu erzählen.


    „Oh ja, er hat sie zurechtgewiesen, sie musste fortan die Reise zu Fuß zurücklegen. Leider hat das ihren Hass noch gesteigert. Marcus konnte das nicht voraussehen und ich hatte mich über sein Einschreiten sehr gefreut.“ Das war also die Antwort auf die erste Frage. Eine zugegeben leichte Antwort, doch schon bei der nächsten sah es deutlich anders aus. Einem inneren Bedürfnis zufolge schickte ich ihr positive Aussagen voraus. „Weißt du, Prisca“, begann ich leise, während ich auf unsere gefassten Hände schaute, die mir wie eine Hilfestellung vorkamen. „Marcus ist ein besonderer Mann, ich würde ihn sogar als Ausnahmemann bezeichnen. Er ist liebevoll, fürsorglich, aufmerksam.“ Ich stockte und blickte ihr in die Augen. „Ja, vor allem aufmerksam über das normale Maß hinaus. Er ist zielstrebig, intelligent und in seinem Charakter aufrichtig. An positiven Eigenschaften besitzt er so ziemlich alles, was man sich nur wünschen kann. Sicherlich hat er auch Fehler, wer hat schon keine? Aber darauf möchte ich hier nicht eingehen, denn du hast gefragt, ob für mich bezüglich Camryn wieder alles in Ordnung ist.“ Ein schwerer Atemzug hob meine Brust, ehe ich weiter sprach. „Er verbringt Zeit mit ihr. Anfangs nach unserer Verlobung nicht, aber später“, wisperte ich und meine Augen nahmen einen gequälten Ausdruck an. „Prisca, sein Handeln ist legitim, aber warum sagt ihm sein Herz nicht, wie weh er mir damit tut?“

    Sein Schmunzeln bewirkte, dass ich die dezente Musterung als durchaus angenehm empfand. Ich fühlte mich wohl – selbst dann noch, als nicht zu ergründen war, zu welchem Urteil er letztlich gekommen war. Dieser Gedanke war aber ohnehin vergessen, als er die Frage stellte, wer denn der Glückliche war. Ein durchaus intensives Lächeln, das meine Erklärungsnot überspielen sollte, erschien auf meinem Gesicht. Wie meinte er das bloß? War jemand glücklich zu nennen, der mich adoptieren durfte? Oder nahm Hungaricus an, ich war eine manus-Ehe eingegangen? Würde ich nachfragen, legte ich meine Begriffsstutzigkeit offen. ‚Achje, was mache ich denn jetzt bloß?’ Ich griff in meiner Ratlosigkeit zum Weinbecher und trank. Ganz so schnell würde die Wirkung ja hoffentlich nicht einsetzen, auch wenn ich ansonsten Abstinenzler war … hoffte ich zumindest.


    „Oh, es gibt eine ganze Reihe an Menschen, die meine bloße Anwesenheit als Lichtblick bezeichnet und damit ihr Glücksempfinden verraten haben“, antwortete ich ausweichend. „Zumindest war das früher einmal der Fall … bevor ich in mich gekehrt wurde.“


    Nur zum Schein widmete ich mich vornehmlich dem Verzehr der Dattel und selbst die soeben in Augenschein genommene Wandmalerei betrachtete ich bestenfalls mit oberflächlichem Interesse. Umso emsiger arbeitete hingegen der Geist, weil ich realisierte, wie verblüfft ich auf die neuerliche Umschiffung Hungaricus’, meine Besuchsabsicht betreffend, reagierte. Mir wurde in diesem Moment klar, dass ich seit langem nur noch funktionierte und dabei die Fähigkeit eingebüßt hatte, Spaß am Leben zu empfinden. Mein Handeln war geschäftsorientiert, Genuss und Freude hatte ich scheinbar ausrangiert, sie für überflüssig erklärt, vielleicht aber auch nur nicht mehr zugelassen, weil ich mir verbot, fröhlich zu sein, während meine Eltern von Krankheiten geplagt wurden. War ich eine Närrin? Es musste wohl so sein.
    Bei dieser Erkenntnis angelangt schaute ich den Hausherrn wieder an und begrüßte die Tatsache, dass Menschen in aller Regel keine Gedanken lesen konnten. Ich lächelte verlegen, suchte mir alsdann aus der Unzahl von Nüssen eine in Form eines Herzens aus und führte sie nach kurzer Betrachtung zum Mund.


