Beiträge von Decima Lucilla

    Wie an jedem Marktstand steht Lucilla zögernd und von der Entscheidung überfordert, ob sie zugreifen soll, oder besser nicht. An diesem geht es um eine Kette mit bunten Perlen, doch Lucilla hat ein paar Stände vorher schon ein Schmuckstück erstanden, ein nicht gerade günstiges, daher ist sie doch eher unschlüssig. Als die Rufe nach einem Dieb über den Platz schallen, legt sie die Kette bei Seite und dreht sich neugierig zum Markt hin, als Syrus in sie hineinläuft.


    Verdutzt blickt sie den Mann an und überlegt noch, wie sie reagieren soll, als er ihr schon ein Kompliment entgegenwirft. Obwohl Lucilla solches Verhalten bei Männern mehr als gewohnt ist, kann sie wie üblich nicht verhindern, dass eine leichte Röte in ihre Wangen schießt. Ihre Hoffnung ist die helle Sonne, die diese leichte Farbveränderung ihrer Haut vielleicht überblenden würde. Lucilla winkt den beiden Sklaven ab, die sofort näher treten, und lächelt leicht, als sie Syrus antwortet. "Keine Sorge, es ist nichts geschehen." Ihr Blick bleibt am Gesicht des Mannes hängen und es scheint ihr, als hätte sie ihn irgendwo schon einmal gesehen. Da sie ihn jedoch nicht zuordnen kann, kommt sie zu dem Schluss, dass er wahrscheinlich wie sie bereits seit längerem über den Markt geht und sie ihn an einigen Ständen zuvor schon einmal gesehen haben muss.

    Wie es so üblich ist, registriert Lucilla Avarus nur noch nebenbei, ebenso seine Worte. Die wunderschönen Schmuckstücke, die feinen Stoffe und die außergewöhnlichen Tuniken könnte sie auch Paulus zeigen, er würde ebensoviel Reaktion bringen wie jeder Mann, nämlich das übliche 'Ja sicher.' oder 'Sehr schön.', was Lucilla wiederum genügen würde um weiterzugehen.


    "Ja, tu das ruhig. Lass mir nur die Packsklaven da..." sagt sie abwesend, während sie in der Hand eine Haarspange dreht und wendet, mit Kennerblick auf Verarbeitung und Material prüft. "... ich bin bald fertig." Natürlich ist das eine glatte Lüge, als solche jedoch von Lucilla nicht zu erkennen, da die Zeit für sie tatsächlich wie im Fluge vergehen würde. Sie legt die Haarspange zurück und nimmt eine andere, die vielleicht noch einen Tick besser aussieht, hebt sie prüfend ins Licht und zieht nachdenklich die Augen zusammen. Schließlich schüttelt sie den Kopf und wendet sich zum Gehen.


    "Zuviel Grün, das passt nicht zu meinen Augen." erklärt sie Avarus. "Nun geh schon, ich komme schon zurecht. Ich weiß doch, wie Männer sich auf dem Markt anstellen, ich habe genügend Brüder und Cousins. Ich werde dir später alles zeigen, was ich gekauft habe." Sie lächelt ihm zu und strebt dem nächsten Marktstand zu.

    Erfreut stellt Lucilla fest, dass Avarus an die Gepäcksklaven denkt. Man merkt eben doch, dass er bereits einmal verheiratet gewesen ist und Übung im Einkaufen hat. Auf dies lässt auch seine Aussage bezüglich des Sklaven mit Anweisungen schließen.


    "Das ist natürlich wahr. Siehst du, genau das ist eben das Komplizierte am Einkaufen. Vor allem, weil ich mich dann nie entscheiden kann und immer erst das gesamte Angebot sehen muss, bevor ich weiß, was ich wirklich will. Das endet in Rom meist damit, dass ich die ganzen Mercatus einmal abgehe und gegen Nachmittag dann den Händler anstrebe an dem ich gesehen habe, was ich will, zumindest, wenn ich dann noch weiß, welcher Händler es war. Aber dafür habe ich meist Ambrosius dabei."


    An Avarus Seite geht sie die Straße hinunter und lässt ihren Blick zu den Läden gleiten. Doch das Viertel, in welchem sie momentan unterwegs sind, bietet noch nicht das, was Lucilla sucht, sondern vorwiegend Gebrauchsgegenstände. Trotzdem wird ihr Blick immer wieder von Dingen angezogen, sie schiebt Avarus mal auf die eine, mal zieht sie ihn auf die andere Seite, oft begleitet von einem "Oh, schau!" oder "Ach, das ist ja nett!".


