Beiträge von Tiberia Livia

    Livia schaut leicht verärgert ob der sich entwickelnden Diskussion.


    "Silentium."


    Sie wendet sich an Lucianus.


    "An der Tatsache, dass der Angeklagte an dem genannten Termin auf der Rostra sprach, bestehen scheinbar keine Zweifel. Die Verteidigung bestreitet jedoch, dass Senator Germanicus Avarus diese Rede sinngemäß so gehalten hat. Ist das korrekt? Welchen Inhalt hatte die Rede stattdessen aus eurer Sicht?"

    TIBERIA LIVIA
    MARCO AELIO CALLIDO
    SALUTEM PLURIMAM DICIT


    Werter Duumvir, Bezug nehmend auf dein Schreiben von ANTE DIEM III NON MAR DCCCLVI A.U.C. (5.3.2006/103 n.Chr.) möchte ich hiermit mein Interesse am Erwerb einer in Misenum gelegenen Landvilla kund tun. Bevor ich jedoch eine endgültige Entscheidung zu diesem Kauf treffen kann, benötige ich weitergehende Informationen zur Beschaffenheit und Lage des Anwesens. Meine Pflichten in Rom ermöglichen es mir leider nicht, die Stadt für eine Reise nach Misenum zu verlassen. Daher wäre es mir sehr recht, wenn sich ein Gespräch mit einem kompetenten Ansprechpartner in der Casa Vinicia in Rom vereinbaren ließe. Ich bitte somit um eine kurze Nachricht, ob und wann eine solche Möglichkeit besteht.


    Vale.


    Tiberia Livia


    IUDICIUM MINOR
    IUDICATIO
    IUD MIN I/DCCCLVI


    MIT WIRKUNG VOM
    NON MAI DCCCLVI A.U.C. (7.5.2006/103 n.Chr.)


    IM WIDERSPRUCHSVERFAHREN
    Quintus Matinius Cicero
    gegen das
    Edictum Aedilis Curulis
    vom ANTE DIEM XV KAL APR DCCCLVI A.U.C. (18.3.2006/103 n.Chr.)


    HAT DAS IUDICIUM MINOR DURCH
    Iudex Prior Tiberia Livia
    und Iudex Gaius Octavius Victor


    NACH MÜNDLICHER VERHANDLUNG FÜR RECHT ERKANNT:


    Der Widerspruch des Quintus Matinius Cicero gegen das Edictum Aedilis Curulis vom ANTE DIEM XV KAL APR DCCCLVI A.U.C. (18.3.2006/103 n.Chr.), verhängt gegen seine Person, wird abgewiesen.


    ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


    Das Edictum Aedilis Curulis wurde verhängt aufgrund des Anbietens von Waren unterhalb der Herstellungskosten, gemäß § 4 (3) der Lex Mercatus. Dieser Tatbestand wird erfüllt.