    „Mein Besuch ist bereits jetzt ein Gewinn“, stellte ich lächelnd und mit Überzeugung fest, nachdem ich hinuntergekaut hatte. Mir war klar, dass Hungaricus vermutlich nun vor einem Rätsel stand. Ich betrachtete ihn aufmerksam.


    Der inzwischen kreisende Alkohol erleichterte nicht unbedingt die Suche nach einem Anschlussthema. Es wäre höflich gewesen, ihn nun nach dem Befinden seiner Familie zu fragen, aber, hm, ich gestand mir ein, dass ich in diese Richtung irgendwie nicht schwenken wollte. ‚Warum eigentlich nicht?’ Ich grübelte. Vielleicht weil ich mich seit Monaten erstmalig entspannt hatte? Vielleicht weil ich dieses angenehme Gefühl keineswegs von mir aus verkürzen wollte, indem ich auf Höflichkeitsfloskeln zurückgriff?


    „Was ich schon immer einmal wissen wollte …“, begann ich stattdessen, während meine Mundwinkel in amüsierter Weise zu zucken anfingen. „Wie verbringt ein Senator eigentlich seine Freizeit?“


    Ich neigte den Kopf zur Seite und blickte ihn derart an, dass der Anflug einer Aufforderung nicht zu verkennen war.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    So. Deandra war also wahrhaftig zuegegen. Ich stellte mir die Frage, warum in aller Welt es unbedingt Ostia sein musste, unbedingt dieses Landhaus. Waren denn die claudischen Gefilde nicht angemessen? Dürstete es ihr nach Abgeschiedenheit? Aquilius' Worte kamen mir wieder in den Kopf: Sie scheint sprunghaft. Du solltest dich fragen, wie beständig ihre Wünsche sind. Bewies ihr Verhalten nicht, dass es so war, wie Aquilius gesagt hatte? Warum sonst hätte sie die Familie verlassen sollen, in die sie sich auf eigenen Wunsch hatte hineinadoptieren lassen?


    In meine Grübeleien hinein trat schließlich Deandra in die kleine Halle, und das so leise, dass ich sie erst bemerkte, als sie unmittelbar neben mir stand und mich per Küsschen begrüßen wollte. Eigentlich hatte ich einen strengen und missgelaunten Gesichtsausdruck für diesen Moment geplant, aber im ersten Moment war ich doch froh, dass sie wohlbehalten vor mir stand. Ich räusperte mich und versuchte, einen der geplanten Gesinnungen auf meinem Antlitz erscheinen zu lassen, was sich augenblicklich in einer strengen Mimik niederschlug. Als Deandra die Hand hob, um mein blaues Auge zu berühren, hielt ich ihre Hand fest und führte sie zur Seite, dann ließ ich das Handgelenk los. "Nein, eine Schlägerei", erwiderte ich grußlos. "Lasst uns allein", kommandierte ich und wartete, bis sich das atrium geleert hatte. Dann begann ich augenblicklich damit, auf und ab zu gehen, mit auf dem Rücken zusammengefassten Händen, versteht sich.


    "Kennst du schon die Geschichte, von der Frau, die weglief? Ich will sie dir mal grob umreißen, Deandra.
    Es war einmal eine Frau, nennen wir sie Drusilla, die fühlte sich ungerecht behandelt, fühlte sich unverstanden und ungeliebt, und deswegen beschloss sie, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einfach fortzulaufen wie ein kleines Mädchen. Natürlich sagte sie niemandem, wohin sie zu gehen beabsichtigte, und selbstverständlich war sie so selbstbewusst, dass sie ohne auch nur an Schutz zu denken in ihre Kutsche stieg und abfuhr. Während sie also nun abgesondert und zurückgezogen ihr Dasein fristete - ob zufrieden oder nicht, sei dahingestellt - hatte sie natürlich keine Ahnung, dass nicht nur ihr Vater, sondern auch ihre Schwester, ihr Verlobter und dessen Familie krank vor Sorge überall nach ihr suchten. Sie scheuten keine Mühen und nahmen selbst weite Reisen auf sich, um Drusilla zu finden. Es dauerte beinahe eine ganze Woche, bis ihr Verlobter sie fand, wie sie wohlauf, aber unbeteiligt an den ganzen Sorgen und Ängsten, die sie heraufbeschworen und selbst verursacht hatte, in ihrem frisch gemachten Nest saß. Er war weder angetan von ihrer Handlungsweise, noch würde er ein solch dummes Verhalten in einer Ehe tolerieren. Vermutlich war sich Drusilla nicht darüber im Klaren, dass ihr Verlobter eigentlich besseres zu tun gehabt hätte, als tagelang nach ihr zu suchen, er war nämlich decemvir und als solcher hatte der Magistrat Verpflichtungen und konnte sich nicht leisten, so viel Zeit für eine sinnfreie Suche zu verschwenden. Jedoch, als er dann bei ihr ankam und sah, dass es ihr gut ging, erzählte er ihr eine Geschichte, die dieser gar nicht unähnlich ist. Und als er schloss, da stand nurmehr die Frage nach dem Warum im Raum, ehe sich Drusillas Verlobter abwenden und allein wieder nach Hause reiten würde"
    , erzählte ich in möglichst neutralem Tonfall. Dennoch gelang es mir nicht, den unterschwelligen Ärger gänzlich rauszuhalten. Ich blieb stehen, gute vier Meter von Deandra entfernt, wandte mich zu ihr um und verschränkte die Hnde vor der Brust. "Und das, obwohl Drusillas Verlobter Pferde hasste", fügte ich nüchtern hinzu und rührte mich nicht mehr.