    Schließlich öffnen sich die Häuser zu beiden Seiten der Straße hin auf einen belebteren Platz mit allerlei Marktständen. "Ui! Ja ist denn heut schon Markttag?" Lucillas Augen nehmen einen gefährlichen Glanz an. "Lass uns dort anfangen!" Und schon steuert sie auf den ersten Schuhhändler zu. :D

    Lucilla beobachtet ganz genau, was Avarus da mit der Statue anstellt. Er hat schon in Rom einen Prozess am laufen und Lucilla würde die nächsten zwei Tage wirklich gerne friedlich in Hadrumetum verbringen.


    "Du wirst schon sehen, so günstig wie man hier überall einkaufen kann, können wir deinen Sesterzenbeutel wunderbar entspannen. Ich bin noch nicht sicher, ob ich schon hier nach den feinen Stoffen ausschau halten sollte, oder ob ich alles in Aegyptus kaufe. Allerdings, wenn ich hier schon etwas sehe und dann warte, dann ärgere ich mich am Ende, wenn es in Aegyptus doch nichts passendes gibt, also werde ich einfach auf meine innere Stimme hören und zuschlagen, wenn es sich lohnt. Und mit ein bisschen Verhandlung wird es sich lohnen."


    Ein Schauer fährt ihr über den Rücken, als Avarus ihr wie beiläufig über die Wange streicht. Das Schlimmste an dieser ganzen Reise ist die andauernde Nähe zu ihm, und ihm doch immer so fern sein zu müssen. Sie streckt ihm ihre Hand hin, um sich von der Kline aufhelfen zu lassen und lächelt glücklich.


    "Dann werde ich dich im Atrium erwarten." Die Zeit, die ihr Verlobter brauchen würde, um sich in eine Toga einkleiden zu lassen, würde Lucilla ausreichen um die Frisur etwas modischer zu gestalten, ein luftiges, aber doch angemessenes Kleid anzuziehen und das Makeup aufzupolieren.

    Zu Drabas Freude wird der Aufenthalt in Carthago letztendlich doch nur ein recht kurzer. Zwar bleibt die Zeit, nach der Inspektion der Mansio und ausführlichen Berichten des dortigen Praefectus Vehiculorum, noch kurz die Thermen aufzusuchen und ein paar kleine Besorgungen auf dem Markt zu erledigen, doch bereits am nächsten Morgen bricht die Karawane auf nach Hadrumetum.


    Lucilla sitzt hoch auf ihrem Wagen und lauscht Drabas Erzählungen über die Stadt. Der Tabellarius reitet auf seinem Kamel neben dem Wagen.
    "Hadrumetum ist viel älter als Carthago und war schon immer eine wichtige Stadt. Zudem waren die Einwohner dort während der Punischen Kriege schlauer als ihre Nachbarn, sie verbündeten sich mit den Römern und ihre Stadt wurde so zu einem wichtigen Stützpunkt, was natürlich verhinderte, dass sie zerstört wurde. Unter der Pax Romana blühte die Stadt weiter auf und wurde sehr reich wohlhabend. Traianus dann machte sie zu einer Colonia, seitdem heißt sie Colonia Concordia Ulpia Trajana Augusta Frugifera Hadrumetina."
    "CCUTAFH, in der Sprache des Cursus Publicus." wirft Lucilla lachend ein. "Ich bedaure immer alle Leute, die regelmäßig offizielle Schreiben an eine Colonia senden müssen."
    "Der Stadt hat es weitere Vorteile und noch mehr Wohlstand gebracht."
    "Gibt es auch Thermen dort? In Carthago hatten wir ja nicht wirklich viel Zeit für einen ausgiebigen Besuch."
    "Oh ja, es gibt eine große Thermenanlage. Und auch sonst alles, was das Herz einer Römerin begehrt."
    Lucilla lacht fröhlich und wirft einen kurzen Blick zur Spitze der Karawane, wo Avarus auf seinem Kamel reitet, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. "Ach, was mein Herz begehrt, das habe ich doch schon auf der Reise bei mir."
    Auch Draba lacht und deutet schließlich nach vorn. "Dort ist schon das Stadttor."


    Es ist früher Mittag, als die Karawane in Hadrumetum ankommt und Avarus und Lucilla ihre Zimmer in der hiesigen Mansio beziehen. Im lichtdurchfluteten Innenhof nehmen sie ein kleines Mahl zu sich und erfrischen sich an verdünntem Wein. Lucilla lehnt sich gesättigt auf der Kline zurück. "Was machen wir mit dem Rest des Tages? Müssen wir uns gleich auf die Versandlisten stürzen? Oder können wir den Tag nicht anderweitig nutzen? Wir könnten ein wenig bummeln. Und im Anschluss vielleicht am Hafen vorbei gehen und nach einem Schiff mit Ziel Leptis Magna fragen, dann haben wir für diesen Tag genug gearbeitet." Lucilla grinst Avarus mit ihrem überzeugendsten Lächeln an.

