Beiträge von Tiberia Livia

    Schmunzelnd verfolgt Livia die Rede des Kandidaten und lässt sich schließlich doch zu einer Frage hinreißen.


    "Eine Frage, Candidatus... Hast du überhaupt mitbekommen, dass das Meldewesen eine grundlegende Veränderung erfahren hat? Ist dir bekannt, dass die Meldelisten inzwischen nicht weiter manuell durch die Quaestores Urbani geführt werden müssen?"

    "Nun... Wegen mir musst du selbstverständlich nicht zu irgendwelchen wildfremden Leuten ziehen. So lange nur ich noch hier bin, kannst du gerne in der Villa bleiben. Sie ist ja groß genug. Was unser Pater Familias dazu meint, das weiß ich natürlich nicht. Er wird wohl das letzte Wort in dieser Sache haben. Mit ihm wirst du sicher ohnehin noch darüber reden müssen. Oder ist das bereits passiert?"


    Mit ernster Miene sieht Livia Quirinalis an.


    "Nachdem Vater und Mutter gestorben sind, Lucidus uns verlassen hat und du nun auch noch gehst, bin ich nun wohl als einzige unserer kleinen Familie noch übrig geblieben. So schnell kann sich alles ändern..."


    Ihre Stimme wird immer leiser und trauriger. Abwesend blickt sie zur Seite und seufzt leise. Schnell richtet sie sich jedoch wieder auf und erlangt ihre Selbstbeherrschung zurück. Ein künstliches Lächeln legt sich gekonnt wie eine Maske über ihr Gesicht und verbirgt ihr aufgefühltes Innenleben perfekt.


    "Ich hoffe sehr, dass du bald wieder gesund wirst. Der Sklave sprach davon, dass du etwas schlechtes gegessen haben könntest..."

    Seufzend, jedoch mit einem beruhigenden Lächeln setzt sich Livia auf einen Stuhl am Bett.


    "Mach dir keine Gedanken. Du bleibst selbstverständlich hier bis du wieder gesund bist."


    Sie deutet auf einen abseits wartenden Sklaven.


    "Dieser Sklave soll gute medizinische Kenntnisse haben. Er wird sich um dich kümmern."


    Dann wendet sie sich wieder Quirinalis zu.


    "Solltest du allerdings persönlich stark begehren die Villa zu verlassen, so möchte ich dich nicht gegen deinen Willen festhalten. Wohin wirst du überhaupt gehen?"

    Überrascht beobachtet Livia, wie ihr Bruder ohnmächtig wird. Sie seufzt leise.


    "Sklave!"


    Blitzschnell ist ein kräftiger Sklave mittleren Alters herbeigeeilt. Livia bedeutet ihm, den regungslosen Quirinalis aufzuheben und auf sein Cubiculum zu bringen. Eilig gehorcht der Sklave.


    Eine weitere Sklavin betritt mit besorgtem Blick das Peristyl. Livia überlegt einen Augenblick. Quirinalis ist durchaus sehr blass gewesen und seine Konsitution war bislang immer sehr stabil gewesen. Diese Ohnmacht ist untypisch für ihn. Sie gibt der Sklavin Anweisungen, einen Kundigen auf dem Gebiet der Medicina herzuholen, sowie frisches Wasser und etwas zu Essen auf Quirinalis Cubiculum zu bringen. Erst jetzt folgt sie dem anderen Sklaven um nach ihrem ehemaligen Bruder zu sehen.

    "So? Würde er das? Woher weißt du das? Du hast sie doch erst ein einziges Mal gesehen und den Pater Familias soweit ich weiß noch garnicht gesprochen..."


    Sie schaut nicht mehr ins Leere, sondern blickt nun mit unbewegter Miene auf ihren Bruder herab. Ihr Herz fühlt sich an wie aus kaltem Eis. Quirinalis scheint seine Entscheidung getroffen zu haben. Wieder lässt man sie allein. Erneut tut einer ihrer Brüder den äußersten Schritt und verlässt die Familie, verlässt Livia. Sie schaut ihn direkt an, doch scheint ihr Blick nun aus weiter Ferne zu kommen. Tief in ihr ist etwas zerrissen.


    "Es ist deine Entscheidung und wie ich sehe bist du fest entschlossen. Es gibt somit nichts mehr zu bereden."


    Einige Sekunden schweigt sie noch und betrachtet den Mann, den sie einst Bruder nannte. Er tut ihr leid, er wirkt hin- und hergerissen. Doch nach seiner Zurückweisung und der nun endgültigen Entscheidung gegen Gens, gegen Familie, gegen Livia, würde sie ihm das niemals zeigen. Die Gründe für seine Entscheidung kann und will sie nicht verstehen, geschweige denn einsehen.


    "Ich verstehe deine Gründe nicht und weiß auch nicht, ob ich sie jemals verstehen werde. Du wirst schon wissen, was du tust und hast dir das Ganze sicher reiflich überlegt. Zumindest hoffe ich es für dich. Alles weitere wird die Zeit schon zeigen. Aber ich bitte dich nun... Du bist ein Mann. Reiß dich ein wenig zusammen."

    "Willkür? Willkür? Diese Entscheidung zu treffen ist einzig und allein Sache des Pater Familias. Willst du ihm dort etwa hineinreden? Das steht dir und mir nicht zu."


    Livia atmet einmal tief durch um sich zu beruhigen. Sie schließt die Augen für einen Moment und sieht dann wieder zu Quirinalis auf.


