Beiträge von Decima Lucilla

    Schon beim Gedanken an Frühstück wird Lucilla ganz schlecht. "Ja, ich komme dann."


    Sie fühlt sich vollkommen zerknittert und bleibt ersteinmal eine Weile sitzen. Dann, irgendwann, steht sie auf und bereut es sofort. Das Atrium dreht sich schon wieder und hört auch nicht damit auf, als sie die Augen schließt. "Nie wieder germanischen Wein..." Sie zwingt sich dazu, das Atrium mit offenen Augen zu durchqueren und wendet sich an die Sklavin, auf dass sie ihr zeigt, wo ein Balneum zum waschen ist. Und irgendwie schafft sie es anschließend sogar, ihr zu folgen. 8)

    Dass Avarus erwachsen ist, mag ja sein, doch Lucilla ist sich absolut nicht sicher, welche Dummheit sie begangen haben könnte. Das einzige mal, dass sie in einem ähnlichen Zustand erwacht ist, war damals am Tag nach dem Einzug der Legionen in Tarraco.
    "Na gut." kommt es ihr schließlich über die Lippen, auch wenn sie noch lange nicht sicher ist, dass es in Ordnung war. Doch der Triumphzug in ihrem Kopf lässt vorerst alles nebensächlich erscheinen.


    "Ist der germanische Wein immer so? Pocht dein Schädel auch so? Hört das irgendwann wieder auf? Ouuu..." Sie beginnt damit die Schläfen zu massieren. Wahrscheinlich ist dies die gerechte Strafe, denn die Götter sehen alles.

    Lucilla wendet sich hektisch zu ihm herum. "Halb neben und aufeinander geschlafen?" Ein hysterischer Unterton liegt in ihrer Stimme, welche recht schnell jedoch wieder in ein Stöhnen übergeht. Sie fasst sich erneut an den Kopf und verzieht das Gesicht.


    "Das darf alles nicht wahr sein..." Der Tofall ihrer Stimme geht nun eher in eine weinerliche Richtung. Wenn nur diese Kopfschmerzen nicht wären und dieser flaumige Geschmack auf der Zunge, der alle anderen Empfindungen zu überdecken scheint.


    "Ich kann mich nur noch an Sänften mit Fußbodenheizung erinnern..." Sie lässt die Händer von ihrem Gesicht sinken und blickt Avarus mit einer Mischung aus Vorwurf und Verzweiflung an. "Schwöre mir, schwöre beim Stein des Jupiter, dass nichts passiert ist. Bitte!"

    Das erste, was Lucilla spürt, als sie am nächsten Morgen erwacht, ist ein starkes Pochen in ihrem Kopf. Das nächste ist etwas unnatürlich Warmes hinter ihr. Stöhnend dreht sie sich um und schlägt die Augen auf. Und sieht Avarus.


    "Avarus!?" 8o


    Dass sie es laut ausgesprochen hat, merkt sie, als ein stechender Schmerz durch ihren Kopf zieht. Sie greift sich an die Stirn, schlägt hastig die Decke zurück und setzt sich auf. Alles dreht sich um sie herum.


    "Meridius wird mich umbringen..." murmelt sie leise vor sich hin. "Drusilla wird mich umbringen. Alle werden mich umbringen..." Sie schlägt auch die zweite Hand vors Gesicht. "Und mein Kopf wird mich als erstes umbringen. Was habe ich nur getan. Oh ihr Götter, lasst das alles nicht wahr sein... lasst das nicht wahr sein..."

    "Ach was," winkt Lucilla ab. "Er hat mich heute nur auf dem falschen Fuß erwischt, du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen." Lucilla muss an sich halten, in der Kälte nicht zu nah an Avarus heranzurücken.

    "Ach, auf meine Erinnerung brauchst du in dieser Hinsicht nichts zu geben." beschwichtigt Lucilla ihn lächelnd. "Ich bin froh, wenn ich weiß, wer momentan im Cursus Honorum sitzt und vielleicht noch den vorherigen. Aus dem Rest mache ich mir nicht so viel."


    Mit seiner nächsten Frage ist es nun Victor, der Lucilla in Verlegenheit bringt. Zum Glück kommt gerade in diesem Augenblick der Wirt mit dem Wein zurück, schenkt ihnen ein und blickt sie dann erneut fragend an.


    "Was darf ich den Herrschaften zu Essen bringen? Neben den üblichen Leckereien bieten wir heute vor dem Hauptgang ganz ausgezeichneten frischen Seeigel oder Drosseln unter Spargel, zum Hauptgang Kopfstück vom Eber, dieser wurde erst heute morgen erlegt, gebackenes Mastgeflügel auf saurem Kohl oder Lammbraten mit grünen Kräutern und rotem Beerenmus."


    Lucilla blick ein wenig ratlos ob der Leckereien, da sie ja eigentlich seit ihrem Officium schon an den guten Honigbraten denkt. Doch Spontanität war schon immer eine ihrer Stärken.
    "Für mich bitte den Lammbraten mit Kräutern und Beerenmus."