    Von Hippo Regius aus zieht die Karawane des Cursus Publicus beinahe einen Tag lang ins Landesinnere bis nach Simittu, um sich von dort wieder nach Osten zu wenden. Nach der Inspektion der Mansio in Thugga führt der Weg zurück an die Küste, nach Colonia Iulia Concordia Carthago.


    Eine halbe Tagesreise von Carthago entfernt legt die Karawane eine Rast am Wegesrand ein. Ein kleiner Fluss, der eher nur einem Bach gleicht, bietet den Menschen und Tieren die Möglichkeit frisches Wasser zu trinken und einige Palmen laden zum Verweilen im Schatten ein. Während Avarus mit dem Führer der Karawane den weiteren Weg abspricht, sitzt Lucilla mit Draba und Figulus bei einer Schüssel Trauben.
    "Hoffentlich ist es nicht mehr allzu weit. Ich sehne mich nach einer Therme und einem richtigen Bett. Die letzte Mutatio hatte diesen Namen ja nicht wirklich verdient." Lucilla blickt in den Himmel und träumt von einem Aufenthalt im laconicum, oder zumindest dem Caldarium. Eine ausgiebige Massage würde sich sich auch gönnen.
    Figulus nimmt sich eine Traube, wirft diese in die Luft und fängt sie mit dem Mund auf. "Gegen Nachmittag sollten wir Carthago erreicht haben. Dann hängt es vom Legaten ab, ob wir dort noch einen Tag bleiben oder gleich am nächsten Tag nach Hadrumetum weiterreisen, und wahrscheinlich auch davon, ob wir am Hafen ein Schiff auftreiben, das nach Leptis Magna segelt. Von Carthago aus ist der Weg natürlich umständlicher, wir müssten die Landzunge bei Clupea umschiffen, aber der Hafen ist größer, daher ist es wahrscheinlicher dort ein Schiff mit unserem Ziel zu finden. Wenn wir jedoch ein Schiff extra für uns anheuern müssen, dann wäre das in Hadrumetum sicher günstiger."
    "Ich mag Carthago nicht." wirft Draba ein.
    Lucilla schaut ihn belustigt an. "Wegen Hannibal? Ist das nicht schon lange genug her, als dass man darüber hinwegsehen könnte?"
    "Nicht wegen Hannibal." winkt Draba ab. "Aber es treibt sich zu viel Gesindel dort herum. Also im Grunde doch wegen Hannibal, es gibt immer noch einige Verrückte, die glauben, sie müssten auf ihre Geschichte stolz sein und einen neuen Hannibal hervorbringen. Sie nennen sich selbst die carthagische Volksfront."
    "Nein, nein, die Volksfront von Carthago." wirft Figulus ein und nimmt sich noch eine Traube. "Aber diese Verrückten gibt es doch überall. Denk nur an den Aufstand in Iberia vor nicht allzu langer Zeit." Er schaut Lucilla an und lächelt beruhigend. "Keine Sorge, das sind nicht viele und ihre Aktionen zeichnen sich eher durch Dummheit aus, als durch irgend etwas anderes."
    Missmutig schüttelt Draba den Kopf. "Ich mag die Stadt trotzdem nicht."

    Die folgenden Tage gestalten sich recht eintönig für die Reisenden. Die Karawane zieht weiter gen Osten, Mansiones und Mutationes werden überprüft, in einigen bekommen die Stationarii eine Rüge und Anweisungen zur Verbesserung, in anderen ist nichts zu beanstanden. Die Bequemlichkeit der Übernachtungsmöglichkeiten variieren je nachdem, ob gegen Abend eine Poststation in Reichweite ist, oder ob die Araber die Zelte am Rand des Weges aufschlagen.


    Dass die Karawane die Gegend Numidia erreicht, ist kaum zu merken, nichts ändert sich an der Landschaft, nichts am Wetter oder dem leichten Wind vom Meer. Auch Chullu gleicht den kleinen Städten, die sie bisher gesehen haben. Von dort aus geht es weiter an der Küstenstraße entlang bis nach Hippo Regius, wo noch einmal viel Proviant eingekauft wird, dann verlässt die Karawane die Küste und wendet sich nach Süden in Richtung Thelepte, um bald nach Africa Proconsularis abzubiegen.

