Claudia Silana
Villa Claudia
Roma, Italia
M' Flavius Gracchus Minor Claudiae Silanae s.p.d.
Selbstredend bin ich hocherfreut, dass wir mitnichten im Dispute uns befinden, doch bin ich nach der Lektüre deiner Zeilen, welche zu empfangen mir durchaus ebenfalls eine Freude waren, doch genötigt zu befinden, dass wir bei derart konträren Positionen uns baldig in einem solchen befinden werden, selbst wenn er sich, wie zu hoffen bleibt, sich lediglich auf die Sache limitiert.
Durchaus vermag ich deine Suche zu verstehen, denn all jene Fragen okkupieren auch mich, wie du trefflich erkennst, und mir erscheint jener Eklektizismus, welchem du anzuhängen scheinst, als kein rundheraus irriger Weg, um zu saturierenden Repliken zu gelangen. Die Frage bleibt jedoch, woraus jener Eklektizismus sich schöpft, welche Lehren er zu kombinieren sucht und inwiefern hieraus sich Konsistenz ergibt.
Diesbezüglich halte ich dafür, durch eigene Erfahrung bereits gewisse Wege exkludieren zu können, wozu auch der Weg des Epikur zählt, da er doch nicht selten jener Natur von Mensch und Welt widerspricht, was sich mir gerade in der Perspektive auf dieses fremde Land klarifiziert. Denn ob ich in die Gehöfte der Germanen auf dem Lande blicke oder in meinem Castellum verweile, ob ich an mein geliebtes Rom denke oder die orientalischen Boulevards Alexandrias, überall vermeine ich doch ein ehernes Gesetz zu erkennen, welches die Welt durchdringt: Alles ist geprägt von einer stabilen Ordnung hierarchischer Natur.
So kennt nicht allein der Quirite Patron und Klient, selbst hier im hohen Norden existiert eine dergestalte Institution, welche als Munt wird tituliert, auch hier regiert der Adel über die Freien, der Freie über den Sklaven wie in der Legion der Centurio über den Miles. Und bei allen Menschen scheint jene Hierarchie keineswegs allein auf das Irdische sich zu limitieren, denn stets ragt sie hinein in die Unterwelt der Ahnen, die man über ihren Tod hinaus ehrt, und bis hinauf zu den Göttern, welche gleichsam ihre Spitze wie ihre Garanten darstellen.
Jene Götter indessen lehren uns ebenso, dass diese Ordnung nicht lediglich vertikal, sondern ebenso in horizontaler Richtung sich konstruiert: Wie die Unsterblichen, so sind auch den Sterblichen differente Obliegenheiten gegeben. Ist der eine zum Soldaten berufen, so der andere zum Bauern, der Dritte zum Knecht, die vierte zum Herren. Die Differenzierungen mögen differieren, doch überall existiert jene Ordnung, welche zu überschreiten dem Einzelnen wie die Gesamtheit schadet. Zweifelsohne ist dir die Fabel des Menenius Agrippa ein Begriff, welche uns wohl nichts anderes als diese Einsicht zu lehren wünscht.
Jene Ordnung indessen scheint Epikurs Lehre zu negieren, indem er nicht lediglich die Götter verachtet, sondern ebenso das Schicksal, welches dem einzelnen seinen Platz inmitten jener Ordnung zuweist.
Du mahnst mich, meinem Wollen, meinen Träumen und Wünschen zu folgen. Bisweilen scheinen sie mich zur Glückseligkeit zu führen, bisweilen jedoch auch in Desillusion und Tristesse. Blicke ich auf die divinen Ordnungen, welche ich an allen Enden des Imperiums nun erforschen konnte, so tritt jedoch noch ein Zweites hinzu, was mich zweifeln lässt, meinen eigenen Willen zum Maßstab des Handelns zu erheben. Denn alle Völker kennen auch jenen Ort, welchen wir Orcus, die Germanen Hel, die Hellenen Hades und die Ägypter Duat heißen. Doch gleich welche Titulatur sie auch haben mögen, überall werden die Seelen nach den Taten in der Welt der Lebenden beurteilt, sodass jene, welche der Tugend folgten, in die Gefilde der Seligen aufsteigen, während diese, die dem Bösen folgten, zu grässlicher Qual verdammt sind. Wollen wir jedoch nicht dafürhalten, dass die Götter in Willkür agieren, so erscheint es mir doch erforderlich, ihre Maßstäbe und Tugenden zu ergründen, anstatt mich der eigenen Nabelschau hinzugeben.
Und blicke ich auf diese Ordnung, welche mich gleichsam in naturaler Weise umgibt, so erscheint es mir doch zumindest sicher, dass es mir jetzt aufgegeben ist, ein Soldat zu Roms sein und morgen meine Anlagen zugunsten des Imperiums einzusetzen, wie es mir auch heute schon zu gelingen scheint. Jene Mission, von der ich dir berichtete, fand nämlich ein glückliches Ende. In der Tat gelang es mir, einen vierjährigen Frieden mit den Chatten auszuhandeln, was dem Limes in dieser Provinz Ruhe wird verschaffen.
Ob und aus welchem Grunde dieser hergebrachte Weg also mein Schicksal sein mag, können wir jedoch, wie ich hoffe, in Kürze persönlich erörtern, denn mein Tribunat neigt sich dem Ende zu. Ich hoffe also, baldig wohlbehalten nach Rom zurückzukehren.
Gib so lange auf dich Acht. Vale bene!
http://www.niome.de/netstuff/IR/SiegelCaduceus100.png
[Blockierte Grafik: http://s1.directupload.net/images/131110/noakoh4f.png]