Livia kommt nicht umhin, Mitleid mit dieser Frau zu empfinden. Das unpassende Grinsen scheint der Aurelierin nicht mehr aus dem Gesicht weichen zu wollen. Die Senatorin ist froh darüber, dass ihr die Aufrechterhaltung der Dignitas weitaus besser gelingt.
"Du willst mir nicht ernsthaft weis machen, dass derart grundlegende Änderungen in unserer Gesellschaft sich von einem Tag auf den anderen ergeben hätten? Glaubst du wirklich, dass dieser Entscheidung unseres Kaisers keine länger anhaltende Entwicklung vorangegangen ist? Dein Versäumnis bezüglich unserer Sprachgeschichte kannst du beispielsweise anhand des umfassenden Werkes des Marcus Terentius Varro zur lateinischen Sprache gerne selbst nachholen. Die entsprechenden Schriftstücke dürften in den umfangreicheren Bibliotheken unseres Reiches hinreichend vorliegen. Allein die Tatsache, dass du als Beispiel das zweifellos seit langem in Gebrauch befindliche Wort 'Magistra' auswähltest und von der Annahme auszugehen scheinst, dass eine gesprochene Sprache wie die unsre statisch sei, spricht sehr für die Notwendigkeit einer solchen Weiterbildung. Wie du darauf kommst, dass ich einen männlichen Amtstitel trüge, ist mir jedoch gänzlich schleierhaft."
Sie verkneift sich den Kommentar, dass sie am Respekt dieser Dame ohnehin nicht interessiert sei. Eine solch haarsträubende Argumentation und übertriebene Emotionalität lässt Livia nicht auf objektive Bewertung oder erstrebenswerten Respekt hoffen. Lächelnd sieht sie kurz zu dem Octavier, ihrem Bruder und der Artoria, die sich ebenfalls zu Wort melden. Bei dem ein oder anderen Wort nickt sie zustimmend. Der Auftritt ihres Bruders weckt leise Besorgnis in Livia, da sie ihn lange nicht mit solchem Zorn erlebt hat. Medeias freundliche Worte lassen wieder Wärme in Livias Lächeln erscheinen. Sie nickt ihr dankbar zu. Die weiteren gesprochenen Worte veranlassen sie jedoch erneut zu einer Wortmeldung.
"Es existiert keinerlei Familienfehde. Allein die Empörung der durch Aurelia gesprochenen mehr als nur abfälligen Worte über meine Verwandtschaft rief diese Reaktion hervor. Allerdings finde ich nicht, dass ich hierbei ein angemessenes Maß uberschritten habe, geschweige denn ausfallend geworden bin."
Bei diesen letzten Worten fällt ihr Blick kurz auf Deandra. Die Diskussion zu den Anschuldigungen und den zuvor genannten Paragraphen des Codex Iuridicalis verfolgt Livia nicht weiter. Da es sich ohnehin nur um eine kleine Warnung ihrerseits gehalten hat, scheint ihr nun nicht der rechte Zeitpunkt, in diesem Umfang über Sinn und Unsinn einer Anzeige zu diskutieren. Auch mit dem Vater der Aurelia scheint keine konstruktive Diskussion möglich zu sein, so dass Livia sich nach deren endlich erfolgtem Weggang nun der Kandidatur Honorias zuwendet.
"Ich bin mir sicher, dass du deine Aufgaben mit Kreativität, Pflichtbewusstsein und großem Fleiß erfüllen wirst. Bei der Einarbeitung in die Arbeit der Quaestur kannst du dir meiner Unterstützung gewiss sein."