    So sehr sich Lucilla auch bemüht, vorerst gibt es kein Entrinnen für sie. Schneller, als ihr lieb ist, steckt sie schon wieder in einem Gespräch mit Plocia über Stoffe, Webgarn und Seidenfäden. Nicht, dass Lucilla nicht überaus viel zu diesem Thema beizutragen hätte, doch das provinzielle Gedankengut und das modische Desaster, welches Plocia als Stil bezeichnet, stürzen sie in eine Sinnkrise nach der nächsten. Auch das Essen wird vorerst nicht angenehmer. Während der Gastgeber Plocius Piso summus in imo und Avarus natürlich auf dem locus consularis liegen, nimmt Lucilla den mittleren Platz des lectus medius neben ihm ein, so dass sie sich wunderbar mit Plocia auf dem äußersten Platz der gleichen Kline unterhalten kann. Immer wieder versucht Lucilla dem Gespräch der Männer zu lauschen, doch immer wieder stellt Plocia Fragen über Fragen, die zu beantworten doch recht unhöflich wäre. Nichteinmal das Essen bringt die Frau zum Schweigen, obwohl Lucilla mittlerweile nur noch verneinend den Kopf schüttelt oder zustimmend nickt und darauf achtet, immer etwas zu Essen parat zu haben, um nichts antworten zu müssen.
    'Warum redet sie nur pausenlos?' schießt es Lucilla durch den Sinn.
    "Weil ich eine sein möchte..."
    Lucilla bemerkt, dass sie Plocia nicht mehr zugehört hat und daher auch den Sinn ihrer Aussage nicht mehr versteht. "Was?"
    "Ich möchte eine Frau sein. Ich möchte, dass du... dass du mich von jetzt an Loretta nennst."
    Lucillas Blick gleitet unauffällig nach rechts, doch die beiden Herren sind in eine sicherlich interessante Diskussion über die Vorzüge und Nachteile marmornen Bossenwerks vertieft. Darum schaut sie nur irritiert zurück zu Plocia. "Was?"
    "Das ist mein Recht als Gastgeberin."
    "Ja, aber warum möchtest du Loretta sein, Plocia?"
    "Weil ich so heiße."
    "Ah." Lucilla nickt verständnisvoll und atmet tief durch. Der Griff zu ein paar Trauben ist schnell getan und ihr einziger Trost ist es, so nahe bei Avarus sein zu können.


    Als die letzten Speisereste und das Geschirr abgeräumt werden, kommt das Gespräch endlich auf Marmorverkauf und Transportkosten. Lucilla sieht ihre Chance gekommen und klinkt sich mühelos in die versteckten Verhandlungen ein. Es ist kaum zu glauben, doch ein halber Abend lässt sich mühelos mit Marmor füllen und so schwer das Thema auch sein mag, am Ende sind alle zufrieden. Der ausgehandelte Preis ist für römische Verhältnisse sehr gut, auch wenn Lucilla sicher ist, dass Plocius Piso ebenfall noch einen guten Gewinn einstreicht.


    Doch auch der längste Abend geht irgendwann zu Ende und am folgenden Tag wartet schon der frühe Aufbruch auf die Reisenden des Cursus Publicus. Sie verabschieden sich von ihren Gastgebern, im Gästeflügel bleibt Lucilla noch mit Avarus vor den Zimmern stehen.
    "Ein merkwürdiges Paar. Ob man zwangsläufig so wird, wenn man hier am Ende der Welt, umgeben von Marmor wohnt?" Sie zuckt die Schultern und schmunzelt. "Ich glaube, ich möchte für immer in Rom bleiben." Lucilla tritt näher an Avarus heran, schaut sich schnell um, ob es auch niemand sieht, und haucht ihm dann einen Kuss auf die Lippen. Wenig später liegt sie bereits in dem angenehm weichen Bett und träumt wirr von marmornen Webstoffen und Aquädukten aus Seide.

    In Saldae erwartet die Cursus Publicus-Inspektoren eine weitere Mansio. Der zuständige Stationarius stellt sich als recht fähig und vor allem penibel heraus. Seine Tabulae sind vorbildlich geführt und es dauert nicht lange, bis der Legatus und die Praefecta zum Schluss kommen, dass hier nicht viel zu tun ist. Gegen Nachmittag trifft ein Bote des Eques Publius Plocius Piso ein, der am Vormittag selbst durch einen Boten benachrichtigt worden war. Eben jener Plocius hat unweit der Stadt einen Landsitz und verwaltet von dort aus einen nicht gerade kleinen Marmorsteinbruch, jenen Steinbruch nämlich, an dem sich Avarus und Lucilla geschäftlich beteiligen möchten. Plocius Piso lässt ausrichten, dass er die beiden zum Essen erwartet und bietet ihnen gleich eine Übernachtungsmöglichkeit an, da sein Gut sowieso auf der Reiseroute in Richtung Numidia gelegen ist.