    "Marcia... Pah. Sie ist eine Plebejerin. Die ist ohnehin nichts für dich. Wenn sie dich noch dazu aufgrund deiner Factiozugehörigkeit ablehnen würde, dann wäre sie es erst recht nicht wert."


    Aus halb zusammengekniffenen Augen mustert sie ihren Bruder.


    "Aber nun gut. Wenn es dein Wunsch ist, dann geh. Ich werde dich nicht weiter aufhalten. Ich habe ja bereits Erfahrung darin, wie es ist einen Bruder zu verlieren..."


    Livia beißt ihre Zähne fest aufeinander und starrt regungslos an ihm vorbei ins Leere.

    "Ich bin aber nicht in einer anderen Gens. Ich bin eine Tiberia und ich werde es auch bleiben."


    Ihre Stimme klingt härter als beabsichtigt.


    "Dann ist dir deine Factio also wichtiger als deine Gens? Als wir? Als ich?"


    Livia verschränkt die Arme vor ihrer Brust, sie scheint plötzlich zu frösteln.

    Livia hob skeptisch eine Augenbraue und musterte ihn genauer.


    "In eine andere Gens? Wie das? Du willst dich adoptieren lassen?"


    Als sie diese Worte ausspricht, wird ihre Stimme merklich kühler. Sie fühlt sich an Lucidus erinnert und daran, dass sie schon einen Bruder durch eine solche Adoption verloren hat. Angst schließt sich um ihr Herz und sie presst die Zähne fest aufeinander um sich nichts anmerken zu lassen. Sie sieht Quirinalis Verzweiflung und würde ihn am Liebsten in den Arm nehmen und trösten. Doch wie eine Barriere steht ihre Angst zwischen ihnen und ihre Stimme bleibt abweisend.


    "Du willst uns also verlassen? Du willst mich verlassen?"

    Irritiert und ein wenig verwirrt verfolgt Livia den plötzlichen Ausbruch ihres Bruders.


    "Wie meinst du das? Verlassen? Was soll das sein? Wie soll das gehen?"


    Seine Worte hat sie wohl gehört und vernommen, die Sätze verstanden, doch der Sinn will sich ihr nicht erschließen.

    Erstaunt verfolgt Livia zunächst das plötzliche Verschwinden des Besuchers und blickt dann verwundert zu ihrem Bruder auf.


    "Etwas besprechen? Was gibt es denn?"


    Sie richtet sich auf und schaut ihn aufmerksam fragend an.

    Irritiert über das merkwürdige Verhalten ihres Besuchers weiß Livia zunächst nicht, ob sie ihre Stimme ebenfalls senken soll oder nicht. Sie entscheidet sich schließlich dagegen und spricht in normaler Lautstärke und mit ruhigem Ton.


    "Einen meiner Sklaven? Nun, dort drüben steht einer..."


    Sie deutet auf den wartenden Sklaven, der daraufhin aufmerksam wird und sie fragend anblickt, ob sie einen Befehl für ihn habe. Livia winkt ihm jedoch ab und blickt Obscuro wieder abwartend an.


    "Ist dein Auftrag somit erfüllt? Weshalb solltest du einen meiner Sklaven finden?"


    Ihre Verwirrung nimmt zu, als er erneut das Thema wechselt.


    "Ähm... Es lebt sich gut in Tarraco. Du bist nicht von hier?"

    "Nun gut... Mir soll es recht sein..." zuckt der Sklave gleichgültig mit den Schultern.


    Gelassen stößt er sich von der Wand ab und nickt Gallus Maximus zu.


    "Folge mir. Aber halte dich zurück, bis ich dich vorgestellt habe."


    Er dreht sich um und geht zum - Peristylium - voran.

    Livia sitzt in einer schattigen Ecke des Gartens und nimmt eine kleine Mahlzeit zu sich. Sie hat gerade mit dem Essen geendet und trinkt einen Schluck Wasser, als der Sklave mit dem Besucher eintritt. Verwundert blickt sie auf und schaut den Sklaven an. Auf ihr aufforderndes Nicken hin, beginnt dieser zu sprechen.


    "Salve, Herrin. Ein Besucher namens Gallus Maximus wünscht Euch zu sprechen. Soll ich ihn vorlassen?"


    "Wer ist das?"


    "Das wollte er mir nicht sagen, Herrin. Er begehrte Euch persönlich zu sprechen."


    Sie seufzt leise, stellt ihren Becher beiseite und setzt sich auf.


    "Nagut. In Ordnung. Er möge vortreten."


    Der Sklave tritt einen Schritt beiseite und lässt den Besucher so zu Livia durch. Er entfernt sich ein Stück, bleibt jedoch in Sicht- und Rufweite um weitere Aufträge abzuwarten.


    "Salve, Gallus Maximus." wendet sich die Patrizierin mit einem höflichen Lächeln an den Gast.

    Gelassen lehnt sich der Sklave an den Türrahmen. Der genannte Name ist ihm gänzlich unbekannt, so dass er sich nicht zu besonderer Eile genötigt sieht.


    "Vielleicht könnte ich das.


    Wen möchtest du denn sprechen? Flavius Tiberius Quirinalis und Tiberia Livia befinden sich derzeit in der Villa..."

    Ein hochgewachsener, muskulöser Sklave öffnet die Tür und mustert den Gast misstrauisch von oben bis unten. Diesen Mann hat er hier noch nie erblickt und kann sich nicht entsinnen, ihn schon einmal als Gast einer seiner Herren kennengelernt zu haben. So bleibt sein Blick skeptisch und der Ton etwas rauh.


    "Salve. Wer bist du? Was willst du?"