An
Quintus Claudius Felix
Villa Claudia
Roma
Italia
Liebe Kinder und Enkelkinder,
ich hätte mich längst melden sollen, aber die neue Aufgabe und meine Schreibunlust halten mich bislang im Griff.
Germanien ist eine dunkel wirkende Provinz, weil dichte Wälder bis an die Wohnsiedlungen reichen, das Klima kälter und die Tage scheinbar kürzer sind.
Die meiste Zeit arbeite ich im Kastell, nur einmal habe ich Mogontiacum besucht. Der Legatus Augusti befindet sich noch nicht lange im Amt. Es ist Annaeus Modestus - nicht gerade mein Lieblingssenator. Nachdem sich die erste Unterredung mit ihm äußerst unangenehm anbahnte, konnte ich für ausgeglichene Fronten sorgen. Und obwohl ich seinem Befehl unterstellt bin, habe ich nicht aufgehört, selbstständig zu denken. Ich werde wachsam sein müssen. Als vernünftig und kompetent erscheint mir hingegen der Praefectus der Ala II Numidia, Terentius Primus.
In Germanien fühle ich mich teils abgeschieden. Für jeden noch so kleinen Hinweis, jede Mitteilung und jeden Brief von euch bin ich daher überaus dankbar. Felix hat mir viel geschrieben. Dinge, die wichtig für mich sind, weil ich so die Strömungen und Wandlungen Roms auch aus der Ferne nachempfinden kann. Die nachfolgenden Zeilen sind daher an Felix gerichtet, der mich um meine Meinung bat.
Von euch, liebe Kinder und Enkelkinder, verabschiede ich mich schon jetzt mit den allerbesten Grüßen
euer Vater und Großvater Menecrates
Ich grüße dich, Felix!"
Du hast mir eine große Freude gemacht, indem du mich über wichtige Ereignisse in Rom in Kenntnis gesetzt hast. Es sind keine schönen Nachrichten, aber umso mehr wichtige. Nach deinen Schilderungen habe ich zunächst ein Schreiben aufsetzen lassen, wo ich zukünftig wünsche, auch aus der Ferne an Abstimmungen der Salii beteiligt zu werden. Ich missbillige das Auftreten bei deiner Antragstellung und ich möchte die Aufnahmekriterien beeinflussen können.
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In deinem Brief fällt besonders oft der Name Aurelius Lupus. Über ihn berichte ich später noch etwas. Zunächst möchte ich dir versichern, dass dein Rückschluss auf seine eigene ungesicherte Bildung nach einer Frage zum Bildungsstand eines Claudiers zwar verwegen, aber gleichsam nachvollziehbar ist. Wer fragt, ist unsicher, und wer unsicher in Bezug auf das Götterwissen bei einem Claudier ist, muss im unmittelbaren Familienkreis zweifelhafte Kenntnisse vor Augen haben. Ich halte es dennoch für klug, dass du dich für die Schlussfolgerung entschuldigt hast. Möglich ist, dass dieser Lupus zwischen zwei Stühlen sitzt: zum einen die Erziehung in einem einst plebejischen Haushalt und zum anderen der Wunsch nach einer möglichst glaubhaften patrizischen Außendarstellung. Seien wir also nachsichtig mit diesem armen Spross. Nichtsdestotrotz wird der Mann zukünftig von mir keine Unterstützung, sondern gesellschaftliche Ächtung erfahren.
Enttäuscht bin ich aber auch von Iavolenus und ebenso von Gracchus. Bei Ersterem liegt möglicherweise Verschulden unsererseits vor - Versäumtes in Bezug auf die Ehre müssen wir dringend nachholen. Immerhin hat er für dich gestimmt. Bei Zweitem, deinem Großonkel, zwingt mich die gänzlich ausgebliebene Hilfe, meine zukünftige Position ihm gegenüber neu zu bedenken.
Aber richten wir den Blick nach vorn. Wenn du eine Empfehlung möchtest, ich würde dir den Beitritt zu den Salii Collini nahe legen. Dein Vater ist dort Mitglied und wird dich sicher mehr unterstützen als es Iavolenus getan hat. Nutze also für dein Beitrittsgesuch eine Zeit, in der dein Vater in Rom weilt. Sei dir bewusst, dass man dich dort insbesondere über den Beweggrund deines Ansuchens befragen wird. Und leg dir gute Worte zurecht, wenn du erklärst, dass die Collini nicht nur die zweite Wahl sind.
Gerne höre ich von dir über den Entscheid deines Aufnahmegesuchs und jedes weitere Ereignis, das dir wichtig erscheint.
Die Götter mögen dich beschützen!
Dein Großvater
Menecrates"
PS:
Felix, würdest du bitte die erste Schulung in Bezug auf Ehre und Würde bei Iavolenus vornehmen. Und ebenso eine Schulung in Dingen, die für einen Claudier nicht in Frage kommen. Mir schein, er ist nicht genügend orientiert. Bitte mach ihm den Unterschied klar zwischen einem X-beliebigen Patrizier und einem Claudier. Ein Claudier engagiert sich bei den Salii, ein X-beliebiger Patrizier zum Beispiel in der Societas Claudiana et Iuliana. In ersterem sind ausschließlich Patrizier, in letzterer nur Plebejer. Auch wenn dort Claudiana auf der Titelseite steht, ist dies keine Bühne für einen Spross unseres Hauses. Lehre ihn, hinter die Kulissen zu sehen, ich wäre dir dafür sehr verbunden. Der Ertrag deiner Mühe wird uns allen zugute kommen."
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gez. H. Claudius Menecrates
ANTE DIEM VIII KAL MAI DCCCLXI A.U.C. (24.4.2011/108 n.Chr.)