    So bricht die Karawane nach getaner Arbeit wieder auf und erreicht nur wenig später den Landsitz der Plocia. Bis die Wägen jedoch vom äußeren Tor bis an der eigentlichen Casa sind, vergeht noch eine Weile. Die Gewinne beim Marmorverkauf scheinen recht gut zu sein, zumindest für den, der am Anfang der Verkaufskette steht, denn der Landsitz zeichnet sich nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch seine Eleganz aus. Beinahe alles, was von Menschenhand hier gebaut wurde, besteht aus Marmor, sogar die wenigen Umzäunungen.
    "Extravaganz scheint in diesem Land überall an der Tagesordnung zu sein." murmelt Lucilla.


    Vom Eingang der Casa aus werden sie zuerst in den Gästeflügel geführt, wo ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich frisch zu machen. Natürlich nehmen sie diese auch wahr, denn der Staub der Reise hängt mittlerweile fast überall. Gegen frühen Abend dann findet man sich im marmornen Atrium ein. Publius Plocius Piso stellt sich als Mann mittleren Alters heraus, obwohl Lucilla ihn auf sicherlich über vierzig schätzen würde. Das Vermögen, welches er in den Marmorbau investiert hat, hat er sich in der Legion verdient, wo er bis zum Praefectus Castrorum gedient hatte. An seiner Seite steht eine kleine Frau mit bronzefarbener Haut und arabischen Gesichtszügen, welche er als seine Gemahlin, Plocia, vorstellt. Um den Appetit anzuregen und natürlich auch, um vor den Gästen zu prahlen, schlägt Piso einen kleinen Spaziergang über das Gut vor.


    Seine Gemahlin, die nicht oft Besuch zu empfangen scheint, hängt sich sogleich an Lucilla und während die Männer über Politik und Wirtschaft redend voraus gehen, spaziert diese mit Plocia hinterher und lässt Klagen über die Abarten der neuesten Mode, die genaugenommen in Rom längst nicht mehr neu ist und schon vor Monaten aus Lucillas Schränken geflogen ist, über sich ergehen.
    "Vor den Römern war hier alles besser. Dieses ganze Tamtam um teure Stoffe und noch teureren Schmuck. Das Leben war hier so einfach, doch die Römer haben uns alles genommen, was wir hatten."
    Lucilla schaut skeptisch, enthält sich jedoch eines Kommentars. Sie konnte noch nie verstehen, wie sich jemand über die Vorteile der römischen Vorherrschaft beschweren kann, denn obwohl Lucilla längst Nutznieserin der römischen Kultur ist, sie wäre nichts lieber, als eine echte Römerin.
    "Alles haben sie uns genommen. Und was haben sie dafür als Gegenleistung erbracht, frage ich?"
    Lucilla verdreht die Augen, was Plocia jedoch nicht sehen kann. "Den Aquädukt."
    "Was?"
    "Den Aquädukt."
    "Oh. Jajaja. Den haben sie uns gegeben, das ist wahr."
    "Und die sanitären Einrichtungen."
    "Oh ja. Die sanitären Einrichtungen. Früher stank es ziemlich in der Stadt. Also gut ja, ich gebe zu, der Aquädukt und die sanitären Einrichtungen, das haben die Römer für uns getan."
    "Und die schönen Straßen."
    "Ach ja, selbstverständlich die Straßen. Das mit den Straßen versteht sich ja von selbst, oder? Abgesehen von den sanitären Einrichtungen, dem Aquädukt und den Straßen..."
    "Medizinische Versorgung... Schulwesen..."
    "Naja gut. Das sollte man erwähnen."
    "Und der Wein..."
    "Oh ja. Ja. Das ist wirklich etwas, was wir vermissen würden, wenn die Römer weggingen."
    "Die öffentlichen Bäder... Und jede Frau kann es wagen, nachts die Straße zu überqueren."
    "Jaha, die können Ordnung schaffen, denn wie es hier vorher ausgesehen hat, davon will ich ja gar nicht reden. Also gut. Mal abgesehen von sanitären Einrichtungen, der Medizin, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen, was, frage ich dich, haben die Römer je für uns getan?"
    "Den Frieden gebracht..."
    "Aach! Frieden! Halt die Klappe..."
    Lucilla schaut die Frau entgeistert an. Die Sprachkultur und gute Manieren haben die Römer in diesem Teil der Welt dann wohl doch vergessen.
    "Oh, Verzeihung."
    Lucilla schüttelt den Kopf und beschleunigt ihren Schritt, um zu den beiden Männern aufzuholen, um sich an vielleicht interessanteren Gesprächen beteiligen zu können.