    Quintus Matinius Cicero bot Öllampen zum Preis von 0,81 Sesterzen und Grobkeramik zum Preis von 2,83 Sesterzen an. Zur Verteilung der Erhaltungskosten des Betriebs verwendete er eine Gewichtung auf Basis des Bruttogewinns der einzelnen Warengruppen. Dieser Rechnung gefolgt ergeben sich für Öllampen Herstellungskosten von 0,67 Sesterzen, für Feinkeramik 6,27 Sesterzen und für Grobkeramik 3,41 Sesterzen. Die so berechneten Herstellungskosten für Grobkeramik liegen dadurch sowohl über der vom Staat vorgegebenen Preisempfehlung, als auch über dem tatsächlichen Angebotspreis des Klägers und verändern damit den als Grundlage der Verteilung verwendeten Bruttogewinn. Somit ist diese Rechnung unzutreffend. Um den wirklichen Verhältnissen zu entsprechen, ist die Gewichtung anhand des Nettogewinns zu verwenden, welche auch bei der Erlassung des Edikts durch den Aedilis Curulis als Grundlage diente.
    Die vom Kläger vorgebrachten Gründe für den niedrigen Angebotspreis basierten auf einem niedrigen Kaufpreis der zugehörigen Rohstoffe, welcher weit unterhalb dem legal möglichen Preis liegt. Der zugehörige Kauf wäre daher illegal und kann die niedrigen Herstellungskosten nicht rechtfertigen. Das Gericht verweist in dieser Entscheidung auch auf den Geist des Gesetzes, welcher durch dieses Urteil gewahrt bleibt. Illegal erworbene Rohstoffe, welche stark unterhalb ihrer möglichen Herstellungskosten gekauft wurden, sind keine Rechtfertigung für niedrige Preise unterhalb der minimalen Herstellungskosten bei legal erworbenen Rohstoffen.
    Zur Höhe der Strafzahlung: Gemäß § 7 Lex Mercati ist dabei nicht der Warenwert der im Edikt widerrechtlich angebotenen Waren maßgeblich, sondern das Gesamtvermögen des mit der Strafe Belegten. Der Aedilis Curulis versicherte, dass die von ihm verhängte Strafe von 11378,57 Sesterzen 5% des Vermögens von Quintus Matinius Cicero entspricht und damit als leichte Strafe im Sinne von § 7 Lex Mercati zu gelten hat.
    Das durch den Aedilis Curulis verhängte Edikt ist somit angemessen und die Strafschuld von 11378,57 Sesterzen in voller Höhe und umgehend zu begleichen.


    RECHTSMITTELBELEHRUNG:


    Gegen dieses Urteil kann gemäß § 42 des Codex Iuridicalis Berufung eingelegt werden, was bei Annahme zu einer Neuverhandlung vor dem Iudicium Maior führt. Ein Antrag auf Berufung kann frühestens nach 2 Tagen nach Verkündung des Urteils gestellt werden.



    Livia hört dem Gespräch stumm zu. Sie trinkt nachdenklich vom gebrachten Wein und sieht den jeweils Sprechenden aufmerksam an. Nach außen hin lässt sie sich vorerst nichts von ihrer Meinung zu dem Thema anmerken. Das 'Gegenangebot' der 'Andersdenkenden', die Achtung Deandras und ihresgleichen, ist ihr nach den Vorfällen auf der Rostra allerdings nicht einmal einen Quadrans wert. Noch dazu glaubt sie nicht wirklich, dass diese die Abmachung überhaupt jemals einhalten könnten. Sie sieht ihren Mann an, welcher ihr heute weniger unsympathisch ist als sonst, und lässt ihn seine Argumentation erst einmal zu Ende führen.

    Livias linke Augenbraue schiebt sich leicht nach oben. Für einen Beisitzer ist ihr dieser Praefectus ganz schön vorlaut. Sie beschließt die unverschämten Äußerungen zu ignorieren und sieht stumm zum Princeps Senatus hinüber. Der Anblick ihres so ruhig wirkenden Gemahls beruhigt sie langsam. Gefasst wendet sie sich wieder dem Beisitzer zu.


    "Auch der Tribunus Plebis hat kein Recht, Einsicht in unser Vermögen zu erhalten."

    Livia seufzt unmerklich und schüttelt den Kopf. Auch sie antwortet mit gedämpfter Stimme.


    "Der Zeuge bleibt vorerst zugelassen. Wir werden ohnehin nicht alle auf einmal laden können. Es ist damit zu rechnen, dass er nachdem einige andere gehört wurden, ohnehin nicht mehr benötigt wird. Die Anklage wird wissen, dass wir in der Lage sind die Aussage eines Kindes entsprechend zu bewerten. Rechtlich spricht jedenfalls nichts dagegen."


    Sie verstummt wieder und schenkt ihre Aufmerksamkeit dem Quaestor Sacri Palatii.

    Livia nickt nachdenklich und wirft einen kurzen Blick in Richtung des Büros ihres Gemahls. Da er jedoch noch nicht erscheint, wendet sie sich wieder dem Aurelier zu und deutet einladend auf einen Tisch an der Seite des Atriums, den drei bequeme Korbsessel umrunden.