    Nach dem Gespräch mit Prisca und dem Besuch beim Orakel fühlte ich mich so gut wie lange nicht. Mich trug die Hoffnung, ja fast schon die Überzeugung, es würde mit Corvi wieder alles in Ordnung kommen, ich müsste nur endlich meine Trauerhaltung aufgeben, das Vorgefallene ein für allemal abhaken und die ersten Schritte auf ihn zumachen. Mit diesem Vorsatz hatte ich das Atrium betreten, Pandas Eindruck, er sei voller Vorfreude, erleichterte mir diese Absicht, sie beflügelte mich geradezu. Ihn schließlich noch verletzt sehen zu müssen, brach die letzte Barriere, sofern da überhaupt noch eine war, weil es mich anrührte. Ich spürte, die Liebe war mir nie abhanden gekommen, sie wurde nur von der Trauer zeitweise zugedeckt.


    Mitten in mein soeben offenes Herz traf dann seine Abwehrbewegung, die eine Berührung meinerseits unterband. Erschrocken schaute ich ihn an. Unfähig zu begreifen, warum er mich nun erneut zurückwies. Verständnislosigkeit ließ meine Augen groß und dunkel werden. Mit einem gequälten Schlucken versuchte ich vergeblich, den jäh entstandenen Kloß im Hals aufzulösen. Während er für den Abzug der Soldaten und Sklaven sorgte und kurz darauf eine Wanderung durch das Atrium begann, fragte ich mich immer wieder, was ich ihm eigentlich angetan hatte. Ich konnte mir keinen Fehltritt vorwerfen, nicht einmal eine geäußerte Klage. Geduldig hatte ich all den Kummer alleine getragen.
    Als er endlich das Wort erhob, schreckte ich förmlich zusammen, so sehr verstört war ich in diesem Moment. Es strengte mich an, der Geschichte zu folgen, weil meine Gefühle aufgepeitscht waren und die Nerven blank lagen. Allerdings bot sie die ersehnte Aufklärung.


    Schweigen breitete sich für Momente wie Nebelschwaden im Atrium aus, in denen ich zunächst meine Gedanken sammeln musste. Ich dachte an Prisca, die mir glaubhaft gemacht hatte, er wollte mich nicht bewusst verletzen. Und was hatte das Orakel mir noch einmal für eine Nachricht zukommen lassen? Sieh all das Schöne um dich und genieße! Von Genuss konnte derzeit keine Rede sein, aber ich bemühte mich, das Positive an der Situation zu sehen, auch wenn es nicht auf den ersten Blick erkennbar war. Er sprach von Sorge, die ihn und andere belastet hatte. Das sollte mich eigentlich freuen, weil es zeigte, dass Liebe da war, auch wenn sie nicht immer sichtbar war, und doch kam keine Freunde auf, denn es tat mir in diesem Augenblick leid, anderen diese Sorge bereitet zu haben. Was war noch positiv? Er war trotz Zeitknappheit nach Ostia gereist, sogar auf einem Pferd. Dabei kannte ich seine Abneigung gegen das Reiten. So komisch sein abschließender Satz auch geklungen hatte, zu einem Schmunzeln veranlasste er mich nicht, was er sonst sicherlich getan hätte. Ich nahm die in die Geschichte eingebauten Vorwürfe sehr ernst.