    Die Zeit verrint ereignislos, während sich die Karawane weiter ostwärts wälzt. Sekunden, Minuten und Stunden vergehen, ohne, dass sie jemand gezählt, geschweige denn gemessen hätte. Das Dahinrumpeln der Wägen, das Getrappel der Hufe und die wenigen Gespräche der Reisenden werden nur ab und an von einer Rast unterbrochen. Ein Aufenthalt in einer Mansio dagegen kristallisiert sich zum Höhepunkt der Tage heraus. Das viele Grün der Umgebung, das in der Ferne schimmernde Meer und die immerzu gleich anmutende Straße weckt den Durst nach Papyrus und Schrifstücken, so dass selbst Avarus sich nicht zu schade ist, der Inspektion der Mansiones beizuwohnen. Listen werden geprüft, Wachstafeln über Wachstafeln gefüllt mit Notizen und Anmerkungen, Inventar gezählt und geprüft und am Ende sieht es so aus, als wäre alles in bester Ordnung.


    Die nächste Mansio ist zwar nicht mehr an diesem Tag zu erreichen, doch der Tag noch zu jung, als dass man ihn ungenützt verstreichen lassen könnte. Wieder zieht der Nachmittag an den Reisenden vorbei, gleich dem lauen Wind, der vom Meer heran weht. Der Kutscher neben Lucilla schweigt mittlerweile und sie sitzt zurückgelehnt, lässt sich die warme Sonne aufs Gesicht scheinen und genießt jeden Augenblick fern von Rom und fern aller Sorgen, außer der einen, dass ihr Avarus auf seinen Erkundungsritten der Karawane voraus, verloren gehen könnte. Am Abend erreichen sie ein kleines Dorf, nicht weit von Saldae, wo sie das Lager im Schutz der wenigen Häuser aufschlagen. Die Einwohner beäugen sie misstrauisch und meiden die Karawane, schließen ihre Hütten früh am Abend, so dass die Reisenden ebenso gut mitten in der Wildnis hätten rasten können.


    Am folgenden Tag, als sie wieder auf dem Wagen sitzt und die Karawane das Dorf durchquert, entdeckt Lucilla ein Graffiti an einer Steinmauer. "Romani ite domum?" spricht sie laut die Worte aus, die dort an der Wand stehen und wendet sich zu Draba, der neben dem Wagen auf seinem Kamel reitet. "Was soll das bedeuten?" Draba lacht. "Die Leute hier mögen die Römer nicht. Wenige Meilen Richtung Saldae ist das Landgut eines reichen Römers, der die Einwohner für wenig Geld schuften lässt. Ihm gehören alle Felder und Obstplantagen der Region, so dass die Leute von ihm teuer ihr Obst und Gemüse kaufen müssen, mit dem wenigen Geld, das er ihnen für ihre Arbeit gibt. Sie versorgen ihn also doppelt und ich kann schon verstehen, wenn sie die Römer nicht mögen."
    "Oh." Lucilla blickt dem Schriftzug hinterher und sinkt etwas tiefer auf ihrem Wagen zusammen.

    Auch Lucilla denkt in ihrem kleinen Zelt an nichts anderes, als Schlaf, bis sie ausgestreckt auf ihrer Liege liegt. Sie zieht die Decke bis über die Schultern, doch bevor sie noch groß über wilde Banditen und noch wildere Tiere nachdenken kann, ist sie schon eingeschlafen. In ihren Träumen rettet sie Avarus vor einer Horde wilder Löwen, welche jedoch eher Stieren gleichen, und hernach reiten sie gemeinsam auf Kamelen in den Sonnenuntergang, wobei die Kamele eher aussehen wie Pferde mit Höckern.


    Entgegen aller Befürchtungen verläuft die reale Nacht völlig ereignislos, sieht man einmal davon ab, dass eine Kamel mitten in der Nacht unruhig wird, aufsteht, ein paar mal laut blökt, sich dann aber mit mehr oder minder verkniffenem Gesichtsausdruck wieder niederlässt, woraufhin sich die Stille wieder über das Lager senkt und bis zum Morgen nur mehr vom leisen Scharren der Füße und ab und an einigen leisen Worte der aufgestellten Wachen durchbrochen wird.


    Ab dem Zeitpunkt des Sonnenaufgangs kommt Bewegung in das Lager. Die Sklaven fangen an, das Gepäck soweit möglich zusammen zu packen, andere bereiten das kleine Frühstück vor, und wiederum andere holen frisches, kaltes Wasser aus dem Bach. Von der Aktivität angezogen wie eine Motte vom Licht, steht auch Lucilla bald schon in der frischen Morgenluft und drängt Paulus dazu, seinen Herrn zu wecken. Nach einem kurzen Frühstück wird auch das letzte Zelt abgebrochen und die Karawane zieht weiter.

    sfz.


