Unauffällig hat Livia aus dem Hintergrund der Diskussion gelauscht. Sie war nicht wenig verwundert, die Kandidatur ihrer Verwandten zu sehen und hätte sich sehr ein vorab klärendes Gespräch mit dieser gewünscht. Aus ihren Gedanken wird sie jedoch durch die hetzenden Worte der Aurelier gerissen. Livia spürt Zorn in sich aufsteigen und verweilt noch eine Weile im Hintergrund, um sich zu beruhigen. Ruhig und gefasst tritt sie anschließend nach vorn und spricht die Patrizierin direkt an.
"Aurelia Deandra, hättest du dich gründlich mit den Fußstapfen deiner Vorfahren auseinandergesetzt, nämlich denen, die noch vor ein oder zwei Jahrhunderten Rom besiedelten, wüsstest du, dass seither ein oder zwei Jahrhunderte vergangen sind. In einer langsamen und allmählichen Entwicklung wurde es Frauen gestattet und ermöglicht, ihre Fähigkeiten auch in Ämtern zu beweisen, welche ihnen zuvor verschlossen waren. Viele weise und erfahrene Männer waren in dieser Zeit an der Führung des Imperiums beteiligt und haben diese Entwicklung nicht aufgehalten, sondern zugelassen und sogar gefördert. Maßt du es dir nun an, diese Entscheidungen unserer jüngeren Vorfahren in Zweifel zu ziehen? Wagst du es, sie alle als lächerlich und fehlgeleitet hinzustellen? Wie würden sich ihre Mägen wohl umdrehen, wenn sie von deinen Schmähreden erführen? Dein Argument der Nichtexistenz entsprechender Berufsbezeichnungen entbehrt letzlich wirklich jeglicher Grundlage. Latein ist eine lebendige Sprache, die sich an jedem Tag weiter entwickelt. Die Annahme, dass sie statisch sei und sich keine neuen Wörter entwickeln würden, ist schlichtweg naiv. Ich wundere mich wirklich sehr, dass du dich als Patrizierin derart oberflächlich mit unserer Sprachgeschichte beschäftigt hast.
Von welchem Niveau zeugt es zudem, mit dieser fadenscheinigen Grundlage nun sämtliche Mitglieder einer großen und verdienstreichen Gens auf schändlichste Weise so anzugreifen? Ich verbitte es mir diese Behauptungen, dass ich durch meinen Dienst im Cursus Honorum dessen Ansehen auch nur im mindesten geschadet hätte. Wärst du hinreichend gründlich informiert, so wüsstest du um die Produktivität und die positiven Ergebnisse meiner Amtszeiten. Du solltest dir im Übrigen sehr gut überlegen, ob deine Aussagen nicht allmählich in den Bereich des Tatsbestand der Beleidigung, der üblen Nachrede, der Volksverhetzung oder gar der Verunglimpfung von Reichsorganen rücken. Die Summe deiner gemachten Aussagen bedenkend ist bald tatsächlich die Möglichkeit einer Anzeige in Betracht zu ziehen. Sowohl die Institutionen des Imperiums betreffend, als auch die Reputation meiner Familie und die meiner eigenen Person, kann ich derartige Äußerungen so nicht im Raum stehen lassen."
Die persönlichen Beleidigungen der keifenden Dame gegen sie ignoriert Livia nur kopfschüttelnd. Auf diesem Niveau ist eine konstruktive Diskussion kaum denkbar.
"Aurelia Deandra, auch wenn du als Mitglied einer erst jüngst in den Adelsstand erhobenen Gens Minor wie auch ich selbst einmal eine Plebejerin warst, möchte ich dich doch um einen etwas gehobeneren Diskussionsstil bitten. Diese Unterstellungen und Beleidigungen helfen niemandem weiter und zerstören jede aufkommende Konstruktivität im Keim."
Livia ist verwundert über den offensichtlichen Hass, der ihr hier von seiten der Aurelia entgegenschlägt. Instinktiv ahnt sie, dass ihr weiteres Verweilen wenig Positives bringen wird. Doch solche haltlosen Worte kann und darf sie hier nicht dulden.