    "Was...? Ich will gar nichts los werden..." Lucilla kann weder dem Gedankengang noch Avarus Worten richtig folgen. Nur seine Hände sind noch wichtig, die ihre Schultern durchkneten. "Ich werde dir alles berichten..." murmelt sie vor sich hin und sinkt bald langsam entspannt zurück, so dass er schließlich gezwungen ist, mit der Massage aufzuhören. Müdigkeit legt sich über Lucilla wie eine schwere Decke und sie kann kaum noch die Augen offenhalten. Doch die Notwendigkeit des Augen Offenhaltens erschließt sich ihr eh auch nicht mehr, den Kopf an Avarus Brust gelehnt nähert sie sich langsam aber sicher dem Reich des Schlafes.

    Lächelnd hakt sich Lucilla unter und schließt die Tür des Officiums, als sie auf den Gang hinaus treten. Sie bringt ihren Kopf etwas näher an den von Avarus und flüstert leise. "Das war übrigens der Magister Memoriae."

    Grinsend schaut sie ihn an. "Das sagst du doch jetzt nur so. Nein, nein, es muss einen Grund geben. Ich meine, die kennen mich doch gar nicht. Ich könnte genauso gut eine wilde Furie sein." Sie lockert ihre Schultern, dreht den Kopf ein wenig und genießt Avarus Berührung. "Mhmmm..."


    Als der Wein nachgeschenkt ist, nimmt sie den Becher in die Hand. "Von den anderen Praefecti hat dir nie einer erzählt, dass er bestochen wurde?" Sie trinkt einen Schluck und schüttelt den Kopf. "Ach so, natürlich nicht... das wäre ja widersinnig." Sie seufzt. Das ganze beschäftigt sie doch mehr, als sie zugeben will, vor allem an diesem Abend. Vielleicht ist es so, wie Avarus sagte. Also müsste sie doch das 'Verheiratet.'-Schild an ihre Officiumstür hängen. Doch was würde es schon ändern, sie könnte genauso gut schon verheiratet sein, es fragt ja doch keiner nach. Die Welt ist einfach ungerecht.

    "Ach, da hast du's ja gut. Vielleicht werd ich doch irgendwann noch Legatus Augusti Cursu Publico. Dann muss man bei mir auch einen Termin machen. Aber es ist wirklich wahr..."
    Lucilla setzt sich auf und dreht sich um, so dass sie Avarus ansehen kann. "Ständig passiert mir das. Andauernd! Also, dass irgendjemand in mein Officium kommt und mich zum Essen einläd. Ich meine, was versprechen die sich davon? Ich muss doch eine genaue Liste über die Versandgebühren führen, ich kann ihre Briefe nicht günstiger versenden."


    Sie schaut Avarus empört an. "Und überhaupt, dass sie glauben, damit durchzukommen. Wobei zwanzig Sesterzen doch wirklich nicht zu viel sind. Und wenn doch, dann müssen sie halt einen Normalbrief schicken..." Sie schüttelt den Kopf. "Mich in soetwas hineinziehen zu wollen! Betrug im Cursus Publicus. Unglaublich!"


    Aufgebracht nimmt Lucilla den Becher und trinkt ihn aus. "Gibt es noch Wein?"

    Lucilla will gerade Constantius noch etwas antworten, als Avarus ins Officium schneit.


    "Avarus," lächelt sie erfreut und wirft einen Blick auf das Stundenglas. "Ist es schon so spät? Ach herrje, diese Listen aus den Mutationes auf Sizilia sind ein einziges Durcheinander." Sie legt die Feder beiseite, schließt das Tintenfass und blickt noch einmal zu Constantius.


    "War das alles, oder kann ich noch etwas für dich tun?"

    "Männer, die Helden sein wollen, braucht eine Frau nicht ernst zu nehmen. Sie mögen in der Geschichte einen Platz einnehmen, im Leben haben sie selten einen."


    Als Lucilla bemerkt, dass ihr Tonfall schroffer war, als beabsichtigt, blickt sie auf das Pergament, welches seitlich vor ihr auf dem Schreibtisch liegt und noch immer auf Bearbeitung wartet. Sie blickt auf und versucht zu lächeln, doch gelingen will es ihr nicht ganz. "Bitte entschuldige, doch ich habe noch viel Arbeit vor mir." Sie nimmt das Pergament zur Hand und taucht die Feder ins Tintenfass.

    "Diplomatischer? 'Kommt ins Imperium oder wir werden euch holen?' Ich glaube nicht, dass es wirklich einen Unterschied machen würde. Hinter der Grenze würde der Brief wahrscheinlich ziemlich schnell in einem Feuer landen. Und wenn es bekannt würde, würde man dich entweder deines Postens entheben, weil man dich für verrückt hielt, oder du würdest in den Cacer der Castra Praetoriae wandern."