    Ihr mochts mi fertig... vergesst es einfach... Krawutzikraputzi... das können nur Österreicher und ÖsiFak0r nachvollziehen...

    Augenblicklich meldet sich in Lucilla eine innere Stimme zu Wort, welche sie vom Tonfall her sofort Großtante Drusilla zuschreiben würde. Und die jahrelange Erziehung unter der Hand ihrer Großtante hat ihre Wirkung nicht verfehlt, denn noch ehe die innere Stimme ihren Satz beendet hat, spricht ihn Lucilla schon laut aus. "Auf gar keinen Fall."


    Mit dem Gefühl, in ihrem Stolz angegriffen zu sein, nimmt sie sich zum Abschluss des Essens noch einmal ein paar Trauben. Sie ist eine Decima und sie würde sich nicht von irgendwelchen Schauermärchen beunruhigen lassen. Höchstens ein ganz kleines bisschen vielleicht. Nicht, dass sie nichts lieber tun würde, als bei ihrem Verlobten im Zelt und viel lieber noch direkt neben ihm zu schlafen. Doch hier, mitten im Nirgendwo, umgeben von Fremden, kommt sie sich noch beobachteter vor, als dies in der Casa Germanica oder in Rom überhaupt jemals der Fall hätte sein können. Auch darüber könnte sie vielleicht noch hinweg sehen, doch die Werte, die ihr Leben bisher geprägt haben, lassen sich nicht so einfach bei Seite wischen.


    "Bitte frag mich das nicht wieder auf dieser Reise." Sie senkt ihren Blick und spielt mit zwei Trauben in ihrer Hand. Ihre Stimme ist fast nur noch ein Flüstern, als sie weiterspricht. "Denn ich weiß nicht, ob ich dann noch einmal nein sagen könnte, auch wenn ich weiß, dass es nicht sein darf."

    Mit jedem seiner Worte über Banditen und wilde Tiere werden Lucillas Augen etwas größer und es lässt sich nicht vermeiden, dass sie sich plötzlich wie eine einfältige Römerin fühlt und den Angstschweiß im Nacken spürt. Da nützt auch Avarus Scherz nicht mehr viel, sie blickt ihn mit gerunzelter Stirn und leicht bösem Blick an. "Darüber reden wir noch einmal, wenn du morgen früh aus deinem Zelt trittst, und ganz alleine auf weiter Flur stehst, weil sie dir in der Nacht deine Karawane und dein Frau geklaut haben."


    Sie greift nach einem Stück Brot und kaut nachdenklich darauf herum. Sie würde es niemals zugeben, doch in der Nacht würde sie wahrscheinlich nun nicht mehr mit Ruhe schlafen können. Bis der wahre Germane bei ihr wäre, hätten die wilden Bestien sie längst zerrissen und zudem ist es kein Geheimnis, dass er nicht gerade mit dem Schwert erprobt ist. Wer weiß schon, wie gut die übrigen Männer sind und der tapfere Ambrosius als letztes Hindernis würde ganz sicher nichts und niemanden aufhalten. Ihre Gedanken kreisen weiter um die Gefahren der Fremde, landen schließlich bei den eher subtilen, wie Skorpione und Schlangen. Wer würde in der Nacht aufpassen, dass sich kein Getier in ihre Nähe schleicht?


    Mit einem mal gibt es keinen Ort, an dem Lucilla nun nicht lieber wäre, als hier, fern von Rom, fern von allem, was sicher ist. Sie kommt sich vor wie auf dem Präsentierteller, wie im Sand der Arena, nur noch darauf wartend, was aus den Toren heraus kommt: wilde Bestien oder wilde Banditen. Mit einem leichten Seufzen greift sie nach dem Becher und trinkt einen Schluck verdünnten Wein. Schließlich isst sie schweigend weiter.

    Auch Lucillas Blick spiegelt ihre Gedanken genau wieder, denn ihre Augen glühen nur so vor Selbstbewusstsein. "Nur, wenn du mich verhandeln lässt." Ein schelmisches Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. "Oder zumindest, nur, wenn du nicht ohne mich verhandeln willst. Eine zweite Sorte Marmor würde sich in meinem Sortiment sicher gut machen. Und vielleicht findet sich ja auch ein Architekt, der auf Dauer mit dem guten Decima-Marmor bauen möchte." Sie nimmt sich noch ein paar Trauben und blickt nachdenklich auf die Früchte in ihrer Hand. "Es ist zwar nicht wahr, was du einst über meinen Marmor gesagt hast, dass er im Lager liegen bleiben würde, aber etwas mehr Absatz könnte dem Geschäft schon nicht schaden." Die Wahrheit ist natürlich, dass das Geschäft recht schleppend voran geht. Doch dies ist nicht nur beim Marmorverkauf der Fall, und solange die Wirtschaft Roms allgemein eher stagniert und zumindest die Hühnerfarmen noch gut laufen, würde sich Lucilla keine großen Sorgen machen.


