Beiträge von Germanica Aelia

    Keine halbe Stunde später drang ein zaghaftes Klopfen in den Raum.
    Ich pfefferte die nächste Schriftrolle in Ablage P (Ein Schreiberling aus Misenum berichtete über die hochspannenden Vorgänge in seiner Stadt: Eine Katze war von einem Zweispänner überrollt worden, am Hafen war ein Sack voller Kiesel umgefallen, auf denen ein Matrose ausgerutscht war und sich die Wirbeläule gestaucht hatte und das örtliche Lupanar hatte Nachwuchsschwierigkeiten. Was dachte er nur, wen das interessierte?)
    Zutiefst depremiert darüber, dass es wohl wieder nichts über die Stadt am Meer zu berichten gab wandte ich mich nun der Tür zu. "Herein."



    Die Tür schwang auf und zeigte...Nicht doch...
    "Was? Ist keiner da? Haben die Pferde auf Hippocampen umgeschult? Hast du den Brief verloren?"
    Fusculus stand mit einem Gesicht als hätte er eine Abfuhr von der neuen Scriba bekommen da und geruhte schließlich einzutreten.


    "Nein, nein. Nichts dergleichen."


    Er war einer dieser Menschen, denen man es sogar aus der Nase ziehen musste, wenn ihre Factio beim Wagenrennen gewonnen hatte. Aber da ich meinen guten Tag hatte setzte ich meine interessierte Miene auf und faltete die Hände auf dem Tisch, während der müde Scriba sich hinsetzte...nicht, dass ich ihm einen Platz angeboten hätte. Noch dazu verdreckte er mit seiner Tunika den Stuhl (Zumindest nahm ich an, dass die Farbe, die sie hatte nicht von irgendeinem Färbemittel, sondern von zu viel Blaubeergelee kam).


    "Hat Laeca sich in das Palatium Augusti geschllichen und die Macht an sich gerissen?"


    "So ein Unsinn! Nein."


    Eine kleine Hilfestellung wäre natürlich jetzt auch zu viel des Guten gewesen.
    "Du hast entschieden, zu kündigen und Melonenzüchter zu werden?!"
    Das war ihm nichtmal mehr ein "Nein" wert. Fragend stierte er mich an.
    Ich rätselte derweil, ob ein Stilus in seinem Auge wohl eine ähnliche Reaktion wie der plötzliche Postverkehr haben würde.
    "Also gut, ich komm nicht drauf. Was ist los?"


    "Ich habe den Boten losgeschickt."
    Für einen Scriba war er doch recht einsilbig. Normalerweise hörten die doch nicht mehr auf zu reden?
    Ich stützte meinen Kopf auf meinem rechten Arm ab, während ich mit meiner linken Hand begann ungeduldig auf den Tisch zu trommeln.
    "Bitte sag mir nicht, dass du nur deswegen gekommen bist..."


    Er sagte es nicht. Er sagte gar nichts.


    Schweigen.


    Während ich also auf dem Tisch herumtrommelte und er einmal seine Nase hochzog (er hätte sie ja wenigstens an der Tunika abwischen können, das wäre auf dem Ding auch nicht mehr aufgefallen) tauschten wir stumme Blicke aus. Ohja, mit diesem Burschen würde ich noch meine Freude haben.


    Mit einem Ruck lehnte ich mit zurück und hörte mit meiner musikalischen Untermalung auf.
    Ein Blick auf Fusculus verriet mir, dass ich ihn durch diese unerwartete Aktivität nun vollends verschreckt hatte.


    Das Stöhnen, das mir schon die ganze Zeit im Halse steckte unterdrückend strahlte ich den armen Kerl nun an.
    "Prima, weiter so."
    Das schien in seinem Vokabular nicht vorzukommen, denn er starrte mich weiter entgeistert an.


    Indes glitt mein wehmütiger Blick zum Stapel Papyrii, die ich noch lesen musste. Solange der Kerl hier saß und nach Aufmerksamkeit, oder zumindest einer Art humanem Kontakt gierte würde ich damit nie fertig werden. Ich entschied, dass mein Verdacht, er könne 3 kleine, lärmende Kinder zu Hause haben definitiv zutraf. Kein Mensch, der so lange so sinnlos vor sich hin stierte hatte zu Hause seine Ruhe.


    Da ein freundlicher Wink mit dem Zaunpfahl nicht geholfen hatte versuchte ich nun die direkte Art: "Sonst noch was?"
    Ein Kopfschütteln war die Antwort. Seine Frau hatte zu Hause das Sagen. Langsam wusste ich allerdings nicht, wer von beiden mir mehr leid tun sollte: Die Frau, die mit dieser Triefnase leben musste, oder er, der einen Hausdrachen daheim hatte.