    Ein hörbares Ausatmen ging meinen Ausführungen voraus, die ich dort, wo ich gerade stand, hervorbrachte.


    „Ich könnte mir sehr gut vorstellen, was Drusilla dazu bewogen hat, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion fortzulaufen, denn sie scheint meinem Erleben sehr ähnlich zu sein“, sagte ich einführend, während ich seinem Blick keineswegs auswich. Abgesehen von der Tatsache, dass ich zwar einsah, überhastet gehandelt zu haben, konnte ich gute Gründe vorweisen, warum ich abgereist war. Würde ich die Augen niederschlagen, käme dies nicht nur einem Eingeständnis von vollkommener Unüberlegtheit gleich, sondern hätte zudem noch eine demütige Geste gezeigt. Demut und Unterwürfigkeit lagen meinem Charakter aber ebenso fern wie Unehrlichkeit oder Niedertracht. Ich stand für meine Fehler ein, so viele hatte ich schließlich noch nicht einmal gemacht. Zumindest fand ich das. Als der anfängliche Schreck nachließ, wurde meine Stimme zunehmend weicher.


    „Vermutlich ist sie zart und verletzbar in ihrem Wesen, womöglich hatte sie sogar ein schwerer Schicksalsschlag erlitten, von dem sie noch immer nicht gesundet war. Ihr fehlten vielleicht ein Arm, der sich tröstend um ihre Schulter legte, und vermutlich auch der Zuspruch, dass die Zeit alle Wunden heilt. Bestimmt wäre alles gut gegangen, wäre nicht eines Tages an die Stelle der einst liebenden Mutter ein Scheusal gerückt, das in Drusillas kaum verheilte Wunde ihre Boshaftigkeit wie feinste Salzkristalle streute. Die Wunde brach erneut auf, blutete stark und peinigte die junge Frau, die in der Flucht ihre einzige Möglichkeit sah, dem schier unerträglichen Schmerz zu entkommen. Sie floh in Panik.“ Zwei Liedschläge schaute ich Corvi wortlos an, ehe ich leise anfügte: „Rechtlich gesehen bedeutet das verminderte Schuldfähigkeit.“


    Gern hätte ich ihn gefragt, ob er denn inzwischen Ofella kennen gelernt hatte, aber ich unterließ es, denn ein weiterer Teil der Geschichte sollte noch folgten.


    „Gewiss hätte Drusilla ihre Lieben im Nachhinein benachrichtigt, jedoch ereilten sie weitere Bekümmernisse, die sie sich zu Herzen nahm. Eine Sanctio hängt ihr nun an, sie bemühte sich um einen Advocatus, sie ging zum Gericht. Viel zu viel lastet derzeit auf ihren jungen Schultern, aber weil sie Angst vor der Mutter hat, traut sie sich nicht zu ihrem Vater heim.“ Ich fragte mich, ob Corvi nachempfinden konnte, wie überfordert ich mit dieser neuen Mutter war.


    Während mein Blick noch immer auf seinem Gesicht weilte und mir die Aussage, er wolle nach der Erklärung sofort zurück reiten, vor Augen lag, entschloss ich mich, noch ein anderes Thema anzusprechen. Unsere Distanz, die nicht nur schwer zu ertragen war, wirkte sich bei dem, was ich ihm sagen wollte, gerade in doppeltem Sinne ungünstig aus: Sie konnte die Wirkung meiner Worte schmälern. Es kostete mich dennoch erhebliche Überwindung, ein Stück auf ihn zuzutreten - nahe genug, um die Bedeutung nachfolgender Aussage zu unterstreichen, aber fern genug, um nicht erneut eine körperliche Zurückweisung zu riskieren.