    Lucilla legt ein vollkommen nichtssagendes Gesicht auf. "Dabei bedenke, der Cursus Publicus untersteht dem Praefectus Praetorio. Außerdem braucht dieses Imperium nicht noch mehr Helden, es bräuchte viel eher mal mehr soliden Verstand."

    "Ich befürchte, dann müsste ich dich unverrichteter Dinge wieder fort schicken. Der Cursus Publicus transportiert nur Sendungen innerhalb des Imperiums. Von Außerhalb kommen zwar manchmal Postsäcke mit Briefen aus den verschiedensten Regionen, welche wir dann auch weiter im Reich verteilen, doch selbst verlassen wir die Grenzen des Imperiums nicht."

    "Die kaiserliche Verwaltung ist sicher die schlimmste von allen." spekuliert Lucilla, erwartet jedoch keine Antwort darauf. Sicherlich ist es bei ihm wie bei den Praetorianern, wenn er etwas darüber erzählen würde, müsste er sie gleich im Anschluss umbringen. Maior erzählt ja auch nie viel über seine Arbeit, ebenso wenig wie vor ihm Martinus und vor ihm Mercator.


    Dann grinst sie wieder. "Ja, bald brauchst du nur noch hereinlaufen, die Briefe und die Sesterzen auf den Tisch legen und wieder gehen. Ich werde ganz automatisch die Briefe auf die Normalbriefstapel sortieren und gar nicht merken, dass du überhaupt da gewesen bist."


    Sie nimmt die Sesterzen entgegen und legt sie in die Kasse.

    Lucilla lächelt hintergründig. "Wenn ich wüsste? Ich weiß schon, wie es in der übrigen Verwaltung aussieht, ich war eine Zeit lang Magistrat in Tarraco und in der Provinzcurie. Es ist überall das gleiche."


    Sie sortiert die Briefe auf die Normalbriefstapel. "Das macht dann 10 Sesterzen, wie immer."

    "Salve Magister," lächelt Lucilla. "Viel zu tun, wie immer. Diese ganze Verwaltung ist das Schlimmste. Und jetzt im Winter kommen die Berichte aus den Mansiones und Mutationes ständig verspätet oder nur noch unregelmäßig."


    Sie nimmt die beiden Schreiben in Empfang. "Normal- oder Eilbriefe? Und hast du schon einmal über eine Wertkarte nachgedacht? Dann müsstest du nicht jeden Tag vom Palast herüberlaufen, sondern könntest einen Sklaven mit den Briefen schicken."

    "Das hört sich geradezu außerordendlich verlockend an. Zu verlockend um es abzulehnen. Und schon Großtante Drusilla hat immer gesagt, Lucilla, hat sie gesagt, gehe nie bei Nacht durch die Gassen Roms, denn dort lautert nur..."
    Lucilla legt die Stirn in Falten und versucht sich angestrengt daran zu erinnern, was dort laut ihrer Großtante noch eben lauert. Es hatte sich auf jeden Fall auf Rom gereimt. Oder war der erste Teil doch anders? Irgendwie fällt es Lucilla zunehmend schwerer ihre Gedanken beieinander zu halten und es wird auch durch ein weiteres Schlückchen Wein nicht leichter.
    Daher zuckt sie schließlich mit den Schultern und macht eine wegwerfende Handbewegung. "... ist ja egal, was da lauert. Auf jeden Fall war es nichts Gutes und so werde ich dein Angebot wohl annehmen müssen, will ich mir nicht den Zorn des Dra... ähm... Drusillas aufladen."


    Wenn sie ehrlich ist, muss Lucilla sich eingestehen, dass ihr nun eher ziemlich heiß wird und dass sie wahrscheinlich nichteinmal mehr merken würde, wie kalt es draußen ist. Zum Glück hat sie sich aber nun eh schon entschieden, also braucht sie es auch nicht weiter zu erwähnen. Fasziniert beobachtet sie daher das Formenspiel der Flüssigkeit in ihrem Weinbecher, der schon wieder fast geleert ist.


    "Ach, einen Gruß sollte ich dir ja noch ausrichten. Vom Magister... Memm... Memoriae glaub ich. Claudius... irgendwas... Er bringt immer Briefe..." Sie stockt kurz. "Nein, kein Gruß, Neid war es." Ein verwirrtes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. "Passiert es dir eigentlich auch ständig, dass dich wildfremde Leute, die in dein Officium kommen, zum Essen einladen?"

    Den ganzen Tag schon hat sich Lucilla mit unliebsamen Arbeiten beschäftigt. Zwar müssen auch diese irgendwann einmal getan werden, da sie keineswegs unwichtig sind, doch das macht sie nicht wirklich angenehmer. Als es endlich an der Tür klopft schiebt sie, erfreut über die kleine Pause, das Pergament vor sich weg und blickt auf.


    "Ja, bitte!"