    "Nimm ruhig Platz. Mein Mann wird bald erscheinen. Kann ich dir bis dahin etwas anbieten? Ein Sklave wird auch gleich etwas zu Trinken bringen."

    Innerlich zutiefst empört über diese Unverschämheiten des Beisitzers schweigt Livia und hört den anderen Redebeiträgen zu. Nach Quartos Wortmeldung hat sie sich wieder beruhigt und unter Kontrolle. Als auch Macer und Lucianus geendet haben, ergreift sie wieder das Wort.


    "Caecilius Crassus, wie kannst du guten Gewissens nur solche Schlussfolgerungen ziehen und implizit derart infame Unterstellungen gegenüber mir äußern? Ist für dich tatsächlich jeder, welcher sich für die Aufhebung eines Gesetzes einsetzt, ein potenzieller Gesetzesbrecher? Wie sollten wir unsere Gesetzlage jemals verändern, anpassen oder optimieren, wenn jeder Kritiker gleich mit solchen Verdächtigungen konfrontiert wird? Es ist doch gerade der Weg der Gerechten, ein seinen Überzeugungen widersprechendes Gesetz ändern zu wollen, um dadurch eben nicht länger an widersinnige Paragraphen gebunden zu sein."


    Sie hält inne und lässt ihren Blick kurz auf Quarto ruhen. Als Livia fortfährt, wendet sie sich jedoch an alle Senatoren.


    "Um noch einmal die Problematik der Veröffentlichung der Spenden losgelöst von derjenigen dieser sogenannten Lex anzusprechen. Auch wenn man es von mancher Seite scheinbar gerne aus so auslegen würde, ist das Problem an der Veröffentlichung der Spenden natürlich nicht die Tatsache, dass die Einhaltung einer Lex kontrolliert wird. Das Problem ist die Veröffentlichung der Spendenbeträge an sich. Sobald derartige Listen tatsächlich der Öffentlichkeit zugänglich ausliegen, steht jedem einzelnen Bürger, Nicht-Bürger oder auch Sklaven die volle Information über das jeweilige Vermögen der Patrizier zur Verfügung. Es wird jedem ein leichtes sein, aus dem Anteil der Spenden eine Rückrechnung auf das tatsächlich vorhandene Vermögen durchzuführen. Eine so rücksichtslose Durchleuchtung können und werden wir nicht zulassen. Dieser Weg zur Kontrolle und Durchsetzung dieses Gesetzes ist absolut unverhältnismäßig."

    Als sie von Ursus benachrichtigt wird, hält Livia sich gerade mit einigen Schriftrollen in ihrem Cubiculum auf. Umgehend legt sie diese beiseite und winkt eine Sklavin herbei, welche Livias Kleid und die Stola sorgfältig zurechtzupft. Auch die ein oder andere kleine Korrektur an ihrer schlichten Hochsteckfrisur wird vorgenommen. Währenddessen hat Livia hinreichend Zeit, sich über die Absichten des Besuchers zu wundern. Sie erinnert sich nur allzu gut an die Ereignisse auf der Rostra. Allzu gut hat sie die Worte der Aurelia Deandra noch heute im Ohr, mit denen diese Livias Gens so unverfroren schmähte. Allzu gut weiß sie noch, wie eben dieser nun zum Quaestor gewählte sich als Vater Deandras offenbarte und ihre empörenden Aussagen unterstützte. Livia ahnt, dass ihr keine sehr angenehme Unterhaltung bevorsteht.


    Dennoch setzt die Patrizierin ein freundliches Lächeln auf, als sie das Atrium betritt und auf den Gast zugeht. Respektvoll bleibt sie vor Antoninus stehen und begrüßt ihn höflich.


    "Salve, Aurelius. Was verschafft uns die Ehre deines Besuches?"

    Erleichtert winkt Livia den Liktor wieder fort und macht sich einen Vermerk auf ihrer Wachstafel. Dann sieht sie zu den beiden Beteiligten auf.