    „Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten ganz der Trauer hingegeben“, sagte ich leise, dieses Mal war mein Blick gesenkt. Nicht etwa, weil ich mich schuldig fühlte, sondern weil das Thema mich noch immer bedrückte. „Ich habe dich in der Zeit sehr vermisst und dabei übersehen, dass du selbst eine Menge Last trägst. Es tut mir leid, dass ich nicht stärker gewesen bin, es tut mir sehr leid, dass ich mich derart verschlossen und teilweise falsch über dich geurteilt habe.“ Was wäre eine Entschuldigung ohne den direkten Augenkontakt? Sie würde nicht die Mühe lohnen, den die Worte beim Aussprechen machten. Ich sah Corvi offen an, denn meine Worte waren ehrlich gemeint.
    „Bei all der Trauer habe ich nie aufgehört, dich zu lieben. Für mich war das stets klar, aber ich fürchte, dass du es vermutlich nicht sehen konntest. Ich habe zudem das Orakel aufgesucht. Der überreichte Götterrat hat mich darin bestärkt, die Trauer abzustreifen und in das Leben zurückzukehren, daher werde ich mich hier sicher nicht vergraben, sondern ab und zu in der claudischen und der aurelischen Villa anzutreffen sein.“ Ein zaghaftes Lächeln erschien auf meinem Gesicht, das die sanfte Wangenröte verstärkte, die einerseits aus dem anfänglichen Schreck und andererseits auch aus der soeben empfundenen Herzenswärme resultierte. „Vielleicht finde ich ja einen Weg, mit diesem Hausdrachen umzugehen. Vielleicht hast du ja sogar einen Rat?“


    Bitte und Frage zugleich beinhalteten meine letzten Worte. Ich blickte Corvi noch immer sanft lächelnd und zudem unsagbar erleichtert an, weil ich trotz der zunächst ungünstigen Umstände dankbar für die Möglichkeit einer Klärung längst überfälliger Kümmernisse war.

    Ich hörte Hungaricus mit Interesse zu. Vor allem, als er erwähnte, er und mein Vater seien „sicher nicht die besten Freunde“ gewesen. Diese Tatsache war mir neu, weil ich bislang von Neutralität ausgegangen war, die sogar etwas wie Interessensübereinstimmung beinhalten musste, weil es eben jene Übereinkunft gab, von der mein Vater erzählte.


    „Oh, das verwundert mich“, gab ich unumwunden zu, vermutlich mit einem sichtlich überraschten Gesichtsausdruck. „Danke sehr für dein Beileid“, erwiderte ich freundlich, weil die Erwähnung mich in der Tat freute. Vor allem, da ich kein Wort bezüglich des Trauerfalls verloren hatte und somit klar war, dass mein Vater als ehemaliger Magistrat doch seine Spuren im Imperium hinterlassen hatte, selbst als er dahinschied. „Sein Tod hat uns alle sehr getroffen“, fügte ich daher als Bestätigung an.


    Der Einladung zur Einnahme einer bequemeren Position kam ich gerne nach. Ich neigte als Zustimmung den Kopf, bevor ich mich der Sitzecke näherte und Platz nahm. Den dargereichten verdünnten Wein nahm ich entgegen, nippte aber nur kurz daran, denn es erschien mir unpassend, an dieser Stelle zu erwähnen, dass ich nur im Ausnahmefall Wein zu mir nahm. Das alles spielte derzeit keine Rolle, weil ich ja ein Anliegen hatte. Dummerweise gab mir der Gastgeber keine Einstiegshilfe. Stattdessen bot er mir an, mich wie zu Hause zu fühlen. Das war nun wiederum so auflockernd, dass ich leise auflachte.


    „Danke, das ist sehr nett. Zuhause würde ich eine kleine private Plauderei einer geschäftlichen Sache vorziehen.“ Ich schmunzelte, während ich nach einer Dattel griff, ohne dabei den Blick von Hungaricus zu wenden. Ich war gespannt, wie er nun reagieren würde. Eines jedenfalls hatte seine Handlungsweise bewirkt: Ich verlor die Verkrampfung und fühlte mich tatsächlich bald wohl.

    Ich hob bei Samiras Nachfrage abwehrend die Hände. Gift konnte auch keine Lösung sein, zumindest nicht für mich. In meiner Not hatte ich keinen anderen Ausweg mehr gesehen, aber dabei vergessen, dass ich mich dabei selbst verlor.


    „Belasse es dort, wo es ist, ich benötige es nicht mehr“, entgegnete ich stoisch und erhob mich wieder von der Bettkante. „Aber du kannst mir die Sachen für den Umzug packen, dass wäre eine Hilfe.“


    Damit ließ ich Samira gewähren, ohne aber diesen Arbeiten beizuwohnen. Ich kehrte dem Zimmer den Rücken und ließ damit um einiges erleichtert diese verrückte Idee hinter mir.