    Nach einiger Zeit des Schweigens kam schließlich: "Tja, dann sollte ich mich wohl mal wieder ein meine Arbeit machen."


    Iupiter, beinahe hätte ich losgelacht.
    Aber ich war froh, ihn loszuwerden, daher zeigte ich beim Lächeln brav die Zähne und nickte stumm.
    Er erhob sich - den Stuhl würde ich austauschen lassen - und schlurfte zur Tür.


    "Grüßen sie ihre Kinder schön.", sagte ich noch, worauf ich ein müdes: "Welche Kinder?" zurückbekam. So viel zu meiner Menschenkenntnis.
    Glücklicherweise war das kein Hindernis für ihn, endlich mein Officium zu verlassen...

    Als geborene Römerin war es mir natürlich unverständlich, wie man freiwillig in eine andere Provinz als Italia ziehen konnte, aber da gab es wohl durchaus Anreize.


    "Hm...hast du auch an etwas in der Art wie diese Aushänge gedacht, die man in letzter Zeit in Massen von den Städten in Hispania sieht?", fragte ich. Nur fragte ich mich, ob das helfen würde. Naja, versuchen konnte man es ja mal.
    "Das Begüßungsgeld für Mantua und Misenum könnte man dabei ja besonders hevorheben." 8)


    Tja...warum war ich nicht mehr im CD?
    "Hm...das ist eigentlich ganz einfach: Der CD war nicht meine Welt. Ich habe meinen Dienst an den Göttern gewissenhaft ausgeführt, aber ich merkte bald, dass das aufschlitzen von allerlei Tierkehlen nicht das ist, was ich mein Leben lang tun möchte. Dass dann hier ein Mag Scrin gebraucht wurde war wohl mehr oder weniger Glück für mich."
    Außerdem verdiente ich jetzt etwa 10 Mal so viel, wie zu meiner CD Zeit, aber man wollte ja nicht geldgierig erscheinen :D

    Ostia? Achja, Deandra zog es ja nach Mantua und weg von der Verwaltung.
    Auch ich hob mein Glas und prostete dem Comes zu.


    "Salute!", echote ich und trank einige Schluck. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass da wohl Arbeit auf mich zukommen würde.


    "In Mantua scheint es langsam ein bisschen aufwärts zu gehen...nur Misenum ist wie ausgestorben."

    Mit den Augen folgte ich der dunklen Flüssigkeit, die nun in die Gläser gegossen wurde.
    Ich riss meinen Blick los und sah wieder zu Aventurinus.


    "Du meinst vor allem Mantua und Misenum, nehme ich an?"

    Gerade als ich mich wieder in meinem äußerst bequemen Stuhl niederlies und eine Meldung, die wohl wie so viele andere in Ablage P landen würde durchlas flog die Tür auf und Fusculus - der Scriba aus dem Postbüro - stand im Raum.
    Aufgeregt wedelte er mit einem Zettel.


    Gute Götter, so viel Elan hätte ich ihm niemals zugetraut. Er schien darauf zu warten, dass ich ihn fragte was los war, also tat ich ihm den Gefallen:
    "Was ist? Haben die Blauen schon wieder beim Gladiatorenkampf verloren?", fragte ich und grinste.


    "Ein Brief! Nach Germania!", erklärte der aufgeregte Scriba. Ich bekam langsam den Verdacht, dass das das erste Mal vorkam.


    "Aha.", brummte ich wenig beeindruckt und warf die gelesene Nachricht, die ich noch in Händen hielt in besagte Ablage P.
    "Faszinierend Fusculus. Deswegen weckst du sämtliche Scribas in der näheren Umgebung?"


    Täuschte ich mich, oder sah er tatsächlich beleidigt aus?
    "Ich dachte..."


    "Das wird doch nicht das erste Mal sein, dass du einen von unseren Boten losschicken musst?"


    "Natürlich nicht.", log er.


    "Na, dann mach das gleiche wie beim letzten Mal auch. Drück die Nachricht einem von den Jungs in die Hände, sag ihm wohin er damit soll und vor allem, wem er sie geben soll und du kannst dich wieder an deinen Schreibtisch setzen..."


    Ganz neue Möglichkeiten eröffneten sich für ihn, ein Leben voller Tatendrang...doch nein, das wäre wohl zu viel von ihm verlangt.
    Stumm nickte er und trabte los.

