Lucilla kommt nach einem ereignislosen Tag aus ihrem Officium zurück. Da sie im Atrium niemanden angetroffen hat, zieht sie sich auf ihr Cubiculum zurück um nachzudenken. Zu lange schon schiebt sie diese Entscheidung auf, doch es wäre ihr lieber, diese Entscheidung überhaupt nicht treffen zu müssen.
Seufzend setzt sie sich auf den Scherenstuhl vor ihrem Kosmetiktischchen und beginnt ihr Haargesteck zu lösen. Beim Blick in den Spiegel bleibt sie an ihren eigenen Augen hängen. Wie viel Männer waren diesem Gesicht schon nachgelaufen? Und wie viele Männer waren ihrem Namen nachgelaufen, ihrer Familie? Würden nicht auch Crassus und Avarus Vorteile von einer Verbindung mit den Decima haben? Doch würde sie all jene ausschließen, blieben nur noch wenige Männer des Reiches übrig. Nein, über die Absichten der Beiden kann kein Zweifel bestehen, es muss einen anderen Weg geben, an die Entscheidung heranzutreten.
Sie nimmt einen Kamm zur Hand und beginnt, ihr Haar zu bürsten. Wer würde ihr mehr Vorteile bieten? Beide Patres Familias, beide in hohen Positionen. Auch wenn Crassus glaubt, gegen einen Senator keine Chance zu haben, einen Prätorianer in seiner Position würde Lucilla nicht gerade als machtlos bezeichnen. Wäre es von Vorteil, den eigenen Gatten als Vorgesetzten zu haben? Sicher nicht. Doch wäre es von Vorteil, den Vorgesetzten zurückzuweisen? Auch nicht. Letztenendes glaubt sich Lucilla jedoch in einer Position, in welcher dies nebensächlich ist. Auf die Arbeit angewiesen war sie noch nie, und mit Hungi in der Hinterhand würde Avarus ihr so oder so keinen Nachteil aus ihrer Entscheidung erwachsen lassen können. Außerdem glaubt sie auch nicht, dass er so etwas tun würde. Und ein Tribun der Prätorianer? Nein, auch Crassus würde nichts dergleichen tun.
Lucilla legt den Kamm beiseite und beginnt die Haare für den Abend in einfacher Weise wieder zusammenzustecken. Währenddessen versucht sie auf ihr Herz zu hören. Doch wie üblich führt das nur wieder zu einem Chaos. Der Strand in Carthago Nova fällt ihr ein, die Taberna Luculli in Tarraco, die Verlobungsfeier von Livanus, die Gladiatorenspiele in Rom, nur zwei Männer und doch einer zu viel.