    Sim-Off:

    Wow, soo schön geschrieben. Da muss ich gleich antworten. :)


    In dem Augenblick als die Rede auf Mogontiacum kam, zog erstmalig an diesem Tag Ruhe in mein Gemüt ein. Ich ahnte, nein, ich wusste, diese Ruhe würde mir für immer erhalten bleiben, denn Prisca hatte es vollbracht, sich in mein Herz zu schummeln und das, obwohl die Torwächter davor sehr wählerisch waren. Mit ihr jedoch war von Anbeginn alles leicht und unkompliziert gewesen, sie besaß Herzensgüte und strahlte so viel Aufrichtigkeit aus. Ich musste unwillkürlich an Helena denken, deren Freundlichkeit sichtbar, aber gleichzeitig spürbar nur oberflächlich gewesen war. Priscas Freundlichkeit und Ehrlichkeit hingegen durchdrangen sie vollkommen und nur solchen Menschen gegenüber konnte ich mich öffnen. Ich wusste, warum meine Torwächter am Herzen derart penibel sondierten: Es lag daran, weil ich sehr empfindsam war – bei geöffnetem Herzen umso mehr. Ich erwiderte den Händedruck nochmals und besiegelte den Schwur.


    „Stets füreinander da.“ Ich lächelte. Zum einem, weil es mir gerade gut wie lange nicht mehr ging, und zum anderen, weil ich bemerkte, dass mich Prisca führte, weil ich ja meine Hand in ihre geschoben hatte. Sie führte, obwohl sie die jüngere von uns beiden war. Vermutlich war ich nach dem Verlust meiner Eltern der Kindheit stets auf der Suche nach einer Mutter- und einer Vatergestalt, die Prisca natürlich nicht darstellte, aber sie erschien mir momentan so viel stärker als ich selbst. Daher blickte ich sie erwartungsvoll an, als wir uns gegenüberstanden und ich bemerkte, dass sie etwas beschäftigte. Kurz darauf sprach sie mich in jener Weise fragend an, die stets etwas Besonderes vermuten ließ. Ich hörte aufmerksam zu, als sie wegen meinem Umzug nachfragte und anschließend erklärte, warum sie glaubte, keine gute Ratgeberin zu sein. Mit einem Lächeln versuchte ich ihre Bedenken zu zerstreuen.


    „Ein Ratgeber wäre schön, ja. Aber alleine wenn jemand zuhört oder wie du seine Gedanken äußert, von dem ich weiß, dass er es gut und ehrlich meint, ist das Unterstützung genug, glaub mir.“ Nachdem Prisca flüchtig aus Verlegenheit nach unten geblickt hatte, fasste sie offenbar Mut und teilte mir ihre Gedanken mit. Wieder hörte ich aufmerksam zu, ich unterbrach sie nicht, machte auch keinen Einwurf während der kurzen Pause und selbst als sie geendet hatte, blieb ich für Momente stumm. Mehrfach ließ ich mir ihre Ansicht durch den Kopf gehen, wog sie ab, prüfte sie.


    „Aus dieser Sichtweise habe ich Marcus’ Veränderung noch nie betrachtet“, gab ich schließlich unumwunden zu. Bislang maß ich seine mangelnde Fürsorge an der, die er mir bis zum Tod unserer Eltern angedeihen ließ. Ich hätte ihn damals mehr als sonst gebraucht, aber nicht nur, dass er nicht für mich da war, er entzog mir sogar den Halt und damit verlor ich auf doppelte Weise den Boden unter den Füßen. „Und ich glaube sogar, du hast Recht. Ich habe das nicht von alleine gesehen, weil mich der Schmerz um Antoninus und Severina fast umgebracht hat. Ich habe mich zurückgezogen. Vermutlich hat ihn das erstrecht davon abgehalten zurückzufinden.“ Die Erkenntnis, selbst einen Großteil an Schuld für empfundenes Unglück zu tragen, war selten angenehm, trotzdem überwand ich mich dazu, mich in seine Lage zu versetzten und in mich hineinzufühlen, wie es mir wohl gegangen wäre. Das Ergebnis war erdrückend. „Ich bin eine Närrin, oder?“