    Auch in dieses Büro steckte ich nach einiger Zeit zum ersten Mal meine Nase.
    Der sich zu Tode langweilende Scriba saß an seinem Schreibtisch...gut, er lag mehr oder weniger darauf...und gab ein monotones Schnorcheln von sich. Na sauber. Kein Wunder, dass niemand mehr Briefe schrieb...höchste Zeit, dass man da was anderes erfand :D


    In normaler Lautstärke polterte ich durch den Raum, sah mir dies und jenes an - immer mit der beruhigenden Geräuschkulisse leisen Gurgelns um mich herum. Ich fragte mich, was man ihm wohl dafür bezahlte, dass er hier saß und sich von seiner zweifellos anstrengenderen Nacht am Tag erholte.
    Zu viel, entschied ich und beschloss, dem Staat ein wenig Geld zu sparen und vorzuschlagen, einige Gehälter zu kürzen 8)


    Um ihm doch anzuzeigen, dass er nicht das einzige atmende Wesen im Raum (abgesehen von den Mäusen) war, klopfte ich kräftig auf den Tisch, auf dem sein edles Haupt lag.
    Erschrocken fuhr das Haupt hoch und starrte mich entgeistert an.
    "S...Salve! Was kann ich für dich tun?", fragte mich der Scriba, der seine besten Jahre hinter sich zu haben schien. Zumindest schrie sein Gesichtsausdruck etwas in der Art. Naja, ich nahm zu seinen Gunsten an, dass er zu Hause 3 kleine Kinder hatte, die ihn wachhielten.


    "Du kannst mir zuerst mal deinen Namen verraten."


    "Fusculus.", verriet mir der verschlafene welche.


    "Aha, Fusculus. Ich bin Didia Aelia, Mag Scrin und leider Gottes im Moment auch noch für das Postwesen verantwortlich."
    Der dumpfe Ausdruck, mit dem er mich ansah brachte mich rasch zur Erkenntnis, dass er noch nicht mitbekommen hatte, dass es mittlerweile noch einen von der Sorte gab. Ich fragte mich, ob er überhaupt von Stephanus wusste.


    "Aha."
    Danke Fusculus. Darauf hatte ich gewartet...Ich unterdrückte einen Seufzer und setzte mich auf einen wackligen Stuhl.


    "Weißt du...ich habe mich gefragt, warum in Italia scheinbar niemand Bedarf an den Postboten hat...kannst du dir das erklären?"


    Nein. Komm, sag es.
    "Ich...äh...nein...ich fürchte nicht."
    Und nochmal danke.


    "Hm...Könnte es daran liegen, dass die Leute, wenn sie hier hereinkommen nur einen schlafenden Scriba vorfinden, der alles andere als qualifiziert zu sein scheint, irgendwelche Briefe zu verschicken?"


    Achtung, Überraschung:
    "Ich...äh...nein. Normalerweise schlafe ich nicht während der Arbeit...es ist nur..."
    Langsam schien er wach zu werden. Ich glaubte sogar ein kurzes Blinzeln zu sehen.


    "Hm...na, wenn du das sagst...", murmelte ich und erhob mich wieder. "Aber ich würde dir doch raten, in Zukunft zu Hause zu schlafen. Nur weil alle Welt denkt, dass wir Beamten im Büro nichts tun, außer die Beine hochzulegen und die Acta zu lesen, oder gleich einzupennen, heißt das noch lange nicht, das wir das auch machen müssen, verstanden?"


    "Natürlich!"
    Was natürlich 'Natürlich nicht' hieß. Naja, ich würde in ein paar Tagen nochmal reinschauen.


    "Wenn ich dich nochmal erwische, wie du hier den Briefbeschwerer spielst werd ich dir eine Aufgabe besorgen, bei der du dich etwas mehr einbringen kannst. Die Archive müssten glaube ich sortiert werden..."


    Olympus, er bewegte sich tatsächlich! Naja, ich hatte ja auch das schlimme Wort benutzt: Aufgabe.
    "Also Fusculus, mach mir keine Schande!"


    Ein fröhliches Liedchen vor mich hinpfeifend verließ ich den müden Scriba und spazierte zu meinem eigenen Officium zurück.

    Ich nickte.
    "Ja...ich habe sie irgendwo da hinten stehen lassen.", antwortete ich und deutete unbestimmt in die Richtung, aus der ich gekommen war.
    "Ich hoffe nur, dass die Sklaven, die sie tragen nicht mittlerweile nach Hause getrabt sind, weil es ihnen zu nass wurde." 8)


    Falls doch hätte ich zumindest eine Ausrede, warum ich später nach Hause kam...Nun fiel mir auch wieder ein, dass ich mich immer noch in seine Toga eingewickelt hatte. Widerstrebend zog ich sie von meinen Schultern und gab sie an ihren Besitzer zurück. "Danke...", murmelte ich. "Bis nach Hause muss es jetzt ohne gehen." ;)

    "Spätestens, wenn es dunkel wird muss ich zu Hause sein, Decius...", sagte ich und erschreckte selbst ein wenig, dass ich ihn mit seinem Praenomen ansprach.
    "Du weißt...mein Bruder hat den Vorteil, die Vigiles zu befehligen. Praktisch, sollte einem etwas zustoßen, unpraktisch, wenn man von zu Hause wegbleiben will."