    "Bei diesem Treffen handelt es sich um die erste Anhörung. Das bedeutet, dass wir nun versuchen werden eine gütliche Einigung zwischen euren beiden Seiten zu finden. Falls ihr noch Zeugen oder andere sachdienliche Personen hinzuziehen möchtet, teilt mir dies bitte rechtzeitig mit. Wir beginnen mit der klagenden Seite. Marcus Claudius Constantius hat das Wort."

    Wieder ist es Livia, die sich an den Volkstribun wendet.


    "Dass meinem Sinn nur eine Aufhebung des Gesetzes entspräche, habe ich bereits geäußert. Dass eine solche Aufhebung derzeit nicht vom Senat erwirkt werden kann, erläuterten meine Mitsenatoren. Dass ich mich nun aus diesen Gründen jedoch für die Kontrolle und Überwachung eines in meinen Augen unhaltbaren Gesetzes bemühen würde, ist eine gänzlich realitätsferne Annahme. Ein Gesetz, welches in solchem Maße meinen tiefsten Überzeugungen widerspricht, kann und werde ich in keinster Weise unterstützen.


    Einer deiner Vorgänger war es, Tribunus Plebis, welcher uns dieses Malheur bescherte. So mag es auch getrost einem seiner Nachfolger im Amte zur Aufgabe werden, diesen Fehler wieder aus der Welt zu schaffen. Wer soll es sonst tun? Der Senat wird nicht nur aufgrund der Tatsache, dass es ein zufällig vom Volk beschlossenes Gesetz ist, jeden einzelnen Paragraphen weiter pflegen und schützen, wie widersinnig und falsch er auch sein mag. Aus diesem Grund ist die Lex Octavia Solidaritatis Patriciarum von uns auf gar keinen Fall zu fördern, indem wir sie durchsetzen und kontrollieren. Jede Bemühung in diese Richtung ist ein weiterer Schritt, ein Decretum Imperialis auf schändliche Art und Weise systematisch zu hintergehen.


    Du weißt um diesen Sachverhalt, wie du gerade eben selbst zugegeben hast. Trotzdem setzt du dich dafür ein, dass dieses vom Gesetz angestrebte Treiben nicht unterbunden, sondern gefördert wird? Du klammerst dich bedingungslos an die Paragraphen deines Amtsvorgängers und wagst es nicht einmal, sie kritisch zu hinterfragen und daraus die Konsequenzen zu ziehen? Wir sind keine Sklaven unserer Gesetze, Volkstribun. Wir sind ihre Schöpfer. Falls wir in unserer Schöpfung einen grundlegenden Fehler entdecken, so ist es an uns diesen zu bereinigen. Wer einen Fehler nicht korrigiert, obwohl dies in seiner Macht steht, der begeht ihn ein zweites Mal."


    Sie hält kurz inne.


    "In meiner Macht steht es dieses Mal nicht, Tribunus Plebis. Du hingegen bist sehr wohl in der Lage, den erkannten Fehler zu korrigieren."

    "Ich werde dich sicher nicht enttäuschen, Fraterculus."


    Livia nickt lächelnd. Dieser kleine Hort der Erinnerung an ihren Bruder und ihre Familie wird ihr in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren sicher den nötigen Halt im Leben geben. Sie betrachtet den feinen Marmor und das Spiel des Lichts zwischen den kleinen Statuen und reißt sich nur widerwillig wieder davon los. Doch der Gedanke, sich später allein und in Ruhe wieder hierher zurückziehen zu können, beruhigt sie und lässt sie wieder gelassener an ihre Pflichten denken.


    "Wir sollten wieder zu den anderen zurückkehren. Ich möchte schließlich nicht gleich am ersten Tag meine Pflichten als Gastgeberin vernachlässigen."


    Lächelnd nimmt Livia wieder den Arm ihres Bruders und lässt sich nach einem letzten Blick auf das Lararium wieder zurück zur Festgemeinschaft und ihrem Gemahl führen.