    Fragend schaute ich Prisca an, bereit, mich durch ihre Zustimmung „vernichten“ zu lassen. Absicht hatte ich ihm bisher nie unterstellt, wohl aber Gedankenlosigkeit. Es war so leicht, die Schuld alleine beim anderen zu sehen und gleichsam schwer, eigene Verantwortung zu übernehmen, aber darum kam ich offensichtlich nicht herum. Mein Verhalten, mit dem ich mich schützen wollte, löste bei ihm genau das aus, wovor ich mich am meisten fürchtete, dessentwegen ich den Selbstschutz benötigte. Gerade kam mir alles so paradox vor und ich war froh, als Prisca Überlegungen anstellte, wie sie wohl mit einer solchen Situation umgehen würde. Ich stimmte in ihr Lachen ein und forderte sie mit einer Kopfbewegung, einem ersten Schritt sowie einem sanften Zug am Arm auf, doch den Spaziergang weiter fortzusetzen.


    „So? Du hättest gedrängelt?“, wiederholte ich und fand gleichzeitig mein Lachen wieder. „Uh, Männer reagieren allergisch auf Drängen, merk dir das bloß.“ Der angesammelte Druck fand ein Ventil im Lachen, das Thema war aber auch höchst geeignet, es auf spaßige Weise auseinander zu nehmen. „Außerdem, Prisca, du verlierst tatsächlich an Würde, wenn du Eifersucht zeigst oder einen Mann bittest, dich zu heiraten. Das lässt dich bedürftig wirken“, flüsterte ich in ihr Ohr. „Weißt du was? Er soll niemals annehmen, mit dem geschlossenen Bund tut er dir einen Gefallen. Du bist sein Hauptgewinn, daran muss er glauben.“ Obwohl ich Prisca verschwörerisch anschaute, meinte ich meine Worte toternst. „Wie wäre es, wenn wir uns zukünftig öfter beratschlagen? Dann brauchen wir uns vermutlich tatsächlich nicht vor der Zukunft fürchten.“


    Um einiges gelöster schritt ich nun etwas schneller aus, ohne jedoch das Tempo übermäßig anzuziehen. Schließlich sollte es ja ein erholsamer Spaziergang sein und kein sportliches Ereignis. Priscas Bitte, über mich und Marcus zu erzählen, verstand ich sehr gut. So etwas teilte man einfach mit seiner Freundin. Während die Gedanken bereits in die Vergangenheit wanderten, erschien automatisch ein sanftes Lächeln auf meinem Gesicht.


    „Ich weiß nicht, aus welcher Patrizierfamilie ich stamme, ich habe Vater nie gefragt, weil es außer ihm für mich keinen anderen Vater gab“, begann ich meine Erzählung. „Ich weiß nur, dass ich als Neugeborenes verstoßen wurde, weil ich wieder ein Mädchen war. Mich begleitet dieser Gedanke, unerwünscht gewesen zu sein, auch heute noch. Er wird mich wohl nie loslassen, und das, obwohl ich dadurch die besten Eltern der Welt bekam. Marcus wurde ein Jahr nach meiner Aufnahme geboren. Antoninus bekam offenbar nur Söhne geschenkt, aber er liebte alle seine Kinder. Nicht so wie der, der sich mein leiblicher Vater nennt.“ Die letzten Worte klangen abfällig. Ich bemühte mich nicht, meine Verachtung für die in Rom gängige Praxis des Kinderaussetzens zu verbergen. „Marcus und ich sind zusammen aufgewachsen, er war mir der liebste von meinen Brüdern. Schon als er klein war, sorgte er sich um meine Sicherheit, er war schon immer so. Dass uns mehr als nur geschwisterliche Liebe verband, kam durch meine Adoption vor zwei Jahren zutage. Wir waren beide zunächst bestürzt, haben auch dagegen angekämpft, aber waren schließlich doch der Macht der Gefühle erlegen gewesen. Danach folgte eine wunderschöne Zeit, vielleicht die beste meines Lebens.“ Ich schwieg für einen kurzen Moment, weil mir die Einbuße erst jetzt in ihrer Größe bewusst wurde. „Den Rest kennst du eigentlich, ich habe ihn vorhin im Triclinium erzählt. Als erstes hat mich die Bosheit seiner Leibsklavin sehr belastet, später …“ Meine Gedanken weilten in Mogontiacum, als Prisca noch nicht bei uns wohnte. Trügerische Freundlichkeit hatte mich in Gestalt Helenas umgeben. „Ich kann in so einer feindlichen Atmosphäre nicht atmen, ich bekomme dann keine Luft. Mir ist schon damals manches zu viel gewesen. Einmal habe ich sogar die Beherrschung verloren und dieser Sklavin ins Gesicht geschlagen. Der Druck war einfach viel zu groß.“


    Ich war nicht ohne Fehler, gewiss nicht, aber mir schien schon damals, dass Marcus blind für meine Nöte war.

