Lucilla bemerkt, wie ihr heiß wird. Sie hat schon früher Gedichte vorgetragen, bei Großtante Drusillas Empfängen. Aber die Leute dort hatte sie nie gekannt und die meisten davon nie wieder gesehen. Vielleicht ist es doch nicht so angehem, dass die halbe Familie da ist. Von einem Tablett nimmt sie sich noch schnell ein Glas Wasser und trinkt einen Schluck. Dann tritt sie in die Mitte des Raumes und räuspert sich.
"Werte Gäste, zu Ehren des großen Feldherren, meines Bruders Maximus Decimus Meridius, eine ganz besondere Ode," sie legt eine kurze künstlerische Pause ein um die Spannung zu erhöhen und fährt dann fort.
"Mannestugend von Quintus Horatius Flaccus.
Der Armut Enge freudig zu tragen lern
der Jüngling, kräftestrotzend vom harten Dienst
im Krieg; er schrecke, hoch zu Roß, mit
furchtbarer Lanze die wilden Parther,
und unter freiem Himmel vollbringe er
sein Leben in Gefahren! Vom Feindeswall
erblicke ihn des Kriegsherrn Weib, die
blühende Tochter mit bangen Seufzern,
daß ja nicht, ach, der fürstliche Bräutigam,
im Kampfe unerfahren, den Löwen reiz,
den unnahbaren, den der blut'ge
Zorn durch des Mordens Gedränge treibet.
Ja, süß und ruhmvoll ist es, fürs Vaterland
zu sterben: Auch den Flücht'gen ereilt der Tod,
verschonet niemals einer feigen
Jugend verzagende Knie und Rücken."
Lucilla holt Luft um zum zweiten Teil der Ode anzusetzen...