    Ich verzog mein Gesicht zu einem säuerlichen Grinsen, was Corvus natürlich, da ich immer noch mit meinem Kopf an seiner Schulter lehnte, nicht sehen konnte.
    "Aber...wir sehen uns bald wieder, ja?", fragte ich, ehe ich wieder den Kopf hob um ihn anzusehen.

    'Umdrehen und gehen, umdrehen und gehen...', sagte ich mir immer wieder in Gedanken.
    Meine Gedanken schienen allerdings nicht bis zu meinen Beinen vorzudringen. Klarer Fall von dumm gelaufen.


    "Mein Verstand.", antwortete ich und lächelte schwach. "Allerdings hört der Rest nicht auf das, was der Verstand sagt..."


    Und so lehnte ich meinen Kopf an Corvus´ Schulter. Dass es regnete fiel mir schon gar nicht mehr auf.

    Nicht ganz unerwartet und doch überraschend kam dieser kurze Kuss.
    Erst, als sich unsere Lippen voneinander lösten öffnete ich langsam die Augen wieder.
    Was ich tun sollte wusste ich. Was ich tun würde auch. Die beiden Dinge stimmten nur dummerweise nicht überein.


    "Wir sollten das lassen, solange wir noch können..."
    Die Stimme der Vernunft in mir. Args...wie ich sie hasste.

    Mir auf die Lippen beissend sah ich zu meinen - wie ich fand - hochinteressanten, da nassen, Sandalen.
    "Nein...nein...ich..."
    Ich holte einmal tief Luft und zwang mich wieder aufzusehen. Unfähig beim Blick in Corvus unergründliche Augen noch zu widersprechen starrte ich ihn nur an...

    "Die Menschen werden es nicht...", meinte ich nur.
    Hatten meine Zähne eben noch vor Kälte geklappert, war mir nun, als stünde ich am Rande des Vesuvs, kurz vor dessen Ausbruch.
    "Corvus...wir..."
    Ich brach ab. Konnte nicht aussprechen, dass er und ich niemals zusammen sein konnten.

    "Wein, Saft, Wasser...egal. Was du an eine niedere Beamte verschwenden möchtest.", antwortete ich auf seine Frage hin und grinste.


    Achje, Aufgaben in der Verwaltung...ich versuchte ein neutrales Gesicht zu machen. Die ruhigen Tage waren wohl vorbei ;)
    Mit erwartungsfrohem Gesicht sah ich also den Comes an.

    "Iupiter?"
    Ich sah nach oben. Just in diesem Moment fühlte ich Corvus wärmenden Körper an meinem. Als anständiges Mädchen vom Lande hätte ich mich sofort aus dieser Umarmung winden und empört aussehen sollen.
    Da ich nicht vom Lande kam, konnte mir das wohl egal sein - hoffte ich jedenfalls.


    Alle Vernunft vergessend schmiegte ich mich also an der Prätorianer und schloss die Augen.
    "Iupiter ist mir im Moment eigentlich egal...", murmelte ich und hoffte, der Blitz möge mich deswegen nicht treffen.

    Auch noch der Comes selbst? Soso...hm...
    Ein freches Grinsen schlich sich in mein Gesicht.
    "Nunja...wir Beamten sind ja eigentlich nicht für unseren übermäßigen Tatendrang berühmt." ;)


    Ich fragte mich, ob die Sache mit den Sklaven auch für Frauen galt. Ich jedenfalls fand meinen Stuhl immer sehr bequem 8)


    "Womit kann ich dir also dienen?", fragte ich schmunzelnd. "Oder wolltest du nur ein Gesicht mit dem Geschreibsel verbinden?"

    Oha, sogar die Tür wurde einem hier geöffnet? Naja, der Comes hatte sicher sogar einen Sklaven, der ihm Luft zufächerte. Warum dann nicht auch einen der die Tür aufmachte...


    Als ich sah, wer da die Tür aufmachte wunderte ich mich doch etwas. Wie ein Sklave sah der gute Mann nun wirklich nicht aus.
    "Salve!", grüßte ich. "Der Comes lies mich rufen. Ich bin die Magistra Scriniorum Didia Aelia.", erklärte ich.
    Langsam begann ich mich zu fragen, ob diese lange Bezeichnung für meinen Beruf, bei der man sich jedesmal verhaspelte nicht reine Schikane war.