    Mein Brüten, bei dem ich das Zeitgefühl verloren hatte, wurde durch das Eintreffen des Hausherrn unterbrochen und ich wandte den Kopf. Dankbar, nicht länger über den Sachverhalt nachgrübeln zu müssen, sondern handeln zu können, begrüßte ich Hungaricus mit einem Lächeln, bevor ich mich ihm gänzlich zuwandte.


    „Ja, das ist richtig. Salve, Senator Vinicius!“ Natürlich kannte ich sein Äußeres, aber wir wurden einander nie vorgestellt, und wie es nun einmal oft der Fall war, rettete ich mich weiterhin mit einem freundlichen Lächeln über die erste Verlegenheit. Ich kannte in etwa seinen Karriereverlauf, wusste, wo seine Kompetenzen lagen, weswegen ich ja letztlich auch hier war, realisierte, dass er etwas jünger als mein ehemaliger Vater und doch offensichtlich reif an Erfahrung war. Eine Tatsache, die mir durchaus Respekt einflößte, was ich aber weitestgehend zu verbergen suchte.


    „Ich habe mich an die Worte meines Vaters erinnert, als ich gestern vor einem Problem gestanden habe. Er sprach sich in vielerlei Hinsicht lobend über dich aus.“ Ich senkte flüchtig den Blick, weil der Verlust noch immer schmerzte, obwohl nach meiner Ansicht ausreichend Zeit nach der Todesnachricht verstrichen war. „Aurelius Antoninus“, erklärte ich anschließend, damit Hungaricus nicht erst rätseln musste. Meine Aufnahme in die Claudia befand ich zum augenblicklichen Zeitpunkt als nicht so wichtig, um ebenfalls zu Beginn erwähnt zu werden.

    Es erfüllte mich mit Freunde, dass meine Vermutung, die Götter könnten bereits an der Klarheit meiner Gedanken beteiligt sein, zutraf. Das bedeutete nämlich auch, dass meine Überlegungen tatsächlich in die richtige Richtungen gingen bzw. dass ich an dem Ergebnis meiner gewonnenen Überzeugung vertrauensvoll festhalten konnte.


    „Ja, ich warte … natürlich“, erwiderte ich der Priesterin und lächelte. Ich freute mich sehr auf die mögliche Hilfestellung der Götter, zumindest hoffte ich darauf. Mit diesem Rüstzeug konnte mir sicherlich in der Zukunft nichts mehr passieren, darauf vertraute ich, daran wollte ich glauben. Mit einer neuen Unbeschwertheit folgte mein Blick der Priesterin, bis sie in dem langen Gang nicht mehr zu sehen war. Anschließend wandte ich mich zu Minna um.


    „Ist das nicht wunderbar?“, fragte ich sie und lächelte seit Wochen erstmalig wieder glücklich. Es war mir gerade auch herzlich egal, dass ich die Sklavin wie eine Vertraute behandelte. Sie hatte mich auf diesem Weg begleitet, während ihrer Anwesenheit hatten mir die Götter geholfen, Klarheit in meine Gedanken und Gefühle zu bringen, also war Minnas Gegenwart eher positiv gewesen, was auch ein Zeichen der Götter sein konnte. „Weißt du was?“, flüsterte ich, weil mir nicht klar war, ob eine Unterhaltung Sibylles Arbeit negativ beeinträchtigen konnte. „Nachher gehen wir zwei auf den Markt. Da kaufe ich dir was Schönes. Ich muss zuvor nur noch ein paar Wege erledigen.“


    Ich nickte ihr lächelnd zu, wandte meine Aufmerksamkeit dann jedoch wieder dem langen Gang zu, aus dessen Richtung ungewohnte Geräusche drangen. So sehr ich meine Wahrnehmung auch schärfte, mir war nicht möglich, die Stimmen und Klänge zu deuten, die sowohl Ehrfurcht als auch Besorgnis in mir auslösten. Bedeuteten sie etwas Gutes? Waren sie ein schlechtes Zeichen? Oder musste genau dies zu hören sein? Bekam dies jeder Ratsuchende zu hören?