    Ein Sklave kommt herein und bringt eine Platte mit Essen herbei. Die Vielfalt nimmt mit jedem Tag mehr ab, vom üppigen Bankett, über die Auswahl in der Mansio in Caesarea, bis zum einfachen Mahl im Zelt. Und dennoch, nachdem der Sklave das Zelt wieder verlassen hat und sich der Eingang des Zeltes wieder geschlossen hat, gäbe es keinen Ort, an dem Lucilla nun lieber wäre, fern von Rom, fern von allem, was sonst so wichtig scheint. Sie nimmt sich etwas von dem Essen, stellt den Teller jedoch vorerst vor sich ab und lauscht in die anbrechende Nacht hinein. "Man könnte meinen, wir wären ganz alleine hier." flüstert sie leise, mit einem verschmitzten Leuchten in den Augen.

    Am Fuß des kleinen Plateaus deutet der Wagenfahrer nach vorne hinauf. "Da rasten wir! Wenig Mücken, trotz Wasser." Lucilla folgt mit ihrem Blick seinem ausgestreckten Arm und sieht auf der Kuppe Avarus Kamel stehen, doch ihren Verlobten ersteinmal nicht. Sorge kommt in ihr auf, den ganzen Tag schon hatte er sich immer wieder ein Stück von der Gruppe abgesetzt , Drabas Hinweis ignorierend, dass der Weg für einen einzelnen Reiter nicht immer ungefährlich ist. Doch als sie dem Wasserlauf näher kommen, erkennt sie Avarus, der daneben sitzt und abwesend in den Himmel blickt.


    Die ganze Karawane hält an und einer der Führer kommt zum Wagen. "Wir werden hier für die Nacht rasten." Lucilla blickt sich suchend um. "Wo hier?" Der Führer lacht fröhlich und breitet die Arme aus. "Na hier. Alles was du siehst gehört für diese Nacht dir, Herrin. Wir werden Zelte aufbauen, es wird euch an nichts fehlen." Lucilla lächelt vage und versucht einen allzu skeptischen Blick zu vermeiden. "Natürlich." Sie lässt sich vom Wagen hinunter helfen und geht zu der Wiese hin, auf der Avarus sitzt. Hinter ihr fangen die Sklaven an, das Gepäck abzuladen.


    Sie streicht sich das Kleid glatt und setzt sich neben ihn ins Gras. "Wir werden hier übernachten, in Zelten. Wie bei den Legionären." Aufregung klingt in ihrer Stimme mit. Sie lässt ihren Blick über die Gegend schweifen, bis er an der langsam untergehenden Sonne hängen bleibt. Ein zufriedenes Seufzen entkommt ihr und einen Augenblick ist sie versucht, sich an Avarus anzulehnen. Alles, was sie sieht, gehört in dieser Nacht ihr, hat der Führer gesagt. Das schließt auch ihren Verlobten ein. 8) "Es ist schön hier. Ich hätte nie gedacht, dass es in Africa so grün ist. Ich kannte bisher nur immer Geschichten über Wüste und dürres Land."


    Es dauert nicht lange, dann stehen auf dem Plateau zwei Zelte. Sie sind in etwa so groß, wie ein kleines Haus und man kann bequem in ihnen aufrecht stehen. Ein kleiner, drahtiger Africaner kommt zu Avarus und Lucilla hin und verbeugt sich ein Stück. "'err, 'errin, das 'aus ist fertig, i'r könnt nun essen."


    Eines der Zelte ist komplett für Lucilla 'reseviert'. Das andere, etwas größere ist durch Stoffbahnen in zwei 'Zimmer' aufgeteilt. Im hinteren Bereich wurden Avarus Reisekisten untergebracht, außerdem steht eine Waschgelegenheit und ein Bett für den Legatus bereit. Im vorderen Teil des Zeltes warten ein kleiner Tisch und zwei Klinen aus Holz. Die Szenerie wird durch Fackeln vor und einige Öllampen im Zelt erleuchtet.
    "Und ich habe mich schon gewundert, warum wir so viel Gepäck haben." Lucilla lässt sich auf einer Kline nieder und zieht die bereitstehende Schüssel mit Trauben zu sich heran.